Normalerweise wird ja über Ungleichheit und Armut mit Hilfe von Merkmalen diskutiert, die sich auf das Einkommen (und Vermögen), auf die Wohnsituation oder die gesundheitliche Lage der Menschen beziehen.
Aber auch den Energieverbrauch der Menschen, den wir prima facie auf den umweltpolitischen Diskurs begrenzen würden, kann man zur Abbildung der sozialen Ungleichheit heranziehen.
Das zumindest versucht diese vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie:
Silke Kleinhückelkotten, H.-Peter Neitzke und Stephanie Moser: Repräsentative Erhebung von Pro-Kopf- Verbräuchen natürlicher Ressourcen in Deutschland (nach Bevölkerungsgruppen), Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt, 2016
Die Analyse der Daten hat ergeben, »dass der personenbezogene Gesamtenergieverbrauch stark mit der Höhe des Einkommens und mit dem formalen Bildungsstand steigt. Er nimmt mit dem Alter zu, ist bei Männern größer als bei Frauen und sinkt tendenziell mit der Haushaltsgröße. Der Energieverbrauch zeigt ein Gefälle von Süden nach Norden und ist in den westlichen Bundesländern deutlich höher als in den östlichen. Bemerkenswert ist, dass er in den sozialen Milieusegmenten mit verbreitet positiven Umwelteinstellungen überdurchschnittlich hoch ist.«
Für die Wissenschaftler ist es wenig überraschend, » dass Angehörige der gehobenen Milieus den im Mittel höchsten Gesamtenergieverbrauch aufweisen …, da sie in der Regel über überdurchschnittlich hohe Einkommen verfügen und einen auf Status und Besitz ausgerichteten Lebensstil haben. Auf die gehobenen folgen mit einem Abstand von rund 3.000 kWh/a die kritisch-kreativen Milieus und dann der bürgerliche Mainstream. Den im Mittel geringsten Gesamtenergieverbrauch haben Angehörige der einfachen, prekären Milieus.«
Es zeigt sich, dass der Energieverbrauch in vielen Bereichen positiv mit dem Einkommen korreliert oder sich dieses stark auswirkt.
Auffallend sind die zum Teil starken Ost-West-Unterschiede, das heißt die in der Regel deutlich höheren Energieverbräuche im Westen. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch zwischen den verschiedenen sozialen Milieus. Über alle Verbrauchsbereiche betrachtet, zeigt sich, dass der Energieverbrauch umso höher ist, je positiver die Umwelteinstellungen sind.
Die Verbindung zwischen der Positionierung (nicht nur) im sozialen Gefüge der Gesellschaft mit dem Ziel einer Reduktion des Energieverbrauchs zeigt sich auch an diesen Schlussfolgerungen der Wissenschaftler: Die Ressourcenverbräuche und CO2-Emissionen in den gehobenen und in den kritisch-kreativen Milieus liegen in vielen Bereichen weit über dem Durchschnitt. Erkennbar ist auch eine Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlichem Verbrauch, denn in den genannten sozialen Milieus ist die Auffassung weit verbreitet ist, selbst sparsam mit Ressourcen umzugehen, was im gesamtgesellschaftlichen Vergleich aber nicht stimmt.
Es sind also Lebensstilfragen, die hier durchschlagen: »Die Hauptursachen der hohen Energieverbräuche und CO2-Emissionen vieler Angehöriger der gehobenen und der kritisch-kreativen Milieus im Bereich Mobilität sind vergleichsweise große Autos, ihre häufige Nutzung und lange Urlaubsreisen mit dem Flugzeug oder dem Auto.« (S. 18).
Das Fazit der Forscher verweist auf ein bereits erkennbares Dilemma:
»Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung lässt sich ableiten, dass Strategien zur Senkung des Ressourcenverbrauchs und der Treibhausgasemissionen in den sozialen Milieusegmenten der oberen Mittel- und der Oberschicht ansetzen sollten. Zum einen sind dort die Reduktionspotenziale besonders hoch, sei es beim Flächen- und Heizenergieverbrauch oder den durch die Mobilität verursachten Treibhausgasemissionen. Zum anderen haben die gesellschaftlichen Leitmilieus eine gewisse Vorbildfunktion für die Mainstream-Milieus.
Um den Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen zu senken, reicht es nicht, an die Verantwortung gegenüber Umwelt und Mitmenschen zu appellieren oder auf mehr Aufklärung über die negativen Folgen des Konsums zu setzen: Hohe Ressourcenverbräuche und Treibhausgasemissionen finden sich gerade in den sozialen Milieus, die sich verbal zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen und in denen positive Umwelteinstellungen sowie das Wissen weit verbreitet sind, dass ein sparsamer Umgang mit Ressourcen notwendig ist – nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes, sondern auch der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit.« (Kleinhückelkotten et al. 2016: 93)