Das Sommerloch ist doch eigentlich schon vorbei, aber in den Medien werden weiter zahlreiche sprichwörtliche Sauen durchs politische Dorf getrieben, bei denen Vorschläge gemacht werden, über deren Substanzlosigkeit und zuweilen rechtliche, geschweige denn menschenbezogene Bodenlosigkeit man nur den Kopf schütteln kann.
Dazu muss man nur einen flüchtigen Blick auf die sozialpolitisch relevante Berichterstattung an einem zufällig ausgewählten Tag heranziehen. Konkret soll es hier um Meldungen gehen, die am 29. September 2025 veröffentlicht worden sind.
Vom „Sparen“ in der gesetzlichen Krankenversicherung und absehbaren Lücken
Den Anfang macht eine dieser Botschaften derjenigen, die für Leistungskürzungen in einem sozialpolitischen Kernbereich eintreten – aber nicht etwa für noch halbwegs überschaubare kleinteilige Einschnitte, sondern hier wird der ganz große Hammer rausgeholt: Es geht um die Krankenversicherung (bzw. genauer: um die gesetzliche Krankenversicherung, „natürlich“ nicht um die private Krankenversicherung – in der allerdings nicht wenige derjenigen, die den folgenden Vorschlag platziert haben, selbst abgesichert sind). Krankenversicherung könnte 18 Milliarden Euro einsparen – so ist der hier aufzurufende Artikel von Christian Geinitz in der FAZ überschrieben. Das ist eine echt große Hausnummer – und wenn man an das Dauerfeuer in den Medien über aus dem Ruder laufende Ausgaben der GKV und weiter steigende Beitragssätze für die Versicherten denkt, dann wird der eine oder andere mehr als aufmerksam werden. Wie kann man so eine große Summe „einsparen“? Was für eine bestehende Verschwendung im System soll hier beseitigt werden?
Wir werden sogleich aufgeklärt, um was es hier geht, wenn wir nicht nur die Überschrift lesen: »Der CDU-Wirtschaftsrat fordert in einem Positionspapier, die Kassen sollen Zahnbehandlungen und Kieferorthopädie nicht mehr zahlen und so Milliarden sparen.« Also „sparen“ würden bei diesem Vorschlag die Krankenkassen, die diese Ausgaben nicht mehr in ihren Büchern verbuchen müssten – aber gespart wird meistens auf Kosten anderer, in diesem Fall der Versicherten bzw. der Patienten, die dann die „gesparten“ Milliarden selbst zahlen müssen oder aber sich eine hier dann einschlägige Absicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen kaufen und dafür natürlich Beiträge zahlen müssten.
Der Artikel spricht mit Blick auf das Positionspapier des CDU-Wirtschaftsrates von einem „Katalog mit weitgehenden und auch unpopulären Reformvorschlägen“. Dazu gehört übrigens nicht nur, dass die zahnärztlichen sowie kieferorthopädischen Behandlungen nicht länger von den Krankenkassen bezahlt werden. Auch bei der Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit will man kürzen: Das Arbeitslosengeld I, das bisher bei älteren Arbeitslosen bis zu zwei Jahre lang gezahlt wird, soll künftig auf maximal zwölf Monate begrenzt werden. Und auch nicht wirklich überraschend, »verlangt der Wirtschaftsrat, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu knüpfen – also länger zu arbeiten – und die Frühverrentung einzuschränken.« Und auch das wird keinen überraschen: »Die Sprache des Wirtschaftsrats ist teilweise kämpferisch-salopp, zum Beispiel wenn er verlangt, die Grundsicherung „zurechtzustutzen“. Transferempfänger, etwa im Bürgergeld, seien stärker zu fordern, indem sie Eigenanstrengungen zur Arbeitsaufnahme selbst nachweisen müssten.«
Wer sich das Papier des Wirtschaftsrates im Original anschauen möchte, der wird hier fündig:
➔ Wirtschaftsrat Deutschland (2025): Damit auf den Herbst der Reformen ein Frühling des Aufschwungs folgt. 10-Punkte-Agenda für einen starken Wirtschafts- und Investitionsstandort Deutschland, Berlin, September 2025
Zu der Forderung nach einer Ausgliederung der zahnärztlichen Versorgung (sowie weiterer „Selbstbeteiligungen“) aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen kann man dem Papier unter der Überschrift „Sozialabgaben begrenzen – Eigenverantwortung in den Sozialsystemen ausbauen“ entnehmen:
»Krankenversicherung: Verschiedene Leistungen lassen sich gut privat absichern oder selbst tragen und sollten nicht länger im Umlageverfahren den Beitragszahlern zur Last fallen. Dazu zählen beispielsweise generell die zahnärztlichen Leistungen, Kieferorthopädie oder Fahrtkosten für Behandlungen. Gleichzeitig sollte durch Selbstbeteiligungen das Prinzip der Eigenverantwortung auch in der Krankenversicherung gestärkt werden.«
Stellen wir uns nur mal einen kurzen Moment vor, was passieren würde, wenn man dem Forderungspapier folgend die Axt an den Leistungskatalog der Krankenkassen legen und den gesamten Bereich der zahnmedizinischen Behandlungen auslagern würde: Die betroffenen Menschen hätten nur die Möglichkeit, entweder alle Zahnarztkosten selbst zu finanzieren oder aber eine private Zusatzversicherung für die zahnmedizinische Behandlung bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) abzuschließen und die damit verbundenen Beiträge vollständig aus dem eigenen Einkommen zu bezahlen oder es zu versuchen. Bei dem Vorschlag würde es nicht um eine private Zusatzversicherung gehen (die übrigens viele GKV-Versicherte aufgrund der nur anteiligen Kostenübernahme vor allem im Bereich des Zahnersatzes heute schon abgeschlossen haben), sondern man müsste den gesamten Bereich der zahnmedizinischen Versorgung privat absichern in der PKV. Selbst wenn man das durchziehen wollte, wird man bei einer überschlägigen Kalkulation für viele Menschen auf sehr hohe individuelle Beitragsbelastungen kommen, die vollständig alleine zu finanzieren wären und die in der Regel auch noch hohe Selbstbeteiligungen beinhalten werden (außerdem sind die PKV-Tarife in der Beitragshöhe hochgradig altersabhängig, so dass die vielen lebensälteren Menschen aufgrund ihrer individuellen Risikoeinstufung extrem hohen Prämienbelastungen ausgesetzt wären). Wenn man aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, hohe bzw. sehr hohe Beiträge zu zahlen (und das wird für Millionen einkommensschwache Haushalte der Fall sein), dann müssten die Betroffenen jede Zahnarztrechnung selbst bezahlen. Das werden viele schlichtweg nicht stemmen können.
➞ Nehmen wir den in dem Papier explizit angesprochenen Bereich der auszulagernden Kieferorthopädie: Bei medizinischer Indikation übernimmt die GKV heute häufig die Kosten. Würde das wegfallen, sind 2.000 – 6.000 Euro für konventionelle Behandlung bzw. 3.500 – 8.000 Euro (Invisalign) fällig.
Hat sich auch nur ansatzweise irgendeiner der Verfasser des Papiers des CDU-Wirtschaftsflügels Gedanken gemacht, was das für Versorgungslücken reißen würde?
Und allen sollte klar werden, dass die abstrakt beschworene „Eigenverantwortung“ (= private Absicherung aus eigenem Einkommen ohne Integration in eine solidarische Umverteilungsgemeinschaft wie der GKV) nicht nur begrenzt bleiben soll auf die Zahnmedizin. Man muss nur das Vorschlagspapier in Gänze lesen – überall findet man das Zurückdrängen des Leistungskatalogs der Sozialversicherung und die Betroffenen werden in mehreren Feldern verwiesen auf die „Alternative“ (bzw. den Zwang), sich selbst privat abzusichern: Neben der gesamten zahnmedizinischen Behandlung wird für die Rentenversicherung eine „Stärkung der privaten, kapitalgedeckten Vorsorge“ gefordert und für die Pflegeversicherung werden „private Zusatzversicherungen“ eingefordert. Man kann in dieser Welt sein Leben nur noch mit dem Eintauchen in die vielgestaltige Welt der Versicherungen verbringen. Das ist nicht nur absurd, sondern schlichtweg unseriös.
Und wenn wir schon dabei sind – auch für bestimmte andere als Zahnärzte soll man selbst einen (weiteren) Versicherungsvertrag abschließen
Am gleichen Tag wurde dann über einen Vorstoß berichtet aus dem Lager der Kassen- bzw. Vertragsärzte – oder genauer: aus den Reihen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die ja eigentlich mit den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) für die Verteilung der Gelder aus der solidarischen, umlagefinanzierten GKV zuständig ist.
Unter der Überschrift Facharztbesuch ohne Überweisung? Kassenarzt-Chef Gassen bringt Bezahl-Tarif ins Spiel kann man sich über diesen Vorschlag informieren:
»In der Debatte um eine bessere Steuerung und eine höhere Kostenbeteiligung der Patientinnen und Patienten hat Kassenarzt-Chef Andreas Gassen einen neuen Vorschlag vorgelegt: Versicherte, die auch künftig generell ohne Überweisung eines Hausarztes oder eine digitale Ersteinschätzung direkt zu einem Facharzt gehen wollen, müssen danach einen zusätzlichen „Facharzttarif“ mit jährlichen Kosten von voraussichtlich 200 bis 350 Euro abschließen.«
Hintergrund ist das Vorhaben der schwarz-roten Koalition, die gesetzlich Versicherten vom Hausarzt steuern zu lassen. Und dann kommt das nächste Zauberwort neben „Eigenverantwortung“, mit dem man hier immer beworfen wird: „Wahlfreiheit“. Hört sich erst einmal positiv an. Das Ich entscheidet. Wenn es das denn kann.
»Gerade jüngere Menschen würden den zusätzlichen Gang zum Hausarzt … als überflüssig empfinden. „Wer den Facharzttarif abschließt, hat die Wahlfreiheit und kann auch in Zukunft immer direkt zum Facharzt gehen“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).« Natürlich geht es dem Interessenvertreter der niedergelassenen Vertragsärzte darum, neue Geldquellen für sein Klientel zu erschließen. Das sagt er auch: „Die Mehreinnahmen aus dem Facharzttarif sollen daher dazu dienen, die zusätzlichen Termine außerhalb des Budgets voll zu vergüten“, so Gassen.
Aber bevor man sich jetzt zu sehr aufregt, muss man fairerweise anmerken, dass der Gassen-Vorschlag fast schon als Schnäppchen daherkommt, denn er inszeniert sich als fast schon „günstige“ Variante eines anderen Vorschlags, der diese Tage ebenfalls in die Manege geworfen wurde: »Die von CDU-Politikern vorgeschlagene Gebühr von 200 Euro für jeden direkten Facharztbesuch nannte Gassen hingegen zu hoch gegriffen. „Man muss die Kirche im Dorf lassen: Ein Facharztbesuch kostet die gesetzliche Krankenversicherung im Quartal zwischen 60 und 75 Euro“, sagte er.« Das ist fast schon putzig – denn der Vertragsärztechef weist die ungestümen CDU-Politiker darauf hin, dass das Preisschild zu dick aufgetragen ist.
➞ Hier bezieht man sich offensichtlich auf diesen Vorstoß aus den Reihen der CDU: »Unionsfraktionsvize Albert Stegemann (49, CDU) …: „Wer das geplante Primärarztsystem auf eigene Faust umgehen will, sollte eine Gebühr dafür zahlen. Sonst gibt es keine Patientensteuerung, sondern nur eine Empfehlung. Eine Gebühr von 200 Euro pro selbst vereinbartem Facharzttermin außerhalb des Primärarztsystems halte ich für denkbar.“« Und ein anderer geht noch weiter: »CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger plädiert dafür, dass Patienten die Facharzt-Kosten komplett selbst tragen. „Wer sich bewusst nicht durch ein Primärarztsystem steuern lässt und unnötige Arzttermine in Anspruch nimmt, muss die Kosten dafür tragen“, so Pilsinger.«
Genug der Gesundheits- bzw. Krankheitsthemen. Denn am 29. September 2025 wurde man auch noch mit – nun ja – „kreativen“ Vorschlägen aus anderen sozialpolitisch hoch relevanten Welten beglückt. Dabei kann „natürlich“ das Thema Bürgergeld bzw. Grundsicherung nicht fehlen.
Die FDP ist wieder da. Und der Parteichef will das soziokulturelle Existenzminimum auf Kredit verkaufen
Nachdem die FDP im Frühjahr an der 5-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Bundestag geflogen ist, hat man nicht mehr viel gehört. Christian Lindner hat sich zurückgezogen und die Rest-FDP hat Christian Dürr zum Lindner-Nachfolger gewählt. Und der wollte jetzt offensichtlich auch mal in die Presse – was zunehmend nur noch gelingt, wenn man irgendeinen aufmerksamkeitsheischenden Vorschlag raushaut. Hier der Dürr’sche Versuch:
Ein Gespräch der FAZ mit dem FDP-Vorsitzenden Dürr ist mit dieser Headline versehen worden, die im wahrsten Sinne des Wortes ein echter sozialpolitisch relevanter Blickfang ist: „Ich bin für eine Grundsicherung auf Kredit“. Also das kommt jetzt mal wirklich neu rüber. Lesen wir also mal genauer, was für eine Idee da vorgetragen wird.
»Die Bundesregierung will das Bürgergeld in Grundsicherung umbenennen. Das ändert nur das Etikett, wird aber zu keiner Ersparnis führen, sorgt nicht für mehr Anreize im System, eine Arbeit aufzunehmen. Deswegen schlage ich etwas radikal anderes vor – eine Grundsicherung auf Kredit. Damit greife ich auf, was wir vom Bafög kennen. Hier unterstützt der Staat die Ausbildung. Später im Arbeitsleben muss der Begünstigte das zurückzahlen, zumindest teilweise. Wenn die Steuerzahler aus guten Gründen Menschen unterstützen, die längere Zeit arbeitslos sind, können sie erwarten, dass solche Sozialzahlungen nach einer bestimmten Zeit der Inanspruchnahme zurückgezahlt werden, zumindest zu einem Gutteil. Das sollte kein Tabu sein.«
Man sollte dem Herrn Vorsitzenden zurufen, er solle sich ein wenig Zeit nehmen und das wegweisende und hier höchst relevante Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 lesen. Im ersten Leitsatz der damaligen Entscheidung wird ausgeführt:
»Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.«
Und dann kommt der 2. Leitsatz:
»Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden.«
Quelle: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09
Wenn man also zur Kenntnis nehmen muss, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unverfügbar ist und bedingungslos realisiert werden muss, dann bedeutet das, dass der Staat die Leistung nicht von Rückzahlungsverpflichtungen abhängig machen und er darf keine Verschuldung verlangen, um das Existenzminimum zu sichern. Ein Darlehensmodell würde den Leistungsberechtigten in eine Schuldensituation bringen und damit die Bedingungslosigkeit verletzen. Das würde mit Art 1 GG kollidieren.
➞ Vielleicht wird der eine oder andere an dieser Stelle einwenden, dass es doch eng begrenzte Fälle gibt, in denen Sozialleistungen als Darlehen gewährt werden dürfen und dass wir im SGB II, also der Rechtsgrundlage für die Grundsicherung, doch explizit mit dem § 42a SGB II eine Grundlage für eine Darlehensgewährung haben. Aber: Das gilt nur für vorübergehende Notsituationen, etwa wenn Einkommen bald zufließt – also nicht für das gesamte Existenzminimum auf Dauer. Eine generelle Umwandlung der Grundsicherung in ein Darlehen würde diese Grenzen klar überschreiten.
Wenn schon „Stütze“, dann für EU-Ausländer weniger „Stütze“?
»Der Sozialbetrug durch Ausländer in Deutschland wird immer schlimmer. Dabei zocken EU-Bürger (vor allem aus Südosteuropa) mit Scheinarbeitsverträgen, Minijobs und dem Betrug beim Bezug von Kindergeld geradezu bandenmäßig organisiert den Sozialstaat ab.« So beginnt ein Artikel aus der BILD-Zeitung, der die aufgeheizte Debatte rund um den angeblichen oder tatsächlichen Missbrauch bei Sozialleistungen vor allem in einigen Städten des Ruhrgebiets in der für diese Zeitung typischen Manier verallgemeinert und dem Leser suggeriert, dass das flächendeckend in Deutschland der Fall sei. Aber zugleich wird die Botschaft transportiert: Endlich bewegt sich was: »Jetzt reagiert die Politik, fordert als Lösung künftig eine Mini-Stütze für EU-Ausländer!« Da sind aber mal gespannt, wer genau in der Politik was fordert.
Da kommt was aus den Reihen der CSU und zwar von einem Nicht-Sozialexperten: »Außenexperte Stephan Mayer (CSU) zu BILD: „Die jüngsten Fälle von bandenmäßigem Missbrauch beim Bürgergeld und anderen Sozialleistungen, wie dem Kindergeld, zeigen: So geht es nicht mehr weiter! Wir müssen dem Sozialmissbrauch ein Ende setzen.“«
Und wie soll das gehen? »Mayer fordert: „Wir brauchen eine Mini-Stütze für EU-Bürger in Deutschland. Heißt: EU-Ausländer, die bei uns Sozialleistungen beziehen wollen, dürfen künftig nur noch Leistungen auf dem Stütze-Niveau ihrer Heimat beziehen. Das wird die Einwanderung in unsere Sozialsysteme stoppen. Und: Die Mini-Stütze für EU-Bürger würde kriminellen Banden, die zuletzt regelrechte Geschäftsmodelle rund um den Bürgergeld-Bezug entwickelt haben, die Geschäftsgrundlage vollständig entziehen.“«
Und angeblich ist er nicht allein: »Unterstützung erhält Mayers Knallhart-Vorstoß für die neue „Mini-Stütze“ für EU-Ausländer jetzt von den beiden CDU-Europaministern aus Hessen und Nordrhein-Westfalen.«
Nathanael Liminski (CDU), Minister für Bundes- und Europa-Angelegenheiten und Chef der Staatskanzlei Nordhein-Westfalen wird wenigstens mit diesem Einschub zitiert: »Aus der Sicht Liminskis seien jedoch „viele Bulgaren und Rumänen (…) selbst Opfer krimineller Machenschaften. Sie werden unter falschen Versprechen nach Deutschland gelockt und schamlos ausgebeutet – die von ihnen beantragten Sozialleistungen erreichen sie oft gar nicht.“«
Sogar der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, hatte sich zu diesem Thema bereits am 22. September 2025 zu Wort gemeldet: »CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann dringt auf schärfere EU-Regeln zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, um ein Ausnutzen des deutschen Bürgergeldsystems zu erschweren. Deutschland müsse das Sozialsystem „resilienter machen und vor dem Missbrauch durch kriminelle Banden schützen“,« so wird er aus einem Interview – „natürlich“ mit der BILD-Zeitung – in dem Artikel Linnemann: Bürgergeldbezug für EU-Ausländer erschweren zitiert. Und weiter führt er aus: „Auf EU-Ebene muss der Arbeitnehmerbegriff deswegen neu definiert werden. Wenige Stunden zu arbeiten und den Rest aufzustocken, obwohl man Vollzeit arbeiten kann, darf nicht möglich sein.“ Grundsätzlich müsse eine Vollzeittätigkeit maßgeblich sein, „insbesondere bei kinderlosen Singles“. Es handele sich um eine „krasse Regelungslücke, die geradezu dazu einlädt, sie auszunutzen“, erklärte er.
Der entscheidende Punkt bei diesem Vorstoß: »EU-Ausländer, die bei uns Sozialleistungen beziehen wollen, dürfen künftig nur noch Leistungen auf dem Stütze-Niveau ihrer Heimat beziehen.« Dabei müssten die Beteiligten doch wissen, dass wir es hier mit europarechtlichen Regelungen zu tun haben, die man in Deutschland nicht einfach ändern kann, selbst wenn man will. Und der eine oder andere wird sich daran erinnern, dass wir diese Diskussion – Leistungen auf dem Niveau des Herkunftslandes – im Bereich des Kindergeldes schon mal gehabt haben und das unser Nachbarland Österreich sogar tatsächlich den Weg beschritten hat, die Kindergeldleistungen für Menschen aus osteuropäischen Ländern zu begrenzen. Sie sind damit krachend gescheitert und mussten das wieder rückabwickeln. Dazu der Beitrag Solche und andere Kinder in Österreich: Eine Differenzierung der Familienleistungen nach dem Wohnort der Kinder verstößt gegen das EU-Recht vom 17. Juni 2022. Außerdem aus fachlicher Sicht zu empfehlen der Beitrag Kindergeld: Zugangshürden und Leistungsausschlüsse für EU- und Nicht-EU-Ausländer in Deutschland scheitern vor dem EuGH und vor dem Bundesverfassungsgericht vom 3. August 2022.
Aber um fachliche Aspekte geht es hier wieder einmal nicht, sondern um das Fischen im trüben Teich. Damit wird man aber erwartbar das Frustrationsniveau in Teilen der Bevölkerung weiter anheben, denn viele glauben, die Politik könne das einfach so machen und wenn das dann nicht gelingt, dann verstärkt das wieder die Unzufriedenheit mit „der“ Politik. Ein Teufelskreislauf.