Das Bundesarbeitsgericht zweifelt. Und legt die Kündigung einer Hebamme schon vor Arbeitsantritt aufgrund ihres Kirchenaustritts dem EuGH vor. Die Lösung wäre einfach

Dass die katholische und evangelische Kirche in Deutschland den einbalsamierten Status von faktischen Staatskirchen haben in einem Land, in dem Staat und Kirche angeblich getrennt sein sollen, ist seit Jahren nicht nur mit Blick auf die enormen Zahlungen aus allgemeinen Steuermittel beispielsweise für das Leitungspersonal der Kirchen (mit der Begründung, wegen der Enteignung von Kirchengütern zu napoleonischen Zeiten müsse man auch heute noch Reparationen leisten) in der Kritik, sondern auch und gerade aufgrund der erheblichen Bedeutung der Kirchen bzw. kirchlich gebundener Träger im Sozial- und Gesundheitswesen als ganz großer Arbeitgeber hinsichtlich der weitreichenden Sonderrechte, die seitens der kirchlichen Arbeitgeber (pardon: richtigerweise muss es in der kirchlichen Terminologie „Dienstgeber“ heißen) gegenüber ihren „Dienstnehmern“ ausgeübt werden können – und die beispielsweise den hunderttausenden Beschäftigten in Kitas und Kliniken das elementare Streikrecht vorenthalten. Und immer wieder regt man sich verständlicherweise darüber auf, wenn Beschäftigte aufgrund ihres rein privaten Lebenswandels, der den Kirchenoberen nicht gefällig ist, sogar ihren Job verlieren (zugleich feiert eine abgrundtiefe Doppelmoral hier schon seit vielen Jahren ein fröhliches Fest, denn in zahlreichen anderen Fällen, beispielsweise bei der Besetzung wichtiger Stellen in Kliniken, drückt man beide katholischen Augen ganz feste zu, auch wenn es der Chefarzt ganz wild treibt mit der/den Ehe/n).

Der absolut nachvollziehbare Druck der öffentlichen Ablehnung dieses bigotten Verhaltens hat gewirkt – in Wahrheit ist der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel wohl von entscheidender Bedeutung, dass man selbst in der katholischen Trutzburg (die Evangelen waren und sind ja schon immer verlotterter, was die kirchlichen Vorstellung von einem gottesfürchtigen Leben angeht) ein Einsehen haben musste. Das Ergebnis sind dann solche Meldungen: »Die katholischen Bischöfe haben einen Entwurf zur Reform der „Grundordnung“ des kirchlichen Dienstes vorgelegt. Unter anderem soll die private Lebensgestaltung kirchlicher Mitarbeiter künftig kein Grund mehr für eine Entlassung sein«, berichtet Anfang Juni dieses Jahres Johannes Reichard unter der vielversprechenden, gleichsam erlösend daherkommenden Überschrift Kirche: Privatleben soll kein Grund mehr für Entlassung sein. Also hat das jetzt alles ein Ende? Aufgepasst – bei solchen Sachen ist es wie mit Versicherungen (oder Banken): auf das Kleingedruckte kommt es an. Es geht hier um die sogenannte „Grundordnung“ des kirchlichen Dienstes, die vorgibt, wer für die katholische Kirche arbeiten kann und unter welchen Bedingungen. Vgl. dazu den Entwurf einer neuen Grundordnung vom 6. Mai 2022 sowie – wer es braucht – die Bischöflichen Erläuterungen zum kirchlichen Dienst vom 27. Mai 2022.

»Mit dem Entwurf für die Änderung dieser Grundordnung, den die deutschen katholischen Bischöfe nun vorgelegt haben, wird ein Reformschritt gewagt: Die private Lebensgestaltung der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll künftig nicht mehr Grund für eine Entlassung sein. In dem Text, den eine Arbeitsgruppe der Bischöfe unter Vorsitz von Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln ausgearbeitet hat, heißt es wörtlich: „Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen.“« Die Reform sei ein echter Fortschritt für die 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche, so Gabriele Stark-Angermeier vom Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, die von einem „kompletten Paradigmenwechsel“ spricht. Und es sind ja echte Perspektiven, die da betont werden: »Die Caritas betreibt Kindergärten, Altenheime, Förderstätten für Menschen mit Behinderung, Beratungsstellen für Migranten, Schuldner und Drogenabhängige. Mit 700.000 Angestellten ist der katholische Wohlfahrtsverband der größte katholische Arbeitgeber in Deutschland. Sie Sie alle müssen nicht mehr fürchten, entlassen zu werden, wenn sie offen homosexuell sind oder wiederverheiratet mit einem neuen Partner zusammenleben.«

Aber: »Es ist noch nicht klar, ob der Entwurf überhaupt eine Mehrheit unter allen deutschen Bischöfen finden kann. Das zeigt sich erst im Herbst, wenn die Deutsche Bischofskonferenz über die Reform abstimmt.«

Sollte der Entwurf einer neuen Grundordnung im Herbst abgesegnet werden und infolgedessen beispielsweise eine gleichgeschlechtliche Beziehung von Menschen, die in katholischen Kitas oder Kliniken arbeiten, nicht mehr mit dem Damoklesschwert des kündigungsrechtlichen Scheiterhaufens verbunden sein, so sollte man eines gleich zu den Akten legen: Auch wenn man einfach nur mit dem, was man gelernt hat, in einer Einrichtung wie einem in katholischer Trägerschaft befindlichen Krankenhaus arbeiten möchte, wo man fachlich (und auch menschlich) das gleiche macht wie in einem kommunalen oder gewinnorientierten, börsennotierten Krankenhaus – man muss dennoch Mitglied der katholischen Kirche sein, obgleich das beispielhaft zitierte Krankenhaus zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert wird und möglicherweise das einzige Katholische, was man dort zu sehen bekommt, ein Kruzifix am Haupteingang vor dem Empfangstresen ist. Denn in Art. 6 des Entwurfs einer neuen Grundordnung heißt es unter der Überschrift „Anforderungen bei der Begründung des Dienstverhältnisses“ im Absatz 5 unmissverständlich: »Wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, wird nicht angestellt.« Nun gibt es schon einen erheblichen Unterschied zwischen „kirchenfeindlichen Verhalten“ (vgl. hierzu § 7 Abs. 3 des Entwurfs) und dem Austritt aus der katholischen Kirche, denn so etwas soll selbst und gerade bei strenggläubigen Menschen passieren können und nur, weil man ausgetreten ist aus dem Verein muss man ja nun nicht automatisch kirchenfeindlich agieren. Das weiß man natürlich auch im Verwaltungsapparat des heiligen Stuhls und deshalb muss man die Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 im Zusammenhang lesen mit dem Art. 7 Abs. 4: »Bei katholischen Mitarbeitenden führt der Austritt aus der katholischen Kirche in der Regel zu einer Beendigung des der Beschäftigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. Von einer Beendigung kann in diesen Fällen ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.«

Was hat nun die restriktive Mitgliedschaftsregelung mit dem Bundesarbeitsgericht zu tun und warum will man das sogar beim EuGH auf den Tisch legen?

Unter der Überschrift Kündigung einer Hebamme wegen Austritts aus der katholischen Kirche vor Begründung des Arbeitsverhältnisses teilt uns das Bundesarbeitsgericht am 21. Juli 2022 mit: »Das Bundesarbeitsgericht ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Auslegung des Unionsrechts zur Frage, ob ein der katholischen Kirche zugeordnetes Krankenhaus eine Arbeitnehmerin allein deshalb als ungeeignet für eine Tätigkeit ansehen darf, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, auch wenn es von den bei ihm tätigen Arbeitnehmern im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören.«

Hier werden wir nicht nur mit dem höchst selektiven Rechtsverständnis einer Einrichtung in katholisch gebundener Trägerschaft konfrontiert (man könnte es auch als das bezeichnen, was sich hier offensichtlich Bahn bricht: Doppelmoral), sondern wir werden Zeugen, dass selbst das höchste deutsche Arbeitsgericht letztendlich den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Hilfe rufen muss, um einen bestimmten Teil des kirchlichen Sonderarbeitsrechts zur Disposition zu stellen.

Schauen wir uns zuerst einmal den Sachverhalt und den bisherigen Verfahrensablauf an:

Hebammen drinnen und draußen: »Die Beklagte ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen und betreibt unter anderem ein Krankenhaus in Dortmund. Die Klägerin war bei ihr bis Mitte 2014 als Hebamme beschäftigt. Im Anschluss daran machte sie sich selbständig. Im September 2014 trat die Klägerin aus der katholischen Kirche aus. Bei einem neuerlichen Einstellungsgespräch im Frühjahr 2019 wurde ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht thematisiert. Den ihr übersandten und vom Krankenhaus bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag reichte die Klägerin zusammen mit einem Personalfragebogen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses an die Personalabteilung der Beklagten zurück. In dem Personalfragebogen hatte die Klägerin den Austritt aus der katholischen Kirche angegeben. Nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie wieder zu einem Eintritt in die katholische Kirche zu bewegen, erfolglos blieben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26. Juli 2019 zum 31. August 2019. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Krankenhaus konfessionslose Mitarbeiter, die nicht zuvor katholisch waren, auch als Hebammen.«

Die Betroffene zog vor das Arbeitsgericht Dortmund mit einer Kündigungsschutzklage. Dort hatte sie Erfolg: die Kündigung vor Arbeitsantritt wurde zurückgewiesen (vgl. ArbG Dortmund, Urteil vom 09.01.2020 – 4 Ca 3024/19).

Warum das Arbeitsgericht Dortmund die Kündigung zurückgewiesen hat

Dazu aus der Urteilsbegründung des ArbG Dortmund: »Die Beklagte hält die Klägerin aufgrund der Tatsache, dass sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, für die Tätigkeit einer Hebamme nicht geeignet … Motiv für die … Kündigung ist somit der im Jahr 2014 erfolgte Kirchenaustritt der Klägerin und ihre Weigerung, wieder in die katholische Kirche einzutreten. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht gegen die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ … und die dort geregelten Loyalitätsobliegenheiten verstoßen hat.«

Dann folgt eine Verbeugung vor der bisherigen Rechtsprechung: »Die erkennende Kammer verkennt nicht, dass Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zu Grunde zu legen haben. Es bleibt grundsätzlich den Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündung erfordert“ und welche die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind bzw. was ggf. als schwerer Verstoß als diese anzusehen ist (BVerfG vom 04.06.1985, 2 BVR 1703/83). Ein kirchlicher Arbeitgeber kann – anders als ein säkularer Arbeitgeber – von den Arbeitnehmern, die Funktionsträger in den Kirchen sind, die Einhaltung der wesentlichen kirchlichen Grundsätze verlangen. Ein kirchlicher Arbeitgeber handelt deshalb nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB, wenn er einem Arbeitnehmer kündigt, der die wesentlichen kirchlichen Grundsätze nicht lebt, akzeptiert und nicht bereit ist, sie einzuhalten (BAG v. 16.09.2004, 2 AZR 447/03).«

Aber, so das ArbG: »Vorliegend verstößt die Klägerin aber nicht gegen die sich aus der Grundordnung ergebenen Loyalitätsobliegenheiten.« Warum?

»Gemäß Artikel 5 Abs. 2 Ziffer 2 a) der Grundordnung stellt es einen Verstoß gegen Loyalitätsobliegenheiten dar, wenn katholische MitarbeiterInnen aus der katholischen Kirche austreten. Bei der Klägerin handelt es sich aber nicht um eine „katholische Mitarbeiterin“ im Sinne von Artikel 4 Abs. 1 und Artikel 5 Abs. 2 Nr. 2 der Grundordnung. Denn die Klägerin war schon vor der Einstellung bei der Beklagten, nämlich schon im Jahr 2014, aus der katholischen Kirchen ausgetreten. Gemäß Artikel 4 Abs. 2 der Grundordnung wird von nicht katholischen christlichen MitarbeiterInnen erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen. Dass die Klägerin diese Erwartungen nicht erfüllt, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Im Gegenteil: Der katholische Pfarrer am St. K-Hospital, N., teilte dem Personalleiter I. in der E-Mail vom 24.05.2019 ausdrücklich mit, dass es sich bei der Klägerin um eine religiös geprägte Mitarbeiterin handele und dass es schade wäre, eine solche Mitarbeiterin zu verlieren. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin, die bereits zuvor schon in dem Zeitraum 1994 bis 2014 beanstandungslos für die Beklagte als Hebamme tätig war, die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllt und die Werte des Evangeliums achtet.«

Es kommt noch besser, denn wenn einer gegen die Grundordnung verstoßen hat, dann der Arbeitgeber selbst: »Es ist vielmehr die Beklagte selbst, die gegen die Grundordnung verstößt. Denn nach Artikel 3 Abs. 5 der Grundordnung hat der kirchliche Dienstgeber vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen/Bewerber sicher zu stellen, dass sie die für sie geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Artikel 4 der Grundordnung) erfüllen. Nach der – von der Beklagten unbestritten – Erklärung der Klägerin im Kammertermin vom 09.01.2020 hat sie das Einstellungsgespräch mit der leitenden Hebammen geführt, die weder über Loyalitätsobliegenheiten aufgeklärt hat noch sich vergewissert hat, dass die Klägerin diese Loyalitätsobliegenheiten erfüllt. Vielmehr ist in dem Gespräch über die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche überhaupt nicht gesprochen worden.«

Man kann sich vorstellen, dass die vor dem Arbeitsgericht unterlegene Arbeitgeberin diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen wollte – man ging in Berufung und zog vor das Landesarbeitsgericht.

Das Landesarbeitsgericht Hamm bringt dann wieder die katholische Welt in Ordnung und weist die Kündigungsschutzklage zurück

Der Erfolg der Klägerin vor dem Arbeitsgericht war nur von kurzer Dauer – das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage gegen den Krankenhausträger abgewiesen (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24.09.2020 – 18 Sa 210/20). Dort findet man u.a. dieses klare Bekenntnis der Richter zum Eigenleben der Kirche:

»Unter der Beachtung des Selbstverständnisses der katholischen Kirche stellt es eine gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, die Ausübung der Tätigkeit einer Hebamme davon abhängig zu machen, dass ein Austritt aus der katholischen Kirche nicht erfolgt ist.«

Das LAG bezieht sich dabei auf Grundsätze des BAG in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH, gemeint ist hier BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 „Berufliche Anforderung einer Kirchenmitgliedschaft“.

Wenn man so ausdrücklich Bezug nimmt auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dann wird eine Berufung gegen die Entscheidung des LAG sicher scheitern. Oder doch nicht?

Der Ball landet beim Bundesarbeitsgericht und die haben nun Zweifel

Dem Bundesarbeitsgericht kommen nun aber offensichtlich Zweifel an der „geschlossenen“ deutschen Rechtsprechung zum Sonderrecht der Kirchen. Anders ist das nicht zu verstehen:

»Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Verfahren über die Revision der Klägerin ausgesetzt und den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts ersucht. Es bedarf der Klärung, ob die Ungleichbehandlung der Klägerin mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen ua. wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.«

Und wie lauten die Fragen, die man nun per Post nach Luxemburg an den EuGH geschickt hat? Dazu Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 2 AZR 130/21 (A):

  1. Ist es mit Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) im Licht von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta), vereinbar, wenn eine nationale Regelung vorsieht,
    dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht,
    a) Personen als ungeeignet für eine Beschäftigung in ihren Diensten erachten darf, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder
    b) von den für sie arbeitenden Personen verlangen darf, dass sie nicht vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder
    c) den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen darf, dass eine für sie arbeitende Person, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten ist, dieser wieder beitritt,
    wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Religionsgemeinschaft anzugehören?
  2. Sofern die erste Frage bejaht wird: Welche gegebenenfalls weiteren Anforderungen gelten gemäß der RL 2000/78/EG im Licht von Art. 21 der Charta an die Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung wegen der Religion?

Wir dürfen gespannt sein, welche Antwort in ein paar Monaten vom EuGH zurück nach Deutschland gekabelt werden.

Die Lösung liegt so nah

Dabei wäre die Lösung solcher und vieler anderer Fälle doch ganz einfach und man könnte sich so viel Ärger und Nöte bei den Menschen und Kosten im System ersparen, wenn man endlich das kirchliche Sonderarbeitsrecht für die vielen Einrichtungen, in denen hunderttausende (eigentlich normale) Beschäftigte ihr Lohn und Brot verdienen und die übrigens so gut wie alle genau so aus öffentlichen Mitteln finanziert werden wie andere Einrichtungen in kommunaler oder privater Trägerschaft auch, einfach abschafft. Die gleichen Arbeitsrechte wie die anderen „normalen“ Arbeitnehmer auch. Und natürlich auch das Streikrecht. Es wäre schon längst an der Zeit gewesen, diesen Schritt zu vollziehen.

Und wir haben doch seit Ende des letzten Jahres eine neue Koalitionsregierung aus Parteien, die dem genannten Ansinnen offen gegenüberstehen (müssten), aus deren Reihen in den vergangenen Jahren immer wieder auch diese Forderung vorgetragen wurde.

Also schauen wir in den Koalitionsvertrag 20212025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom 7. Dezember 2021.

Dort finden wir unter der Überschrift „Mitbestimmung“ genau diese zwei Sätze (S. 71):

»Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Verkündungsnahe Tätigkeiten bleiben ausgenommen.«

„Gemeinsam“ mit den Kirchen werde man „prüfen“, „inwiefern“ das „angeglichen“ werden „kann“. Das alles in einem Satz. Nicht nur erfahrene Beobachter des Politikbetriebs werden hier zusammenfassend (bis zum gerne gesehenen Beweis des Gegenteils) bilanzieren: Gelesen, gelacht, gelocht.