Er steht seit langem auf Platz 1 dieser alljährlich veröffentlichten Liste der Superreichen (Forbes Billionaires: Full List Of The 500 Richest People In The World 2016): Bill Gates. Mit Microsoft hat er es zu diesem sagenhaften Reichtum gebracht – für 2016 werden 75 Milliarden Dollar seiner Person zugeschrieben. Und ein Teil dieses Reichtums setzt er durchaus sehr öffentlichkeitswirksam ein, um über eine Stiftung der Welt seine Wohltätigkeit zu beweisen. Die Bill & Melinda Gates Foundation ist an den Einlagen gemessen angeblich die mit Abstand größte Privat-Stiftung der Welt. Die Stiftung hat ihren Sitz in Seattle und beschäftigt mehr als 1.300 Mitarbeitern. Sie ist mit einem Stiftungskapital von fast 40 Mrd. US-Dollar ausgestattet. Sie vergibt Fördermittel von jährlich rund vier Milliarden Euro für Projekte und Forschung zur Armuts- und Hungerbekämpfung, Landwirtschaft und Gesundheit.
Das hört sich erst einmal gut an, man kann das aber auch sehr kritisch sehen, wie das Kathrin Hartmann in ihrem Artikel Die Privatisierung der Weltrettung macht:
»Wer Geld von der Stiftung bekommt, muss sich nach deren Vorgaben richten. Die Gates-Stiftung verfolgt einen technokratischen Ansatz und setzt den Schwerpunkt auf schnell messbare Ergebnisse sowie die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft in Public Private Partnerships. Zur Hungerbekämpfung setzt die Gates-Foundation auf Gentechnik und mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte industrielle Lebensmittel. Statt öffentliche Gesundheitssysteme zu stärken, konzentriert sich die Stiftung auf wenige Krankheiten wie HIV, Tuberkulose, Malaria und solche, gegen die man impfen kann. Dabei arbeitet die Stiftung mit umstrittenen Konzernen zusammen – mit Coca Cola, Glaxo-Smith Kline und Monsanto. Deshalb wächst die Kritik: Die Stiftung bindet auch öffentliches Geld, weil sie ihre Finanzzusagen an die von Regierungen koppelt.«
Und Hartmann berichtet in ihrem Artikel, dass auch die Bundesregierung mit der Gates-Stiftung zusammenarbeitet:
»Die Bundesregierung arbeitet seit 2006 mit der Stiftung und gehört zu den Financiers der Globalen Allianz für Impfstoffe (Gavi). Die Gates-Stiftung stellt 20 Prozent des Budgets der öffentlich-privaten Partnerschaft. Gavi unterstützt Impfprogramme für Kinder in armen Ländern sowie die Entwicklung von Impfstoffen. Im Gremium sitzen auch Angehörige von Pharmakonzernen wie Pfizer und Sanofi. Ärzte ohne Grenzen kritisieren, dass Gavi die Marktmacht der Konzerne stärkt, weil sie ihnen überteuerte Impfungen abkauft. Deren Patente auf lebenswichtige Medikamente verhindern, dass diese in ärmeren Ländern günstig hergestellt werden können. Daran hat Bill Gates Anteil: Als Microsoft-Chef hatte er sich für das Trips-Abkommen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte eingesetzt.«
Die Bundesregierung gibt auch Geld für diese Zusammenarbeit – und das nicht wenig: »2015 versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel, bis 2020 600 Millionen für Gavi bereitzustellen. Das sind im Schnitt 120 Millionen Euro pro Jahr– viermal mehr als der Pflichtbeitrag der Bundesregierung zur Weltgesundheitsorganisation (WHO).« Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hängt selbst am Geldtropf der Gates-Foundation, denn die stellt 14 Prozent des Budgets.
Und den geneigten Leser wird dann auch diese Seite der Gates-Stiftung nicht wirklich überraschen: »Die Gates-Stiftung ist der größte Geldgeber landwirtschaftlicher Forschung und Entwicklung und hat in vergangenen zehn Jahren mehr als drei Milliarden Dollar in Agrarprojekte gesteckt. Das größte ist die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (Agra). Sie will die landwirtschaftliche Produktion mit Hilfe von Gentechnik, Dünger und Pestiziden verdreifachen – gegen den Widerstand von Kleinbauern.«
Aber das war nur die Einstimmung auf das eigentliche Thema dieses Beitrags, denn Bill Gates ist ein in jeder Hinsicht umtriebiger Mensch und nun hat er sich zu einem brisanten gesellschaftspolitischen Thema unserer Tage geäußert – den Auswirkungen der technologischen Entwicklung und die Frage der Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme: Bill Gates fordert Robotersteuer, so ist beispielsweise ein Artikel von Alexander Hagelüken überschrieben. Wie kommt er darauf? Die Digitalisierung bedroht Millionen Arbeitsplätze – und damit auch die Lohnsteuern und Sozialabgaben, die vom Staat darauf erhoben werden. „Natürlich wird es Steuern geben, die sich auf die Automatisierung beziehen“, wird Gates in dem Artikel zitiert. „Bisher werfe die Arbeit von Menschen Steuern und Sozialabgaben ab. „Wenn Roboter diese Arbeit übernehmen, sollte man denken, dass wir den Roboter auf ähnliche Weise besteuern.“
Wenn man wissen will, was er im Original gesagt hat, dann lohnt der Blick in dieses Interview des Onlineportals „Quartz“ mit ihm: The robot that takes your job should pay taxes, says Bill Gates:
»Robots are taking human jobs. But Bill Gates believes that governments should tax companies’ use of them, as a way to at least temporarily slow the spread of automation and to fund other types of employment … Gates said that a robot tax could finance jobs taking care of elderly people or working with kids in schools, for which needs are unmet and to which humans are particularly well suited. He argues that governments must oversee such programs rather than relying on businesses, in order to redirect the jobs to help people with lower incomes.«
Er argumentiert also explizit sozialpolitisch. Hagelüken subsumiert das, was Gates da fordert, unter einen größeren Diskurszusammenhang, der den meisten bekannt sein dürfte: »Die Digitalisierung bedroht Millionen von Arbeitsplätzen – und damit auch die Lohnsteuern und Sozialabgaben, die vom Staat darauf erhoben werden. Maschinen werden in den kommenden 20 Jahren bis zur Hälfte der Jobs in den USA und Europa ersetzen, sagen Studien voraus. „Maschinen werden den Menschen viele standardisierte Arbeitsplätze wegnehmen“, erwartet der Ökonom Thomas Straubhaar. Absehbar „bleiben einige auf der Strecke, weil sie mit der Geschwindigkeit auf der Welt einfach nicht mehr mitkommen“, warnt Siemens-Chef Joe Kaeser. Daher sei „eine Art Grundeinkommen völlig unvermeidlich“. Für diese Idee erwärmen sich auch einige Silicon-Valley-Bosse.« Die mögliche, allerdings heftig umstrittene Ableitung der Notwendigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens als Antwort auf die beschriebene (angebliche) Entwicklung, wurde genauer diskutiert in diesem Beitrag vom 14. Februar 2017: Zwischen Heilserwartung und sozialpolitischen Widerständen. Einige Anmerkungen zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Vielen Menschen wird die Argumentation für eine Besteuerung der Roboter aufgrund des damit einhergehenden Verlustes an Arbeitsplätzen (und damit verbundenen Lohneinkommen) erst einmal plausibel erscheinen. Aber eine Diskussion des Vorschlags muss zwei große Hürden nehmen, bevor es sich lohnt, sie weiterzuverfolgen.
Zum einen muss man die Diagnose kritisch diskutieren, dass es aufgrund dessen, was derzeit unter Begriffen wie „Digitalisierung“ und „Roboterisierung“ verhandelt wird, zu einem massiven Jobverlust kommen wird, also das Theorem einer massiven technologischen Arbeitslosigkeit ante portas. Diese Vorstellung einer massenhaften Freisetzung menschlicher Arbeitskraft hat es schon immer gegeben und immer wieder kann man auch an der Rezeption des Themas in den Medien sehen, dass das aufgegriffen und oftmals zum jeweiligen Zeitpunkt apokalyptisch ausgemalt wurde, was die Zukunft angeht. Man nehme nur die drei in der Abbildung dokumentierten Titelgeschichten des SPIEGEL aus den Jahren 1964, 1978 und vor kurzem im Jahr 2016. Frappierend ist die Ähnlichkeit der Titelbilder über die Jahrzehnte – und nicht umsonst taucht immer wieder der Roboter auf, gleichsam eine handfeste Chiffre für die Bedrohung dessen, was bislang Menschen getan haben und (noch) tun, aber eben nicht mehr lange und vor allem nicht in der Menge.
Man könnte an dieser Stelle zu Recht einwenden, dass sich die negativen Szenarien die (damalige) Zukunft betreffend im Nachhinein betrachtet nicht eingestellt haben. Bereits in der Titelgeschichte aus dem Jahr 1964 war von „menschenleeren Fabriken“, von Automatisierung und der „Roboter-Ära“ die Rede. 1978 hieß es dann auf dem Cover des Magazins „Fortschritt macht arbeitslos“ und mit Fortschritt gemeint war die „Computer-Revolution“: „Uns steht eine Katastrophe bevor“, so heißt es dann am Anfang des Artikel. »Winzige elektronische Bausteine bedrohen Millionen von Arbeitsplätzen in Industrie und Dienstleistungsgewerbe. Weder Regierung noch Gewerkschaften wissen, wie sie die Folgen des Fortschritts unter Kontrolle bringen können.« Nun ist die Beschäftigung keineswegs seit 1978 ins Bodenlose gestürzt, ganz im Gegenteil. Aber jetzt kommt das dicke Ende aber ganz bestimmt, also demnächst. Unter der Überschrift „Sie sind entlassen!“ schreibt der SPIEGEL im Heft 36 des Jahres 2016: »Der Angriff der Roboter gefährdet die Existenz der Mittelschicht: Bedroht sind nicht mehr nur Tätigkeiten in der Werkhalle, jetzt trifft die Digitalisierung auch qualifizierte Kräfte in Büros, Kanzleien und Praxen. Welche Jobs werden überleben?«
Man könnte viele Argumente gegen die pessimistische Sicht hinsichtlich der Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf den Arbeitskräftebedarf vortragen – aber selbst wenn wir einmal gedanklich davon ausgehen, dass es eine solche enorme Durchschlagskraft im Sinne eines massiven Abbaus von Arbeitsplätzen geben sollte, dann muss man die Frage behandeln und beantworten, ob denn eine „Robotersteuer“ die richtige Antwort wäre, um die bislang über eine Besteuerung und Verbeitragung der Lohneinkommen erhobenen – und in Folge der Rationalisierung nun wegfallenden – Einnahmen zu kompensieren.
Man könnte an dieser Stelle mit Blick auf den Robosteuer-Apologeten Bill Gates mit einer zynischen Ironie die Frage in den Raum stellen, warum eigentlich „nur“ die Roboter und warum nicht eine „Microsoft-Office-Steuer“? Vielleicht sollte man mal kalkulieren, wie viele Sekretärinnen ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil mit dem Siegeszug der PCs und des Office-Programms von Microsoft die Leute, die früher alles delegiert haben an die Schreibkräfte, nunmehr ihre Sachen selbst eintippen und statt einen Brief aufzugeben (mit den daran hängenden Arbeitsplätzen) E-Mails selbst verschicken?
Es geht um die Grundsatzfrage, ob eine „Robotersteuer“ überhaupt der richtige Ansatzpunkt für eine alternative Mittelbeschaffung wäre. Diese Steuer ist keine neue Erfindung, sondern die Forderung nach einem solchen Instrument und die kontroverse Debatte verfolgt uns seit Anbeginn der Industrialisierung und würde in früheren Jahrzehnten unter dem Stichwort „Maschinensteuer“ geführt. Nicht wenige Ökonomen werden auf die diskutierten Negativfolgen einer solchen Besteuerung hinweisen, also dass dadurch der technische Fortschritt gebremst wird und – für eine gewisse Zeit vielleicht – der Ersatz menschlicher Arbeitskraft aufgehalten werden kann, aber zugleich dafür der Preis einer Abbremsung der Produktivitätsentwicklung zu zahlen wäre sowie – was besonders wichtig wäre zu berücksichtigen angesichts des enormen Steuerwettbewerbs zwischen den Nationalstaaten – Arbeitsplätze verloren gehen, wenn andere Konkurrenten aufgrund einer davon abweichenden Besteuerung über Verlagerung oder eine eigene dynamische Entwicklung Marktanteile gewinnen und die roboterisierte Fertigung an sich ziehen.
Gerade wenn man den Grundgedanken, der den Modellen einer Maschinen- oder Robotersteuer zugrundeliegt, durchaus sympathisch findet, also dass Unternehmen mit vielen Robotern, Computern, Maschinen und wenigen Arbeitnehmern höher belastet werden als Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern und wenigen Maschinen, wäre zu überlegen, wo man den Besteuerungshebel genau ansetzt.
Um aus dem Selektivitätsdilemma einer punktuellen Besteuerung von Robotern, Maschinen oder welcher partiellen Bemessungsgrundlage auch immer herauszukommen, hat es schon vor vielen Jahren eine intensive Debatte gegeben, die sich an dieser Herausforderung abgearbeitet hat und die eine „Wertschöpfungsabgabe“ zur Diskussion gestellt hat, explizit mit Blick auf die (Um)Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, die überwiegend aus Beiträgen aus sozialversicherungspflichtigen Arbeit gespeist werden. Eine solche Abgabe würde die allgemeine Abgabenbelastung natürlich verschieben von den arbeitsintensiven zu den kapitalintensiven Branchen, die bislang unterdurchschnittlich und indirekt über die allgemeine Besteuerung an der Finanzierung der Sozialleistungen beteiligt sind.
Alexander Hagelüken hat in seinem Kommentar Besteuert Gewinne, nicht Roboter! diese Positionierung vorgenommen:
»Effektiver als eine Robotersteuer wäre, die Gewinne der Firmen weltweit konsequent zu besteuern. Wenn Maschinen immer mehr Produktion und Dienstleistungen übernehmen, landet der Ertrag trotzdem auch bei der Allgemeinheit. Effektiv wäre es zudem, alle Bürger zu Miteigentümern der Unternehmen zu machen. Dann sind alle direkt an der Wertschöpfung der Maschinen beteiligt. Heute hält nur jeder zehnte Deutsche Aktien – bleibt das so, dürfte die Ungleichheit explodieren.«
Nun könnten die Skeptiker an dieser Stelle einwenden, gut gebrüllt, aber sind die vergangenen Jahrzehnte nicht dadurch geprägt gewesen, dass man die Unternehmensseite steuerlich nicht entlastet hat? Und das wir aktuell gerade wieder vor einer neuen Runde im Steuersenkungswettlauf stehen? Darauf wurde in diesem Beitrag im Blog „Aktuelle Wirtschaftspresse“ vom 27. Dezember 2016 hingewiesen: Immer diese Steuern und ihre gar nicht so eindeutigen Umverteilungswirkungen. Und dann noch ein kritischer Blick auf den Steuersenkungswettbewerb in Europa. Beispiel EU:
Seit Beginn der 1980er Jahre wurden die Körperschaftsteuersätze in der EU Zug um Zug massiv gesenkt worden. Allein zwischen 1995 und 2007 ging der EU-Durchschnitt von 35% auf gut 24% zurück. Die Finanz- und Wirtschaftskreise 2007/2008 und deren Folgen haben diese Entwicklung eine Zeit lang in den Stand-by-Modus versetzt. Seit 2010 stagniert daher der EU-durchschnittliche Körperschaftsteuersatz bei etwa 23%.
Und die nächste Runde der Absenkung der Unternehmenssteuern steht schon vor der Tür, darauf verweist Margit Schratzenstaller in ihrem Beitrag Steuersenkungswettbewerb in der EU schadet
»So hat Luxemburg bereits beschlossen, den Körperschaftsteuersatz ab 2017 um gleich 10 Prozentpunkte auf 19% zu verringern. Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat in Aussicht gestellt, die erwarteten negativen ökonomischen Effekte des geplanten Ausstiegs aus der EU abzufedern. Sie will den Körperschaftsteuersatz von derzeit 20% deutlich senken. Ungarn ließ kürzlich mit der Ankündigung aufhorchen, Kapitalgesellschaften künftig nur mehr mit 9% statt mit bisher gut 20% zu besteuern. Und auch in Österreich wird gerade über die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25% auf 20% diskutiert.«
Und damit wären wir abschließend angekommen bei der tiefen und offenen Wunde, auf die Gates und andere ihren Finger legen: Faktisch geht die Besteuerung der Unternehmen zurück, wir bräuchten aber gerade aus einer explizit sozialpolitischen Sicht deutlich mehr Einnahmen als früher aus der Besteuerung der Wertschöpfung durch Unternehmen, wenn wir die bereits gegebenen und weiter wachsenden Ausgabenbedarfe gerade in den Tätigkeitsfeldern, wo auch nach Gates‘ Verständnis weiterhin menschliche Arbeitskraft (und dann auch noch mehr als heute) gebraucht wird, finanzieren wollen: also in der Pflege, in Bildung und Betreuung, in den personenbezogenen Dienstleistungen, von denen viele eben am Tropf der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln hängen und die kann man nur über Umverteilung generieren.