Zum Weihnachtsfest gehört auch die Erkenntnis, dass es – oftmals vergessen – viele Menschen gibt, die arbeiten müssen. Da fallen einem sofort die Pflegekräfte in den Kliniken, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten ein, die Erzieher/innen in den Heimen oder Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe oder die Polizisten und Feuerwehrleute und viele andere mehr. Aber auch für eine ganz bestimmte Berufsgruppe ist Weihnachten vor allem Arbeit und sie stehen dabei gewissermaßen sogar im Mittelpunkt: Gemeint sind die Pfarrer (und je nach Arbeitgeber auch Pfarrerinnen). Schaut man auf die Pfarrer als Berufsgruppe, dann kann man an ihnen interessante Parallelen zur allgemeinen Arbeitsmarktdiskussion entdecken – vom angeblichen oder tatsächlichen „Fachkräftemangel“ bis hin zur Globalisierung der Arbeitsmärkte.
Bezeichnenderweise unter die Überschrift „Den Kirchen fehlt der Nachwuchs“ hat Claudia Keller einen Artikel über die Berufsgruppe der Pfarrer gestellt.
Die Arbeitsbeschreibung liest sich wie der Steckbrief für eine begehrte und nachgefragte Tätigkeit:
»Die Arbeit ist vielseitig, das Amt angesehen und unkündbar. Wer Chef sein will, kommt schnell zum Zuge, und die Bezahlung auf Studienrats- und Oberstudienratsniveau stimmt auch. Wer sich nicht dumm anstellt, hat beste Aufstiegschancen. Und mit 65 Jahren, wenn andere in Rente geschickt werden, kann die Karriere erst richtig Fahrt aufnehmen.«
Eigentlich eine Art Traumjobversprechen. Aber: »Und doch gibt es in Deutschland kaum noch junge Männer, die diesen Weg einschlagen wollen.« Zumindest dann nicht, wenn hinter dieser Stellenbeschreibung das Berufsbild „Katholischer Priester“ steht:
»In den 1960er Jahren wurden jährlich über 500 Priester in Deutschland geweiht, 2012 waren es gerade mal 79. Und so schrumpft die Zahl der Priester kontinuierlich um mehrere hundert jedes Jahr … viele der jetzt aktiven Priester werden sehr bald in den Ruhestand gehen. 2020 werden im Berliner Erzbistum wohl nur noch um die 30 Priester eine Pfarrei leiten – weshalb die jetzt gut hundert Gemeinden sich zu 30 Großpfarreien zusammenschließen sollen.«
Natürlich werden jetzt viele sagen, selbst schuld, die Kathoden, mit ihrem Zölibat und der rigiden „Unternehmensorgansiation“. Und außerdem selbst schuld, wenn man keine Frauen bei den Stellenbesetzungen berücksichtigt.
Dann müsste es in den evangelischen Kirchen besser aussehen, denn hier gibt es kein Zölibat. Und auch kein Beschäftigungsverbot für Frauen auf der Ebene der Pfarrer.
Schauen wir auch hier einmal genauer hin: »… die Zahl der Pfarrer hält sich seit einigen Jahren recht konstant – nach Einbrüchen in den 1990er und frühen 2000er Jahren.« Dann wird aber doch Wasser in den Wein gegossen:
»Doch auch in der evangelischen Kirche gibt es Nachwuchssorgen. Während 1991 über tausend junge Pfarrer ihren Dienst antraten, waren es 2005 noch 405 und 2009 nur noch 260.«
Manchmal wird man bei der Deckung des Fachkräftebedarfs auch Opfer des selbst produzierten schlechten Berufsbildes, das man in der Vergangenheit geschaffen hat:
»Da Anfang der 2000er Jahre Pfarrstellen wegen der sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder und des Spardrucks der Landeskirchen gestrichen wurden, hält sich außerdem der Eindruck, dass der Beruf eine unsichere Existenz mit sich bringt. Die Perspektive sei mittlerweile aber wieder so gut, dass sich junge Pfarrer bald aussuchen könnten, wohin sie gehen wollen, heißt es beim Berufsverband der evangelischen Pfarrer. Bezahlt wird wie in der katholischen Kirche und wie beim Staat die Studien- und Oberstudienräte.«
Also, falls jemand jetzt Interesse entwickelt an einer Erstausbildung oder vielleicht einer Umschulung in dieses Berufsfeld, hier das Anforderungsprofil in kürzester Form, wie man es in dem Artikel von Claudia Keller finden kann:
»Wer sich für einen Beruf in der Kirche entscheidet, sollte Lust haben, mit Menschen zu arbeiten, flexible Arbeitszeiten nicht scheuen und bereit sein, zu leben, was er oder sie predigt. Managerqualitäten und sprachliches Talent helfen. Ebenso eine gewisse Demut und besonders in der katholischen Kirche die Fähigkeit, sich in Hierarchien einzuordnen.«
Abschließend der Hinweis, dass die Arbeitsmärkte immer mehr oder weniger flexibel sind und sich eben auch auf Knappheitsrelationen einzustellen versuchen. So ist das auch beim Mangelberuf Pfarrer, besonders in der Unterkategorie „Priester, katholischer“. Und hier kann man eine Entwicklung studieren, die wir auch in anderen Tätigkeitsfeldern sehen: Man importiert Arbeitskräfte aus dem Ausland. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen und das hat Martina Senghas im Rahmen einer wirklich differenzierten Radiosendung für SWR2 gemacht:
»Wer hierzulande einen katholischen Gottesdienst besucht, erlebt nicht selten, dass der Mann am Altar aus einem weit entfernten Kontinent stammt. Besonders häufig ist das im süddeutschen Raum der Fall. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Beispiel kommt ein Viertel aller Pfarrer aus Nigeria, Kongo oder Indien. Klar ist: Der Priestermangel in Deutschland stellt die katholische Kirche vor ein pastorales Problem. Ob das allerdings Geistliche aus fernen Ländern wirklich lösen können, ist fraglich. Was bewegt diese Männer, nach Deutschland zu kommen? Wie gelingt es ihnen, sich in ihrem Amt hier zurechtzufinden? Wie erleben sie unser Gemeindeleben? Und wie werden sie von den Gläubigen akzeptiert?«
Die Sendung kann hier als Audio-Datei abgerufen und angehört werden – mein Hörtipp zu Weihnachten:
SWR2: Geistliche Gastarbeiter. Pfarrer aus Entwicklungsländern bei uns (22.12.2013)
Allen Leserinnen und Lesern von „Aktuelle Sozialpolitik“ ein schönes Weihnachtsfest!