Bekanntlich haben viele Menschen zu wenig Geld und darunter ist eine große Gruppe, die jeden zusätzlichen Euro mehr als gebrauchen könnte. Diese Menschen hantieren tagtäglich mit Euro-Beträgen, die wie ein Atömchen im Ozean dessen wirken, was an verzweifelt nach irgendwelchen renditetragenden Anlagemöglichkeiten suchenden Kapitals um den Globus schwappt. Und den Investoren dieser enormen Geldbeträge ist es schnurzpiep egal, ob man in Weizen, Handfeuerwaffen oder alten Menschen investiert, wenn denn da was zu holen ist. Und ganz offensichtlich – und für viele Beobachter angesichts der seit Jahren andauernden Klage über die unterfinanzierte Altenpflege sicher mehr als irritierend – kann man auch mit der Pflege alter Menschen Renditen realisieren, die im zweistelligen Prozentbereich liegen (müssen), um die Erwartungen der Investoren zu erfüllen. Und dass das so ist, kann man an harten Zahlen festmachen: »Pflegeheime sind gefragte Anlageobjekte. Mit etwa drei Milliarden Euro übertraf das Gesamtinvestment 2016 die Ergebnisse des Vorjahres um beachtliche 255 Prozent. Große Portfoliokäufe von ausländischen Investoren, vorrangig aus Frankreich und Belgien, sorgten für diesen Rekordwert. Bemerkenswert dabei ist, dass Immobilien-Investoren wie etwa die Deutsche Wohnen ihr Geld nicht nur in die Gebäude, sondern zunehmend auch in das Betreibergeschäft stecken.« Schreibt Steffen Uhlmann in seinem Artikel Vom Alter profitieren.
Und offensichtlich ist da auf dem deutschen „Markt“ noch eine Menge Luft nach oben: Der »wachsende Bedarf trifft auf einen noch sehr zersplitterten Markt. So erreichen große Pflegeketten wie Pro Seniore, Alloheim oder die französischen Konzerne Korian und Orpea in Deutschland nur einen Marktanteil von 13 Prozent. Der überwiegende Teil aber besteht aus kleineren Anbietern, die ein bis drei Heime bewirtschaften, sowie aus gemeinnützigen Trägern wie etwa der Arbeiterwohlfahrt.«
Und dazu passen dann solche Zahlen für die 30 größten Pflegeheimbetreiber: »Die Gesamtbettenkapazität der 30 führenden Pflegeheimbetreiber in binnen drei Jahren um knapp 20.000 Plätze auf insgesamt 172.000 Pflegeplätze in der vollstationären Versorgung gestiegen. Dies bedeutet ein Wachstum um rund 13 Prozent, welches somit überproportional höher als die Wachstumsrate des Gesamtmarktes liegt. Dieses betrug im Auswertungszeitraum von 2014 bis 2017 etwa vier Prozent.« Und das hat Folgen für den „Kuchen“, der da aufgeteilt wird: »Auch der Marktanteil der 30 größten Pflegeheimbetreiber hat zugenommen, lag dieser Ende 2014 bei 18 Prozent beträgt der Anteil der führenden Unternehmen an der Gesamtbettenkapazität Ende 2017 über 20 Prozent, über 1.750 Häuser werden von den Top 30 Unternehmen betrieben.«
Solche Entwicklungen passieren nicht einfach oder fallen vom Himmel, sondern sie resultieren aus Investitionsentscheidungen derjenigen, die über das notwendige Geld verfügen. Und blickt man allein in die vergangenen Monate zurück, dann kann einem schwindelig werden:
So hat eine amerikanische Gesellschaft den sechstgrößten deutschen Heimbetreiber aufgekauft. 13 Pflegeheime gehen in den Besitz eines US-Investors, einer vermeintlichen „Heuschrecke“. Hamburgs größter privater Pflege-Anbieter, Pflegen & Wohnen, ist in die Hände der US-amerikanischen Heuschrecke Oaktree gefallen. Oaktree verwaltet 100 Milliarden US-Dollar, etwa 40 Prozent davon haben die Manager aus Kalifornien weltweit in Unternehmen investiert. Und die haben außerdem die Vitanas Holding erworben, die mit gut 7.700 Pflegeplätzen sechstgrößte Einrichtung dieser Art.
Der Marktanteil privatgewerblicher Träger an den Pflegeheimen nähert sich mittlerweile der 50 Prozent-Quote. Und auch wenn es immer noch viele kleine privatgewerbliche Träger gibt, die nur ein oder zwei Heime betreiben – die Musik spielt an der Spitze der ganz Großen, die zumeist auch noch börsennotiert sind oder zu großen Investmentgesellschaften gehören:
Mit der Vitanas Holding sowie der Hamburger Pflege & Wohnen (insgesamt mehr als 8.300 Pflegeplätze) kann Oaktree auf dem Pflegeheimmarkt den sechsten Rang unter den deutschen Anbietern einnehmen, knapp hinter dem Berliner Unternehmen Kursana mit seinen gut 9.000 Residenzplätzen. Kursana gehört zur Berliner Dussmann Gruppe. Die marktführenden Ketten Curanum und Casa Reha mit knapp 25.000 Pflegeplätzen in 221 Heimen gehören der börsennotierten französischen Korian. Der nächstgrößere Rivale, Alloheim Senioren-Residenzen mit Sitz in Düsseldorf, 143 Heimen und gut 14.000 Plätzen, gehört dem Finanzinvestor Carlyle, der aber schon wieder einen neuen Eigentümer sucht.«
Und damit sind wir auch schon bei der nächsten Rekordmarke, die offensichtlich geknackt worden ist. Die letzte stammt erst aus dem August: Die US-amerikanische Investmentgesellschaft Oaktree soll für die Unternehmen Pflege und Wohnen und die Vitanas Holding 500 Millionen Euro hingeblättert haben.
Solche Summen kann man offensichtlich locker knacken: Unter der Überschrift Heimbetreiber wechselt für Milliardenbetrag Besitzer erfahren wir:
»Der schwedische Private Equity-Investor Nordic Capital hat den Pflegeheimbetreiber Alloheim erworben. Laut Insiderkreisen soll der Kaufpreis bei 1,1 Milliarden Euro liegen.«
Das ist eine ganz große Nummer: Alloheim ist ist der zweitgrößte Betreiber von Pflegeheimen und betreutem Wohnen in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt rund 15.500 Mitarbeiter. Für 2017 wird ein Gewinn vor Steuern von knapp 88 Millionen Euro erwartet. Die Betreiberkette ist bis auf Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bundesweit präsent.
Alloheim war seit 2013 im Besitz von Carlyle. »Die Investoren hatten nach der Übernahme auf weiteres Wachstum gesetzt. So wuchs der Bestand an Pflegeheimen von 49 auf 165 Häusern. Parallel stieg die Anzahl der Betten von 6.000 auf rund 20.000.«
»Das Wachstum der vergangenen Jahre beruhte vor allem auf Zukäufen, darunter Senator, AGO und Senterra. Auch der neue Eigentümer Nordic betonte, man wolle den Wachstumskurs fortsetzen.«
Und offensichtlich sind deutsche Pflegeheime ein beliebtes Spielfeld global aufgestellter Konzerne geworden, denn man kann dem Artikel entnehmen
»Nordic hatte sich im Rahmen eines Bieterwettbewerbs gegen Konkurrenten wie dem französischen Pflegeheimbetreiber DomusVi, dem US-Investor Ares Capital oder der chinesischen Fosun Capital durchgesetzt.«
1,1 Milliarden Euro für einen Pflegeheimbetreiber – da müssen alle halbwegs normal gebliebenen Menschen sicher erst mal schlucken und innehalten. Ein guter Punkt, um das wieder zu erden. Der Pflegeheimbetreiber Alloheim macht auch andere Schlagzeilen als die aus der globalen Hochfinanz: Heimschließung in Ludwigsburg: Alloheim: Senioren brauchen dringend Plätze, konnte man vor kurzem der Stuttgarter Zeitung entnehmen: »Die Schließung der Alloheim-Seniorenresidenz in Ludwigsburg stellt die Angehörigen vor große Probleme. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das Unternehmen: Man schaue nur auf den Profit«, so beginnt Rafael Binkowski seinen Artikel.
Fünf Tage vor Weihnachten muss die Seniorenresidenz Anna Maria der Alloheim-Gruppe schließen. Hintergründe dazu: Alloheim-Seniorenresidenz Ludwigsburg: „Notbremse nach langer Leidenszeit“: »Lange haben die Heimaufsichten im Ludwigsburger Landratsamt und in den Krankenkassen gezögert, haben Gelbe und Rote Karten verteilt, einen Aufnahmestopp erlassen, Missstände angemahnt und Sonderprüfungen angesetzt.« Aber all das hat nicht genutzt. Also die Schließung – obgleich, das sei hier nur angemerkt, das Heim vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) noch vor kurzem die Note 1,3 bekommen hat.
Für die Angehörigen von Heimbewohnern vor Ort ist das eine Katastrophe, sie berichten, der nächste freie Platz sei in Pforzheim oder Karlsruhe.
»Die Gewerkschaft Verdi ist von der Schließung des Ludwigsburger Heimes nicht überrascht. „Der Träger gehört wie andere Pflegekonzerne Finanzinvestoren und kauft im großen Stil kleine Pflegeheime auf“, erklärt der Gewerkschaftssekretär Thilo Jahn. Sein Verdi-Kollege Matthias Gruß rechnet vor, dass die Carlyle-Gruppe im Jahr 2015 einen Gewinn von 32 Millionen Euro mit der Alloheim gemacht habe: „Nun soll das Unternehmen schon wieder verkauft werden, es dürften mehrere 100 Millionen Euro dafür eingestrichen werden.“ Man setze auf kurzfristigen Profit zu Lasten der Mitarbeiter und der Qualität der Pflege.«
Nur hinsichtlich der „mehrere 100 Millionen Euro“, die seitens der Gewerkschaft mit Blick auf den anstehenden Verkauf von Alloheim genannt wurden in dem Artikel, der aus dem November stammt, müssen vor dem Hintergrund, was wir jetzt wissen, korrigiert werden. Nach oben.
Ludwigsburg ist übrigens nicht das erste Heim der Gruppe, das in die Schlagzeilen geraten ist. Im vergangenen Jahr sollte auch in Simmerath in Nordrhein-Westfalen ein Heim geschlossen werden, der Verkauf des Heims an einen anderen Träger verhinderte dies aber.