Amazon mal wieder. In mehrfacher Hinsicht. Sozialpolitisch besonders interessant ist natürlich so eine Botschaft: Amazon trickst deutsche Gewerkschaft aus. Dort kann man lesen: »Der Onlinehändler fordert deutsche Verlage auf, Bücher über Logistikzentren in Polen und Tschechien zu verschicken – und die Kosten dafür selbst zu tragen. Ein Kniff, um Gewerkschaften zu entmachten.«
Polen, Tschechien – da war doch was. Genau, ein Blog-Beitrag auf dieser Seite am 25. November 2013 mit einer Aussicht auf das, was jetzt genauere Formen annimmt: Von „Work hard. Have fun. Make history“ bei Amazon zur Proletarisierung der Büroarbeit in geistigen Legebatterien. Streifzüge durch die „moderne“ Arbeitswelt.
Dort findet man gleich am Anfang des Blog-Beitrags diese Worte:
»Eines ist ganz sicher – die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nervt Amazon mit ihrer impertinenten Forderung nach einem Tarifvertrag für die Beschäftigten in den deutschen Warenverteilzentren des Weltkonzerns. Deshalb lässt Amazon ja auch schon mal sicherheitshalber neue Logistik-Zentren in der Tschechei und Polen errichten – „natürlich“ auf gar keinen Fall mit der Absicht, die Arbeit dann aus dem für Arbeitgeber „anstrengenden“ Deutschland in die angenehmer daherkommenden Ostländer zu verlagern und die Standorte in Deutschland auszudünnen oder gar aufzugeben. Was natürlich nicht für die Belieferung des deutschen Marktes gilt, denn der ist richtig wichtig für Amazon, hier wird Marge gemacht und dass soll auch so bleiben – bereits 2012 hat Amazon in Deutschland 6,4 Milliarden Euro umgesetzt und damit seit 2010 um 60 Prozent zugelegt. Und geliefert werden kann auch aus Polen und der Tschechei.«
Und jetzt, im August 2014, wird klar, dass es bei den neuen Logistik-Zentren in unseren Nachbarstaaten natürlich nicht um die Belieferung des osteuropäischen Marktes geht bzw. wenn, dann nur sekundär, sondern um eine strategische Alternative zu diesen unbotmäßigen und übergriffigen Arbeitnehmern bzw. Gewerkschaften in den deutschen Standorten.
Amazon verlangt von deutschen Verlagen, dass sie Bücher verstärkt über ausländische Versandzentren schicken, um als ein Ergebnis daraus die potenziell streikgefährdeten deutschen Logistikstandorte umgehen zu können.
»Die Verlagshäuser sollen, beginnend im September, rund 40 Prozent ihrer Bücher, Hörbücher und anderer Medien über neue Logistikstandorte in Polen und Tschechien an ihre inländischen Kunden schicken«, schreiben Michael Gassmann und Andre Tauber in ihrem Artikel. Von Posen und Breslau aus würden Kunden beliefert, die unter der deutschen Website des US-Versenders bestellt hätten, heißt es ausdrücklich in einem Schreiben des Unternehmens an deutsche Verlage. Aber Amazon macht seinem schlechten Ruf alle Ehre: »Nun sollen die Buchproduzenten nach dem Willen des US-Konzerns auch noch die Zusatzkosten für die weiten Entfernungen selbst tragen – zumindest, was den Hinweg betrifft.«
Diese ganze Strategie des amerikanischen Konzerns kann und muss man auch umweltpolitisch als höchst problematisch ansehen:
»Bestelle etwa ein Kunde in Frankfurt am Main ein Buch bei Amazon, so müsse es ab Verlag bei Auslieferung über das Lager Breslau im Schnitt rund 1200 Kilometer zurücklegen. Verlaufe die Lieferkette über ein deutsches Amazon-Lager, seien es im Schnitt nur 450 Kilometer – und nur 260 Kilometer bei einer direkten Verlagsauslieferung an den Buchhändler um die Ecke. In der ungünstigsten Variante entstehe ein Ausstoß des Klimagases CO2 von 58 Gramm pro Buch, gegenüber knapp 14 Gramm beim kürzesten Weg.«
Amazon also im Ergebnis als „Klimakiller“, um ver.di in Deutschland zu unterlaufen. Das entbehrt nicht einer zynischen Ironie.
Dass der Versender durch seine Umgehungstaktik mittelfristig massiv Arbeitsplätze an seinen deutschen Standorten gefährdet, liegt auf der Hand. Die Löhne in Polen und Tschechien liegen teilweise um mehr als die Hälfte niedriger als in Deutschland. Zudem ärgern sich die Amerikaner über das deutsche Konstrukt der betrieblichen Mitbestimmung:
»Dessen ungeachtet wählen die Beschäftigten des Zentrums Bad Hersfeld am 26. und 27. August erstmals einen paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat, nachdem das Unternehmen unter dem Druck eines – inzwischen eingestellten – Gerichtsverfahrens dazu gedrängt worden war.«
Nur um das Bild ein wenig abzurunden: Nicht nur die Gewerkschaften und die gewerkschaftlich engagierten Beschäftigten haben so ihre Probleme mit dem Unternehmen. Auch viele Schriftsteller, von den Verlagen mal ganz abgesehen: 909 Autoren gegen Amazon:
»Amazon-Chef Jeff Bezos erwartet Post, wenn auch unerfreuliche: Die Sonntagsausgabe der „New York Times“ wird einen ganzseitigen offenen Brief an ihn und sein Unternehmen Amazon enthalten, in dem schwere Vorwürfe zu lesen sind. 2,4 Millionen Käufer der Zeitung (Digitalverkauf inklusive) werden darin erfahren, wie Amazon Verlage unter Druck setze und Autoren schade. Unterzeichnet ist das Protestschreiben von 909 Autoren, von denen viele zu den Dauergästen auf den literarischen Bestsellerlisten zählen – auch bei Amazon.«