Vielleicht doch noch mal zurück auf Start beim Mathematik-Unterricht aufgrund eklatanter Zahlenschwäche? Oder wenigstens eine Entschuldigung für bewusste Manipulation?

Über einen wirklich dreisten Versuch, in der aktuellen Rentendebatten eine eigene Wirklichkeit zu basteln und ein Altersarmutsproblem einfach in das Reich der Fabeln zu verbannen, wurde hier im Beitrag Von Konfusion bis dreister Realitätsverweigerung in der Berichterstattung über Rente und Altersarmut vom 24.04.2016 schon berichtet. Dabei ging es um die Ausführungen von Rainer Hank, verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Hank hat Literaturwissenschaft, Philosophie und Katholische Theologie studiert und wurde 1983 über die Literatur der Wiener Moderne promoviert.  Von wegen Altersarmut!, so heißt sein neuester Kommentar, mit dem er sich polemisch in die Debatte eingebracht hat, die er auch durch Talkshow-Auftritte „bereichert“.

In meinem Blog-Beitrag habe ich in mehrfacher Hinsicht den Unsinn seiner Ausführungen angesprochen. Ganz offensichtlich hat er es beim Rententhema nicht so mit den Zahlen, das sollte man aber, auch unabhängig von der Tatsache, dass wir hier nicht über irgendwelche  relevanzlosen Gleichungsmodelle aus der herrschenden Ökonomie reden, sondern über die Frage, mit welchen konkreten Geldbeträgen ältere Menschen rechnen müssen oder auf welche sie hoffen dürfen. Besonders dreist – und das habe ich schon offen angesprochen – ist die Tatsache, dass er einfach irgendwelche Zahlen in die Tasten haut und der Leser seines Machwerks, der oder die ja laut Werbung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung immer ein kluger Kopf sein soll, muss schon selbst darauf kommen, dass da irgendwas nicht stimmt. Was man aber auch von klugen Köpfen angesichts der Komplexität des Rententhemas nicht per se erwarten darf, die meisten beschäftigen sich ja mit anderen Dingen. Dann ist es immer wieder gut, wenn sachkundige Bürger die offenkundigen Schwachstellen aufdecken – und ein Aspekt, den ich in meinem Beitrag noch gar nicht angesprochen hatte, wird nun vom unermüdlich-kritischen Statistik-Experten Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe aufgerufen.

Der Mann ist gestählt im Bad der abstrusen Statistik-Interpretationen, denen man gerade in der Sozialpolitik immer wieder begegnet – nicht umsonst veröffentlicht das Institut regelmäßig unter der Kategorie „Büro für absurde Statistik“ (BaSta). Und der hat jetzt mit Blick auf die Hank-Veröffentlichung nachgelegt und folgende Meldung veröffentlicht: FAZ.net: Dr. Rainer Hank lässt Standardrente um 56 Prozent auf 2.029 Euro in 2029 steigen!
Und das, was er dort ausführt, ist eine wichtige und der Öffentlichkeit nicht vorzuenthaltende Erweiterung zu meinen kritischen Ausführungen.

Schröder geht es um eine ganz bestimmte Geschichte, die uns Hank erzählt: Die Geschichte vom Anstieg der Standardrente um 56,0 Prozent auf 2.029 Euro in 2029!
Ich gebe zu: Die Zahlenidentität zwischen der angeblich erwartbaren Standardrente mit dem Jahr hätte auffallen müssen. Auch ich hatte den Passus von Hank in meinem ersten Beitrag zitiert: »Der exemplarische „Eckrentner“, der mit einem Durchschnittsverdienst 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, bezieht heute eine Rente von 1301 Euro. Im Jahr 2029 steigt sein Rentenanspruch auf 2029 Euro, obwohl das Rentenniveau um mehr als drei Prozentpunkte sinkt.«

Schröder dazu:

»Wie Rainer Hank aus dem im Rentenversicherungsbericht 2015 berichteten nominalen Anstieg der Bruttostandardrente um 32,9 Prozent (452 Euro) einen Anstieg um 56,0 Prozent (728 Euro) in den Jahren 2016 bis 2029 macht, bleibt ein Rätsel. Natürlich liegt die Vermutung nahe: statt der im Rentenversicherungsbericht 2015 für 2029 erwarteten Bruttostandardrente von 1.824 Euro wird den Leserinnen und Lesern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Jahreszahl 2029 als Standardrente in 2029 präsentiert.«

Woher die von Hank angegebenen Zahlen kommen, wird dem Leser nicht offengelegt. Offensichtlich, so Schröder, kann man das genannte Rentenniveau in 2016 (47,7 Prozent) und 2029 (44,6 Prozent) im Rentenversicherungsbericht 2015 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden. Dort gibt es auch eine Tabelle zum „Versorgungsniveau im Alter für den Rentenzugang aus GRV-Rente und geförderter zusätzlicher „Riester-Rente“ (Übersicht B 8, S. 40). Für die „Bruttostandardrente“ findet man dort für 2016 und 2029 diese Beträge: »1.372 Euro in 2016 und 1.824 Euro in 2029. Dies entspricht einem nominalen Anstieg um 32,9 Prozent (452) Euro in den 13 Jahren von 2016 bis 2029«, so die Zusammenfassung von Paul M. Schröder. Wie Rainer Hank daraus einen Anstieg um 56 Prozent (728 Euro) zaubert, bleibt sein Rätsel. Gegeben bleibt das Faszinosum, dass die Jahreszahl zugleich als Standardrente in diesem Jahr ausgewiesen wird.

Selbstverständlich hat das Institut Rainer Hank gebeten, eine Korrektur vorzunehmen, aber eine entsprechende Bitte vom 24. April 2016, dies zu tun, blieb bislang unbeantwortet.