Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (kurz BAföG) wurde im Jahr 1971 unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) für finanziell bedürftige Schüler und Studierende eingeführt, um durch eine „individuelle Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit hinzuwirken“. Zum ersten Mal wurde ein einklagbarer Rechtsanspruch auf die Studienfinanzierung eines Hochschulstudiums geschaffen und die Förderung nicht mehr von besonderen Leistungen abhängig gemacht (wie z.B. beim 1957/58 eingeführten Honnefer Modell), so Angela Borgwardt in ihrem 2021 veröffentlichten Beitrag „… Happy Birthday BAföG! Aber: Du musst Dich ändern!“. Rechtsanspruch und einklagbar? Da wird der eine oder andere an die seit vielen Jahren geführte Debatte über die (nicht) ausreichende Höhe der BAföG-Leistungen denken.

Anmerkungen zum aktuellen BAföG-Förderbetrag (Stand: Wintersemester 2024/25): Grundsätzlich gilt, dass der BAföG-Anspruch eltern- und einkommensabhängig ist. Konkret: Auf den Bedarf sind Einkommen und Vermögen der Auszubildenden sowie Einkommen ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und ihrer Eltern anzurechnen. Der aktuelle BAföG-Förderbetrag setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die je nach individueller Situation variieren können. Der Grundbedarf soll die allgemeinen Lebenshaltungskosten abdecken und beträgt für Studierende 475 Euro pro Monat. Wohnpauschale: Für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, liegt die Pauschale bei 380 Euro monatlich. Wer bei den Eltern wohnt, erhält eine reduzierte Pauschale von 59 Euro pro Monat. Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag: Studierende, die eigenständig versichert sind, erhalten einen Zuschlag von insgesamt 137 Euro pro Monat (KV-Zuschlag 102 Euro und 35 Euro PV-Zuschlag). Kinderbetreuungszuschlag: Für jedes eigene Kind unter 14 Jahren, mit dem man im selben Haushalt lebt, wird ein zusätzlicher Zuschlag von 160 Euro pro Monat gewährt. Insgesamt ergibt sich ein BAföG-Höchstbetrag (mit Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag) von 671 Euro (wenn man bei den Eltern wohnt) bzw. 993 Euro, wenn man nicht bei den Eltern wohnt.
Die monatliche Förderung wird zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als Darlehen geleistet. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 5. Senat des BVerwG hat mit Beschluss vom 20.5.2021 die Festsetzung des Bedarfssatzes für Auszubildende nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG für verfassungswidrig gehalten und dazu das Verfahren der konkreten Normenkontrolle vor dem BVerfG eingeleitet (BVerwG, Beschluss vom 20.05.2021 – 5 C 11.18). Der Leitsatz der damaligen Entscheidung: »Die Festsetzung des ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarfssatzes für Auszubildende in Hochschulen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG, der im streitigen Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 monatlich 373 Euro betrug, ist nicht vereinbar mit dem Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG.«
Das Bundesverfassungsgericht hat im nunmehr vergangenen Jahr 2024 abschließend entschieden (BVerfG, Beschluss vom 23. September 2024 – 1 BvL 9/21). Der dem Beschluss zugrundeliegende Sachverhalt bezog sich konkret auf die Höhe der Grundpauschale im Oktober 2014 bis Februar 2015 – aber die Entscheidung ist drüber hinaus von ganz grundsätzlicher Bedeutung. Am 31.10.2024 hat das BVerfG dazu diese Pressemitteilung herausgegeben: BAföG-Grundpauschale im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem Grundgesetz vereinbar. Bereits der erste Absatz lässt die besondere Bedeutung der Entscheidung erkennen: »Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) in der von Oktober 2014 bis Februar 2015 geltenden Fassung (a.F.), soweit die Regelung Auszubildende in staatlichen Hochschulen betrifft, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Vorschrift legte den monatlichen Bedarf – die sogenannte Grundpauschale – unter anderem für Studierende an Hochschulen auf 373 Euro fest. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass mittellose Hochschulzugangsberechtigte sich nicht auf einen subjektiven verfassungsrechtlichen Anspruch auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums berufen können, dem die Bemessung der Grundpauschale widersprechen könnte. Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates.«
Damit man die Ausgangslage und den höchst aktuellen Bezug der Problemstellung besser einordnen kann:
»2016 hat der Gesetzgeber wesentliche Bereiche der Ausbildungsförderung in die Grundsicherung des SGB II einbezogen durch umfangreiche Ausnahmetatbestände vom grundsätzlichen Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Nunmehr lassen fast alle Formen der schulischen und beruflichen Ausbildung ergänzende SGB II-Leistungen, seit 2023 also Bürgergeld, zu. Für nicht bei ihren Eltern lebende Studierende an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG) steht das Bürgergeld weiterhin nicht offen. Um diese Studierenden geht es hier, weil ihr Existenzminimum auch nicht durch Inanspruchnahme ergänzender SGB II- Leistungen gesichert werden kann. Warum der Gesetzgeber diese Personengruppe nicht als „Bürger“ ansieht und die existenzielle Situation nicht entschärft hat, wurde nicht begründet.«
(Quelle: Gunter Rudnik: Sind die Bedarfssätze des BAföG für Hochschulstudierende verfassungswidrig?, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht, Heft 19/2023, S. 728).*
*) In seinem Beitrag wirft Rudnik mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus 2021, die zur Vorlage beim BVerfG geführt hat, die sozialpolitisch höchst relevante Frage auf: »Insbesondere stellt sich die Frage, warum das BVerwG seine Entscheidung auf eine Verletzung des Teilhabegrundrechts nach Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und nicht vielmehr auf eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1, 20 GG) stützt.«
Schauen wir uns zuerst einmal den Sachverhalt an, mit dem sich das BVerfG beschäftigt hat:
»Die Klägerin des Ausgangsverfahrens nahm im Oktober 2014 ein Masterstudium an einer staatlichen Hochschule auf. Für das Studium wurden ihr unter Anrechnung von Einkommen ihrer Eltern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von monatlich 176 Euro und für den Zeitraum Januar bis Februar 2015 in Höhe von monatlich 249 Euro bewilligt. Im Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin die Bewilligung einer höheren Ausbildungsförderung für die Monate Oktober 2014 bis Februar 2015, weil sie die Höhe der gesetzlichen Grundpauschale für verfassungswidrig hält. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Grundpauschale des § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG im hier relevanten Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar war.«
Man muss wissen, dass die Klage der Studierenden gegen die Höhe der BAföG-Leistungen als „verfassungswidrig zu niedrig“ in beiden verwaltungsgerichtlichen Instanzen vor dem Bundesverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben ist. Das BVerwG zitiert die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts: »Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des monatlichen Bedarfs auf 373 € für Auszubildende in Hochschulen die sich aus dem Grundgesetz ergebenden Anforderungen beachtet. Der Bedarfssatz sei nicht an dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, sondern in erster Linie an dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, und zwar an der sich in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden teilhaberechtlichen Dimension dieses Grundrechts. Dem Gesetzgeber komme bei der Ausgestaltung des Ausbildungsförderungssystems ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, bei dessen gerichtlicher Überprüfung nicht die gesteigerten verfahrensrechtlichen Vorgaben anzuwenden seien, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für das Zweite Buch Sozialgesetzbuch und das Asylbewerberleistungsgesetz entwickelt habe.«
Das ist auch der Hintergrund, warum das BVerwG in seiner Vorlageentscheidung an das BVerfG auf eine Verletzung des Teilhabegrundrechts nach Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abstellt. Das BVerwG ging davon aus, dass bedürftige Studierende einen weitergehenden „verfassungsrechtlichen Anspruch auf Ausbildungsförderung“ haben. Aber darüber kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden, deshalb die Vorlage.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage zurückgewiesen und will keine „verfassungswidrig zu niedrige“ Bemessung des BAföG erkennen können
»Die Grundpauschale ist im hier maßgeblichen Zeitraum unter allen in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Grundgesetz vereinbar.« So das BVerfG in seiner Entscheidung aus dem September 2024.
Interessant ist die Begründung: »Es gibt keinen subjektiven verfassungsrechtlichen Anspruch mittelloser Hochschulzugangsberechtigter auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums, dem die Bemessung der Grundpauschale widersprechen könnte.« Hier schimmert sie schon durch, die sozialpolitisch höchst relevante Argumentation des hohen Gerichts, die man den Leitsätzen des Beschlusses entnehmen kann, die wegen Ihrer Bedeutung hier dokumentiert werden:
1. Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sichert die menschenwürdige Existenz derjenigen, die hierzu selbst nicht in der Lage sind, und ist auf die dazu unbedingt notwendigen Mittel beschränkt. Er besteht nicht, wenn diese Bedürftigkeit etwa durch Aufnahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit beendet oder vermieden werden kann, auch wenn dann die Ausübung bestimmter grundrechtlicher Freiheiten wie die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Durchführung eines Hochschulstudiums nicht möglich sein sollte.
2. Das Recht der Hochschulzugangsberechtigten aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot gewährleistet eine gleichheitsgerechte Verteilung der tatsächlich zur Verfügung gestellten Ausbildungskapazitäten, umfasst aber kein Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldeten Hindernissen für den Zugang zum Studium.
3. a) Aus dem Sozialstaatsprinzip können mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) bei der infolge der Begrenztheit der finanziellen Mittel notwendigen Priorisierung der vielfältigen Aufgaben zusteht, grundsätzlich keine subjektiven Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten hergeleitet werden.
b) Die Ermöglichung des Studiums mittelloser Hochschulzugangsberechtigter erscheint im Verhältnis schon zu anderen Sozialbedarfen nicht derart unverzichtbar, dass die dafür notwendigen Mittel ausnahmsweise durch die Anerkennung eines entsprechenden Leistungsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip den Verteilungsentscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers dauerhaft entzogen werden können.
4. Angesichts der besonderen Bedeutung sozialer Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege folgt aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip ein Auftrag des Staates zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen. Dieser Förderauftrag verdichtet sich zu einer objektiv-rechtlichen Handlungspflicht, wenn ganze Bevölkerungsgruppen faktisch keine Chance auf Zugang zu bestimmten Ausbildungs- und Berufsfeldern haben.
Das lässt an Deutlichkeit kaum etwas offen.
Mit Hinweis auf die höchst umstrittene Schuldenbremse postuliert man im BAföG-Urteil am Beispiel der (nicht) angehenden Akademiker Grenzen der Umverteilung
Studiert man die Entscheidung des BVerfG im Original, dann stößt man am Ende sogar auf die bekanntlich höchst umstrittene „Schuldenbremse“, die man 2009 in die Verfassung (Art. 109 und 115 GG) eingebaut hat.
»Die umfangreichen und vielfältigen sozialstaatlichen Aufgaben können wegen der Begrenztheit der dem Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht alle gleichzeitig optimal erfüllt werden. Es bedarf deshalb der Priorisierung der Aufgabenerfüllung, die nach dem Demokratieprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ist.«
Das war der Vorspann – und die „Schuldenbremse“ folgt dann in der Entscheidung explizit:
»Die dem Staat zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sind notwendig begrenzt. Die Einschränkung der Kreditaufnahme nach Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG und der Erhalt der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Steuer- und Beitragszahler, gegenüber denen Zahlungsverpflichtungen zudem abwehrrechtlich gerechtfertigt werden müssen, stehen einer beliebigen Ausweitung staatlicher Einnahmen zur bestmöglichen Erfüllung aller dem Staat obliegenden Aufgaben entgegen. Das gilt auch für die hier in Rede stehende Aufgabe des Staates gemäß dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen.«
Und dann geht es weiter:
»Faktische Grenzen ergeben sich insoweit auch aus der Notwendigkeit, die für die Verwirklichung einer gerechten Sozialordnung unabdingbare Bereitschaft der Steuer- und Beitragszahler zur Solidarität mit sozial Benachteiligten zu erhalten.«
Was soll so ein Satz in einer Entscheidung des BVerfG (bedeuten)? Wie bestimmt man denn die „unabdingbare Bereitschaft der Steuer- und Beitragszahler zur Solidarität mit sozial Benachteiligten“ und wann ist die – möglicherweise – gefährdet? Oder muss man diese Argumentationsfigur lesen im Sinne einer Bezugnahme auf anekdotische Evidenz der Richer und Richterinnen nach dem Studium der seit langem laufenden Debatte über eine (angebliche oder tatsächliche?) Überlastung des Steuer- und Beitragszahlers? Für den einen oder anderen mag der ganze Argumentationsstrang wie ein Fremdkörper in einer verfassungsrechtlichen Entscheidung wirken.
Möglicherweise ist es aber auch anders.
Eine haushaltspolitisch motivierte „Brandmauer“ gegen Umverteilungswünsche und -bedarfe?
»Die Begrenztheit der finanziellen Mittel macht eine Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung nach Art, Zeit und Umfang unter Berücksichtigung der jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse notwendig. Dies gilt wegen ihrer besonderen Finanzwirksamkeit gerade auch für die Wahrnehmung der sozialstaatlichen Aufgaben.«
Und für diese Priorisierung sei das Parlament zuständig, nicht der Bundesverfassungsgericht – genauer: das nur in ganz seltenen Ausnahmefällen. Lesen wir weiter:
»Diese Befugnis des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zur Entscheidung über die Verwendung der knappen finanziellen Mittel für die verschiedenen staatlichen Aufgaben würde durch regelmäßig besonders finanzwirksame Rechte auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten im Interesse chancengleicher Grundrechtsverwirklichung beeinträchtigt.«
Das nun würde den Gesetzgeber zu sehr begrenzen bzw. an den Rand der Handlungsunfähigkeit treiben: »Die zur Erfüllung grundrechtlicher Leistungsrechte notwendigen finanziellen Mittel könnten deshalb auf Dauer nicht mehr nach Maßgabe einer umfassenden, die jeweils aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse berücksichtigenden Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung für andere Gemeinwohlzwecke verwendet werden, und zwar unabhängig von Verschiebungen der Bedürfnisse und Dringlichkeiten infolge veränderter Verhältnisse.«
Und dann kommt ein Absatz mit fundamentaler sozialpolitischer Bedeutung:
»Daher kann aus dem Wirkungszusammenhang von sozialstaatlichem Auftrag und der in den Grundrechten verkörperten Werteordnung ein Anspruch auf staatliche Leistungen allenfalls ausnahmsweise für besonders gelagerte Konstellationen abgeleitet werden, in denen die Gewährung staatlicher Leistungen zur Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit absolut unverzichtbar ist.«
Anders formuliert: Nun wirklich absolut bedürftige Bedürftigkeit rechtfertigt ein entsprechend „übergriffiges“ Verhalten des Verfassungsgerichts gegenüber dem Gesetzgeber.
Es erübrigt sich fast schon, an dieser Stelle abschließend darauf hinzuweisen, dass das hohe Gericht angehende bzw. ausgebremste Akademiker nicht darunter subsumieren will:
»Die Ermöglichung eines Hochschulstudiums unbemittelter Zugangsberechtigter erscheint im Verhältnis zu anderen Sozialbedarfen und weiteren staatlichen Aufgaben nicht derart unverzichtbar, dass die dafür notwendigen Mittel durch die Anerkennung eines entsprechenden grundrechtlichen Leistungsrechts den Verteilungsentscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unabhängig von wechselnden Bedürfnissen dauerhaft entzogen werden können. Sie stellt schon innerhalb der sozialstaatlichen Aufgabe, ein durchlässiges Bildungssystem zu verwirklichen, nur ein Element unter anderen wie etwa der Förderung der frühkindlichen Bildung dar.«
Fazit: Neben der spezifischen Bedeutung der BAföG-Entscheidung für alle, die bislang gehofft haben, auf dem Klageweg gegen ein aus ihrer Sicht zu niedriges BAföG vorgehen zu können (was sich hiermit erübrigt hat), muss man die Ausführungen im Beschluss vom 23. September 2024 auch durch eine weitaus größere sozialpolitische Brille lesen. Das wird einem möglicherweise an ganz anderer Stelle auf die Füße fallen.