Die Älteren und die Berichte über sie. Daran herrscht kein Mangel. Zugleich ein Déjà-vu-Erlebnis

Einmal in jeder Legislaturperiode wird seit dem Jahr 1993 „ein Bericht zu einem seniorenpolitischen Schwerpunktthema“ erarbeitet und veröffentlicht, so das zuständige Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Am Anfang nannte man das noch schnörkellos „Altenbericht“ (vgl. Erster Altenbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5897 vom 28.09.1993). Danach wurde das dann ein Stück weit entsubjektiviert und man nennt die Ausarbeitungen nun „Altersberichte“ bzw. ganz korrekt „Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland“.

Und rechtzeitig vor dem vorzeitigen Ende der laufenden Legislaturperiode wurde Anfang des Jahres der nun „Neunte Altersbericht“ veröffentlicht – wobei man wissen muss, dass die Altersberichte von einer Sachverständigenkommission erarbeitet werden, die in jeder Legislaturperiode neu berufen wird – diesmal unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Martina Brandt (TU Dortmund):

➔ Neunter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Alt werden in Deutschland – Vielfalt der Potenziale und Ungleichheit der Teilhabechancen, BT-Drs. 20/14450 vom 09.01.2025.

➔ Website zum 9. Altersbericht der Bundesregierung: https://www.neunter-altersbericht.de

»Der jetzt vorgelegte 9. Altersbericht hat als Schwerpunkt die Vielfalt der Lebenssituationen und die Teilhabemöglichkeiten von älteren Menschen in Deutschland«, so das zuständige Bundesseniorenministerium unter der wenig vielsagenden Überschrift Ältere Menschen in Deutschland so unterschiedlich wie nie. Die (noch) amtierende Bundesseniorenministerin Lisa Paus (Grüne) wird mit diesen Worten zitiert, gegen die man in ihrer Allgemeinheit nun wirklich nichts haben kann und die man zugleich mit den Tätigkeitsnachweisen der Noch-Bundesregierung auszuschmücken versucht: »Alle älteren Menschen müssen die gleichen Chancen auf Teilhabe haben, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sozialer Lage. Besonders benachteiligt sind nach wie vor viele Frauen, insbesondere solche mit Migrationshintergrund. Als Bundesseniorenministerium stärken wir den sozialen Zusammenhalt unter anderem mit der Strategie gegen Einsamkeit. Mit der Engagementstrategie geben wir einen verlässlichen Rahmen für die Menschen, die sich in ihrer freien Zeit für andere engagieren – das sind gerade die Älteren. Der Digitalpakt Alter ermöglicht es Seniorinnen und Senioren, an der digitalen Gesellschaft teilzuhaben. Alt werden in Deutschland sollte bedeuten, das Leben so lange wie möglich nach den eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Deshalb ist wichtig, dass wir das Erreichte in den kommenden Jahren weiter ausbauen.«

In der Berichterstattung wurde das dann beispielsweise so verarbeitet: „Wir werden so alt wie nie zuvor“: »In den kommenden Jahrzehnten wird die Zahl der über 80-Jährigen deutlich zunehmen. Das geht aus dem Altersbericht hervor. Der Pflegebereich steht weiter unter Druck, auf die jüngere Generation kommen neue Aufgaben zu.«

»Der Altersbericht untersucht allgemein die Lebenssituation älterer Menschen im Land. Auf 250 Seiten werden dabei unter anderem Einkommen, Vermögen, mögliche Armutsgefährdung, Wohnsituation, Gesundheitsversorgung und die Einbindung in die Gesellschaft dargestellt.«

»Die Alterseinkommen hätten sich insgesamt positiv entwickelt. Der Großteil der Rentner sei in finanzieller Hinsicht zufriedenstellend versorgt. Allerdings gelten auch 17 bis 19 Prozent der über 65-Jährigen als armutsgefährdet, die Quote ist inzwischen leicht höher als in der Gesamtbevölkerung. „Das Armutsrisiko der älteren Personen lag in den 2000er-Jahren und über weite Strecken der 2010er-Jahre immer unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung“, steht im Bericht.«

Was empfehlen die Sachverständigen diesmal?

Im 9. Altersbericht findet man auf den Seiten 266 ff. nach längeren und materialreichen Analysen die Empfehlungen der Kommission. Da geht es um „Individuelle Handlungsspielräume schaffen und Teilhabechancen eröffnen“ sowie um „Vielfalt anerkennen und Ungleichheit bekämpfen“. Sozialpolitisch besonders relevant und interessant ist dann der Teil „Strukturelle und politische Rahmenbedingungen verbessern“ (S. 273 ff.). Schauen wir da mal genauer hin:

Die konkret sieben Empfehlungen beginnen gleichsam „ganz weit oben“: Die Erarbeitung einer internationalen Konvention der Rechte älterer Menschen unterstützen, so ist die erste Empfehlung überschrieben: »In vorhandenen menschenrechtlichen Dokumenten werden die Rechte älterer Menschen nur implizit behandelt. Seit 2010 prüft eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen (die sogenannte Open Ended Working Group on Ageing), ob eine UN-Konvention für die Rechte älterer Menschen sinnvoll und zweckmäßig wäre, um Lücken beim Schutz der Menschenrechte älterer Menschen zu schließen. Eine solche Konvention hätte das Ziel, die bestehenden allgemeinen Menschenrechte für die besonders schützenswerte und bislang häufig übersehene Gruppe älterer Menschen zu sichern und die Position älterer Menschen als Träger*innen von Rechten zu stärken. Die Bundesregierung sollte die Erarbeitung einer Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte älterer Menschen unterstützen.« Wie geschrieben, das wird seit 2010 „geprüft“. Da wird man noch Geduld haben müssen, ob sich was in diese Richtung bewegen wird. Und selbst wenn, muss man berücksichtigen, dass daraus nicht automatisch handfeste Verbesserungen resultieren werden.

Dann wird es für die deutsche sozialpolitische Diskussion schon interessanter – und wir müssen runter steigen in die Tiefen und Untiefen der gesetzlichen Ausgestaltung sowie der finanziellen Ausstattung der Ebene, auf der Seniorenpolitik vor allem betrieben werden kann und muss: der kommunalen Ebene.

Ein vorbereitender Exkurs zu einem an sich wunderschönen Paragrafen, den man schon hat und nicht erst neu schaffen müsste

Man muss als Hintergrund wissen und den folgenden Ausführungen voranstellen, dass im SGB XII (also dem Sozialhilferecht) die sogenannte „Altenhilfe“ normiert ist – konkret im § 71 SGB XII. Und anders, als es die meisten vermuten werden, gar nicht sogleich verengt auf „Sozialhilfefälle“, sondern weitaus umfangreicher ausformuliert, also vom Anspruch her. So heißt es im Absatz 1:

»Alten Menschen soll außer den Leistungen nach den übrigen Bestimmungen dieses Buches sowie den Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches Altenhilfe gewährt werden. Die Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken.«

Da wird nun keineswegs gesprochen von bedürftigen alten Menschen, die nach Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage möglicherweise in Betracht kommen für irgendeine Leistung. Da wird von (allen) alten Menschen gesprochen. Und der Gesetzgeber hat dann im Absatz 4 klargestellt: »Altenhilfe soll ohne Rücksicht auf vorhandenes Einkommen oder Vermögen geleistet werden, soweit im Einzelfall Beratung und Unterstützung erforderlich sind.«

Und die im § 71 Abs. 2 SGB XII normierten Leistungen adressieren eigentlich (und seit langem) viele Teilbereiche, die immer wieder mal in der jeweils aktuellen Diskussion hochgezogen und mit gerne auch Modellprojekten belegt werden:

Eigentlich eine umfassende (und dazu noch schlanke) Formulierung der wichtigsten Aufgabenfelder (der Absatz spricht nicht ohne Grund von „insbesondere“ bei den Leistungen, es handelt sich also eben nicht um eine abschließende Aufzählung.

Und wo bleibt das „Aber“? Das darf nicht unter den Tisch fallen, denn der Absatz mit den (möglichen, anzustrebenden?) Leistungen befindet sich im SGB XII und das verweist auf die Kommunen als zuständige Ebene. Die müssten das (eigentlich) machen. Und auch finanzieren. Man ahnt schon, was das „Aber“ hier andeuten soll.

Nun könnte man ex cathedra behaupten, dass dann doch alles geregelt ist, denn die Leistungen nach § 71 SGB XII sind doch – an sich – eine kommunale Pflichtaufgabe, denn nach § 3 SGB XII sind die Träger der Sozialhilfe verpflichtet, die im SGB XII geregelten Leistungen zu erbringen. Dazu gehören auch die Hilfen in besonderen Fällen nach § 71 SGB XII. § 71 SGB XII ist eine Pflichtaufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe. Entsprechend sind sie verpflichtet, die dort verankerten Zielsetzungen, Leistungen und Infrastrukturen umzusetzen. Wo ist dann das Problem?

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hat 2023 ausgeführt, dass man „in der Gestaltung einer Infrastruktur für das gute Älterwerden eine der drängendsten Aufgaben in den Kommunen“ sehe. »Dies schließt Strukturen, Leistungen und Angebote für die Versorgung, Prävention und Teilhabe ein. Ziel muss es sein, die Selbstbestimmung älterer Menschen und deren Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen sowie ihre Selbsthilfe zu stärken.« Und genau dafür gibt es ja den § 71 SGB XII. Das sieht auch der Deutsche Verein so, aber sieht auch das „Aber“:

»§ 71 des zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) verfolgt als einzige bundesweite Rechtsgrundlage diese Zielstellung und thematisiert unter dem Begriff „Altenhilfe“ explizit Strukturen, Leistungen und Angebote für ältere Menschen. Diese drei Elemente werden jedoch weder innerhalb der Vorschrift noch in den Kommentierungen klar voneinander abgegrenzt bzw. definiert. Den Sozialhilfeträgern steht damit ein weites Gestaltungsermessen zu, wie sie die Ziele des § 71 SGB XII verfolgen. Dies führt zu einer unterschiedlichen Anwendungspraxis und einer heterogenen Angebotslandschaft in den Kommunen.«

(Quelle: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (2023): Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Umsetzung des § 71 SGB XII, Berlin, März 2023, S. 4)

Da ist er (wieder), der § 71 SGB XII

Die zweite Empfehlung der Kommission für den 9. Altersbericht lässt sich nicht kürzer formulieren – und adressiert sogleich die angesprochenen „Aber“-Elemente auf der kommunalen Ebene: Die Strukturen der kommunalen Altenhilfe nach § 71 SGB XII und die institutionellen Grundlagen der Senior*innenpolitik dauerhaft stärken und substanziell weiterentwickeln. Den Pflichtcharakter der Altenhilfe verbindlich regeln und die kommunale Handlungsfähigkeit stärken: »Eine zeitgemäße, integrierte Senior*innenpolitik braucht geeignete rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen. Die Modernisierung der Altenhilfestrukturen sollte darauf abzielen, die Altenhilfe und die Senior*innenpolitik insgesamt institutionell aufzuwerten, ihren Fürsorgecharakter so weit wie möglich zu überwinden, stattdessen ihren präventiven, gestaltenden Charakter zu stärken sowie sie inklusiver und diversitätssensibler für alle älteren Menschen auszurichten. Im Sinne der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sollten deshalb in ganz Deutschland flächendeckende, vernetzte kommunale Infrastrukturen für soziale Dienste für ältere Menschen geschaffen werden. Die Aufgaben der kommunalen Altenhilfe nach § 71 SGB XII (Infrastrukturverantwortung, Beratungsauftrag und Leistungen im Einzelfall) sollten als Pflichtleistungen verbindlich geregelt und aufgabenadäquat finanziert werden. Die Bundesländer sind aufgefordert, hierfür die nötigen landesgesetzlichen Grundlagen zu schaffen – unter strikter Beachtung des Konnexitätsprinzips. Ein zentraler Ansatzpunkt sind hierbei landesgesetzliche Ausführungsgesetze zum SGB XII, mit denen innerhalb der Bundesländer verpflichtende (Mindest-)Standards zur kommunalen Ausgestaltung der Altenhilfe unter Beachtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gesetzt werden sollten. Hierzu gehören unter anderem Vorgaben zur Einrichtung einer Senior*innen- beziehungsweise Alten(hilfe)planung sowie (Mindest-)Standards zur Ausgestaltung von Angeboten und Infrastrukturen der Beratung, Begegnung, Unterstützung und Engagementförderung. Die Kommunen sollten durch eine ausreichende und verlässliche Grundfinanzierung in die Lage versetzt werden, im Bereich der Altenhilfe und der Senior*innenpolitik nachhaltige Strukturen zu schaffen und stärker gestaltend tätig zu werden.«

Und wie will man da hinkommen?

Einen umfassenden Dialogprozess zur Vorbereitung eines neuen Sozialgesetzbuches „Teilhabe im Alter“ initiieren, so lautet die Überschrift der sich anschließenden Empfehlung:

»Mittel- und langfristig sollte zur Weiterentwicklung der Altenhilfestrukturen und der Senior*innenpolitik insgesamt eine bundesgesetzliche Regelung angestrebt werden, um das institutionelle Fundament für eine integrierte Politik für ein gutes Leben im Alter zu legen und gleichwertige Lebensbedingungen für alle älteren Menschen in ganz Deutschland zu gewährleisten. In Anknüpfung an die Empfehlungen des Siebten Altenberichts der Bundesregierung sollte die Schaffung eines neuen Sozialgesetzbuches „Teilhabe im Alter“ geprüft werden, in dem die bestehenden, vielfach fragmentierten und insgesamt unzureichenden Grundlagen einer Politik für ein gutes Leben im Alter gebündelt, soziale Teilhaberechte älterer Menschen definiert und hierfür bundesweit geltende Qualitätskriterien und (Mindest-) Standards festlegt werden. Um die mit einer solchen bundesgesetzlichen Lösung verbundenen sozial- und kompetenzrechtlichen Fragen zu klären, sollte zeitnah eine unabhängige, interdisziplinäre Expert*innenkommission eingerichtet und ein breiter Dialog- und Konsultationsprozess unter Beteiligung aller relevanten staatlichen und nicht-staatlichen Akteure initiiert werden.«

„Mittel- und langfristig“, „eine bundesgesetzliche Regelung“, „angestrebt“, „sollte“, „geprüft“, „sozial- und kompetenzrechtliche Fragen“, „ein breiter Dialog- und Konsultationsprozess“ – man ahnt schon, in was mit solchen Formulierungen zum Ausdruck gebracht werden soll.

Und die (neue) Kommission verweist zumindest korrekterweise darauf, dass der konzeptionelle Ansatz der Empfehlung nicht von ihr stammt, denn wir können lesen: „In Anknüpfung an die Empfehlungen des Siebten Altenberichts der Bundesregierung.“

Nun muss man wissen, dass der angesprochene „7. Altenbericht der Bundesregierung“ vor fast genau zehn Jahren veröffentlicht wurde:

➔ Siebter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften, BT-Drs. 18/10210 vom 02.11.2016

Den kann man auch heute nur empfehlen. Denn dort wurden sehr präzise alle wesentlichen Elemente einer notwendigen Kommunalisierung dieses Handlungsfeldes ausgearbeitet. Die damaligen Empfehlungen (S. 284 ff.) standen unter der Teil-Überschrift „Daseinsvorsorge: Von der Formel zur kommunalen Befähigung“.

➔ Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) hat eine Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigenkommission für den Neunten Altersbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Darin wird das sehr schön formuliert: »Die BAGSO würdigt, dass die Sachverständigenkommission … dem Thema eine hohe Bedeutung beimisst und somit das „Erbe“ der Siebten Altenberichtskommission verteidigt.« (S. 14). In der BAGSO-Stellungnahme findet man auch Empfehlungen zur Ausgestaltung des Bereichs im föderalen Durcheinander: Da wäre die Bundesebene – aber: »Das im Grundgesetz verankerte Durchgriffsverbot hindert den Bundesgesetzgeber an … konkretisierenden Regelungen. Der Bund könnte aber eine Einrichtung schaffen, die zur Qualitätsentwicklung in der Altenhilfe beiträgt. Die BAGSO fordert den Bundesgesetzgeber auf, sich in geeigneter Weise für den Ausbau qualitativ hochwertiger Altenhilfestrukturen einzusetzen. Der von der Kommission angeregte Dialogprozess unter Beteiligung aller relevanten staatlichen und nichtstaatlichen Akteure könnte dabei ein wichtiger erster Schritt sein.« Bleibt die Ebene der Bundesländer. Dazu schreibt die BAGSO in ihrer Stellungnahme: »Nach Auffassung der BAGSO sind die Länder daher gefordert, verbindliche Rahmenrichtlinien oder Ausführungsgesetze zu § 71 SGB XII zu erarbeiten, um Kommunen mehr Sicherheit bei der Planung und Ausgestaltung der örtlichen Seniorenarbeit zu geben. Dies betrifft sowohl die Vorgaben und Stellenausstattung für die kommunale Altenplanung als auch Angebote der Beratung, Unterstützung, Begegnung und Engagementförderung.«

„Vorgaben und Stellenausstattung“? Die Skeptiker werden spätestens an dieser Stelle an so was denken wie das „Konnexitätsprinzip“. Dieses Prinzip besagt (vereinfacht), dass wer eine Aufgabe überträgt, auch die Finanzierung sicherstellen muss. Das bedeutet, wenn der Bund oder ein Bundesland neue Aufgaben an die Kommunen delegiert, müssen sie auch die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen. Auf eine einfache Formulierung gebracht: „Wer bestellt, bezahlt auch“. Das Konnexitätsprinzip ist in vielen Landesverfassungen verankert und dient dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltung vor finanzieller Überlastung durch staatlich verordnete Aufgaben ohne ausreichende Finanzierung. Davon abgesehen, dass die Kommunen in den vergangenen Jahren die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis haben erfahren müssen bei der (Nicht)Finanzierung neuer, ihnen übertragener Aufgaben, könnte man an dieser Stelle einwenden, dass doch die kommunale Altenhilfe keine neue Aufgabe ist, da sie seit langem im Sozialhilferecht normiert ist. An dieser Stelle sind wir mittendrin in einem juristischen Scharmützel, denn: Grundsätzlich gilt das Konnexitätsprinzip dann, wenn das Land den Kommunen neue Aufgaben überträgt oder den Umfang bestehender Aufgaben wesentlich erweitert, ohne für eine angemessene Finanzierung zu sorgen.Die Altenhilfe nach § 71 SGB XII ist bereits eine kommunale Aufgabe. Wenn das Bundesland jetzt Vorgaben zur Stellenausstattung macht, stellt sich die Frage, ob dadurch eine wesentliche Mehrbelastung für die Kommunen entsteht. Wenn die von der Landesebene vorgegebene Stellenausstattung nur eine Konkretisierung bestehender Aufgaben ist und die Anforderungen als Ausführungsvorgaben innerhalb des bestehenden Rahmens betrachtet werden, dann wird es sich um keinen Konnexitätsfall handeln. Anders sieht das wohl aus, wenn die neuen Vorgaben eine wesentliche zusätzliche finanzielle Belastung mit sich bringen oder Pflicht so weit geht, dass die Kommunen faktisch eine neue oder erheblich ausgeweitete Aufgabe erfüllen müssen. Man kann an diesem kleinen finanzverfassungsrechtlichen Ausflug erkennen, auf welchem Minenfeld man sich bewegt.

Wie in so vielen anderen sozialpolitisch relevanten Feldern ist schon vor langem eine Menge geschrieben und empfohlen worden. Leider muss man feststellen, dass sich strukturell – mit Blick auf die hier herausgegriffenen umfassende Kommunalisierung – wenig bis gar nichts getan hat, was im Ergebnis auch dazu führt, dass sich in den Worten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge die „unterschiedliche Anwendungspraxis und eine heterogene Angebotslandschaft in den Kommunen“ weiter ausdifferenzieren, denn natürlich gibt es teilweise wegweisende „Leuchtturm“-Kommunen, die neue Wege gegangen sind oder das versuchen, zugleich aber auch sehr viele Kommunen, in denen sich nichts bis nur eher symbolisch etwas getan hat.

Die offensichtliche Paralyse wird sich bitte rächen, man denke hier nur an die ja nicht ohne Grund seit Jahren angemahnte konsequente Kommunalisierung der pflegerischen Versorgung der vielen älteren Menschen in den sehr unterschiedlichen Sozialräumen. Das bekommt man nicht per Knopfdruck hin, sondern das muss über Jahre vorbereitet werden. An Mahnungen, das zu machen, hat es schon in der Vergangenheit nicht gemangelt. Und auch der neue, der „9. Altersbericht“ reicht sich hier zu Recht ein.

Wie formulieren es die Sachverständigen in ihrer 6. Empfehlung (S. 274)?

Strukturelle Versorgungs- und Qualitätsprobleme in der Langzeitpflege lösen. Und da findet man diesen Satz:

»Die Steuerungs- und Gestaltungsverantwortung der Kommunen im Bereich der pflegerischen Versorgung sollte deutlich ausgebaut werden, um eine bedarfsgerechte und sozialraumorientierte Versorgung vor Ort gewährleisten zu können; dies betrifft unter anderem die Bereiche der Prävention, der Pflegeberatung und der verbindlichen Pflegestrukturplanung. Hierfür sind geeignete gesetzliche Grundlagen im SGB XI und eine aufgabenadäquate
Finanzierung zu schaffen.«

Denn das bleibt: Die Arbeit muss und kann nur vor Ort gemacht werden. Dort muss man sich kümmern. Und die, das vor Ort bewerkstelligen, brauchen ein vernünftiges und – ja – bürokratiearmes Fundament, in dem dieser zentrale Teilbereich der Daseinsvorsorge verlässlich sichergestellt werden kann.