Bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres wurde eindringlich gewarnt, dass die damals als erste Welle über uns gekommene Corona-Krise massive negative Auswirkungen auf das Berufsausbildungssystem haben wird, so beispielsweise hier in diesem Beitrag vom 16. April 2020: Die (in Sonntagsreden und anderen Ländern) vielgepriesene deutsche Berufsausbildung: Nach der Corona-Krise so richtig in Schieflage? Mittlerweile wissen wir, welche Schneisen die Corona-Krise in das System der Berufsausbildung geschlagen hat. Im vergangenen Jahr fiel die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 57.600 bzw. 11,0% niedriger aus als ein Jahr zuvor (2019: 525.000). Mit nunmehr 467.500 lag sie in Deutschland erstmals unter 500.000. Auf die verheerenden Spätfolgen eines einbrechenden „Ausbildungsmarktes“ wurde hier schon in dem Beitrag Der „Corona-Effekt“ auf dem Ausbildungsmarkt. Der wird nicht nur im Jahr 2020 von Bedeutung sein, sondern lange nachwirken vom 16. Dezember 2020 hingewiesen.
Jetzt sind wir ein Corona-Jahr weiter und erneut in dem für die Anbahnung neuer Ausbildungsverhältnisse so wichtigen Frühjahr. Und wieder wird darüber berichtet, dass wir wohl mit einem weiteren Rückgang der Zahl der Ausbildungsverhältnisse rechnen müssen. In diesem Jahr wird ein weiteres Minus von zehn Prozent erwartet. 2020 und 2021 würden dann insgesamt rund 100.000 Verträge weniger abgeschlossen als 2019. Solche Zahlen kann man auch einer neuen Prognose aus dem Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) entnehmen.
Von dort wird berichtet: »Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge wird in diesem Jahr noch einmal deutlich sinken: Das FiBS schätzt, dass dieses Jahr nur noch rund 430.000 Ausbildungsverträge im dualen System unterschrieben werden könnten. Das sind fast 100.000 weniger als noch 2019 und 35.000 weniger als 2020. Es zeigt sich zudem, dass insbesondere der Anteil der Abiturient:innen im dualen System angestiegen ist, während Jugendliche mit Realschul- oder Hauptschulabschluss immer schlechtere Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Es steht daher zu befürchten, dass diese Jugendlichen zukünftig noch schlechtere Chancen auf eine Ausbildung haben werden. Es braucht eine zeitnahe und grundlegende Reform des beruflichen Ausbildungssystems in Deutschland, um zu verhindern, dass ein größerer Teil der Jugendlichen zur „Generation Corona“ wird.«
Die Studie im Original findet man hier:
➔ Dieter Dohmen, Klaus Hurrelmann und Galiya Yelubayeva (2021): Kein Anschluss trotz Abschluss?! Benachteiligte Jugendliche am Übergang in Ausbildung. Studie des FiBS in Kooperation mit der Akademie für Innovative Bildung und Management (aim). FiBS-Forum Nr. 76, Berlin: Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), März 2021
»Die Zahl der Ausbildungsanfänger könnte in diesem Jahr auf einen historischen Tiefstand sinken, prognostiziert eine Studie. Und auf die raren Plätze haben es vermehrt Abiturienten abgesehen. Schwache Schüler landen leicht im Abseits«, so Christian Füller in seinem Beitrag Systemfalle statt Bildungschance. »Tausende junge Erwachsene werden die Schule im Sommer mit der Allgemeinen Hochschulreife in der Tasche verlassen. Und erstaunlich viele davon werden damit kein Studium beginnen. Denn immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten entscheiden sich dafür, eine Lehre zu machen: 2002 war es rechnerisch etwa jeder Fünfte, 2019 schon gut jeder Dritte eines Jahrgangs«, so Füller mit Bezugnahme auf die neue FiBS-Studie. Gleichzeitig wird die Zahl der Azubis dieses Jahr erneut regelrecht einbrechen, prophezeit die Untersuchung der Bildungsforscher.
Es wird also nicht nur ein quantitatives Problem geben, also weniger Azubis insgesamt, sondern vor allem weniger Lehrlinge ohne Abitur. In der Studie wird als möglicher Grund für diese Verschiebung unter anderem steigende Anforderungen an die Azubis insgesamt angeführt. Hinzu kommt, dass neue Ausbildungsplätze vor allem in Berufen geschaffen werden, die eine höhere Qualifikation verlangen. In Bereichen mit geringeren Anforderungen wie beispielsweise dem Hotel- und Gaststättengewerbe werden hingegen Ausbildungsplätze abgebaut.
»Doch was passiert, wenn die Zahl der Ausbildungsverträge insgesamt sinkt, gleichzeitig aber immer mehr Abiturienten einen davon ergattern? In der Folge werde das Ausbildungsangebot für Realschüler und mehr noch für Hauptschüler und junge Leute ohne Schulabschluss immer enger, warnen die Autoren der Studie. Für diese werde das Risiko immer größer, im sogenannten Übergangssystem zu landen.« Dieter Dohmen, der Leiter des FiBS, »hat verschiedene Szenarien durchgerechnet. Im ungünstigsten Fall, so schreibt er, „könnte das Übergangssystem in wenigen Jahren sogar größer werden als das duale Ausbildungssystem und eine Größenordnung erreichen wie Mitte der 2000er-Jahre.“ Damals waren schon einmal Hunderttausende junge Leute in dem System gefangen.« Während die Bildungsrepublik ihr Qualifikationssystem nach oben fährt und immer mehr Abiturienten und Studierende produziert, kommt ein zunehmender Teil der Jugendlichen nicht mehr mit.
Interessant auch dieser Hinweis von Christian Füller in seiner Besprechung der neuen FiBS-Studie: »Zu dem aufstrebenden Qualifikationssystem, das den Zugang für Nichtabiturienten zur klassischen dualen Ausbildung bedroht, zählt auch das duale Studium. Die Kombination aus Studium und Ausbildung im Betrieb boomt. 1.600 solcher Studiengänge gibt es schon, mehr als 100.000 junge Leute sind dort eingeschrieben. Sie tauchen in der Statistik sowohl bei den Studierenden als auch bei den Azubis auf. Das Gute: Hier werden hochqualifizierte Ausbildungsgänge angeboten. Das Problem: Für Hauptschüler sind sie praktisch nicht und für Realschüler nur sehr schwer erreichbar.«
Aber die Bundesregierung tut doch was. Sie will Ausbildungsplätze sichern mit einem eigenen Bundesprogramm. Und das wird jetzt noch weiter aufgepumpt. Und noch komplizierter als es schon ist
Spät, sehr spät im Verlauf des vergangenen Jahres hat die Politik auf die absehbaren Einbrüche bei den Ausbildungsverträgen mit einem Prämienprogramm reagiert, in typisch deutscher Manier kleingeschreddert und mit Voraussetzungen und Bedingungen gespickt, die zur Nicht-Beteiligung an dem Programm einladen (gemeint ist das Corona-Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“). Dazu bereits die kritische Analyse in dem Beitrag Vielleicht gut gemeint, aber … Die (nicht nur) coronabedingte Krise der Berufsausbildung und das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ vom 8. Februar 2021. „Vorläufig kann man von „Ausbildungsplätze sichern“ als einem erfolglosen Programm sprechen“, so beispielsweise Andreas Hammer in seinem Blog-Beitrag Corona-Pandemie macht Ausbildungsgaratie erforderlich. Er vermutet bei der Ursachenanalyse: „Vermutlich ist der finanzielle Anreiz für die Betriebe zu gering.“ Neben diesem Aspekt muss man aber auch die Komplexität des Bundesprogramms in Rechnung stellen.
Und bereits Anfang Februar 2021 wurde hier nach einer Darstellung der mehr als überschaubaren Inanspruchnahme des Bundesprogramms und zugleich der vielen Ablehnungen von Förderanträgen, weil irgendeine der Voraussetzungen nicht erfüllt werden kann, bilanziert: »Leider war das zu erwarten vor dem Hintergrund, wie kompliziert und zugleich hasenfüßig klein dimensioniert man das Programm aufgelegt hat. Das wird sich wie so vieles später möglicherweise bitter rächen.«
Und auch die im März 2021 seitens der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Daten zum Bundesprogramm (bis einschließlich Januar 2021) sind ernüchternd: »Seit August 2020 haben 23.400 Betriebe mindestens eine Prämie beantragt. Bis zum Februar 2021 wurde an 14.000 dieser Betriebe bereits eine oder mehrere Prämien ausgezahlt. Insgesamt wurden von August 2020 bis Februar 2021 24.400 Prämien ausgezahlt. Abgelehnt wurden 10.600 … Seit August haben 2.900 Betriebe mindestens für einen der Monate einen Zuschuss zur Ausbil- dungsvergütung während Kurzarbeit beantragt. Bis zum Januar wurde an 700 dieser Betriebe bereits in einem oder mehreren Monaten ein Zuschuss ausgezahlt.«
Aber die Bundesregierung hat die mehr als überschaubare Wirksamkeit des eigenen Programms doch erkannt und gegengesteuert, wird nun der eine oder andere einwerfen. »Der Bund stellt daher 700 Millionen Euro für Lehrstellen zur Verfügung«, berichtet beispielsweise Alfons Frese unter der Überschrift Prämien gegen die Leere: »Mit Geld und guten Worten soll die Berufsausbildung durch die Pandemie gebracht werden. Die Bundesregierung verdoppelt die Prämie für Ausbildungsplätze, und Wirtschaft und Gewerkschaften werben in einem „Sommer der Berufsbildung“ für das hochgelobte, aber schwächelnde duale System.« Also mehr von dem, was man schon aufgelegt hat. Es werden nicht nur die Prämien verdoppelt, sondern auch die Grenzen für den Bezug der Ausbildungsprämie angehoben: Bislang konnten nur Betriebe mit maximal 249 Beschäftigten Geld bekommen, künftig sind es 499 Beschäftigte. Zugleich werden sogar neue Leistungen eingeführt, beispielsweise eine Beteiligung an den Kosten der Ausbilder.
Dazu diese Abbildung, die die Struktur des Bundesprogramms verdeutlichen soll und zugleich die nunmehr seitens der Bundesregierung vorgenommene Erhöhung der Prämien, der neuen Leistungen – aber eben auch der Anforderungen, die Betriebe erfüllen müssen, um an die Förderung kommen zu können:
Man muss kein Prophet sein um zu vermuten, dass mehr vom Gleichen und das auch noch mal eine Nummer komplizierter nicht dazu führen wird, dass es einen wirklichen Schub geben wird, mit dem man dann wenigstens einen erheblichen Teil der Corona-Schäden wird vermeiden können.
Wieder zurück zu den wirklichen Sorgenkindern des Ausbildungssystems – für die gibt es doch zahlreiche Hilfen? Im Prinzip ja, aber …
Kommen wir zum Abschluss wieder zurück auf die neue FiBS-Studie, in der ja besonders der Finger auf die klaffende offene Wunde gelegt wurde, dass schwächere Schüler zunehmend im Abseits landen und keinen Zugang zum Ausbildungssystem – oder wenn, dann noch schwerer als bislang schon – finden können. Für diese Personengruppen, so mag man einwenden, gibt es doch zahlreiche Hilfsangebote und Leistungen, um die dann trotz aller Startschwierigkeiten in eine Berufsausbildung bugsieren zu können. Im Prinzip ja, aber …, so könnte eine Antwort ausfallen. Greifen wir zu Illustration des „Aber“ zwei Beispiele heraus:
»Die bayerische Staatsregierung will die finanzielle Unterstützung für die Begleitung beim Berufseinstieg streichen – viele junge Leute mit Lernschwierigkeiten profitieren davon«, berichtet Dietrich Mittler unter der sowieso, aber gerade in diesen Zeiten mehr als irritierenden Überschrift Weniger Hilfe für junge Jobanfänger. Und wieder einmal, man ahnt es schon, ist das eine Finanzierungsfrage: »Für 3.500 junge Menschen jährlich droht in Bayern künftig eine Unterstützung wegzubrechen, die bislang noch angeboten wird, um deren Entwicklung in gute Bahnen zu lenken: die Berufseinstiegsbegleitung, die sich speziell an Jugendliche wendet, die sich mit dem Lernen und erst recht mit der Suche nach einem passenden Beruf schwertun. Die Kosten für diese Begleitung trugen hier bislang zu gleichen Teilen die Bundesagentur für Arbeit und der Freistaat. Bayern nutzte für diese Aufgabe die Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds – nur, die werden bald nicht mehr im bisherigen Umfang fließen. Folglich sieht es nun so aus, dass auch die Staatsregierung ihre Finanzierung einstellt.«
Viele werden sofort zustimmen, dass man den Betrieben, vor allem den Kleinbetrieben, entgegenkommen muss, wenn sie einem jungen Menschen die Chance auf einen Ausbildungsplatz geben, dieser aber aus welchen Gründen auch immer „schwierig“ ist und/oder oftmals zahlreiche Probleme mitbringt, mit deren Bearbeitung die Betriebe dann überfordert sind. Nach langen Jahren der Werbung dafür wurde vor einiger Zeit der Ansatz der „Assistierten Ausbildung“ als eigener Paragraf in das SGB III eingeführt: § 74 SGB III. Im ersten Absatz heißt es: »Die Agentur für Arbeit kann förderungsberechtige junge Menschen und deren Ausbildungsbetriebe während einer betrieblichen Berufsausbildung oder einer Einstiegsqualifizierung (begleitende Phase) durch Maßnahmen der Assistierten Ausbildung fördern. Die Maßnahme kann auch eine vorgeschaltete Phase enthalten, die die Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung unterstützt (Vorphase).« Kern der Assistierten Ausbildung ist die Möglichkeit förderungsberechtigten jungen Menschen, Unterstützungsangebote vor und während der Berufsausbildung beim selben Träger der Maßnahme anzubieten. Denn das muss von jemanden gemacht werden, der diese schwierige Arbeit auch leisten kann, um den eigentlichen ausbildenden Betrieb zu entlasten.
Und wie kommen die angesprochenen Träger zu den Aufträgen für die Assistierte Ausbildung? Diese Aufträge werden ausgeschrieben. Ausschreibung und Vergabe – da werden viele die Stirn runzeln. Hört man da nicht immer wieder von dem bei personenbezogenen Dienstleistungen besonders fatalen Mechanismus, dass die „billigsten“ Anbieter zum Zuge kommen? Das Qualität (und damit – wenn man an die ordentliche Vergütung der Beschäftigten denkt – auch teurere Anbieter) in dem Vergaberegime regelmäßig hinter runterfallen?
Leider wird davon auch aktuell erneut berichtet, so beispielsweise in dem Beitrag Assistierte Ausbildung flexibel: Kontinuierliche Begleitung junger Menschen beim Übergang von Schule in die Ausbildung in Gefahr von Susanne Nowak, Fachreferentin für Jugendberufshilfe im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS): »Vor kurzem endete die erste öffentliche Ausschreibung zum Förderinstrument der Assistierten Ausbildung flexibel (AsA flex) gemäß der Vergabeverordnung.« Das hört sich erst einmal unverdächtig an. Lesen wir weiter: »Neuerungen und Änderungen erschwerten es den Trägern zusätzlich, ein Angebot abzugeben. Inzwischen liegen die Zu- bzw. Absagen der Regionalen Einkaufszentren der Bundesagentur für Arbeit vor. Nur sehr wenige Verbände aus der Trägerlandschaft der Jugendsozialarbeit erhielten einen Zuschlag, obwohl sie teils jahre- bzw. jahrzehntelange Erfahrung bei der Umsetzung von Ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) und/oder AsA haben.«
»Vielerorts haben teils in der Region unbekannte gewerbliche Träger das Rennen gemacht. Damit ist im Bereich abH/AsA die aufgebaute Struktur der Jugendberufshilfe (JBH) mit ihren fachlichen Standards und regionalen Kooperationen dezimiert worden. Die zu erwartenden Auswirkungen auf die Situation und Förderung der jungen Menschen werden durch die pandemische Situation noch verstärkt werden. Denn die jungen Menschen benötigen beim Übergang in Ausbildung professionelle Unterstützung und pädagogische Begleitung – wohl dringender als je zuvor. Durch die mangelnde Kontinuität aufgrund der Vergabesituation bei Förderangeboten für junge Menschen im SGB III leidet die Qualität ganz entscheidend. Immer wieder passiert es, dass langjährig erfahrene und professionell agierende Maßnahmeträger keine Zuschläge erhalten und Maßnahmen infolgedessen nicht umsetzen können.«
Das hat für viele der betroffenen junge Menschen fatale Folgen, so Susanne Nowak:
»Mit der verlorenen Ausschreibung brechen für junge Menschen stabile Beziehungen zu professionellen Fachkräften ab. Das ist dramatisch, da pädagogische Arbeit in erster Linie auf Vertrauen basiert, welches die Jugendlichen in die sie begleitenden Fachkräfte setzen. Sie bieten ihnen eine tragfähige Beziehung und die Zusage einer verlässlichen Begleitung, mit der für sie berufliche Integration gelingen kann. Mit der aktuellen Zuschlagspraxis werden diese für junge Menschen notwendigen vertrauensvollen Beziehungen gekappt.«
Und es hat ebenso fatale Rückwirkungen bei den Fachkräften, die in diesem seit Jahren als prekär zu bezeichnenden Arbeitsfeld:
»Wenn der Träger durch Wegbrechen der Maßnahme gezwungen ist, das Beschäftigungsverhältnis zu kündigen, droht ihnen Erwerbslosigkeit. Fehlen diese erfahrenen Fachkräfte, können jahrelang aufgebaute und vertrauensvolle Kontakte zu Ausbildungsbetrieben, Handwerkskammern, Arbeitsagenturen, Berufsschulen sowie deren Lehrkräften … im Ausbildungsprozess nicht aufrechterhalten werden. Das notwendige funktionierende Netzwerk wird somit zerschlagen.«
Neue gewerbliche Träger müssen zunächst Personal gewinnen, eine Infrastruktur aufbauen und ein Netzwerk installieren. Sie können ihre Arbeit nicht unmittelbar aufnehmen. Wertvolle Zeit geht verloren, die den jungen Menschen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive fehlt. »Insbesondere leistungsschwächere Jugendliche sind auf Unterstützung durch qualifiziertes Fachpersonal angewiesen. Gewerbliche Träger, die sich zunächst vor Ort etablieren und vernetzen müssen, werden dieses Personal kaum stellen können. Mit Blick auf die vermutlich schlechten Gehälter ist dies noch unwahrscheinlicher.«
Leider werden wir wieder einmal Zeugen, wozu die bürokratischen Verkomplizierung führen kann: »Bereits in der Bewerbung um die Maßnahme müssen Stundenkontingente benannt werden, die für die Förderung und Begleitung der Jugendlichen sowie der Betriebe voraussichtlich anfallen werden. Ohne den realen Betreuungsaufwand tatsächlich zu kennen, muss dieses Kontingent geschätzt werden. Der Maßnahmeverlauf ist jedoch erfahrungsgemäß durch unvorhersehbare, betreuungsintensive Phasen gekennzeichnet, wie z. B. persönliche Krisen der jungen Teilnehmenden oder Konflikte mit dem Betrieb im Ausbildungsverlauf. Hierfür muss der Träger Personal vorhalten, um bei Bedarf reagieren zu können. Fällt durch die erforderliche sozialpädagogische Intervention ein höherer personeller Aufwand – und damit ein umfangreicheres Stundenkontingent – an, wird dieser Mehraufwand den Trägern jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt vergütet. Die Maßnahmeträger sind dadurch gezwungen, in finanzielle Vorleistung zu gehen, was viele schlichtweg nicht können, da sie als gemeinnützige Einrichtungen nicht die erforderlichen finanziellen Rücklagen bilden dürfen. Aufgrund dieses finanziellen Risikos hatten sich einige Träger von vorneherein bewusst nicht beworben.«
Auf dem Papier hat man dann die Ziele erreicht – irgendwelche Träger für die Abwicklung der Maßnahmen zu finden. Dass man damit gerade die oftmals guten Träger, die auch ihr Personal halbwegs ordentlich behandeln, aus dem Rennen gekickt hat, ist in diesem System wieder einmal ein Kollateralschaden, für den auf Seiten der vergebenden Stellen keiner die Verantwortung übernehmen muss.
Viele Kenner der real existierenden Arbeitsmarktpolitik werden sagen (müssen): Wie seit so vielen Jahren, immer wieder die gleichen Fehler. Wir leben eben nicht in einem lernenden System.