Gestern erst wurde hier in dem Beitrag Die Zügel wieder anziehen: Zurück in das Wartezimmer. Zur Aufhebung der Möglichkeit, Arbeitnehmer mit Atemwegserkrankungen telefonisch arbeitsunfähig zu schreiben (19.04.2020) berichtet, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das Machtzentrum der etablierten Selbstverwaltung von Kostenträgern, also den Krankenkassen, und den Leistungserbringern (niedergelassene Ärzte und die Krankenhäuser), am Freitag die über eine Ausnahmeregelung ermöglichte telefonische Krankschreibung von Arbeitnehmern bei leichteren Atemwegsinfektionen ab Montag, also heute, wieder außer Kraft gesetzt hat – angeblich haben die Arbeitgeber hinter den Kulissen. mächtig Druck gemacht, dass dieser niedrigschwellige Zugang zu einer Krankschreibung schnellstmöglich wieder beseitigt wird. „Offenbar hat hierbei auch der große Druck der Arbeitgeberseite eine entscheidende Rolle gespielt.“ So die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Pressemitteilung angesichts ihrer Niederlage bei der Abstimmung in dem Gremium. Gegen den Widerstand der Ärztevertreter in dem Gremium sei die Zustimmung der Mehrheit erfolgt, folglich müssen die Krankenkassenvertreter und die „unparteiischen“ Mitgliedern in Verbindung mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hier über Bande gespielt haben.
Das blieb nicht ohne heftige Gegenreaktionen: »Der GBA-Beschluss vom Freitag, die Telefon-AU nicht zu verlängern, bringt die Hausärzte auf die Palme. Sie werten dies als Angriff auf die Gesundheit von Ärzten und MFA. Ihr Widerstand hat den GBA erneut ins Grübeln gebracht«, berichtet Thomas Hommel in seinem Artikel Hausärzte laufen Sturm gegen Aus für Tele-AU. Der G-BA-Beschluss »habe unter seinen Kollegen „blankes Entsetzen“ hervorgerufen, schreibt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, in einem Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Wenn es stimme, dass der Beschluss gegen die Ärztebank im GBA und auf Druck der Arbeitgeberverbände sowie des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands hin initiiert worden sei, halte er den Vorgang „für einen Skandal“, schreibt Weigeldt.« Der Berufsverband Deutscher Internisten sprach in einer Pressemitteilung am Montag davon, dass die Entscheidung an „Körperverletzung grenze“. Bei anhaltender Unterversorgung mit Schutzausrüstung, sei dies praktisch unmöglich umzusetzen.
Aber nun erreichen uns diese Nachrichten: Krankschreibungen bei leichten Atemwegserkrankungen können vorerst weiterhin nach telefonischer Anamnese erfolgen. So ist die Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) überschrieben. Darin wird der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, mit diesen Worten zitiert:
„Aufgrund der aus der Versorgungspraxis am Wochenende vorgetragenen unterschiedlichen Einschätzungen zur Gefährdungslage für Patientinnen und Patienten in den Arztpraxen wegen zum Teil noch fehlender Schutzausrüstungen wird sich der G-BA heute erneut mit der Frage der Möglichkeit der Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit per Telefon ohne persönliche Inaugenscheinnahme der Patientinnen und Patienten durch den Arzt beschäftigen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir bei dieser erneuten Beschlussfassung eine Verlängerung der Regelung bis zum 4. Mai 2020 mit der Modifikation beschließen, dass eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund telefonischer Anamnese nur für die maximale Dauer von einer Woche bescheinigt werden und bei fortdauernder Erkrankung einmal verlängert werden kann.«
Und man muss solche Verlautbarungen immer genau lesen. Der G-BA-Vorsitzende kann sich diesen Seitenhieb auf Berlin nicht verkneifen:
»Die Entscheidung zur Nicht-Verlängerung wurde am vergangenen Freitag nach Konsultation und in Kenntnis des für die Aufsicht zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit getroffen.«
Der G-BA wird nun voraussichtlich rückwirkend zum heutigen Tag eine Beschlussfassung zur Verlängerung der Ausnahmeregelung herbeiführen. Damit besteht vorerst weiterhin die Möglichkeit, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch nach einer telefonischen Befundaufnahme von der Ärztin oder dem Arzt bescheinigt werden kann.
Das ist das Resultat zahlreicher kritischer Stimmen, die sich am Wochenende ihren Weg an die Öffentlichkeit gesucht und gefunden haben, vgl. dazu den Artikel G-BA rudert nach heftiger Kritik am Stopp telefonischer Krankschreibungen zurück aus der Online-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts.