In den vergangenen Jahren wurde hier immer wieder in zahlreichen Beiträgen ausführlich über den Billigflieger Ryanair berichtet – und wie dort mit den Beschäftigten umgegangen wird. Dazu nur als ein Beispiel bereits vom 28. Mai 2015: Billig hat einen hohen Preis. Die Piloten bei Ryanair. Aber ein Teil der bei diesem irischen Unternehmen Beschäftigten hat sich gewehrt und wehrt sich weiterhin – und so konnte man seit dem vergangenen Jahr den Eindruck bekommen, dass die ganz hart Nuss Ryanair am Ende dann doch noch für die Durchsetzung normaler Arbeitnehmerrechte geknackt werden konnte.
»Die Gewerkschaft Verdi hat mit dem Billigflieger Ryanair einen Tarifvertrag für die rund 1100 in Deutschland stationierten Flugbegleiter abgeschlossen. Vereinbart wurden unter anderem ein um 600 Euro im Monat höheres Grundgehalt, weitere Entgeltsteigerungen um bis zu 250 Euro und Sozialplanregeln bei Versetzungen«, konnte man im März dieses Jahres beispielsweise in diesem Artikel lesen: Tarifvertrag für Flugbegleiter bei Ryanair perfekt. Und in diesen Tagen wird der nach 18 Jahren an der Spitze der Gewerkschaft ver.di in den Ruhestand wechselnde Frank Bsirske mit diesen Worten zitiert: »Als „Mutmacher“ für die Gewerkschaften bewertete er den im vergangenen Jahr erreichten Tarifabschluss für die Flugbegleiterinnen bei Ryanair. „Wir haben es geschafft, einen guten Tarifvertrag durchzusetzen mit rund 1000 Euro mehr im Monat.“ Der irische Billigflieger sei „ein Menetekel für eine stark globalisierte Belegschaft zu unerhört prekären Arbeitsbedingungen mit einem Milliardär als Eigentümer, der Tarifverträge kategorisch ablehnte. In so einem Umfeld sich als durchsetzungsfähig zu beweisen – das ist schon ein Mutmacher“,« so seine Worte in dem Artikel Verdi-Chef sieht im Tarifabschluss mit Ryanair einen „Mutmacher“.
In dieser Woche haben Ryanair-Piloten in Großbritannien abermals die Arbeit niedergelegt. In Irland konnte die Fluggesellschaft vorerst einen weiteren geplanten Streik gerichtlich stoppen.
Und wieder zurück nach Deutschland: »Auch in Deutschland schwelt die Auseinandersetzung zwischen Ryanair und seinen Arbeitnehmern weiter. Die Vereinigung Cockpit fordert die Errichtung eines Flugbetriebs (AOC) mit deutscher Lizenz, während Ryanair erwägt, die an deutschen Flughäfen basierten Jets von der Tochter Malta Air betreiben zu lassen.«
Zwischenfazit: »Ryanair habe wieder den Standard-Kurs der Konfrontation gewählt, hieß es von Seiten der europäischen Pilotenvereinigung ECA. Sie kritisierte zudem, dass dem Ryanair-Management ein Jahr gereicht habe, um zwei neue Airlines aufzubauen und eine weitere zu übernehmen, es aber nach wie vor keinen Tarifvertrag gebe.«
Selbst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wird die Entwicklung bei Ryanair kritisch aufgearbeitet: Ryanair-Mitarbeiter berichten von Psychoterror und Schikane, so die Überschrift eines Artikels von Marcus Theurer, der am 25. August 2019 veröffentlicht wurde. »Früher pflegte der Ryanair-Chef und Rambo der europäischen Luftfahrtbranche die Arbeitnehmervertreter als „bärtige Sandalenträger“ zu beschimpfe. Eher werde „die Hölle zufrieren“, als dass er sich mit solchen Leuten an einen Tisch setzen werde, um Tarifverträge für die mehr als 17.000 Mitarbeiter von Europas größter Billigflug-Airline auszuhandeln, prahlte der Ire.« Im Grunde sei der Job eines Piloten in einem modernen Flugzeug doch kaum anspruchsvoller als der eines Busfahrers, so eine der vielen Hammerschläge gegen die eigenen Leute.
»Doch dann musste der Ryanair-Chef eine demütigende Notlandung hinlegen: Er sah sich gezwungen, seinen über ein Vierteljahrhundert durchgehaltenen Gewerkschaftsboykott aufzugeben. Erstmals werde Ryanair mit diesen über Tarifverträge reden, kündigte er kurz vor Weihnachten 2017 an. O’Leary blieb damals nichts anderes übrig: Ein akuter Engpass beim Flugpersonal hatte zu Zehntausenden von Flugausfällen geführt und damit die Verhandlungsposition der Belegschaft gegenüber den Ryanair-Managern schlagartig verbessert.« Gut 20 Monate sind seither vergangen. Und was hat sich getan?
Nach Gesprächen, die mit Beschäftigten des Billigfliegers geführt wurden, hat sich beim Betriebsklima offensichtlich nichts getan – bzw. eher noch weiter in den negativen Bereich hinein: »Da ist von systematischem „Psychoterror“ des Managements gegenüber dem Flugpersonal die Rede. Ryanair schaffe weiterhin eine „Atmosphäre der Angst“, um strikte Kostenvorgaben einzuhalten. Der Umgang des Unternehmens mit den Mitarbeitern sei rücksichts- und respektlos.«
„Vorübergehend hatte man den Eindruck, dass es besser wird“, schildert ein Ryanair-Pilot seine Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre. „Aber das hat sich schnell wieder gedreht. Inzwischen ist es eher noch schlimmer als früher.“ Übereinstimmend wird berichtet, dass die Fluggesellschaft regelmäßig Piloten unter Druck setze, die sich aus Sicht der Ryanair-Personalabteilung zu oft krank melden. Ein Pilot berichtet, er habe vom Unternehmen eine arbeitsrechtliche Abmahnung erhalten, weil er sich binnen Jahresfrist an einer niedrigen zweistelligen Zahl von Arbeitstagen krankgemeldet habe. Mehrfach musste der an einer deutschen Basis des Unternehmens beschäftigte Pilot deshalb zu Disziplinargesprächen in der Ryanair-Zentrale in Dublin antreten, so Theurer in seinem Artikel.
Das sollte man nicht als ein internes Problem abtun: »Ryanair-Piloten warnen, die rüden Methoden der Fluggesellschaft seien ein Sicherheitsrisiko. Sie berichten von Kollegen, die sich trotz Krankheit ins Cockpit gesetzt hätten, aus Furcht vor Repressalien durch Ryanair. Damit nicht genug: Cockpit-Mitarbeiter werfen dem Management auch vor, schon wegen eines minimal erhöhten Treibstoffverbrauchs starken Druck auf Piloten auszuüben. Schon vor einigen Jahren hat es nach mehreren Zwischenfällen bei Ryanair Vorwürfe von Piloten-Vertretern gegeben, die Treibstoff-Vorgaben des Billigflug-Anbieters seien zu restriktiv.« Besonders „beruhigend“ für deutsche Kunden: »Das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig wies darauf hin, dass Ryanair als irisches Luftfahrtunternehmen der Aufsicht der irischen Luftfahrtbehörde unterliege.«
Und wie muss man dieses Zitat einordnen angesichts der lobenden Worte des scheidenden ver.di-Vorsitzenden? „Wir behalten uns vor, kurzfristig zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen“, so Mira Neumaier, Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehr in der Dienstleistungsgewerkschaft. Also auch in Deutschland drohen Arbeitnehmervertreter jetzt mit neuen Streiks – und zwar bei der Ryanair-Tochtergesellschaft Laudamotion. »Die Gewerkschaft verhandelt seit acht Monaten über einen Tarifvertrag für rund 450 Piloten und Mitarbeiter des Kabinenpersonals an den Flughäfen Düsseldorf und Stuttgart.«
Außerdem sollte nicht vergessen werden, »dass die irische Fluggesellschaft weiterhin Betriebsratswahlen für die deutschen Flugbegleiter der Kernmarke Ryanair blockiere. Das Kabinenpersonal in Deutschland hat zwar, anders als die Piloten, inzwischen einen Tarifvertrag. „Aber dessen Einhaltung muss auch überwacht werden, und dafür ist ein Betriebsrat unerlässlich“, sagt Gewerkschafterin Neumaier.«
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