Immer öfter keiner mehr da. Ambulante Pflegedienste sowie Pflegebedürftige und ihre Angehörigen stoßen zunehmend an Grenzen

Werfen wir den Blick auf eine absolute Boombranche: ambulante Pflegedienste. Die Bundesregierung hatte in der letzten Legislaturperiode mit den Pflegestärkungsgesetzen Milliarden Euro in „die“ Pflege gegeben und dabei vor allem die Leistungsansprüche im Bereich der ambulanten Pflege ausgebaut. Durchaus passend zu dem Wunsch vieler Menschen, im Pflegefall solange wie möglich zu Hause zu bleiben und dort von den Angehörigen versorgt zu werden – dabei nicht selten unter Beteiligung ambulanter Pflegedienste. Ende 2017 wurden in Deutschland etwa 830.000 der insgesamt 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen von ambulanten Diensten versorgt. Vor allem am aktuellen Rand zeigt sich mit dem deutlichen Anstieg der auch von ambulanten Diensten versorgten Pflegebedürftigen der Effekt der angesprochenen Leistungsverbesserungen und -ausweitungen.

Doch nun stoßen die ambulanten Pflegedienste – bei denen man bedenken muss, dass weit über 90 Prozent von ihnen auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach SGB V erbringen – offensichtlich zunehmend an massive Kapazitätsgrenzen.

Darüber wurde hier bereits am 1. Mai 2019 in dem Beitrag Aus der Schattenwelt in das Scheinwerferlicht des Pflegenotstands: Ambulante Pflegedienste berichtet. Man muss nur einen Blick in die aktuelle Berichterstattung in den Medien werfen. Aus immer mehr Regionen wird Land unter gemeldet. Die Pflegedienste finden entweder nicht genügend Mitarbeiter und/oder aber – gerade in ländlichen Regionen – die Dienste rutschen in die roten Zahlen, weil man eben nicht wie der Stadt auf Masse gehen kann. Und immer öfter müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen die Erfahrung machen: Keiner will bzw. kann den Auftrag übernehmen.

Dazu hat sich nun das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zu Wort gemeldet mit neuen Befragungsergebnissen:

➔ Zentrum für Qualität in der Pflege (2019): Fachpersonenmangel in der ambulanten Pflege. Ergebnisse einer ZQP-Befragung, September 2019, Berlin 2019

In der Pressemitteilung dazu heißt es unter der Überschrift Personalmangel in der ambulanten Pflege gefährdet gute Versorgung: »Immer mehr pflegebedürftige Menschen nutzen einen ambulanten Dienst. Doch auch dort fehlen Pflegefachpersonen. Entsprechend überlastet sind die Dienste. Viele müssen Patienten ablehnen, manche sogar Verträge kündigen.« Um die Zukunft einer bedarfsgerechten und fachlich angemessenen ambulanten Pflege muss man sich mancherorts erhebliche Sorgen machen, so das ZQP mit Bezug auf die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von 535 ambulanten Pflegediensten. Die Befunde überraschen leider nicht:

➞ Gut die Hälfte der Befragten (53 Prozent) gab an, dass in ihrem Dienst Stellen für Pflegefachpersonen seit mindestens drei Monaten unbesetzt sind. Hochgerechnet gibt es demnach in Deutschland also in ambulanten Pflegediensten etwa 16.000 solcher offenen Stellen.
➞ 80 Prozent der Dienste berichten zudem, in den letzten drei Monaten Versorgungs-Anfragen abgelehnt zu haben, weil sie die Pflege nicht hätten sicherstellen können.
➞ 13 Prozent der Dienste geben sogar an, in den letzten drei Monaten Klienten gekündigt zu haben, weil sie deren Versorgung nicht sicherstellen konnten.

Das alles hat Auswirkungen für die Qualität der Versorgung – es ist nicht nur ein rein quantitatives Problem. Dazu die ZQP in der Präsentation der Befragungsergebnisse:

»In der ambulanten Pflege besteht ein hohes Risiko für die Patientensicherheit, etwa für Stürze, Infektionen und Medikationsschäden, durch
➞ das Zusammenwirken oft mehrerer Akteure wie pflegende Angehörige, professionell Pflegende und Ärzte
➞ ungenügende Kommunikation, fehlendes Wissen, Unachtsamkeit und Zeitdruck sowie unklare Prozesse
➞ den Mangel an Pflegefachpersonen und geeigneten Diensten.
Mangelnde ambulante Versorgungskapazitäten können eine Überforderung pflegender Angehöriger begünstigen. Sie können auch zu einem Heimeintritt führen, der bei adäquater ambulanter Versorgung nicht nötig wäre.«

Wire müssen leider davon ausgehen, dass die hier angesprochenen Versorgungsprobleme weiter an Fahrt gewinnen werden, auch deshalb, weil die ambulanten Pflegedienste in der „Hierarchie des Mangels“ ganz unten stehen was die Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Vergütung gehört, angeht. Und sowohl die stationären Pflegeeinrichtungen wie auch die Krankenhäuser, in denen im Vergleich deutlich besser vergütet wird, werben händeringend um neues Personal. Und sie werben auch ab.

Die kleinbetriebliche Struktur der ambulanten Pflegedienste in Verbindung mit dem dominierenden Anteil privatgewerblicher Träger hat auch zur Folge, dass wir es mit einer weitgehend tariffreien Zone des Arbeitsmarktes zu tun haben, was mit zu dem deutlichen Vergütungsgefälle zuungunsten der Altenpflegekräfte beiträgt. Und gerade in der mehrfach belastenden Tätigkeit der ambulanten Pflege ist die gegebene Altersstruktur von besonderer Bedeutung – 40 Prozent der mehr als 390.000 Beschäftigten dort sind über 50 Jahre alt. Viele werden in den kommenden Jahren in die Rente gehen. Allein die müssen erst einmal nur ersetzt werden.