Pflegekräfte sind deutlich häufiger krank als der Durchschnitt aller Beschäftigten. Und was das nicht nur mit Covid-19 zu tun hat

In den vergangenen Corona-Monaten wurde hier immer wieder anhand von Zahlen der Krankenkasse AOK darauf aufmerksam gemacht, dass die Pflegekräfte neben anderen Berufen des Gesundheitswesens und auch die Beschäftigten in Kitas und Schulen überdurchschnittlich von Corona-Infektionen bis hin zu schwereren Verläufen bei Hospitalisierungen betroffen waren (vgl. dazu Riskante Berufe in Corona-Zeiten. Erneut belegen Daten von Krankenkassen eine erhebliche Ungleichverteilung der Erkrankungshäufigkeit zuungunsten der Erziehungs- und Gesundheitsberufe vom 21. Februar 2021 und zum Aspekt der schwereren Verläufe z.B. den Beitrag Viel mehr und oft schwerer im Verlauf: Covid-19 bei Ärzten, Pflegekräften und Rettungspersonal. Und die Frage nach der Zeit „danach“ sowie nach der Einstufung als Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit vom 15. Dezember 2020). In diesen Beiträgen ging es vor allem um die besondere Betroffenheit von Covid-19. Das verdeckt ein wenig die grundsätzliche Problematik, dass für die Pflegeberufe auch schon vor Corona überdurchschnittliche Fehlzeiten gemessen und diskutiert wurden.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat nun die Ergebnisse einer Analyse veröffentlicht, in der man die Arbeitsunfähigkeitsdaten der mehr als 14 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen ausgewertet hat. Auch diese Untersuchung zeigt, dass die Pflegeberufe während der Covid-19-Pandemie im Vergleich zu anderen Berufsgruppen besonders stark betroffen waren. Zugleich bekommen wir hier den Hinweis, dass es schon vor Corona einen erheblichen Unterschied gab.

Schon vor Beginn der Pandemie zeigte die Gruppe der Pflegenden einen erhöhten Krankenstand im Vergleich zu allen anderen Berufen. Diese Diskrepanz stieg von 1,2 Prozentpunkten im Jahr 2012 auf 1,5 Prozentpunkte im Jahr 2019 an. In der Pandemie vergrößerte sich der Abstand zwischen Januar 2020 und April 2021 weiter: Im Mittel lag der Krankenstand aller AOK-versicherten Erwerbstätigen in diesem Zeitraum bei 5,4 Prozent, bei den Beschäftigten in den Pflegeberufen bei 7,0 Prozent. Während der Anteil der im Jahr 2012 angefallenen Arbeitsunfähigkeitstage bei den Pflegeberufen knapp ein Viertel (23,2 Prozent) über dem Durchschnitt aller Berufsgruppen lag, befand sich dieser Wert seit Januar 2020 fast ein Drittel (30,8 Prozent) über dem Durchschnitt aller Beschäftigten.

Während der Krankenstand aller Arbeitstätigen während der Pandemie bei 4,4 bis 7,8 Prozent lag, war die AU-Quote der Pflegenden in jedem Monat substanziell höher und bewegte sich zwischen 6,0 und 9,1 Prozent. Die höchsten Krankenstände waren jeweils auf der Spitze der ersten und zweiten Pandemiewelle zu verzeichnen.

Die Daten stammen aus dieser Veröffentlichung:

➔ Christian Karagiannidis, Helmut Schröder, Sabine Wicker und Uwe Janssens (2021): COVID-19-Pandemie: Pflegende deutlich häufiger krank, in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 27-28/2021, A 1352-A 1353

Der ohnehin schon erhöhte Krankenstand von Pflegenden im Vergleich zu allen anderen Berufen ist in der Pandemie noch einmal angestiegen. Ein Grund dafür ist der schlechte Pflegeschlüssel in den Krankenhäusern, so die Autoren des Beitrags.

Datenbasis: Ausgewiesen sind Arbeitsunfähigkeitsmeldungen der AOK-versicherten Beschäftigten, die im WIdO bis zum 16. Juni 2021 vorlagen. Pflegeberufe umfassen: Berufe in der Gesundheits- u. Krankenpflege (ohne Spez.); Berufe in der Altenpflege (ohne Spez.); Berufe in der Altenpflege (sonstige spezifische Tätigkeitsangabe); Berufe in der Fachkrankenpflege; Berufe in der Gesundheits- und Krankenpflege (sonstige spezifische Tätigkeitsangabe); Aufsichts-/Führungskräfte Gesundheits-/Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe; Berufe in der Fachkinderkrankenpflege; Führungskräfte – Altenpflege

»Allerdings lässt sich nur mutmaßen, ob diese Infektionen auf eine arbeitsbedingte Exposition zurückzuführen sind oder ob sie im privaten Umfeld erworben wurden. Da die Diskrepanz zu den übrigen Berufsgruppen überproportional hoch ist, kann von einer nicht unerheblichen Zahl arbeitsbedingter Infektionen ausgegangen werden … Der hohe Krankenstand in der Pflege während der COVID-19-Pandemie kann zudem als Indiz dafür gewertet werden, dass der Personalschlüssel in der Pflege in Deutschland so schlecht ist, dass es den Pflegenden in der Pandemie nicht immer möglich war, die Schutzmaßnahmen einzuhalten.«

➔ Zur Entwicklung am aktuellen Rand wird darauf hingewiesen: »Die SARS-CoV-2-Infektionen der Pflegekräfte und anderer Gesundheitsfachberufe sind seit März 2021 deutlich rückläufig, trotz einer starken dritten Infektionswelle durch die dominierende Alpha-Variante. Es ist zu vermuten, dass dieser Effekt auf den guten Impffortschritt unter den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens zurückzuführen ist, der Ende 2020 begann. Erfreulich ist gerade auch der gute Impffortschritt unter den Pflegenden, der dazu geführt hat, dass sich die Infektionszahlen in der Berufsgruppe dem Bevölkerungsschnitt im April fast vollständig angenähert haben.«

Die Autoren formulieren den grundsätzlichen – und das heißt hier den aufgrund der Verhältnisse schon lange vor Corona bestehenden – Handlungsbedarf so:

»Entscheidend ist … eine schnelle Reduktion der Arbeitslast durch einen verbesserten Pflegeschlüssel und durch eine Objektivierung der Arbeitslast mithilfe eines Pflegebedarfsbemessungsinstruments. Denn man muss sich vor Augen führen, dass die Berufsmüdigkeit vieler Pflegender nach der Pandemie auf das zurzeit beginnende Austreten der Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben trifft – ohne dass eine ausreichende Anzahl neuer Pflegenden in den Beruf eintritt. Ohne eine schnelle und umfassende Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege werden sich daher erhebliche Versorgungsengpässe nicht verhindern lassen.«