Long Covid und die dadurch verursachten Personalausfälle. Befunde aus dem Gesundheitsreport 2022 der Techniker Krankenkasse

»Beim Blick auf die derzeitigen Coronazahlen drängt sich schnell eine Frage auf: Was ist eigentlich aus der sommerlichen Entspannung geworden, die es 2020 und 2021 noch gegeben hatte? In diesem Jahr ist plötzlich von einer „Sommerwelle“ die Rede und wer sich mal im Familien- und Freundeskreis umhört, stößt vermutlich ganz schnell auf den ein oder anderen Fall«, so dieser Bericht. Und man muss anfügen: Dass derzeit zahlreiche Firmen mit erheblichen coronabedingten Ausfällen an Personal konfrontiert sind, sollte sich herumgesprochen haben. Das ist natürlich gerade in den Branchen hart, wo es einen hohen oder gar ausschließlichen Bedarf an Präsenz-Arbeitskräften gibt, deren Ausfall dann unmittelbare und nur schwer bis gar nicht kompensierbare Folgen hat.

Zu der Sommerwelle 2022 nur zwei Beispiele aus dem Verkehrsbereich: »Die Kölner Verkehrsbetriebe kämpfen gerade mit „ungewöhnlich vielen kurzfristigen Personalausfällen“. Ein Grund für die erhöhte Krankenquote sei eine „erneute Zunahme der Coronafälle“. Hinzu kämen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Quarantäne. Die Konsequenz: Ab kommender Woche werden vier Buslinien vorübergehend eingestellt. Das Ziel sei aber, ein „Grundangebot“ in allen Bereichen der Stadt aufrechtzuerhalten.« Und bei einem anderen Unternehmen, dem Verkehrsunternehmen Eurobahn, sieht das so aus: »“Wir haben wirklich über alle Abteilungen hinweg Kollegen, die an Corona erkrankt sind.“ Und anders als noch vor ein paar Monaten seien die Betroffenen nicht mehr nur ein paar Tage, sondern oftmals zwei Wochen krank. Derzeit fielen fünf Prozent der Züge aus. Denn auch in den Werkstätten sei das Personal krank und wenn ein Zug nicht gewartet werde, könne er nicht auf die Schiene.«

»Durch die Corona-Sommerwelle kommt es zu Personalausfällen in Kliniken, Notaufnahmen und Intensivstationen haben große Probleme. Experten blicken besorgt auf den kommenden Herbst«, heißt es in diesem Beitrag: Personalausfälle machen Kliniken zu schaffen. „Aus allen Bundesländern erreichen uns Meldungen, dass einzelne Stationen und Abteilungen auch wegen Personalmangel abgemeldet werden müssen“, so der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß.

Aber es sind nicht nur die Ausfälle durch Corona-Fälle, die sich derzeit häufen und dann auch noch in die Urlaubszeit fallen, wo die Belegschaften sowieso schon ausgedünnt sind. Sondern man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die glücklicherweise in der Mehrzahl auf ein bis zwei Wochen begrenzten coronabedingten Abwesenheiten bei einer auf den ersten Blick kleinen, aber eben nicht unbedeutenden Gruppe an Menschen ergänzt werden durch teilweise sehr lange Ausfallzeiten bei denjenigen, bei denen sich Long Covid herausgebildet hat (vgl. dazu generell den Versuch einer Übersicht in dem Beitrag Long Covid, Post-Covid – ein „Schattenmonster“ oder doch nur ein Sturm im Wasserglas? vom 2. Juli 2022).

Es sind doch nur (möglicherweise) ein Prozent …

Aber muss man nicht eigentlich Entwarnung geben, wenn man auf solche Überschriften schaut: Ein Prozent Long-Covid-Fälle: »Laut Techniker Krankenkasse leiden nur wenige Versicherte an Langzeitfolgen nach einer Coronainfektion.« Dann wird aber auch angefügt: »Doch viele Fälle könnten unbemerkt bleiben.«

»Wie viele Beschäftigte fallen wegen Corona aus? Wie verhält es sich mit Long Covid? Der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass von den Erwerbstätigen, die bei der TK versichert sind und sich 2020 mit Corona infiziert haben, im Jahr 2021 knapp ein Prozent mit der Diagnose Long Covid krankgeschrieben war. Insgesamt ist damit nach den vorliegenden Zahlen nur eine geringe Anzahl von Menschen an Long Covid erkrankt – diese fallen dafür aber lange bei der Arbeit aus. Im Durchschnitt sind die Betroffenen 105 Tage krankgeschrieben.«

Schauen wir einmal genauer hin – hier erst einmal das Original, aus dem zitiert wurde:

➔ Techniker Krankenkasse (Hrsg.) (2022): Gesundheitsreport 2022 – Zwei Jahre Coronapandemie: Wie geht es Deutschlands Beschäftigten? Teil 2, Hamburg, Juli 2022

Zu den – auf den ersten Blick überschaubaren – ein Prozent berichtet die herausgebende Krankenkasse: »Welche langfristigen Folgen hat eine Coronainfektion auf den Krankenstand der Beschäftigten in Deutschland? Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt: Von den TK-versicherten Erwerbstätigen, die im Jahr 2020 eine COVID-19-Diagnose mit Virusnachweis (PCR-Test) erhalten haben, war im Jahr 2021 knapp ein Prozent mit der Diagnose Long-COVID krankgeschrieben. Damit sorgt Long-COVID insgesamt betrachtet bei den Erwerbstätigen bisher zwar nur für einen relativ geringen Anteil am Gesamtkrankenstand – die Betroffenen sind jedoch vergleichsweise lange Zeit krankgeschrieben, im Durchschnitt 105 Tage.« Man muss diesen Wert in Relation setzen: »Zum Vergleich: Im Schnitt war jede TK-versicherte Erwerbsperson im letzten Jahr 14,6 Tage arbeitsunfähig gemeldet.« Im Analysezeitraum 2021 waren insgesamt 0,35 Prozent der Fehlzeiten, also 234.656 Fehltage, allein bei den TK-versicherten Erwerbspersonen mit dem erst seit November 2020 zur Verfügung stehende Diagnoseschlüssel für Post-COVID bedingt.

Außerdem muss berücksichtigt werden: „Die Zahl der Long-COVID-Betroffenen erscheint mit knapp einem Prozent relativ gering. Aber das sind nur die Patientinnen und Patienten, die auch mit dieser konkreten Diagnose krankgeschrieben worden sind – wir gehen zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer aus“, wird Jens Baas, der Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, zitiert. Die tatsächliche Zahl könnte laut Baas etwa viermal höher liegen, betroffen könnten demnach rund vier Prozent aller Covid-Infizierten sein – allerdings fehlen auch hier derzeit verlässliche Daten.

Das aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen, von dem die Daten für die TK aufbereitet wurden, hat tiefer in die Daten geschaut: »Inklusive der Verdachtsfälle hatten insgesamt 13,1 Prozent (mehr als jede und jeder achte) der TK-versicherten Erwerbstätigen 2020 eine COVID-19-Diagnose. Es zeigt sich, dass bei dieser Gruppe laut Modellrechnung sogar rund 1,6 Prozent aller verursachten Fehlzeiten auf längerfristige Auswirkungen dieser Coronaerkrankung zurückzuführen sind. Das entspricht in etwa 1,3 Millionen Fehltagen.« Aber auch diese Zahlen basieren ausschließlich auf nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeiten. Viele Menschen lassen sich mit Long-COVID-Symptomen gar nicht krankschreiben. Hinzu kommt: Für den neuen Gesundheitsreport konnten bisher nur die Fehlzeiten der Betroffenen COVID-Erkrankten aus dem ersten Pandemiejahr ausgewertet werden, die Entwicklung im zweiten Corona-Jahr ist in der bisherigen Auswertung noch nicht enthalten. Bereits Long-Covid-Betroffene mit leichtem Krankheitsverlauf waren 2021 durchschnittlich 90 Tage arbeitsunfähig gemeldet.