Die Sana Kliniken AG gehört mit 58 Krankenhäusern 44 Medizinischen Versorgungszentren und einigen Altenheimen zu den größten privaten Klinikkonzernen in Deutschland. Insgesamt beschäftigt der Konzern ca. 33.000 Beschäftigte.
Der Konzern ist 1976 von den privaten Krankenversicherern gegründet worden. Bis heute sind 25 Gesellschaften der privaten Krankenversicherung die Aktionäre der Sana Kliniken AG. Sitz des Konzernes ist Ismaning (bei München).
Die Sana DGS pro.service GmbH ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Sana Immobilien Service GmbH und somit Teil der Sana Kliniken AG. Die Tochter bietet ihrem „konzerninternen Kunden im Gesundheitswesen innovative und wirtschaftliche Lösungen im Bereich des infrastrukturellen Facility Managements an“. Sie ist an allen Standorten der Sana Kliniken AG tätig. Neben der Reinigung der Sana Kliniken gehören auch Stationsassistenz, Hol- und Bringedienste, Pforten und Sicherheitsdienste zum Portfolio. Das Unternehmen hat rund 3.000 Beschäftigte, die Mehrheit davon in Teilzeit.
Offensichtlich haben wir es hier mit einem dieser Konstrukte zu tun, wo man bestimmte Bereiche, die früher einmal ganz selbstverständlich Teil der Kliniken und ihrer Belegschaften waren, ausgelagert hat. Sicher nicht, damit es die dort Beschäftigten dann schöner oder ruhiger haben oder gar mehr verdienen können. Man ahnt schon, dass es bei solchen Auslagerungen vor allem um eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Kostenreduktion geht.
Und aus diesem Gebilde, die ansonsten immer unter der Wasseroberfläche agieren müssen, erreichen uns nun auf den ersten Blick verstörende Meldungen.
Wobei man anmerken muss: nicht direkt aus dem Unternehmen, sondern die Gewerkschaft ver.di hat sich zu Wort gemeldet, mit einer Pressemitteilung, die so überschrieben ist: ver.di übt heftige Kritik an angekündigter Massenentlassung der Sana Kliniken AG im Service-Bereich. Massenentlassung im Krankenhausbereich? In diesen Zeiten? Ist das ein Irrtum, ein Druckfehler?
Leider nein. Über die DGS pro.service GmbH wird ausgeführt: »Von der jetzt angekündigten Teilbetriebsschließung, die bis spätesten zum 31. Dezember 2021 abgeschlossen sein soll, sind mehr als 1.000 Beschäftigte betroffen. Geschlossen werden sollen alle Bereiche außer der Reinigung.« Weiterführende Detailinformationen enthält die Mitteilung der Gewerkschaft ver.di aber leider nicht.
Warum machen die das bei der Sana Kliniken AG? Wie immer in solchen Fällen kann man von außen nur Vermutungen anstellen.
So könnte es sein, dass das was mit den letzten Tarifverhandlungen zu tun hat. Seit 2009 verhandelt ver.di mit der Sana Kliniken AG Konzerntarifverträge für den nichtärztlichen Bereich, welche inklusive der Anwendungstarifverträge knapp die Hälfte der Krankenhäuser erfasst. Die anderen Kliniken unterliegen im Wesentlichem dem TVöD, Anwendungstarifverträgen zum TVöD oder anderen Regelungen auf der Basis von Haus-Tarifverträgen. Das hört sich kompliziert an. Ist es auch. Wie dem auch sei, im vergangenen Jahr hat es eine Tarifrunde gegeben und man hat sich auch auf einen Abschluss verständigt. Und schaut man in den Flyer, mit dem für den Abschluss geworben wurde, dann findet man diesen unscheinbaren Hinweis: »Für Beschäftigte ohne Ausbildung, aber mit patientennahen Tätigkeiten konnten wir endlich eine einheitliche Eingruppierung in die P5 durchsetzen.« Schaut man dann weiter nach, um wen und was es bei dieser P5 geht, dann findet man diese Erläuterung: Stationshelfer, Stationsassistenten, Pflegeassistenten, Serviceassistenten (jeweils patientennah). Und die werden dann – soweit man das von außen beurteilen kann – für das Unternehmen teurer, denn die Gewerkschaft erläutert: »Zum 1.1.2021 wird eine P-Tabelle eingeführt, die im Niveau nah am TVöD liegt. Diese gilt vorerst nur für die Akuthäuser. Es ist sichergestellt, dass durch die Anwendung dieser Entgelttabelle das tarifliche Monatsentgelt um mindestens 3,5 % erhöht wird.« Insofern könnte man vermuten, dass die Arbeitgeberseite jetzt versucht, diesen Bereich abzustoßen, um dann möglicherweise die entsprechenden Leistung von außen einzukaufen, über Drittanbieter, die billiger sind. Wie geschrieben, möglicherweise.
Es könnte aber auch im Kern um einen anderen Hintergrund gehen, der hier bereits am 10. März 2020 in dem Beitrag Der Irrsinn mit den Kräften in der Pflege. Oder: Folge dem Geld, dann wird aus dem offensichtlichen Irrsinn ein betriebswirtschaftlich durchaus rationales Vorgehen aufgerufen wurde, also kurz bevor dann die erste Corona-Welle über uns (und vor allem die Kliniken) gekommen ist: »In immer mehr Krankenhäusern werden die Hilfskräfte abgebaut und deren Arbeit sollen und die Pflegefachkräfte „mitmachen“. Kein Witz«, so wurde das damals berichtet. In dem Beitrag wurde als ein Beispiel für diese irgendwie steil daherkommende Behauptung dieser Bericht über einen der anderen privaten Klinikkonzerne zitiert: Helios Schleswig: Noch mehr Arbeit für Pfleger. Was ist da passiert?
»Pflegekräfte werden in Schleswig-Holstein händeringend gesucht. Immer wieder berichten Angestellte von Arbeit am Rande der Belastungsgrenze. Die Bundesregierung wollte das per Gesetz ändern und hat die Finanzierung der Pflege in Krankenhäusern mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz umgestaltet. Laut ver.di führt das in Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) am Helios Klinikum zu neuen Problemen. Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein hat die Klinik sogenannte Serviceassistenten entlassen. Deren Aufgaben – wie zum Beispiel die Essensversorgung der Patienten – müssen die Krankenschwestern und -pfleger übernehmen.«
Pflegekräfte leiden unter einem Gesetz, das sie eigentlich entlasten sollte. Nur scheinbar ein Irrsinn. Man macht wie sonst auch keinen Fehler, wenn man nach der Devise „Dem Geld folgen“ vorgeht:
»Laut Pflegepersonal-Stärkungsgesetz übernehmen die Krankenkassen seit Jahresbeginn die Kosten für jede ausgebildete Pflegekraft für die Krankenhäuser. Dadurch sollen diese mehr Pflegekräfte einstellen können. Ungelernte Pflegekräfte fallen bislang nicht unter diese Regelung und sind daher für die Kliniken zu teuer. Der Geschäftsführer des Helios Klinikums Schleswig John Näthke erklärt: „Das hat uns zu der Überlegung gebracht, dann auch die Servicetätigkeiten von qualifizierten Pflegemitarbeitern durchführen zu lassen.“«
Besonders putzig ist seine Begründung: »Der Hauptgrund: Man wolle qualitativ noch besser werden.« Klar.
»Das hat jetzt zur Folge, dass auf den Stationen Servicekräfte fehlen. Die Aufgaben muss das Pflegepersonal übernehmen. Das Klinikum in Schleswig hat zwar neue Fachkräfte eingestellt – nach eigenen Angaben fehlen aber aktuell noch zehn bis zwölf Mitarbeiter.« In dem Haus wurde sechs Serviceassistenten gekündigt. Gab es dafür mehr Pflegefachkräfte? Man ahnt die Antwort:
Eine Pflegekraft aus der Klinik berichtet dem NDR, »auf seiner Station gebe es keine zusätzlichen Fachkräfte. Alle Aufgaben blieben an ihm und seinen Kollegen hängen. Rund zweieinhalb Stunden zusätzlich dauere es, alle Patienten mit den drei Mahlzeiten zu versorgen. Auch müssten die gelernten Mitarbeiter jetzt alle Patienten zu ihren Untersuchungen bringen. Das hätten vorher auch die Servicekräfte gemacht. Pausen seien jetzt kaum noch möglich. Die Belastungen seien so hoch, dass er und weitere Kollegen kurz davor ständen, die Kündigung einzureichen.«
Im vergangenen Jahr wurde dann das hier bilanziert, was man nun wieder aufrufen kann: »Und das ist leider kein Einzelfall. Die Entwicklung mit Kopfschütten-Potenzial entspringt einer eigenen betriebswirtschaftlichen Logik, die wiederum abgeleitet werden kann aus der Tatsache, was (nicht) finanziert wird. Dass das aber in einem absoluten Mangelland, wo qualifizierte Pflegekräfte überall fehlen oder aussteigen, dazu beitragen wird, dass der Mangel noch weiter beschleunigt und vergrößert wird, muss man nicht wirklich vertiefend erläutern.«
Es wird spannend werden, ob die neue Entwicklung im Sana-Universum in diesem Kontext einzuordnen ist oder ob andere Beweggründe handlungsleitend waren. Wie dem auch sei und mit Blick auf die Betroffenen: Die Letzten beißen wieder einmal die Hunde.