»Die Gewerkschaft Verdi will die Metro-Tochter Real bestreiken. Dies geht aus einem „Streikaufruf“ an die rund 34.000 Beschäftigten des Unternehmens hervor, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Bereits an diesem Freitag und Samstag (13. und 14. Juli) seien „bundesweite Arbeitsniederlegungen in einer Vielzahl der 280 Filialen“ geplant«, konnte man diesem Artikel vom 11. Juli 2018 entnehmen: Verdi ruft zu Streiks bei Real auf. Und weiter: Die Gewerkschaft Verdi hat die rund 34.000 Real-Mitarbeiter aufgerufen, … zu streiken. Metro-Chef Olaf Koch hat dafür kein Verständnis. Er sieht das Lohnniveau als „absolut marktgerecht“. Und Matthias Schiermeyer ergänzte einen Tag später unter der Überschrift Streiks sollen den Flächentarif retten. »Nach dem Ausscheren der Metro-Tochter Real aus dem Verdi-Flächentarifvertrag ruft die Gewerkschaft an diesem Freitag und Samstag zu bundesweiten Arbeitsniederlegungen auf. Ziel ist es auch, Nachahmer von einer Tarifflucht abzuschrecken.«
Da wird nicht nur der eine oder andere treue Leser dieses Blogs ein Déjà-vu-Gefühl bekommen. Im Sommer 2018 ist das eine Nachricht, die einem sehr bekannt vorkommt. So wurde am 1. Oktober 2015 hier unter der Überschrift Tarifflucht des Arbeitgebers und Zwangsteilzeit für die Beschäftigten. Das ist Real. Wieder einmal über eine Branche auf der Rutschbahn nach unten berichtet: Die Unternehmensleitung von Real ist aus der Tarifbindung ausgestiegen und will einen Haustarif mit geringerer Bezahlung verhandeln, so die Meldungen damals. »Aus der Gewerkschaft ver.di wird berichtet, der Konzern wolle die Wochenarbeitszeit erhöhen, das Stellenpensum der Belegschaft aber gleich belassen. Unbezahlte Mehrarbeit wäre die Folge für die Beschäftigten. Das treibt die Arbeitnehmer/innen verständlicherweise auf die Straße. Vor diesem Hintergrund haben mehrere Tausend Mitarbeiter der Supermarktkette Real haben am Mittwoch bundesweit gegen Lohnkürzungen demonstriert. Die zentrale Kundgebung fand in Düsseldorf vor der Zentrale des Real-Mutterkonzerns Metro statt. Dort tagte gleichzeitig der Aufsichtsrat. Rund 25.000 Unterschriften zum Erhalt des Tarifvertrags seien an Vertreter des Metro-Managements übergeben worden.« Das war 2015.
Aber bereits damals musste man auch diesen Hinweis zur Kenntnis nehmen, der zugleich auf ein notwendigerweise anzusprechendes Grundsatzproblem der Gewerkschaft verweist: »Mehr als 4.000 Angestellte nahmen laut ver.di an der zentralen Streikkundgebung in Düsseldorf teil. Das wäre eine kleine Minderheit der Belegschaft, denn die Gewerkschaft spricht von rund 38.000 Beschäftigten, die für Real arbeiten. In der Hauptstadt fanden sich gar nur 80 Streikende aus allen dortigen Filialen ein.«
Scheinbar gab es dann im darauffolgenden Jahr Hoffnung. Unter der allerdings schon zweifelnden Überschrift Das ist Real. Ein weiteres Trauerspiel der tarifvertraglichen Entleerung im Einzelhandel oder am Ende ein trojanisches Pferd? wurde am 20. Juni 2016 berichtet: Im Tarifstreit zwischen der SB-Warenhauskette Real und der Gewerkschaft Verdi gibt es eine Einigung. Unternehmen und Gewerkschaft wollen ab Oktober über einen neuen Tarifvertrag verhandeln, der Vorbildcharakter für die Branche haben soll. Die Regelung soll im ersten Quartal 2018 stehen. Bis dahin soll eine Haustarif-Regelung gelten, bei der die Mitarbeiter bis einschließlich 2017 auf Gehaltssteigerungen verzichten. Danach soll die Vergütung laut Metro „stufenweise wieder auf das Flächentarifniveau zurückgeführt“ werden.
Vorbildcharakter für die Branche? Hört sich doch nach Speerspitze einer Entwicklung an. Aber die kann man auch kritisch sehen. So wurde angemerkt, dass die damals anstehenden Verhandlungen über neue tarifliche Regelungen bei Real ein Ritt auf der Rasierklinge für die Gewerkschaft seien. Sollte es dort eine neue Vereinbarung geben, die eine Schlechterstellung gerade der Kassiererinnen beinhaltet, dann könnte sich die Bereitschaft von ver.di, sich darauf einzulassen, damit Real wieder in die Tarifbindung zurückkehrt, als trojanisches Pferd für die gesamte Branche erweisen, denn klar ist doch: Andere Konzerne werden es sich nicht nehmen lassen, Verschlechterungen für die Beschäftigten der Metro-Tochter im Namen der Wettbewerbsfähigkeit auch bei ihren Belegschaften durchzusetzen verlangen. Und man muss wissen: Die Arbeitgeber verlangen seit Jahren eine strukturelle Entgeltreform, bei der die Absenkung der Vergütung für die Kassiererinnen ein wichtiges Element ist. Bislang blockiert die Gewerkschaft dieses Ansinnen.
Aber offensichtlich ist das heute, im Sommer 2018, bereits Schnee von gestern. Real ist auf die „klassische“ Spur der Tarifflucht gewechselt bzw. zurückkehrt – mit allen Ingredienzien einer weiteren Schwächung tarifvertraglicher Strukturen. »Vor zwei Jahren, als Real wirtschaftliche Sorgen hatte, hat man gemeinsam einen Zukunftstarifvertrag ausgehandelt. Die Beschäftigten verzichteten freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts. Doch Real genügt das heute offenbar nicht mehr. Die Handelskette hat den Tarifvertrag gekündigt. Neue Mitarbeiter sollen noch weniger Geld bekommen«, so Ralf Geißler unter der Überschrift Bundesweite Streiks bei Real. Neue Mitarbeiter sollen deutlich weniger als die bereits Beschäftigten erhalten: nach Gewerkschaftsangaben bis zu 25 Prozent.
Was ist passiert? Die Metro-Tochter Real hatte im Frühjahr den Tarifvertrag mit der Gewerkschaft gekündigt und will nach dem Wechsel vom Handelsverband HDE in den Arbeitgeberverband AHD neue Mitarbeiter künftig nach den für das Unternehmen deutlich günstigeren Tarifverträgen mit der Gewerkschaft DHV bezahlen.
Das muss man sich genauer anschauen.
Bis Ende Mai hatte Real einen Tarifvertrag mit Ver.di über den Handelsverband Deutschland (HDE). Dann hat der Mutterkonzern Metro seine Tochter Real in den kleineren Arbeitgeberverband AHD ausgelagert (vgl. dazu Real steigt aus dem Handelsverband HDE aus). Dieser „Arbeitgeberverband“ – die AHD Unternehmensvereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe – ist 1987 von der Asko Deutsche Kaufhaus AG, einem der Metro-Vorläufer, gegründet worden – ein Modell das u.a. von McDonalds mit dem Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) kopiert wurde. In ihm haben sich Arbeitgeber aus dem Handels- und Dienstleistungsgewerbe zusammengetan – wobei „Arbeitgeber“ mehr als euphemistisch daherkommt, denn die AHD schreibt selbst: „Unsere Mitglieder sind in der Mehrzahl Unternehmen des METRO Konzerns.“ Weitere Details liefert uns Elmar Wigand in seinem Beitrag über die AHD: »Vorsitzender der AHD ist der Jurist Jan Lessner-Sturm, ein Zögling des berüchtigten Münchner Union Busting-Professoren Volker Rieble (Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, ZAAR). Lessner-Sturm arbeitet hauptamtlich als Director Labour Relations Germany & Labour Law (Direktor für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht)« – bei der Metro.
Entsprechend eindeutig ist der Auftrag an die AHD formuliert: „Ein wesentlicher Zweck der AHD ist der Abschluss von firmenbezogenen Verbandstarifverträgen und Haustarifverträgen im Auftrag von Mitgliedsunternehmen. Die AHD ist ein unkonventioneller Arbeitgeberverband, der sich als tarifpolitischer Think Tank und als Tarifmanufaktur versteht.“
„Tarifmanufaktur“ – was für ein sprachliches Gedöns für die Organisation billiger Tarifflucht. Und wo ein „unkonventioneller“, also willfähriger Arbeitgeberverband benutzt wird, um aus der konventionellen Tarifbindung herauszukommen, da ist sein ideales Gegenüber, also eine „gelbe“ Gewerkschaft, nicht weit.
„Gelbe“, also unternehmensabhängige Gewerkschaften bzw. Pseudo-Gewerkschaften hatten in der Vergangenheit die Hauptaufgabe, Angestellte in Unternehmensverwaltungen und -zentralen zu binden, »ihnen ein elitäres Bewusstsein zu vermitteln und sie anti-gewerkschaftlich und anti-marxistisch zu impfen«, so Wigand. Sie gelten eigentlich als Relikt aus der Kaiserzeit – erleben aber heute möglicherweise eine Renaissance bzw. es wird von interessierten Kreisen versucht, diese scheintoten Hüllen zu benutzen, um den DGB-Gewerkschaften Konkurrenz zu machen.
Dazu Elmar Wigand: »Ziemlich unbemerkt haben sich die zwei größten Akteure durchaus ihre Bastionen geschaffen. Die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte (AUB), ursprünglich eine Siemens-Gründung, macht Verdi bei Aldi-Nord scharfe Konkurrenz; sie wird auch von Hyundai gegen die IG Metall eingesetzt. Noch erfolgreicher ist der DHV, der sich im Gesundheitsbereich, Bank- und Versicherungswesen, der Nahrungsmittelindustirie und im Einzelhandel gerne rufen ließ, um Dumping-Tarifverträge abzuschließen.«
Da taucht sie auf, die angebliche Gewerkschaft, die im aktuellen Tarifkonflikt bei Real eine besondere Rolle spielt oder spielen soll als Sparringspartner für den Metro-eigenen „Arbeitgeberverband“: die DHV. Dieses Kürzel steht hier nicht für den Deutschen Hochschulverband oder gar für den Deutschen Hanfverband, zwei seriöse Verbände mit der gleichen Buchstabenfolge, sondern für DHV – Die Berufsgewerkschaft. In ihrer Selbstbeschreibung kann man lesen: »DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. vertritt die gewerkschaftlichen und berufspolitischen Interessen von etwa 73.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Sie steht in der Tradition der christlichen Angestelltengewerkschaftsbewegung.« Die DHV ist Mitglied im Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB). Jeder, der sich mit Gewerkschaften ein wenig auskennt, weiß, dass das seriöser daherkommt, als es ist. Man denke nur an die mehr als unrühmliche Rolle, die CGB-„Gewerkschaften“ beim Abschluss von Dumping-„Tarifverträgen“ in der Leiharbeit gespielt haben.
Nun ist die DHV allerdings nett formuliert mehr als umstritten. Eine „Gewerkschaft“ mit nach Selbstangaben 73.000 Mitgliedern bundesweit und über mehrere Branchen hinweg? Das hört sich nicht wirklich überzeugend an – hinzu kommt, dass die „richtigen“ Gewerkschaften von noch deutlich weniger Mitgliedern insgesamt ausgehen, immer wieder wird die Zahl 10.000 genannt. Dann hätten wir es mit einem echten „Gewerkschaft-Zombie“ zu tun. Das sieht man offensichtlich auch an anderer Stelle so: Unter der Überschrift Tariffähigkeit der DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. – Keine abschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird auf den Beschluss vom 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 des BAG hingewiesen. Ausgangspunkt des Beschlusses ist diese für jeden nachvollziehbare Anforderung: »Tarifverträge kann nur eine Arbeitnehmervereinigung schließen, die tariffähig ist. Dazu muss sie über Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und eine leistungsfähige Organisation verfügen. Das drückt sich in der Regel durch die Zahl ihrer Mitglieder im selbst gewählten Organisationsbereich aus.« Genau das aber ist hinsichtlich der DHV mehr als umstritten.
Schauen wir uns den Sachverhalt einmal genauer an, über den das BAG zu entscheiden hat: »In einem u.a. von den Gewerkschaften IG Metall, ver.di und NGG eingeleiteten Beschlussverfahren haben diese die Feststellung begehrt, dass die DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) nicht tariffähig ist. Die DHV wurde nach ihrer Gründung 1893 im Jahr 1950 als Gewerkschaft der Kaufmannsgehilfen neu gegründet. Nach ihrer 1972 geltenden Satzung verstand sie sich als eine Gewerkschaft der Angestellten im Handel, in der Industrie und dem privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich; seit 2002 als eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in Bereichen, die durch kaufmännische und verwaltende Berufe geprägt sind. In der Folge mehrfacher, teilweise unwirksamer Satzungsänderungen erstreckt sich die von ihr zuletzt beanspruchte Zuständigkeit auf Arbeitnehmer in diversen Bereichen, u.a. private Banken und Bausparkassen, Einzelhandelsgeschäfte, Binnengroßhandel, Rettungsdienste, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Fleischwarenindustrie, Reiseveranstalter sowie IT Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Nach Angaben der DHV organisierte sie Ende Dezember 2014 75.065 Mitglieder; die antragstellenden Gewerkschaften gehen von höchstens 10.000 Mitgliedern aus.«
»In dem nunmehr anhängigen Verfahren hat das Arbeitsgericht Hamburg dem Antrag – das Fehlen der Tariffähigkeit der DHV festzustellen – entsprochen; das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerden der Antragsteller hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben.« Und dann kommt der entscheidende Passus, über den die Bundesarbeitsrichter ihre deutlichen Zweifel zum Ausdruck bringen: »Die DHV kann ihre soziale Mächtigkeit nicht auf ihre langjährige Teilnahme am Tarifgeschehen stützen. Sie hat Tarifverträge teilweise außerhalb ihres Organisationsbereichs und zudem in wechselnden Zuständigkeiten geschlossen. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat über die Tariffähigkeit der DHV nicht abschließend befinden. Die Sache ist daher zur weiteren Sachaufklärung – vor allem über die Mitgliederzahl der DHV und darauf bezogener Organisationsgrade in den beanspruchten Zuständigkeitsbereichen – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.«
Und was hat das mit dem aktuellen Konflikt um Real zu tun? »Seit Anfang Juni sind die 34 000 Real-Mitarbeiter nicht mehr wie bisher bei der Real SB-Warenhaus GmbH beschäftigt, sondern bei der Metro Services GmbH, die als Real GmbH mit Sitz in Düsseldorf firmiert. Die Real-Geschäftsleitung hatte dazu kürzlich erklärt: „Durch die Übertragung des Geschäftsbetriebes auf eine nicht an die Tarifverträge mit verdi gebundene Gesellschaft sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, die Personalkosten bei real mittel- bis langfristig wettbewerbsfähig zu gestalten.“ Laut Verdi sind auch 4500 befristet Beschäftigte betroffen – ihre alten Verträge sollen nicht verlängert werden«, kann man diesem Artikel entnehmen: Weniger Geld für die Neuen. »Angestrebt wird offenbar ein Tarifvertrag mit der Gewerkschaft DHV.«
Aber das scheint wohl nicht so zu klappen, wie man sich das in der Konzernzentrale gedacht hat. Keine Tarifverträge zwischen DHV und Real GmbH, so ist eine Pressemitteilung vom 13. Juli 2018 auf der Seite des CGB überschrieben: »Die DHV hatte im April 2018 sämtliche Tarifverträge mit der Metro Services GmbH, jetzt Real GmbH, mit sofortiger Wirkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt. Damit ist die DHV nicht mehr Tarifpartnerin. Es gibt keine Tarifverhandlungen, und es wird auch in Zukunft keine Tarifverhandlungen mit der Real GmbH geben. Anders lautende Meldungen sind falsch! Die DHV unterstützt die Beschäftigten der Real GmbH ausdrücklich in ihren Protesten gegen die Politik der Unternehmensleitung, Arbeitsbedingungen auf dem Rücken der Beschäftigten abzusenken.«
Aber schlussendlich muss hier auch darauf hingewiesen werden, dass das nicht bedeutet, dass nun die große Gewerkschaft ver.di den Konzern in die Mangel nehmen kann. Man möge sich an das erinnern, was am Anfang dieses Beitrags mit Rückblick auf 2015 beschrieben wurde: Nur ein kleiner Teil der Beschäftigten damals hatten sich an den Arbeitskampfmaßnahmen beteiligt. Generell sind wir hier bei dem Fundamentalproblem der niedrigen Organisationsgrade in vielen Dienstleistungsbranchen gelandet. Wenn die Arbeitgeber wissen, dass die Gewerkschaft in ihrem Bereich einen Organisationsgrad von 10 oder 15 Prozent haben, dann wissen sie, dass die Letztdrohung mit einem großen Arbeitskampf nun ja, eher theoretischer Natur ist.
Hinzu kommt, dass Verdi als großer Gemischtwarenladen enorme Probleme hat, ausreichend Mitglieder in den Dienstleistungsbranchen, in denen die Arbeitskämpfe der Zukunft ablaufen müssten, beispielsweise der Pflege, zu gewinnen. Und am vergangenen Wochenende wurden diese Probleme erkennbar – auch hinsichtlich der Aktionsformen. Bereits am Samstag, 14. Juli, wurde unter der Überschrift Real: Schwarzer Freitag für Metro AG mit der bezeichnenden Zwischenüberschrift „Bundesweite, selbstorganisierte, bunte Proteste + traditioneller Verdi-Streik“ behauptet:
»Die Bürgerrechtsorganisation aktion ./. arbeitsunrecht zeigt sich zufrieden mit dem 7. Aktionstag #Freitag13, der sich am 13. Juli 2018 gegen die Einzelhandelskette Real (Metro AG) und die Schein-Gewerkschaft DHV richtete. Es gab Protest-Aktionen in über 20 Städten; sie reichten vom Verteilen von Flugblättern vor Real-Märkten und in den Verkaufsräumen (Shop-Dropping) über Kundgebungen und kreative Performances.
Elmar Wigand, Pressesprecher: »Wir haben die arrogante und selbstherrliche Metro AG das Fürchten gelehrt . Es ist ein großer Erfolg, dass so viele Leute selbständig vor Ort aktiv geworden sind.«
Erstmalig konnte die Kampagne einen solchen Druck erzeugen, dass eine Gewerkschaft bundesweit zum Streik aufrief.«
Nun kann man bei allem Respekt für solche Aktionen schon darüber diskutieren, ob durch solche Aktionen mit einer überschaubaren Teilnehmerzahl ein Konzern wirklich in Angst versetzt werden konnte. Hinzu kommen offensichtlich Spannungen mit der Gewerkschaft ver.di: »Und sie bewegt sich doch – Verdi rief am Freitag, 13. bundesweit zum Streik auf! Wir erhalten zahlreiche Kommentare dazu: Die einen freuen sich, dass wir der „lahmen Ente Verdi Beine gemacht“ hätten. Andere sehen die Verdi-Streikaktivitäten skeptisch, weil sie einen Rückgriff auf die immer gleiche Routine bedeuten und wenig fantasievoll sind. Insgesamt aber überwiegt die Freude über diese neue Entwicklung des Schwarzen Freitag.«
Verdi selbst berichtet unter dieser Überschrift: Nach Abschied aus alter Tarifbindung: real-Beschäftigte bundesweit im Streik: »Mehrere tausend Beschäftigte in den real-Märkten sind heute dem Streikaufruf der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gefolgt. Bereits am Vormittag legten sie in rund 140 von 281 Märkten die Arbeit nieder … Allein in Düsseldorf zogen über 1.200 real-Beschäftigte in einer Demonstration vor die Metro-Zentrale. Kundgebungen gab es auch in Berlin und Thüringen.« Von außen kann man diese Zahlen natürlich nicht überprüfen, sondern erst einmal nur glauben.
Was man auf alle Fälle spürt – es knirscht im Gebälk. Auch und gerade im gewerkschaftlichen Gebälk. Aber fairerweise – und das gilt auch für andere sensible Branchen wie der Pflege – muss man berücksichtigen, dass der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad nicht nur zu berechtigten Anfragen gerade an ver.di Anlass gibt, über die eigene Strategie und den faktischen Misserfolg an vielen Stellen nachzudenken, sondern auch ein Problem vieler Beschäftigten selbst ist, die offensichtlich glauben, dass man ohne gewerkschaftliche Organisation irgendwie zu besseren Arbeitsbedingungen kommen kann, vielleicht weil es „der Staat“ schon machen wird, was gerade in der Pflege stark verbreitet ist. Das aber wird sich – bei aller Kritik an den bestehenden Gewerkschaft – als große Seifenblase erweisen.