Das lukrative Milliarden-Geschäft mit der Altenpflege, die Private Equity-Investoren, die Frage nach der Qualität und einige Hinweise aus dem Ausland

In diesem Blog wurde immer wieder ein ganz bestimmter Ausschnitt der Anbieter von Pflegeleistungen angesprochen und kritisch beleuchtet: Die Private Equity-Gesellschaften, die große Summen im Gesundheitswesen anlegen (beispielsweise in Medizinische Versorgungszentren) und vor allem in Pflegeeinrichtungen. Und auch an anderer Stelle wird das regelmäßig aufgerufen, so beispielsweise in diesem Beitrag unter der Überschrift Altenpflege ist längst ein Milliardengeschäft von Florian Staeck: »Die Altenpflege ist von Private-Equity-Investoren als lukratives Karussell von Kaufen und Verkaufen entdeckt worden. Die Politik schaut zu, Studien zur Versorgungsforschung fehlen.« Darin findet man dann solche passenden Formulierungen: Vor allem Pflegeimmobilien sind von Finanzinvestoren entdeckt worden. Sie gelten – in der Sprache des Beratungsunternehmens pwc – als „krisenstabile und konjunkturresistente Nutzungsklasse mit zumeist langfristig angelegten Miet- bzw. Pachtverhältnissen“. Und ergänzend der Hinweis auf die zuverlässigen Zahlungsströme: »Pflegerische Dienstleistungen werden aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung, aus dem Vermögen der Pflegebedürftigen und bedarfsweise auch aus Mitteln der Kommunen bezahlt – eine sichere und berechenbare Anlagechance also.«

Wenn man diese Logik konsequent weiter denkt, dann werden auch die Bewohner solcher Einrichtungen eine ganz eigene „Nutzungsklasse“ darstellen, die man „bewirtschaften“ muss. Natürlich kann und muss man an dieser Stelle die Frage aufwerfen, ob das nicht negative Auswirkungen für die Menschen – also für die Bewohner wie auch für die, die unter diesen Bedingungen arbeiten – haben muss.

Florian Staeck beschrieb in seinem Artikel die immer wieder und seit langem vorgetragenen Befürchtungen der Kritiker: »Statt der Pflege alter und kranker Menschen stünde nun die „Schaffung von Mehrwert für Investoren“ im Fokus. Dieser Prozess wird als „Finanzialisierung“ bezeichnet: Der Finanzmarkt ist nicht mehr Dienstleister für die „Realwirtschaft“ – hier die Eigentümer von Pflegeimmobilien –, sondern die Renditeorientierung kann auf die Beschäftigten und die Pflegebedürftigen durchschlagen, etwa in Form schlechterer Arbeitsbedingungen in den Heimen oder durch Abfluss öffentlicher Gelder, die für die Pflege hätten eingesetzt werden können.«

Dann aber kommt dieses „Aber“, das wir so oft in unserem Land zu hören bekommen: Es fehlt an Daten und Wissen:

»Bislang fehlen allerdings hochwertige Versorgungsforschungs-Studien, die systematisch belegen könnten, dass die Pflegequalität in Heimen, die von Finanzinvestoren getragen werden, schlechter ist. Ebenso fehlen Studien, die Auskunft geben, ob sich bei COVID-19-Ausbrüchen in Heimen Auffälligkeiten in Abhängigkeit von der Trägerschaft zeigen.«

„Was aber bisher eine Blackbox ist, das sind die Auswirkungen auf die Pflegequalität und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten“ – mit diesen Worten wird der Christoph Scheuplein, Wissenschaftler am Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen in dem Artikel Blackbox Pflegequalität zitiert.

Auch in anderen Ländern ist das ein großes Thema. Und dort wird versucht, mit einem mehr oder weniger großen Scheinwerferlicht wenigstens etwas in der angesprochenen „Black Box“ erkennbar zu machen.

Wie wäre es mit einigen Befunden aus den USA und Kanada? Die sind beunruhigend, um das noch zurückhaltend zu formulieren

Dazu ein Beispiel aus den USA: Bewohner von Pflegeheimen, die vor einiger Zeit von Private-Equity-Firmen (PE) übernommen wurden, haben im Vergleich zu Bewohnern von anderen gewinnorientierten, aber nicht von Private Equity-Investoren übernommenen Pflegeheimen eine höhere Wahrscheinlichkeit für pflegebedingte Einweisungen in die Notaufnahme sowie von Krankenhausaufenthalten.

Die Analyse ergab zudem, dass Bewohner von Pflegeheimen, die von PE übernommen wurden, auch höhere Medicare-Kosten verursachen.

Bei einer Stichprobe von fast 10.000 gewinnorientierten Pflegeheimen und mehr als 250.000 Bewohnern stellten die Forscher des Weill Cornell Medical College fest, dass die durchschnittlichen vierteljährlichen Raten für Einweisungen in die Notaufnahme und Krankenhausaufenthalte 14,1 % bzw. 17,3 % betrugen. Bei den Bewohnern von 302 Heimen, die zwischen 2013 und 2017 von PE-Unternehmen erworben wurden, stellten die Forscher jedoch einen relativen Anstieg dieser Besuche in der Notaufnahme um 11,1 % und einen relativen Anstieg der Krankenhausaufenthalte um 8,7 % fest.

Darüber hinaus lagen die durchschnittlichen vierteljährlichen Medicare-Kosten pro Bewohner in der gesamten Kohorte bei 8.050 US-Dollar. Auch hier gab es einen relativen Anstieg von 3,9 %, nachdem eine Einrichtung von Private Equity übernommen worden war, schreiben die Forscher.

„Diese Kohortenstudie deutet darauf hin, dass Pflegeheime, die sich im Besitz einer Private-Equity-Firma befinden, auf der Grundlage von zwei weit verbreiteten Qualitätsmaßstäben eine geringere Qualität der Langzeitpflege bieten als andere gewinnorientierte Heime und mit höheren Medicare-Gesamtkosten pro Pflegebedürftigem verbunden sind“, so die Forscher – wobei sich der Vergleich (noch) nicht auf die nicht-gewinnorientierten Pflegeunternehmen bezieht.

Mehr dazu in dem Original:

➔ Robert Tyler Braun et al. (2021): Association of Private Equity Investment in US Nursing Homes With the Quality and Cost of Care for Long-Stay Residents, in: JAMA Health Forum, 2021; 2(11): e213817

Die neuen Ergebnisse sind auch deshalb interessant, weil Braun et al. im Herbst 2020, also im ersten Corona-Jahr, noch zu diesen Erkenntnissen gekommen sind: In einer Querschnittsstudie mit 11.470 US-amerikanischen Pflegeheimen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Personalausstattung, COVID-19-Fälle oder -Todesfälle oder Todesfälle jeglicher Ursache zwischen Private Equity-Pflegeheimen und Einrichtungen mit anderen Eigentumsverhältnissen. Die einzige relevante Auffälligkeit, die damals festgestellt wurde: Die Beschäftigten, die in PE-Heimen gearbeitet haben, hatten weniger persönliche Schutzausrüstung als die in anderen Pflegeheime. Mehr dazu im Original, das im Oktober 2020 veröffentlicht worden ist:

➔ Braun et al. (2020): Comparative Performance of Private Equity–Owned US Nursing Homes During the COVID-19 Pandemic, in: JAMA Network Open, 2020; 3(10): e2026702

Aus Kanada werden uns nun diese beunruhigenden Ergebnisse gemeldet: Private Equity-Pflegeheime haben die höchste Sterblichkeitsrate während COVID-19. Pflegeheime mit den höchsten Gewinnspannen haben die niedrigste Qualität, so eine Studie.

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass gewinnorientierte Langzeitpflegeheime schlechtere Ergebnisse bei den Patienten erzielen als nicht-gewinnorientierte Heime. Eine neue Studie hat ergeben, dass von diesen gewinnorientierten Heimen Langzeitpflegeheime, die sich im Besitz von Private-Equity-Firmen und großen Ketten befinden, die höchsten Sterblichkeitsraten aufweisen.

Die von Martine August, Professorin an der University of Waterloo, durchgeführte Untersuchung widmet sich der wachsenden Dominanz von Finanzunternehmen im Bereich der Seniorenunterkünfte, einschließlich der Langzeitpflegeheime und der Seniorenwohnungen.

Die Studie ergab, dass die Pflegeheime mit den höchsten Gewinnspannen die niedrigste Qualität aufweisen, da sie sich in Hand von Anlegern befinden und noch aggressiver versuchen, den Wert der Pflegeheime und der Menschen, die in ihnen leben und arbeiten, abzuschöpfen.

„Diese Studie konzentriert sich nicht auf die öffentlichen oder gemeinnützigen Senioreneinrichtungen in ganz Kanada, sondern auf die Pensionsfonds, Private-Equity-Firmen, Aktiengesellschaften und andere, die die Langzeitpflege als Anlageklasse behandeln“, so August von der Waterloo’s School of Planning. „Wenn Finanzunternehmen Seniorenwohnungen besitzen und betreiben, stellen sie den Profit auf Kosten anderer Ziele in den Vordergrund.“

Im Zeitraum 2003 bis 2020 haben die zehn größten Finanzunternehmen Kanadas ihren Anteil an Seniorenwohnungen verdoppelt. Derzeit befinden sich 33 Prozent der Seniorenwohnungen (einschließlich 22 Prozent der Langzeitpflegeheime und 42 Prozent der Altenheime) im Besitz von Finanzunternehmen. US-Forschungsergebnisse mahnen zur Vorsicht, da der Besitz von Pflegeheimen in den USA durch Privateigentümer mit einem 10-prozentigen Anstieg der kurzfristigen Patientensterblichkeit verbunden war – was dem Verlust von 21.000 Menschenleben entspricht.

„Finanzunternehmen sind im Bereich der Seniorenwohnungen tätig, weil sie etwas mitnehmen wollen, nicht weil sie etwas beitragen können. Dieser Ansatz – und die Priorisierung von Gewinnen – ist das, was Finanzunternehmen leitet“, sagte sie. „Er steht im Widerspruch zu den sozialen und moralischen Erfordernissen, die die Notwendigkeit unterstreichen, unseren älteren Menschen und den Arbeitnehmern, die sie betreuen, ein gutes Zuhause, eine hochwertige Pflege und ein würdevolles Umfeld zu bieten.“

Die Studie von Martine August (2021), Securitising Seniors Housing: The Financialisation of Real Estate and Social Reproduction in Retirement and Long-Term Care Homes, ist in der Zeitschrift „Antipode“ veröffentlicht worden.