Alles (bald) wieder so gut auf dem Arbeitsmarkt (und zu Hause) wie vor der Krise? Wenn da nicht diese ungleiche Verteilung der Lasten wäre

Von ganz oben betrachtet könnte man durchaus zu dem Befund kommen, dass wir uns auf dem Erwerbsarbeitsmarkt wieder zurück auf Start bewegen, dass also nach den Einbrüchen durch steigende Arbeitslosigkeit und eingebrochene Erwerbstätigkeit der Stand vor dem Ausbruch der Corona-Krise wieder erreicht wird. Darüber wurde hier schon in dem Beitrag Der Arbeitsmarkt fast wieder auf Vor-Corona-Niveau. Wie immer gibt es Schattierungen und auch schwarze Löcher am 5. Februar 2022 berichtet. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen lag im Januar nur noch knapp 40.000 über dem Stand von Januar 2020 – zwischenzeitlich gab es 600.000 Arbeitslose mehr als zur Zeit vor der Krise. Und auch die Erwerbstätigkeit als Oberkategorie für ganz unterschiedliche Beschäftigungsformen (von den Minijobs über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bis hin zu den Selbstständigen) scheint sich wieder in Richtung Vorkrisenniveau zu bewegen.

Nun wurde zugleich darauf hingewiesen, dass ein etwas genauerer Blick offenlegt, dass es durchaus Gewinner und Verlierer der Beschäftigungsentwicklung gegeben hat und gibt. Und jeder, der offenen Auges durch die Pandemie läuft, kennt Arbeitnehmer und vor allem Minijobber oder Solo-Selbstständige, die es in den pandemiebedingten Strudel nach unten gerissen hat. Und auch wenn die Arbeitsmärkte nun wieder anziehen, werden wir in den kommenden Monaten sehen, dass es wieder einmal Personengruppen geben wird, die auf der Strecke bleiben. Auf den bereits beobachtbaren Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit ist schon hingewiesen worden. Aber darum soll es in diesem Beitrag gar nicht gehen. Sondern um einige neuere Befunde zu der ungleichen Verteilung der Belastungsfolgen und der Bewältigungsleistungen in den vergangenen zwei Jahren einer Pandemie, die ja noch nicht vorbei ist – sondern gerade aktuell werden zahlreiche Unternehmen durch teilweise erhebliche quarantänebedingte Personalausfälle gebeutelt (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Im Januar 2022 waren knapp 40 Prozent der Betriebe von Corona-bedingten Arbeitsausfällen betroffen vom 17. Februar 2022).

»Um ihre Kinder zu betreuen, arbeiten gerade viele Frauen weniger. Immer mehr Menschen sind pandemiemüde – und so unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung wie noch nie«, berichtet Alexander Hagelüken unter der Überschrift Jede fünfte Mutter reduziert wegen Corona Arbeitszeit. Im Januar 2022 musste jede fünfte Mutter ihre (Erwerbs-)Arbeitszeit reduzieren, um Kinder zu betreuen. So viele waren es seit Ausbruch der Pandemie nur einmal, beim harten Lockdown im April 2020. Hagelüken stützt seinen Artikel auf die Ergebnisse der mittlerweile sechsten Welle einer umfangreichen Erwerbspersonenbefragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

»Dafür wurden von Anfang bis Mitte Januar 6.419 Erwerbstätige und Arbeitsuchende von Kantar Deutschland online zu ihrer Lebenssituation während der Pandemie befragt. Dieselben Personen waren bereits im April, im Juni und im November 2020 sowie im Januar und im Juli 2021 interviewt worden, allerdings teilweise nicht mit dem vollständigen Fragebogen. Die Befragten bilden die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab. Durch die Panelstruktur lassen sich Veränderungen im Zeitverlauf herausarbeiten.«

Diese Hinweise findet man in der vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Mitteilung über die neuen Ergebnisse der Erwerbspersonenbefragung. Verantwortlich für die Befragung zeichnen die WSI-Wissenschaftler Bettina Kohlrausch und Andreas Hövermann::

➔ WSI (2022): Corona: Weniger Erwerbstätige fürchten um Job, aber hohes Belastungsgefühl, nur noch 31% zufrieden mit Krisenmanagement, Düsseldorf, 16.02.2022

»Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland erreicht die Unzufriedenheit unter Erwerbspersonen neue Höchststände – obwohl für eine große Mehrheit die Stabilisierungspolitik auf dem Arbeitsmarkt und bei den Einkommen offensichtlich weiter recht gut wirkt.« Wie kann das sein? Ist das nicht ein Widerspruch? Dazu erfahren wir: »Vor allem bei Eltern und insbesondere bei Müttern (sind) Belastungsgefühle, die Sorge um den sozialen Zusammenhalt und die Kritik am Umgang der Politik mit der Krise spürbar angestiegen.«

➞ Es gelingt in Deutschland weiterhin vergleichsweise gut, Erwerbsarbeit in der Corona-Krise abzusichern. Dementsprechend ist die eigene finanzielle Belastung aus Sicht vieler Befragter weiterhin moderat – allerdings mit der wichtigen Ausnahme von Menschen mit Niedrigeinkommen, deren finanzielle Belastungswerte so hoch sind wie noch zu keinem anderen Zeitpunkt in der Pandemie.

➞ Was dagegen für viele weiterhin nicht gut funktioniert, ist die Unterstützung bei der Sorgearbeit. Menschen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind während der Pandemie mit deutlich höheren Belastungen konfrontiert. Eltern, vor allem Mütter, fühlen sich alleingelassen und zunehmend ausgelaugt.

Dass sich Mütter besonders stark belastet fühlen, ist wenig überraschend, wenn man sich anschaut, wer in den meisten Familien die Lasten der Krise trägt: 19 Prozent der Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern haben im Januar 2022 angegeben, ihre (Erwerbs-)Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung verringert zu haben. Mit Ausnahme des ersten sehr harten Lockdowns im April 2020 (damals waren es 24 Prozent) ist dies der höchste Wert seit Beginn der Befragung. »Offenbar wirkt sich hier aus, dass Schulen und Kitas zwar grundsätzlich offen sind, der Betreuungsbedarf durch häufige Infektionen oder Quarantäne von Kindern aber trotzdem sehr groß und kaum vorab planbar ist. Der Anteil der Väter, die zur Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren, lag im Januar mit knapp 6 Prozent deutlich niedriger – und war auch erheblich kleiner als zu Beginn der Pandemie (knapp 16 Prozent).«

Viele Mütter haben seit Beginn der Pandemie einen überdurchschnittlich hohen Beitrag leisten müssen – das kann man auch einer anderen Studie entnehmen: »Mütter leisteten während der Anfangsphase der Covid-19-Pandemie deutlich mehr zusätzliche Kinderbetreuungsarbeit als Väter. Gleichzeitig sank die Lebenszufriedenheit bei Müttern mit Kindern bis zwölf Jahren stärker als bei anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.« So eine Mittelung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, die unter der Überschrift Mütter in der Covid-19-Pandemie: Ähnlicher Arbeitszeitausfall wie bei Vätern, aber höhere zusätzliche Belastung durch Kinderbetreuung am 17. Februar 2022 veröffentlicht wurde. Man muss darauf hinweisen, dass sich die Zahlen aus der IAB-Studie auf das erste Corona-Jahr 2020 beziehen – sie basieren auf einer repräsentativen Online-Befragung im November und Dezember 2020 von circa 11.000 Personen, die im Dezember 2019 sozialversicherungspflichtig beschäftigt und in den Vorjahren regelmäßig beschäftigt waren. Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA).

Hier die Studie im Original:

➔ Hannah Illing et al. (2022): Geschlechtsspezifische Arbeitsmarktwirkung der Covid-19-Pandemie: Ähnlicher Arbeitszeitausfall, aber bei Müttern höhere zusätzliche Belastung durch Kinderbetreuung. IAB-Kurzbericht Nr. 3/2022, Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Februar 2022

In dieser Studie wird deutlich die doppelte besondere Belastung von Frauen und vor allem Müttern herausgearbeitet, die mit der bisherigen Corona-Krise verbunden war und ist – wobei auch auf ungleiche Entwicklungen innerhalb der Personengruppen hingewiesen wird:

»Die Covid-19-Pandemie hat im Frühjahr 2020 eine Rezession ausgelöst, von der – anders als in früheren Rezessionen – Frauen ähnlich stark betroffen waren wie Männer. Die Kita- und Schulschließungen führten außerdem zu sehr starken zusätzlichen Belastungen für Eltern. Mütter haben dabei deutlich mehr zusätzliche Zeit für Kinderbetreuung übernommen als Väter.«

Schauen wir uns einige der Befunde genauer an:

➞ Die Covid-19-Pandemie hatte im Frühjahr 2020 massivere Arbeitsmarkteffekte als die Finanzkrise 2008/2009: Im Mai 2020 waren 8,5 Millionen Personen in Kurzarbeit oder arbeitslos, im Mai 2009 trotz höheren Ausgangsniveaus lediglich 4,9 Millionen. Waren in früheren Rezessionen, wie der Finanzkrise 2008/2009, oft Männer stärker von Arbeitsausfall betroffen, wirkte sich die Covid-19-Pandemie etwa gleich stark auf sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen und Männer aus.

➞ Die Branchen mit dem höchsten Arbeitsausfall während des ersten Lockdowns hatten einen hohen Frauenanteil an den Beschäftigten. Gleichzeitig war der Frauenanteil aber auch in Branchen, die kaum betroffen waren, wie dem Gesundheits- und Sozialwesen, sehr hoch.

➞ Trotz ähnlichen Arbeitszeitausfalls bei Männern und Frauen zeigten sich große Unterschiede bei der zeitlichen Belastung: Für beschäftigte Mütter mit Kindern bis zwölf Jahren stieg die insgesamt für Job, Pendeln, Kinderbetreuung und Haushalt aufgewendete Zeit im Frühjahr 2020 um acht Stunden pro Woche, für Väter um drei Stunden; für Personen mit älteren Kindern oder ohne Kinder im Haushalt sank die zeitliche Gesamtbelastung leicht.

➞ Parallel zur höheren zeitlichen Belastung verringerte sich im Frühjahr 2020 die Lebenszufriedenheit bei Müttern mit Kindern bis zwölf Jahren stärker als bei anderen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

»Unsere Befragungsdaten zeigen, dass die bezahlte Arbeitszeit von Frauen und Männern absolut etwa gleich stark zurückging, während in früheren Rezessionen der Rückgang für Männer deutlich stärker als für Frauen war. Mütter übernahmen jedoch mehr zusätzliche Stunden der Kinderbetreuung, die durch die Schul- und Kitaschließungen während des ersten Lockdowns angefallen ist. Für Mütter stieg in der Folge die zeitliche Gesamtbelastung und ihre Lebenszufriedenheit sank stärker als die anderer Gruppen.« (Illing et al. 2022: 7).

Abschließend wieder zurück zu den neuen Ergebnissen aus der WSI-Erwerbspersonenbefragung. Die folgende Abbildung muss die politisch Verantwortlich mehr als unruhig machen:

Im Durchschnitt aller Befragten ist die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung auf dem niedrigsten Stand, der im Studienverlauf bisher gemessen wurde. Der Rückgang fällt dabei in verschiedenen Einkommensschichten synchron aus. Aber: Die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung unter Erwerbspersonen mit den niedrigsten Haushaltseinkommen ist am höchsten (so lagen die Zufriedenheitswerte bei Erwerbspersonen mit einem Nettohaushaltsäquivalenzeinkommen von weniger als 1.500 Euro im Januar 2022 bei nur noch 24 Prozent – im Frühjahr 2020 waren es noch 56 Prozent gewesen).