Immer wieder bekommt man in der aufgeheizten Debatte über die Pflege, vor allem hinsichtlich der Altenpflege, seitens der Union und der SPD die Aussage serviert, man habe sich darauf verständigt, dass in Zukunft auch in der Altenpflege „nach Tarif“ bezahlt werden soll. Schon im Ergebnispapier der Sondierungsgespräche vom 12. Januar 2018 hat man diesen Passus finden können, der sich auch im Koalitionsvertrag wiederfindet:
»Wir wollen die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen.« Wie schön.
Erste Zweifel an der Umsetzbarkeit dieses hehren Anliegens wurden bereits in diesem Beitrag vorgetragen: Umrisse einer GroKo neu. Teil 3: Gesundheitspolitik und Pflege vom 15. Januar 2018. Und am 19. Januar 2018 wurde das in diesem Beitrag weiter vertieft: Der sich ausbreitende Mangel an Pflegekräften, die besondere Problematik eines doppelten Mangels in der Altenpflege und ein lösungsorientierter Blick auf die Arbeitsbedingungen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wieder einmal werden den Pflegekräften deutlich bessere Arbeitsbedingungen an die Wand gemalt, ohne dass die Verantwortlichen auch den Weg aufzeigen können, wie man in diese schöne neue Welt kommen kann.
Aber scheinbar hat die neue Große Koalition den Stein der Weisen gefunden, folgt man den Verlautbarungen ihres Spitzenpersonals. So behauptete die frühere Bundesarbeitsministerin, jetzige Fraktionschefin der SPD im Bundestag und designierte SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles in der Maybrit Illner-Sendung vom 22.02.2018 (ZDF), bezüglich der Tarifbindung in der Altenpflege habe man das Problem gelöst, denn man würde die „tarifvertragsähnlichen Regelungen“ der beiden Kirchen und der von ihnen getragenen Einrichtungen und Dienste berücksichtigen und dann könne man mit einer Allgemeinverbindlicherklärung arbeiten. Fazit: Die Tarifentlohnung werde kommen. Da reibt sich jeder, der sich etwas auskennt in der Materie, erstaunt die Augen.
Wie ist die Ausgangssituation? Wir haben nicht nur das Problem, dass zahlreiche Betreiber von Pflegeeinrichtungen nicht tarifgebunden sind und dass nur eine überschaubare Minderheit der Pflegekräfte gewerkschaftlich organisiert ist. Je nach Einrichtung liegt der Organisationsgrad im unteren einstelligen Prozentbereich, in vielen Altenheimen ist die Gewerkschaft ver.di nahezu nicht existent. Hinzu kommt aufgrund der spezifischen Trägerstruktur, dass kirchlich gebundene Einrichtungen und Dienste in der Altenpflege (immer noch) eine große Rolle spielen, die sich aber auf den „dritten Weg“ beziehen, also auf das Sonderarbeitsrecht der Kirchen. Dort gibt es zwar Arbeitvertragsrichtlinien, aber eben keine klassischen Tarifverträge.
Die meisten Pflegeheimbetreiber sind entweder in der eigenen Welt der kirchlichen Träger an deren Regelungen gebunden – oder sie haben überhaupt keine Tarifbindung in der Mehrheit der anderen Träger. Und dennoch gibt es mehr als 100 Tarifverträge, aber eben keinen auch nur ansatzweise flächendeckenden: Die meisten dieser Tarifverträge sind auf einen Träger oder auf eine Einrichtung beschränkt. Das gerade in der Altenpflege höchst relevante Problem kann man mit Guntram Doelfs so beschreiben: »Je kleiner und individueller ein Tarifvertrag angelegt ist, desto stärker bestimmt der Arbeitgeber, was im Vertrag fixiert wird – und was eben nicht … Ohne reale Gegenmacht auf der Beschäftigtenseite kann der Arbeitgeber vor allem den nicht examinierten Pflegekräften schnell die Arbeitsbedingungen diktieren, die in der Altenpflege immerhin rund 60 Prozent der Beschäftigten stellen.« Und auch bei den examinierten Kräften sind viele aus familiären oder anderen Gründen örtlich gebunden.
Warum ist das alles von Belang?
Weil es um den höchst sensiblen Punkt einer – möglichen und an sich notwendigen – Allgemeinverbindlicherklärung einer tarifvertraglichen Regelung in der Altenpflege geht. Und das ist offensichtlich ganz oben angekommen. Union und SPD wollen guten Tariflohn für alle Pfleger durchsetzen, berichtet die Süddeutsche Ziehung zu diesem Thema: »Mit einem einheitlichen und guten Tarif für alle Pflegekräfte möchte die mögliche Koalition das dringend benötigte Personal locken. Das Vorhaben kann an Arbeitgebern und Gewerkschaften scheitern.« Und dann kommt noch ein weiterer Hinweis, den man allerdings genauer sezieren und kritisch einordnen muss: »Zudem bliebe ein zentrales Problem ungelöst: Die Arbeitnehmer haben ihre Interessen immer noch nicht organisiert.« Möglicherweise ist das zentrale Problem woanders verortet.
Wie dem auch sei, der Artikel spricht einige Aspekte an: »Tarifverträge können nach dem Tarifvertragsgesetz vom Bundesarbeitsministerium für allgemein verbindlich erklärt werden. Unter anderem muss dafür der Tarifausschuss, der zu gleichen Teilen mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt ist, zustimmen. Dann gelten die tariflichen Regelungen auch für Unternehmen, die eigentlich nicht tarifgebunden sind. Allerdings gibt es eine Hürde: Mindestens die Hälfte der Beschäftigten in der Branche muss unter einen Tarifvertrag fallen, damit dieser für die andere Hälfte verpflichtend gemacht werden kann.«
Auch das muss man sich genauer anschauen. Von der gesetzlichen Seite relevant ist hier der § 5 TVG (Tarifvertragsgesetz), der die (allgemeine) Allgemeinverbindlicherklärung regelt. Die in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung genannten „mindestens die Hälfte der Beschäftigten muss unter einen Tarifvertrag fallen“ stand da früher auch so drin, mittlerweile aber so nicht mehr, denn bereits in der letzten Großen Koalition hatte man im Kontext des „Tarifautonomiestärkungsgesetzes“ Veränderungen vorgenommen mit dem Ziel, die Allgemeinverbindlichkeit einfacher zu nutzen. Der einschlägige Absatz 1 des § 5 TVG führt nämlich aus zu den Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlicherklärung:
»Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn
1. der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.«
»Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären.«
Das mit dem öffentlichen Interesse hat man wie bereits ausgeführt aufgebrochen, aber da steht was von „Einvernehmen“ – anders ausgedrückt: hier findet ma das Veto-Recht der Arbeitgeber im bestehenden System, denn ohne deren Zustimmung läuft gar nichts. Die können sich jedem Antrag verweigern. Außerdem muss es sich um einen „gemeinsamen Antrag“ der Tarifvertragsparteien handeln.
Wenn man also über das Tarifvertragsgesetz gehen will, dann sind die Aussichten mehr als düster bis eben aussichtslos (selbst wenn das in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung problematisierte 50-Prozent-Quorum längst gefallen ist, was aber offensichtlich in Teilen der Regierung noch nicht angekommen ist – aber auch innerhalb des Apparats hintenrum wieder eingeführt wird, denn angeblich bestehe das BMAS intern immer von auf das 50%-Kriterium, um mögliche Klagen gegen eine AVE zu vermeiden). Wie dem auch sei – im Bereich des eigentlich zuständigen Tarivertragsgesetzes blockieren die Arbeitgeber seit Jahren erfolgreich jede Bewegung in Richtung auf mehr Allgemeinverbindlichkeit, was man auch an den rückläufigen Zahlen erkennen kann.
Gibt es eine andere Möglichkeit? Eine Art Umgehungsstrategie? Henrike Roßbach und Kristiana Ludwig weisen in ihrem Artikel Union und SPD wollen guten Tariflohn für alle Pfleger durchsetzen darauf hin, dass angeblich seitens der Gewerkschaft ver.di eine Lösung über das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) favorisiert werde. »Eine Rechtsverordnung auf Basis des Entsendegesetzes wäre in der Tat eine Alternative zum Weg über das Tarifvertragsgesetz. Der Vorteil aus Sicht der Gewerkschaft: Das Arbeitsministerium könnte die Allgemeinverbindlichkeitserklärung auch gegen den Willen der Arbeitgeber durchsetzen; auch die 50-Prozent-Quote wäre nicht notwendig. Ob dem Tarifvertrag in der Branche zumindest eine gewisse Bedeutung zukommt, muss aber trotzdem geprüft werden.«
Auch hier muss man wieder etwas Ordnung schaffen – und einen Blick werfen in das einschlägige Gesetzeswerk. Wenn man sich allein den Titel des Gesetzes genau anschaut, wird man erkennen, dass es sich hier ganz offensichtlich um ein Regelwerk handelt, das man ersatzweise bemüht: Das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) vollständig ausgeschrieben lautet so: „Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“.
Immer wieder ist es hilfreich, sich die Zielsetzung eines Gesetzes vor Augen zu führen. Im § 1 AEntG wird ausgeführt:
»Ziele des Gesetzes sind die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen durch die Erstreckung der Rechtsnormen von Branchentarifverträgen. Dadurch sollen zugleich sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten und die Ordnungs- und Befriedungsfunktion der Tarifautonomie gewahrt werden.«
Mit diesem Gesetz sollten in bestimmten Branchen Mindeststandards für Arbeitsbedingungen festgelegt werden können, die dann auch für Arbeitnehmer gelten, die von im Ausland ansässigen Arbeitgebern zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, insbesondere im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, nach Deutschland entsandt werden. Das Gesetz war ursprünglich ein rein protektionistisches Gesetz, das deutsche Bauunternehmer und Bauarbeiter vor ausländischer Billigkonkurrenz schützen sollte.
Das würde auf der einen Seite die Anwendungsbreite des Gesetzes beschränken, man kann es aber auch so lesen: Das Gesetz bietet umgekehrt grundsätzlich eine rechtliche Möglichkeit, auch für alle im Inland tätigen Arbeitnehmer Mindestarbeitsbedingungen zur Geltung zu bringen.
Das wäre durchaus ein Ansatzpunkt für eine Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) im Altenpflegebereich – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass dazu mit den §7 und neuerdings mit dem §7a AEntG entsprechende Normen zur Verfügung stehen. Über das AEntG hat man für bestimmte Branchen (vgl. dazu die Auflistung in § 4 AEntG) die speziellen Branchenmindestlöhne allgemeinverbindlich gemacht für alle Unternehmen.
Vor dem Hintergrund der zentralen Problematik des Arbeitgeber-Vetos im Tarifvertragsgesetz und der dadurch gegebenen Blockademöglichkeit für weitere AVE lohnt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des AEntG: Als dieses Gesetz geschaffen wurde, konnte die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags allein unter den Voraussetzungen des § 5 TVG erreicht werden – und zu denen gehört wie dargestellt, dass die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber der Allgemeinverbindlichkeit zustimmen müssen. Oder diese eben blockieren können. Und genau das war damals der Hintergrund.
Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hatten mit Blick auf das AEntG, das sich ja primär an ihre ausländischen Konkurrenten gerichtet hat, um Lohndumping zu vermeiden, auf einen Mindestlohntarifvertrag geeinigt. Wohlgemerkt, Gewerkschaft und Arbeitgeber der Branche zusammen hatten sich verständigt. Aber die AVE dieses Tarifvertrags scheiterte, denn nach $ 5 TVG müssen die Arbeitgeber im Tarifausschuss zustimmen – und da sitzen keine Branchen-Arbeitgeber, sondern Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Und die ließen das auflaufen und verweigerten ihre Zustimmung. Daraufhin hat der Gesetzgeber im AEntG eine Umgehungsoption zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen eröffnet, um den Widerstand der Arbeitgeber-Funktionäre im Tarifausschuss zu umgehen. Durch eine gesetzliche Änderung konnte das BMAS seit 1998 nunmehr durch Rechtsverordnung die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrag herstellen – und damit auch gegen den Willen der Arbeitgeber, ohne Berücksichtigung der damals relevanten 50-Prozent-Hürde und ohne Zustimmungsbedürftigkeit im Bundesrat. Das war anfangs alles begrenzt auf die Bauwirtschaft. Erst später kamen dann das Gebäudereinigerhandwerk und andere Branchen hinzu.
Allerdings war die Etablierung verbindlicher Branchen-Mindestlöhne über das AEntG eine mühselige Angelegenheit, denn das Gesetz musste bei jeder neuen Branche geändert und diese im Gesetz erwähnt werden. Im vergangenen Jahr waren es dann schon neun Branchen, die im hier relevanten § 4 AEntG aufgeführt waren und sind. Aber das hat man in der letzten GroKo mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz geändert, seit August 2014 ist es möglich, dass neue Branchen per Rechtsverordnung des BMAS aufgenommen werden, ohne dass sie im Gesetz entsprechend erwähnt werden müssen (vgl. § 4 Absatz 2 in Verbindung mit dem § 7a AEntG).
Nun ging es bislang doch immer nur um Branchen-Mindestlöhne, aber das eigentliche Thema ist doch die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags für die Altenpflege, nicht nur eines Mindestlohns. Dazu muss man wissen, dass der § 7a AEntG auch das ermöglicht, also die AVE eines ganzen Tarifvertrags. Im Absatz 1 heißt es:
»Auf gemeinsamen Antrag der Parteien eines Tarifvertrages … kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass die Rechtsnormen dieses Tarifvertrages auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung finden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint, um die in § 1 genannten Gesetzesziele zu erreichen.«
Und wie bereits erwähnt – eine Blockade durch Nicht-Zustimmung seitens der Arbeitgeber ist bei diesem Weg nicht möglich.
Fazit: Man könnte (unter sehr weitreichender Außerachtlassung der eigentlichen Ziele des AEntG) dieses als technisches Vehikel zu benutzen versuchen.
Aber sofort muss man eben zur Kenntnis nehmen, dass es gerade in der Altenpflege kein wirklich halbwegs relevantes Tarifwerk gibt (und die Regelungen der beiden Kirchen eben eine Sonderstellung einnehmen und die Kirchen selbst größten Wert darauf legen, dass ihre über den „dritten Weg“ zustande gekommenen Arbeitsvertragsrichtlinien eben keine Tarifverträge sind, sondern dem Sonderarbeitsrecht der Kirchen unterliegen.
Dieser Punkt wird nach den Ausführungen von Henrike Roßbach und Kristiana Ludwig auch vom Bundesarbeitsministerium gesehen: Das Ministerium »weist dabei auf eine grundlegende Schwierigkeit hin: Gegenwärtig gebe es noch keinen Tarifvertrag in der Altenpflege, der auf dem einen oder anderen Weg für allgemein verbindlich erklärt werden könnte, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Die existierenden Tarifverträge seien nur für ganz bestimmte Arbeitgeber anwendbar, etwa für öffentliche, das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt.«
Und dann fahren die beiden fort mit dieser These: »Das zentrale Problem bleibt die geringe gewerkschaftliche Organisation in der Pflegebranche.« Das kann und muss man zwar als Problem aufrufen, aber es ist bei der Frage nach der AVE nicht bedeutsamer als die Möglichkeit der Arbeitgeber, bei der „normalen“ AVE blockieren zu können und bei der AVE über das AEntG das Fehlen wirklich relevanter Tarifverträge in der Branche, an die man andocken kann. Aber unabhängig von der Gewichtung – hier wird der Finger auf eine offene Wunde gelegt, denn tatsächlich müssen sich auch die Pflegekräfte fragen, ob es wirklich hilfreich ist, dass sie kaum organisiert sind. Das fällt ihnen jetzt ein Stück weit auf die Füße (selbst wenn der Staat helfen wollte, worauf sich offensichtlich viele Pflegekräfte immer noch verlassen). Es kann hier nicht um die Frage gehen, ob die Gewerkschaft ver.di wirklich eine „gute“ Gewerkschaft für die Pflege ist oder nicht, die Organisationswerte vor allem in der Altenpflege sind desaströs und spielen den Arbeitgebern, die einer tariflichen Regelung ausweichen wollen, in die Hände. So ist das hier nicht verwunderlich, was Henrike Roßbach und Kristiana Ludwig in ihrem Artikel berichten:
»Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, der die Arbeitgeberseite bei Tarifverhandlungen vertreten könnte, äußerte sich deshalb skeptisch: „Da Gewerkschaften in den Pflegebetrieben so gut wie keine Mitglieder haben, muss man die Frage stellen, ob sie überhaupt ein Verhandlungsmandat haben“, sagte Geschäftsführer Sven Halldorn.«
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als fahrlässig, wenn eine ehemalige Bundesarbeitsministerin öffentlich verkündet, man verschaffe den Pflegekräften eine ordentliche tarifliche Entlohnung und man habe das gelöst. Wo denn bitte? Wie soll das beschriebene Wollknäuel genau aufgelöst werden? Mir erschließt sich das ohne weitere Konkretisierungen derzeit nicht – und wieder besteht die Gefahr, dass die vor uns liegende und immer kürzer werdende Legislaturperiode dazu verwendet wird, darüber zu debattieren, wie man denn die Voraussetzungen herstellt, damit man zu einer Allgemeinverbindlichkeit kommt.