Corona und die USA – da wird in Deutschland vor allem leider überwiegend über die Eskapaden des (noch?) Präsidenten berichtet und dass die Pandemie in dem Land weiterhin wütet. In der ersten Phase der Corona-Krise gab es auch Berichte über den außergewöhnlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen (vgl. hierzu die Beiträge Die verheerenden Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt in einem Land ohne wirklichen Schutz für Millionen Menschen: die USA und eine Grafik des Schreckens vom 26. März 2020 sowie Unbelievable. Eine „Grafik des Schreckens“ wird innerhalb einer Woche noch schrecklicher: COVID-19 verursacht eine historische Krise auf dem Arbeitsmarkt in den USA vom 2. April 2020 in diesem Blog. Millionen US-amerikanischer Arbeitnehmer haben innerhalb weniger Wochen ihren Job verloren (und oftmals damit auch ihren Krankenversicherungsschutz).
Allerdings hatte die Bundesregierung im Frühjahr den Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security (CARES) Act ins Leben gerufen (insgesamt mit einem Volumen von 2,2 Billionen Dollar), mit dem alle Amerikaner einen einmaligen „stimulus check“ in Höhe von 1.200 US-Dollar bekamen und – besonders bedeutsam – Arbeitslose zusätzlich 600 Dollar pro Woche zu ihrer Arbeitslosenhilfe. Damit konnte – im Frühjahr und Sommer – eine steigende Armutsrate erfolgreich verhindert werden. Allerdings war das nur ein kurzfristiger Effekt, wie Wissenschaftler in einer neuen Studie herausgefunden haben.
»The number of Americans living in poverty grew by 8 million since May, according to a Columbia University study, which found an increase in poverty rates after early coronavirus relief ended without more to follow«, kann man diesem Artikel entnehmen: 8 million Americans slipped into poverty amid coronavirus pandemic, new study says: »Researchers looked at the devastating financial effect the pandemic has had on Americans, with Blacks, Latinos and children faring the worst.«
Hier die Originalversion der Studie:
➔ Zachary Parolin et al. (2020): Monthly Poverty Rates in the United States during the COVID-19 Pandemic. Poverty and Social Policy Discussion Paper. New York, NY: Center on Poverty and Social Policy, October 2020
Dort findet man die folgenden zentralen Befunde:
➔ »The monthly poverty rate increased from 15% to 16.7% from February to September 2020, even after taking the CARES Act’s income transfers into account. Increases in monthly poverty rates have been particularly acute for Black and Hispanic individuals, as well as for children.«
➔ »In April and May, the CARES Act was successful in offsetting potential increases in monthly poverty, but was not successful at preventing a rise in deep poverty, defined as having monthly income lower than half the monthly poverty threshold.«
➔ »The CARES Act’s stimulus checks and unemployment benefits lifted more than 18 million individuals out of monthly poverty in April, but this number fell to around 4 million individuals in August and September after the expiration of the $600 per week unemployment supplement.«
➔ »Due to the expiration of the CARES Act’s stimulus checks and $600 per week supplement to unemployment benefits, the monthly poverty rate in September was higher than rates during April or May, and also higher than pre-crisis levels.«
Die Zahl der Amerikaner unterhalb der Armutsgrenze ist seit Mai um 8 Millionen Menschen angestiegen. Dieser Anstieg hängt zusammen mit dem Auslaufen der Hilfen des CARE Acts Ende des Sommers. Der CARES Act war, trotz seiner Schwachstellen, generell erfolgreich bei der Verhinderung eines starken Anstiegs der Armut, so Zach Parolin, die an der Studie mitgearbeitet hat. 18 Millionen Amerikaner wurden im April vor der Armut durch das Bundesprogramm geschützt, im September ist diese Zahl auf nur noch 4 Millionen gesunken.
Um welche Größenordnungen geht es bei der Armutsgrenze in den USA?
»A family of four earning $26,200 a year or less is considered living below the poverty line, according to the U.S. Department of Health and Human Services. The total number of people in the U.S. living in poverty is 55 million, including the 8 million who joined their ranks since May.«
Auch die Ergebnisse einer anderen kürzlich veröffentlichten Studie der University of Chicago und der University of Notre Dame belegen das Ausmaß des Anstiegs der Armut in den USA: Allein in den letzten drei Monaten sind 6 Millionen Amerikaner in eine offizielle Armutslage abgerutscht:
➔ Jeehoon Han, Bruce D. Meyer, and James X.Sullivan (2020): Income and Poverty in the COVID-19 Pandemic. NBER Working Paper 27729, Cambridge, MA: National Bureau of Economic Research, August 2020
Es wurde nicht nur eine (einmalige) Studie veröffentlicht, sondern die Forscher versuchen, die Armutsentwicklung in den USA in Echtzeit zu messen und darzustellen. Dazu das Near Real Time COVID-19 Income and Poverty Dashboard.
“In this time of crisis, it is important for policymakers to respond as quickly as possible to address the needs of those hit hardest by the pandemic,” so die Wissenschaftler in der University of Chicago-Notre Dame-Studie.
Das mit dem so schnell wie möglich wird nicht funktionieren, denn die Verhandlungen über ein Nachfolgegesetz zum CARES Act ist unter die Räder der anstehenden Präsidentschaftswahlen geraten und ein Kompromiss mit den Demokraten wird es wenn, dann wohl erst nach den Wahlen geben.