Kommt sie oder kommt sie nicht? Über eine mögliche Umwälzung des deutschen Arbeitszeitrechts

Wer erinnert sich noch an den Mai 2019? Damals erschienen Artikel mit solchen Überschriften: Kommt die Stechuhr für alle? Dort ging es um das Plädoyer von Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), in einem Verfahren, in dem die Frage nach der Dokumentation von Arbeitszeiten im Mittelpunkt stand: »Was Pitruzzella in Bezug auf einen Streit zwischen einer spanischen Gewerkschaft und der Deutschen Bank SAE vorlegt, wird in Expertenkreisen schon als „arbeitszeitrechtliches Manifest“ tituliert. Es könnte der Anfang vom Ende der Entgrenzung der Arbeit sein.«

Nun mag der eine oder andere vielleicht einwenden, was denn wir mit dem spanischen Arbeitszeitrecht zu tun haben. Neben der Tatsache, dass das spanische Recht der Arbeitszeiterfassung große Ähnlichkeiten mit dem deutschen aufweist (so muss bis auf wenige Ausnahmen die Arbeitszeit nur dann festgehalten werden, wenn sie über acht Stunden täglich hinausgeht), war es vor allem das dann vom EuGH verkündete Urteil: EU-Staaten müssen Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichten, so das Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 (C-55/18). Und zwar alle Mitgliedstaaten der EU. Vgl. dazu auch den Beitrag Wieder einmal ein Paukenschlag aus dem EuGH: Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, der am 14.05.2019 in diesem Blog veröffentlicht wurde.

Sofort ging eine heftige, teilweise hyperventilierende Debatte in Deutschland los, was das nun bei uns bedeutet und wann das Arbeitsrecht seitens der Bundesregierung geändert wird, um die EuGH-Vorgaben umzusetzen. Nun haben wir August 2022 und nichts ist bislang dahingehend passiert. Das überrascht nicht bei dieser Materie, aber auch schon unmittelbar an dem Tag der Urteilsverkündung des EuGH wurde hier am Ende des Beitrags über die Entscheidung hinsichtlich der Frage, was der EuGH zu den Konsequenzen für die Mitgliedsstaaten sagt, darauf hingewiesen:

Das Gericht formuliert das so – und reicht den Kelch weiter an die Mitgliedsstaaten der EU:

»Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.«

Man achte auf die Formulierungen: „Besonderheiten“ und „Eigenheiten“ können „gegebenenfalls“ berücksichtigt werden. Das verspricht ein spannende Debatte zu werden in den vor uns liegenden Monaten und Jahren über die heterogenen Ausformungen der modernen Arbeitswelt und wie man die gesetzgeberisch einfangen kann.

Quelle: Stefan Sell (2019): Wieder einmal ein Paukenschlag aus dem EuGH: Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, in: Aktuelle Sozialpolitik, 14.05.2019

Das EuGH hat festgestellt, dass die Arbeitszeitrichtlinien im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtcharta einer Regelung entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Das ist eigentlich auch in Deutschland der Fall: Denn nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber in Deutschland „nur“ verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG (= acht Stunden) hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Eigentlich, denn: »Die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB (Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr) hat … eindrucksvoll gezeigt, dass der Gesetzgeber mitunter Jahre benötigt, um eine europarechtswidrige Vorschrift zu korrigieren«, so Thomas Niklas in seinem Beitrag EuGH: EU-Staaten müssen Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung verpflichten – Die wichtigsten Fragen vom 14. Mai 2019. Daraus schlussfolgerte er: »§ 16 Abs. 2 ArbZG wird man aber schon vor einem entsprechenden Tätigwerden der Mitgliedstaaten europarechtskonform auslegen müssen, was bedeutet, dass die Arbeitszeit nunmehr von Beginn an aufzuzeichnen ist.« Mit Blick auf die möglichen Konsequenzen beispielsweise für die „Vertrauensarbeitszeit“ spekulierte er Niklas damals aber auch: »Aus meiner Sicht ist eine Delegation der – nunmehr generellen – Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit an die Arbeitnehmer aber auch weiterhin möglich. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber ein objektives, verlässliches und zugängliches System einrichtet, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.«

Das EuGH-Urteil als Damoklesschwert in Deutschland

Erst im Mai 2022 waren damit verbundene Fragen Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland: Vergütung von Überstunden: Noch hat fehlende Arbeitszeiterfassung keine Auswirkungen vor Gericht, so ist ein Beitrag von Artur Kühnel überschrieben. Um was ging es hier? Konkret um die strittige Frage der (Nicht-)Anrechnung von Überstunden:

Das »Arbeitsgericht Emden (hat) in mehreren Aufsehen erregenden Urteilen entschieden, dass die (komplette) Nichteinhaltung der Pflicht zur Zeiterfassung à la EuGH zu einer Darlegungserleichterung im Überstundenprozess führen soll (Urteil vom 20. Februar 2020 – 2 Ca 94/19, und Urteil vom 24. September 2020 – 2 Ca 144/20). Das Arbeitsgericht Emden hat insoweit die oben genannte umstrittene Frage, ob es hinsichtlich der Vorgaben im Urteil des EuGH aus dem Jahr 2019 einer Umsetzung des nationalen Gesetzgebers bedarf oder aber ob die Vorgaben bereits unmittelbare Geltung haben, für sich im letzteren Sinne beantwortet. Gegen das Urteil des Arbeitsgericht Emden vom 20. Februar 2020 (2 Ca 94/19) hatte die Arbeitgeberseite Berufung eingelegt.«

Die Auffassung des Arbeitsgerichts wurde dann auf der nächsthöheren Ebene korrigiert – und das gleich dreimal:

»Das LAG Niedersachsen hat anders als das Arbeitsgericht Emden entschieden, dass dem EuGH gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV die Kompetenz fehlt, zu Fragen der Arbeitsvergütung Stellung zu nehmen, sowie dass die Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019 keinerlei Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast in einem Überstundenprozess hat (LAG Niedersachsen Urteil vom 6. Mai 2021 – 5 Sa 1292/20). Das Urteil des EuGH aus 2019 befasse sich allein mit Fragen des Arbeitsschutzes und der effektiven Begrenzung der Höchstarbeitszeit. Das LAG Niedersachen lehnt die Annahme einer unmittelbaren Geltung der Vorgaben des EuGH im Übrigen auch ab und geht davon aus, dass erst der Gesetzgeber tätig werden muss.
Auch das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 3. August 2021 – 16 Sa 875/20) hat unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung des LAG Niedersachsen entschieden, dass die dem Arbeitgeber mit Urteil des EuGH auferlegte Pflicht zur Errichtung eines Arbeitszeiterfassungssystems nicht zu einer Modifizierung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess führt.
Jüngst hat ferner das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. Februar 2021 – 8 Sa 169/20) entscheiden, dass eine Darlegungserleichterung bzw. die Umkehr der Darlegungslast nicht auf einen Verstoß des Arbeitgebers gegen die aus § 16 Abs. 2 ArbZG i.V.m. der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) folgende Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit gestützt werden kann. Entscheidend sei, dass der Zweck der Regelungen in § 16 Abs. 2 ArbZG und der Arbeitszeitrichtlinie sowie von Art. 31 Abs. 2 GRCh nicht etwa sei, dem Arbeitnehmer die Darlegung und Beweisführung bei Wahrnehmung seiner arbeitsvertraglichen Rechte zu ermöglichen.«

Am 4. Mai 2022 hat sich nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der vom Arbeitnehmer eingelegte Revision gegen das Urteil des LAG Niedersachen befasst – und die Revision zurückgewiesen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21):

»Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.« (Bundesarbeitsgericht, Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess, 04.05.2022).

Artur Kühnel hat seine Analyse der BAG-Entscheidung vom 04.05.2022 so zusammengefasst: „Fehlende Arbeitszeiterfassung (noch) nicht von Nachteil“: »Solange eine Arbeitszeiterfassung und insbesondere eine Zeiterfassung à la EuGH nicht besteht, hat die unterlassene Umsetzung einer (ggf. derzeit noch nicht einmal bestehenden) rein arbeitsschutzrechtlichen Pflicht zur Vorhaltung einer Zeiterfassung – wie nunmehr vom BAG ausdrücklich bestätigt – keine vergütungsrechtlichen Folgen. Somit kann aus dem Fehlen der Zeiterfassung selbst auch keine Darlegungs-Erleichterung abgeleitet werden.« Allerdings schiebt er dann nach: »Das bedeutet aber nicht, dass auch eine – früher oder später – eingeführte Zeiterfassung à la EuGH keine Bedeutung für Fragen der Vergütungspflicht haben würde. Im Gegenteil.«

Und auch Michael Fuhlrott hat in seinem das BAG-Urteil kommentierenden Beitrag Überstunden muss immer noch der Arbeit­nehmer nach­weisen eine zweigeteilte Bewertung abgegeben: »Auf Unternehmensseite dürfte die Entscheidung zum Aufatmen führen. Hätte das BAG anders entschieden und sich den Ausführungen der ersten Instanz angeschlossen, hätte eine Prozesswelle auf Überstundenabgeltung im Raum gestanden. Arbeitnehmer hätten sich dann recht pauschal auf die Ableistung von Überstunden berufen und Unternehmen ohne entsprechende Zeiterfassung dem wenig entgegensetzen können – bis auf womöglich im Arbeitsvertrag vorgesehene vertragliche Ausschlussfristen zur zeitlichen Begrenzung der Nachforderungen.« Dann aber: »Diese Gefahr für Arbeitgeber ist nunmehr vorerst gebannt. Wer allerdings meint, dass das Thema Arbeitszeiterfassung damit endgültig vom Tisch ist, der irrt. Die Vorgaben des EuGH und der Handlungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber sind deutlich formuliert; der nationale Gesetzgeber wird nicht darum herumkommen, auf das Stechuhr-Urteil zu reagieren. Dies dürfte dann zwar nur den Aspekt der Erfassung der Arbeitszeit im öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzsinne betreffen, wird aber Arbeitnehmern bei der künftigen Geltendmachung von Überstunden trotzdem in die Karten spielen.«

Und nun liegt eine mögliche Umwälzung des Arbeitszeitrechts erneut auf dem Tisch des Bundesarbeitsgerichts

»Das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht vor einer Grundsatzentscheidung: Soll der Betriebsrat die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingen können? Das Urteil wird im September erwartet und könnte das deutsche Arbeitszeitrecht völlig umwälzen«, so Heike Anger unter der Überschrift Vertrauen oder digitale Stechuhr: Soll der Betriebsrat die Einführung einer Zeiterfassung erzwingen können? „Für viele Betriebe mit Betriebsrat wäre ein Ende der Vertrauensarbeitszeit möglich“, zitiert sie den Arbeitsrechtsexperten Philipp Byers von der Kanzlei Watson Farley & Williams. Bislang schreibt das deutsche Arbeitszeitrecht eine generelle Pflicht zur Zeiterfassung nicht vor.

Was ist jetzt schon wieder los?

Schauen wir auf die Vertrauensarbeitszeit: »Vertrauensarbeitszeit, also ein Verzicht auf die genaue Dokumentation der Arbeitsstunden, ist damit möglich. Doch das ist ein sensibles Konstrukt: Auf der einen Seite kann Vertrauensarbeit für Angestellte eine flexible Entlastung sein, auf der anderen aber zu vielen Überstunden führen.«

Und Überstunden sind wahrlich keine überschaubar kleine Größe in der Arbeitswelt. Hier Daten aus der Arbeitszeitrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit:

Auch hier wird erneut das „Stechuhr-Urteil“ des EuGH aus dem Jahr 2019 aufgerufen – und die bisherige Nicht-Aktivität des Gesetzgebers: »Demnach müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten gemessen werden kann. Nur so könnten die Rechte aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie umgesetzt werden, also die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten. Der deutsche Gesetzgeber hat das Arbeitszeitrecht bislang aber noch nicht geändert. Weder die vergangene noch die aktuelle Bundesregierung konnte sich nach dem EuGH-Urteil vom Mai 2019 auf eine Umsetzung in nationales Recht einigen. Ein Versuch von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in bestimmten Branchen auszuweiten, war an der FDP gescheitert.«

Um welchen Sachverhalt geht es nun vor dem Bundesarbeitsgericht?

»Eine Klinik im Raum Minden und der Betriebsrat hatten 2017 Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung geführt, konnten sich aber nicht einigen. 2018 entschloss sich die Klinik, auf eine elektronische Zeiterfassung zu verzichten – obwohl die notwendige Hardware in Form von Lesegeräten bereits angeschafft worden war.
Der Betriebsrat setzte daraufhin beim Arbeitsgericht Minden die Einsetzung einer Einigungsstelle durch. Doch die Arbeitgeber rügten die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe bei Einführung einer „technischen Einrichtung“ kein Initiativrecht des Betriebsrats.
1989 hatte das BAG die Auffassung vertreten, der Betriebsrat könne technische Kontrollen lediglich ablehnen. Der Betriebsrat in Minden pochte indes auf andere „schützenswerte“ Rechte. Gerade, wenn es um die genaue Erfassung von Arbeitszeit und Überstunden gehe, könne es auch aus Arbeitnehmersicht gut sein, „mehr Kontrolle“ zu verlangen.
Der Fall ging vor das Arbeitsgericht Minden und schließlich vor das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm. Die spektakuläre Entscheidung: Das Gericht gestand dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Einrichtung technischer Einrichtungen zu (7 TaBV 79/20).
Doch nicht nur das LAG Hamm wich von der seit 30 Jahren bestehenden Rechtsprechung ab. Auch das LAG München (3 TaBV 31/21) und das LAG Berlin (10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14) sahen die Sache zuletzt so.«

Klaus Thönißen, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Luther, charakterisiert die Entscheidung des LAG Hamm als einen „buchstäblichen Hammer“.

»Nun ist das Bundesarbeitsgericht am Zuge (1 ABR 22/21). Am 13. September ist mündliche Verhandlung. Der Beschluss könnte auch direkt verkündet werden.«

Wenn „das BAG die Entscheidung des LAG Hamm bestätigt und der Betriebsrat die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung erzwingen kann, würde dies das deutsche Arbeitszeitrecht auf völlig neue Grundlagen stellen“, wird Philipp Byers in dem Artikel von Heike Anger zitiert.

Die anstehende BAG-Entscheidung könne sich auf das Arbeitszeitrecht auswirken, obgleich es primär um die betriebliche Mitbestimmung geht. »Lange Zeit sei es den Arbeitnehmervertretern vor allem darum gegangen, eine zu starke Überwachung der Mitarbeiter und ihrer Leistung zu verhindern. Mittlerweile hielten sie angesichts unbezahlter Überstunden oder der Verletzung von Ruhepausen eine Zeiterfassung für sinnvoll. Die Arbeitgeber kämen nun in der Position der „Verhinderer“.«

Dabei ist die Lebenswirklichkeit in vielen Unternehmen und die vieler Beschäftigter heute naturgemäß eine andere als vor über dreißig Jahren. Und es gibt nicht nur „böse“ Arbeitgeber, die Arbeitszeitmissbrauch mit ihren Beschäftigten betreiben, sondern die grundsätzlich ambivalente Vertrauensarbeitszeit kann nicht nur zu (unbezahlter) Mehrarbeit führen, sondern bei vielen Arbeitnehmern auch zu einer erheblichen Erhöhung der individuellen Freiheitsgrade und zu einer Verbesserung der Lebensqualität.

Man darf gespannt sein auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Bleibt es bei der 1989 aufgestellten Rechtssprechung oder wird deren Begrenzung gelockert oder gar fallen gelassen?