„Wer nachrechnet, wundert sich, wie lange es dauert, bis er das eingezahlte Geld zurück erhält.“ Natürlich – es geht um die „Riester-Rente“

Das wird für diejenigen, die sich mit den Untiefen der privaten Altersvorsorge und dabei vor allem der „Riester-Rente“ beschäftigt haben, keine überraschende Erkenntnis sein: Erste Riester-Renten fallen niedriger aus, so ist ein Artikel in der Frankfurter Rundschau überschrieben.

Über die Riester-Rente wurde in den vergangenen Jahren immer wieder und zunehmend auch kritischer berichtet. Diese Auseinandersetzung ist wichtig, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Menschen sich vom Staat haben leiten lassen, einen Teil ihrer zukünftigen Altersversorgung auf diese Säule zu legen. Und auf den ersten Blick scheint das ja auch ein gutes Angebot zu sein, wenn man bedenkt, wie tief der Staat in die Taschen (seiner Steuerzahler) greift, um den Abschluss von Riester-Verträgen anzureizen: Riester-Sparer bekommen eine staatliche Grundzulage von bis zu 154 Euro pro Jahr. Für jedes vor 2008 geborene Kind gibt es zusätzlich 185 Euro, für jedes danach geborene Kind 300 Euro. Gutverdiener profitieren eher von den möglichen Steuerersparnissen als den Zulagen.

Um diese Zulagen in voller Höhe zu erhalten, müssen Riester-Sparer pro Jahr, die Zulagen bereits eingerechnet, vier Prozent ihres Vorjahresbruttoeinkommens, maximal 2100 Euro, in ihren Riester-Vertrag einzahlen. Neben der Zulage können je nach Einzelfall noch Steuererstattungen anfallen, so der Artikel aus der Frankfurter Rundschau.

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart hat nun aber beobachtet: „Erste Verträge, die nun fällig werden, weisen mitunter eine viel niedrigere Rente aus, als ursprünglich in Aussicht gestellt wurde“. Und weiter wird er zitiert mit den Worten: „Wer nachrechnet, wundert sich, wie lange es dauert, bis er das eingezahlte Geld zurück erhält.“
Dieser problematische Aspekt wurde bereits an anderer Stelle diskutiert und nachgewiesen. Für eine vertiefende Auseinandersetzung vgl. beispielsweise die Studie

Joebges, Heike et al.: Auf dem Weg in die Altersarmut. Bilanz der Einführung der kapitalgedeckten Riester-Rente (= IMK Report, Nr. 73), Düsseldorf: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, September 2012.

Das IMK bezeichnet die Einführung der Riester-Rente als „Fehlentscheidung“: »… erstens sei die freiwillige Vorsorge für Arbeitnehmer vergleichsweise teuer und auch deshalb zehn Jahre nach ihrer Einführung nicht weit genug verbreitet. Zum zweiten fielen die Renditen kapitalgedeckter Produkte tendenziell geringer als die der umlagefinanzierten Rente.«

Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gelangte zu dem Ergebnis, dass bei 2011 neu abgeschlossenen Verträgen die Versicherten mindestens 87 Jahre alt werden müssten, um wenigstens ihre eigenen Einzahlungen und die staatlichen Zulagen wieder ausgezahlt zu bekommen – ohne jegliche Rendite.

Hier ist auch der Anknüpfungspunkt für die aktuelle Berichterstattung mit ihrem Hinweis, dass für viele die jetzt tatsächlich ausgezahlte Rente niedriger daherkommt als erwartet. Gründe für diese Entwicklung:

»Bei Verkauf der Verträge haben die Anbieter oft mit Zinsen gerechnet, die aus heutiger Sicht viel zu hoch waren. Außerdem müssen die Versicherer die Rente extrem vorsichtig kalkulieren, indem sie eine lange Lebenserwartung annehmen. „Die Sparer müssen rechnerisch sehr alt werden, bis die Versicherung ihnen ihr Geld wieder ausgezahlt hat.“

In diese kritische Vorbehalte bestätigende Berichterstattung passt auch der Beitrag Nur Scham der Banken erspart Minuszins bei Riester von Karsten Seiber. Es gibt ja unterschiedliche Formen der Riester-Rentenverträge und der Artikel befasst sich mit den Riester-Banksparpläne, die sei Jahren als die stillen Stars unter den Altersvorsorgeprodukten gelten und auch von Verbraucherschützern gerne empfohlen werden: »Wer monatlich oder vierteljährlich einen festen Betrag auf ein Konto bei seiner Bank einzahlt, der kommt deutlich günstiger an die staatliche Förderung, als wenn er das Geld einer Versicherung oder Fondsgesellschaft überlässt.«

Immer wieder als Positivum hervorgehoben: Bei den Banksparplänen ist die Höhe der Zinsen festgelegt. »Keine Bank kann willkürlich festlegen, wie viel sie dem Sparer gutschreibt. Sie muss sich an einem Referenzzins der Kapitalmärkte orientieren.«

Und genau hier wird es jetzt problematisch, denn durch die Zinspolitik der letzten Jahre ist eine Folge, dass auch der auf Jahrzehnte angelegte Riester-Banksparplan derzeit kaum etwas bringt. Die meisten Anbieter von Banksparplänen haben sich hinsichtlich der Seite einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2004 erforderlichen Ausweisung eines Referenzzinssatzes für die Umlaufrendite entschieden. Sie bildet die Rendite von Bundesanleihen mit unterschiedlicher Laufzeit ab und wird börsentäglich neu justiert.

»Doch während die Umlaufrendite bei Einführung der Riester-Rente vor zwölf Jahren noch bei fünf Prozent lag, fiel sie vor zwei Monaten erstmals unter ein Prozent. Und seitdem ging es weiter abwärts: Aktuell weist die Bundesbank lediglich noch eine Umlaufrendite von 0,8 Prozent pro Jahr aus.«

Das ist bereits wenig, aber noch nicht das, was beim Kunden tatsächlich ankommt, denn die Banken wollen nicht völlig auf eine wenn auch geringe Marge verzichten.

»Zwischen 0,5 und 1,0 Prozentpunkte behalten sie ein. Die Zahlen führen zu einem ernüchternden Ergebnis: Ein Zins von 0,8 Prozent abzüglich Kosten von 1,0 Prozent ergibt ein Minus von 0,2 Prozent. Das heißt nichts anderes, als dass ein Sparer der Bank noch etwas dafür zahlen muss, damit er sein Geld langfristig bei ihr anlegen darf«, so Karsten Seiber in seinem Artikel, der zugleich aber darauf hinweist: »So weit lassen es die Banken bislang nicht kommen.« In dem sie auf die eigentlich erforderliche Anpassung in den Minusbereich derzeit verzichten.

Vor diesem Hintergrund, aber auch unter Berücksichtigung weiterer, an dieser Stelle gar nicht thematisierter Probleme im Bereich der staatlich geförderten Altersvorsorge kann man durchaus die  Schlussfolgerung von Gustav A. Horn bei der Vorstellung der zitierten Studie des IMK über die Bilanz der Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge nachvollziehen:

„Hohe Kosten, magere Renditen und erhebliche Risiken bei der Kapitaldeckung gehen zu Lasten von Millionen Menschen, die darauf hoffen, das im Zuge der Reformen deutlich abgesenkte Niveau der gesetzlichen Rente durch Vorsorgesparen ausgleichen zu können. Doch nach allem, was wir heute absehen können, wird das nur relativ wenigen gelingen. Noch schlechter wird es für all jene aussehen, die sich eine zusätzliche Absicherung gar nicht leisten können.“

Copy and paste geht schnell – daneben. Reden wir über die „Riester-Rente“. Und eine „Studie“

„Es hat sich leider herausgestellt, dass uns beim Einfügen der Ergebnisse aus unseren Berechnungstabellen in das Studiendokument bei den klassischen Rentenversicherungen ein Fehler unterlaufen ist.“ Zu Deutsch: Beim Kopieren haben die Experten geschludert. 

Liegt es an der Hitze des Sommers? Oder muss man sich doch den Berufspessimisten anschließen, die mit einem grundnörglerischen Ton darauf hinweisen: überall und immer mehr Qualitätsprobleme? Und warum sollte die „Wissenschaft“ davon ausgenommen sein?

Nach peinlichen Fehlern in einer Studie, die angeblich die Schlechtigkeit des Betreuungsgeldes nachzuweisen meint, was man ihr aber nicht entnehmen kann, kommt nun eine weiteres, hoch konfliktäres Feld der Sozialpolitik auf die Tagesordnung: die private Altersversorgung, genauer: die Riester-Rente. Und wieder geht es um eine Studie und wieder um Rechenfehler, die im vorliegenden Fall aber ganz handfeste Auswirkungen haben in Form von so einigen tausend Euro.

Aufgedeckt hat das Handelsblatt Online und den Sachverhalt kann man diesem Beitrag entnehmen: Schäuble fällt auf falsche Riester-Bilanz herein.

Das Bundesfinanzministerium hatte im vergangenen Jahr eine Studie beim Berliner Institut für Transparenz (ITA), einem Schwesterunternehmen des Versicherungsanalysten Morgen & Morgen, in Auftrag gegeben. Die Experten sollten ausloten, ob und wie stark der Gesetzgeber die Kosten für die Riester-Produkte begrenzen muss, damit für die Sparer am Ende noch genug übrig bleibt. Hintergrund des Erkenntnisinteresses: Auch das Ministerium hat feststellen müssen, dass das staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukt immer mehr an Beliebtheit verliert. Auch in Berlin ist angekommen: Die Riester-Rente hat ein massives Akzeptanzproblem. Um zu wissen, wie man gegensteuern könne, gab das Finanzministerium die Studie in Auftrag. Verständlich, denn der Staat versenkt ja eine nicht unerhebliche Summe Geld mit der Förderung der Riester-Produkte.
»Das Ergebnis lag Mitte Juli vor und wurde vom Institut unter den Augen des Finanzministeriums veröffentlicht. Was vor zwei Wochen niemandem auffiel war allerdings, dass die Berechnungen peinliche Fehler enthielten«, berichtet Handelsblatt Online, sozusagen aus erster Hand, denn sie selbst haben den Fehler entdeckt und in die Öffentlichkeit getragen – mit der Folge, dass die Studie gestern zurückgezogen wurde. Seither werden neue Zahlen präsentiert.
Was genau ist passiert?

»In den Tabellen zu den Kosteneffekten hat das ITA ausgerechnet beim Vorzeigeprodukt Riester-Rentenversicherung die Ausgangsrenditen zu positiv dargestellt. Damit ergaben sich am Ende auch gute Renditen nach Kosten.«

Konkret: In der Studie wurden die jährlichen Erträge des Altersvorsorgeprodukts nach Kosten mit 3,6 Prozent und mehr beziffert. Das hört sich lukrativ an.
Aber auf der Basis der neuen Daten, nachdem aufgefallen war, dass die Ausgangsrenditen zu hoch angesetzt sind in der ITA-Studie (Zitat Simone Tutone, Projektleiterin beim ITA: „Es hat sich leider herausgestellt, dass uns beim Einfügen der Ergebnisse aus unseren Berechnungstabellen in das Studiendokument bei den klassischen Rentenversicherungen ein Fehler unterlaufen ist“) kommt man zu deutlich niedrigeren Renditen:

»Die Unterschiede in den Renditen nach Kosten, die bis zu 1,8 Prozentpunkte ausmachen, würden sich über die Jahre auf einige tausend Euro summieren«, so das Handelsblatt.

Was das bedeutet wird an einem Rechenbeispiel illustriert:

»Ein Kunde, der über 30 Jahre monatlich 100 Euro einbezahlt, bekommt bei einer Rendite von jährlich 3,6 Prozent – diesen Wert unterstellt die Studie für entsprechende Riester-Rentenversicherungen – rund 28.200 Euro reinen Zinsertrag. Richtig wären aber – wie jetzt herauskam – 2,86 Prozent gewesen. Dadurch würde sich der Zinsertrag des Sparers um ziemlich genau 10.000 Euro verringern. Statt 28.000 Euro Zinsertrag blieben nur rund rund 18.000 Euro und die Erkenntnis, dass sich Riester womöglich doch nicht lohnt.«

Nun ist der Schaden in der Welt und das Ministerium auf der Flucht:

»Ein Sprecher legt Wert darauf, dass das Gutachten zwar in Auftrag gegeben worden sei, aber die Experten völlig unabhängig gerechnet haben.«

Aber seien wir ehrlich: Ein Gutes hat die Angelegenheit schon – wieder einmal gibt es einen Grund, darauf hinzuweisen, dass der echte Riester schon in Rente ist und dass man sich eine endgültige Stilllegung auch für die Riester-Rente gut vorstellen kann.

Warum die „Niedrigzinsfalle“ auch ein großes Thema für die Sozialpolitik ist

Die Rentenversicherung und die Krankenversicherung sind die beiden großen Systeme des deutschen Sozialstaats – diese beiden Versicherungszweige bringen es auf mehr als die Hälfte des gesamten Sozialbudgets, also aller Sozialleistungen in Deutschland. Demnach entfielen nach dem amtlichen Sozialbudget 2011 von den 767,6 Mrd. Euro Sozialleistungen 32% auf die Rentenversicherung und 24,5% auf die Krankenversicherung (gesetzliche und private Krankenversicherung zusammen). Die Entwicklung in diesen beiden großen Systemen ist zentral für das, was unter „Sozialleistungen“ diskutiert wird – bzw. eigentlich werden sollte, denn wenn beispielsweise in der öffentlichen Debatte über Einsparmöglichkeiten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gestritten wird, dann ist das aus der Gesamtperspektive des Sozialbudgets ohne spürbare Relevanz.

Man sollte sich an dieser Stelle einmal verdeutlichen, dass alle Ausgaben für den Bereich Kinder- und Jugendhilfe zusammen lediglich 3,4% des Sozialbudgets ausmachen (BMAS, Sozialbudget 2011, S. 6). Wenn man jetzt also – um zu „sparen“ – alle Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe komplett einstellen würde, also alle Kindertageseinrichtungen schließen würde, alle Kinder- und Jugendheime und Wohngemeinschaften, alle Beratungsangebote, dann würde das erhebliche Verwüstungen vor Ort anrichten, wie sich jeder vorstellen kann, aber der Effekt im Sozialbudget wäre marginal.

Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Ausgabenentwicklung in den beiden großen Systemen die größte Bedeutung zukommt. Deshalb hat es ja auch mit den so genannten „Rentenreformen“ der damaligen rot-grünen Bundesregierung vor allem Anfang der 2000er Jahre massive Einschnitte bei der gesetzlichen Rente gegeben, die im Wesentlichen daraus bestanden, faktische Rentenkürzungen zuungunsten der Versicherten durchzusetzen. Gleichzeitig wurden die bewusst geschaffenen Sicherungslücken bekanntlich auf dem Papier dadurch „ausgeglichen“, dass man ein mit erheblichen Steuermitteln gepampertes System der (freiwilligen) privaten, kapitalgedeckten Altersvorsorge („Riester-Rente“) installiert hat – zum besonderen Wohlgefallen der Versicherungswirtschaft, die hier ein weiteres staatlich subventioniertes Betätigungsfeld bekommen hat. Es ist hier nicht der Platz, in die Details der vielstimmigen Kritik an dieser Form der Altersvorsorge einzusteigen – aber ein Aspekt soll besonders herausgestellt werden: Die immer wieder vorgetragene Kritik, dass die milliardenschwere öffentliche Förderung der „Riester-Rente“ vor allem den privaten Finanzunternehmen zugute kommt und weniger bis gar nicht den betroffenen Versicherten. Das führt unmittelbar zu der Frage, warum eigentlich diese Säule der Altersvorsorge von privaten, auf Gewinn und Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmen durchgeführt werden muss und ob man das – wenn schon – nicht in die Hände eines öffentlichen Versicherers hätte legen können und müssen. Vorbilder dafür gibt es in anderen Ländern, beispielsweise in Schweden.
Vor diesem Hintergrund ist der Vorstoß von Herbert Rische, dem Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) von Interesse, den dieser in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ geäußert hat:

»Ich kann mir ein Modell vorstellen, nach dem die Menschen zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente, über freiwillige Zahlungen weitere Ansprüche bei der Rentenversicherung erwerben. Solche Zahlungen ließen sich auch mit einer betrieblichen Altersvorsorge oder anderen Altersvorsorgeprodukten kombinieren. Von Versicherten haben wir oft solche Nachfragen. Wir sollten hier die Türen öffnen.«

Rische geht davon aus, dass die Deutsche Rentenversicherung mit einem solchen Angebot konkurrenzfähig wäre.

Es kann allerdings nicht wirklich verwundern, dass es so gut wie keine Resonanz auf diesen Versuchsballon der DRV in der Politik gegeben hat. Man kann sich vorstellen, welche Lobby-Geschütze der finanzindustrielle Komplex auffahren würde, um so eine Konkurrenz zu verhindern.

Aber auch wenn wir uns vorstellen, es würde eine solche private Altersvorsorge-Alternative in der Hand der Deutschen Rentenversicherung geben – sie müsste wie die private Konkurrenz angesichts der Kapitaldeckung in dieser Säule der Altersvorsorge das anzusparende Kapital rentierlich anlegen (können) – und würde damit sogleich vor ein Problem gestellt werden, mit dem die privaten Versicherungsunternehmen schon längst zu kämpfen haben: Der seit längerem anhaltenden Niedrigzinsphase, für deren Ende es in der absehbaren Zeit keine erkennbaren Anzeichen gibt. Das bringt die kapitalgedeckten Systeme in schweres Fahrwasser.

Nehmen wir als Beispiel eines der wichtigsten Instrumente für die private Altersvorsorge in Deutschland: Die Lebensversicherungen, von denen es in Deutschland mehr als 90 Millionen gibt. Die Zinsproblematik wird beispielsweise in dem SWR-Radiobeitrag „Sorge trotz Vorsorge. Warum der Leitzins die privaten Lebensversicherungen unter Druck setzt“ behandelt:

»Die Zinsen sind im Keller. Wer jetzt einen Kredit aufnimmt, kann sich vielleicht freuen. Wer aber spart und versucht fürs Alter vorzusorgen, macht ein langes Gesicht. Beim Blick auf den Bescheid der privaten Renten- und Lebensversicherungen kann einem angst und bange werden. Denn die private Absicherung, die die Versorgungslücke schließen sollte, reicht hinten und vorne nicht mehr. Droht im Alter jetzt Sorge trotz Vorsorge? Und welche Alternativen gibt es? Warum des Deutschen liebstes Vorsorgeprodukt weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Gesprächspartner ist Prof. Uwe Wystup. Der Finanzmathematiker ist Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance und Vorstand der MathFinance AG.«

Das Handelsblatt bringt es bereits mit einem Zitat in der Überschrift zu einem Artikel auf den Punkt: „Gib mir Geld, ich gebe es ohne Zinsen zurück“: Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank macht den Anbietern von Lebensversicherungen das Leben schwer. Verbraucherschützer warnen bereits vor dem Abschluss solcher Versicherungen. Ist die Panik berechtigt?
Auf alle Fälle muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Garantiezins bei Neuverträgen auf 1,75 Prozent gedrückt worden ist seitens der Bundesregierung, die für die Festlegung verantwortlich ist – wegen der niedrigen Leitzinsen und magerer Kapitalmarktrenditen. »Auch die Beteiligungen der Versicherten an den Überschüssen der Unternehmen sinken. Verbraucherschützer warnen: Kunden müssten sich fragen, ob sie bei einer Lebensversicherung am Ende – nach Abzug der Inflationsrate – nicht draufzahlen.« Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg wird in dem Handelsblatt-Beitrag zitiert mit den Worten: „Alles läuft nach dem Motto: Gib mir Geld, in 30 Jahren gebe ich es zurück, allerdings fast ohne Zinsen“. Allerdings stellt sich das Problem mangelnder Alternativen, den wo soll statt dessen eine Anlage erfolgen? In Aktien oder Immobilien? Aber auch die Lebensversicherer selbst sind ein Risikofaktor, denn sie müssen einlösen, was sie mal zugesagt haben: In den 1990er Jahren beispielsweise lag der erwähnte Garantiezins bei bis zu vier Prozent und die müssen für die Kunden auch erwirtschaftet werden.

Das klingt alles nicht wirklich beruhigend. Zudem wird bei den meisten auch kritischen Berichten über die Probleme der kapitalgedeckten Systeme ein grundlegender Aspekt immer wieder ausgeklammert: Die wahren Probleme der kapitalgedeckten Systeme werden zu Tage treten, wenn die Babyboomer-Generation in die Renten geht oder zu gehen versucht und die Anlagen aufgelöst werden müssen, um die zugesagten Beträge auszahlen zu können. Nur muss es immer auch Nachfrager geben für die Anlagen der Versicherer, also Anleihen, Aktien und Immobilien, die dann ganz konkret zu Gbeld gemacht werden müssen. Dann wird richtig erkennbar werden, dass auch die Kapitaldeckung in großem Stil zumindest eher der Umlagefinanzierung ähnelt, als das heute gerade von vielen Ökonomen gesehen wird, die anscheinend eher einem „Sparkassen-Modell“ gedanklich frönen.

Und das ist nicht nur ein Problem der privaten Altersvorsorge, sondern auch eines für die privaten Krankenversicherer (PKV), wie Thomas Schmitt in seinem im Handelsblatt veröffentlichten Artikel „Privatpatienten tappen in die Zinsfalle“ erläutert. Konkret geht es um den „Rechnungszins“: »Mit diesem Satz werden die Altersrückstellungen verzinst, die in späteren Jahren den Beitragsanstieg in der PKV dämpfen sollen. Dieser Zins beträgt derzeit für die neun Millionen Altkunden 3,5 Prozent. Er ist damit viel höher als der Garantiezins der Lebensversicherung, der nur noch 1,75 Prozent beträgt.«  Aber 18 private Krankenversicherungsunternehmen liegen unterhalb dieses Satzes, wie laut Handelsblatt aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht – die von den Mathematikern der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) ermittelten Werte lägen zwischen 2,86 Prozent und 3,48 Prozent (zu den Auswirkungen der aktuellen Niedrigzinsphase auf die Lebensversicherungen gab es am 25. April 2013 eine Podiumsdiskussion der DAV, die man als Video anschauen kann). Die 18 privaten Krankenversicherungsunternehmen – die übrigens fast 40% der PKV-Unternehmen repräsentieren, zu denen beispielsweise Axa und die Generali-Tochter Central gehören, die beide zusammen 1,2 Mio. Vollversicherte auf die Waage bringen – müssten also den Rechnungszins eigentlich absenken, was aber höhere Beiträge für die Versicherten zur Folge hätte, damit diese im gleichen Umfang für niedrigere Beiträge im Alter vorsorgen können.

Es war immer schon ein grundsätzliches Problem der PKV, dass keiner hier richtig durchblickt. Nun wird auch der Teilbereich des Rechnungszinses ein buntes Biotop: »Gerade erst hat die Branche ab 2013 die Prämien für Neukunden kräftig erhöht – unter anderem auch wegen der niedrigen Zinsen. Manche Anbieter rechnen nun im Neugeschäft mit 2,5 Prozent Rechnungszins, viele mit 2,75 Prozent und manche auch noch mit 3,5 Prozent.« Das wir hier aus Sicht des Verbraucherschutzes ein echtes Problem haben, verdeutlicht der folgenden Passus in dem Beitrag von Thomas Schmitt:

„Größere Transparenz wäre sinnvoll.“ Das sagt selbst ein PKV-Insider wie Gerd Güssler, Geschäftsführer des Branchenspezialisten KVpro.de. Selbst Spezialisten wie er hätten keinen Überblick mehr über so wichtige Kennziffern wie den Rechnungszins einzelner Unternehmen.
Was lernen wir aus beiden Beispielen? Vielleicht mal wieder einen gewissen Respekt vor dem Umlageverfahren in den vielgeschmähten Sozialversicherungssystemen und die Richtigkeit einer grundlegenden Skepsis gegenüber kapitalgedeckten Systemen, die zu lange als die „bessere“ Alternative durch die politische Landschaft segeln konnten.