Schon heute klagen Heime, Kliniken und Pflegedienste über Probleme, freie Stellen zu besetzen. Im Ausland nach Fachkräften zu suchen, ist dabei trotzdem für die meisten keine Option, wie eine aktuelle Befragung zeigt, die von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht wurde. Eine Zusammenfassung findet man in dem Artikel Im Ausland wird kaum nach Arbeitskräften gesucht. Der Artikel bezieht sich dabei auf die Studie Internationale Fachkräfterekrutierung in der deutschen Pflegebranche von Holger Bonin, Grit Braeseke und Angelika Ganserer. Der Befund einer sehr zurückhaltenden Inanspruchnahme der aktiven Personalgewinnung im Ausland ist vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Monaten immer wieder von den Bemühungen, ausländische Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu rekrutieren, in den Medien berichtet wurde. Da kommen dann solche Berichte raus: »Ohne Kräfte aus dem Ausland wäre das Pflegesystem in Deutschland längst zusammengebrochen«, kann man dem Artikel So integriert die Münchenstift ausländische Pflegekräfte entnehmen. Und weiter: „Ohne diese Pflegekräfte aus Bosnien, Kroatien oder anderen Ländern geht es längst nicht mehr“, wird der Münchenstift-Chef Sigi Benker zitiert. »Schon jetzt haben 60 Prozent der insgesamt 1.900 Mitarbeiter in seinen Häusern einen Migrationshintergrund – es werden wohl noch mehr werden.« Oder auch dieses Beispiel, zugleich ein weiteres Thema öffnend: »Sie kommen aus Spanien oder Polen und pflegen Patienten in Berlin und Brandenburg: Ohne ausländische Pflegekräfte könnten viele Kliniken nicht mehr arbeiten. Doch einige fühlen sich ausgebeutet«, heißt es in dem Beitrag Wie Krankenhäuser und Heime ausländische Pfleger knebeln aus dem Jahr 2014.
Damit man sich ein Bild machen kann von den Größenordnungen, um die es derzeit geht, hier ein grober Blick auf die Beschäftigungsdaten:
73.600 ausländische Pflegekräfte waren 2013 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 5,5 Prozent aller Pflegekräfte. Mit 9.949 Pflegekräften war Polen am stärksten vertreten, knapp gefolgt von der Türkei, woher 9.071 Fachkräfte kamen. Das andere Ende der Skala bildet China mit 106 in Deutschland tätigen Pflegekräften.
Schon in zehn Jahren dürften in Deutschland zwischen 150.000 und 370.000 Vollzeitstellen in der Pflege fehlen, heißt es in der Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum die Arbeitgeber relativ zurückhaltend sind bei der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte:
»Demnach haben nur rund 16 Prozent der dafür befragten 600 Unternehmen ausländische Fachkräfte im Einsatz. Mit gutem Erfolg: Drei von fünf Personalverantwortlichen sind mit den neuen Mitarbeitern zufrieden oder sogar sehr zufrieden.
Weil die bürokratischen Hürden bei der Einstellung ausländischer Pflegekräfte oft ebenso hoch sind wie die Sprachbarrieren, versuchen viele Unternehmer eher Personal von der Konkurrenz abzuwerben und die Mitarbeiter im Betrieb zu qualifizieren. Ein gutes Arbeitsklima und ein sinkender Krankenstand soll helfen, die Mitarbeiter zu halten«, berichtet Anno Fricke in seinem Artikel.
Auch der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, hat sich zu Wort gemeldet: Der Arbeitsmarkt in Deutschland sei jedoch so lange nicht ausgeschöpft, so lange das Problem der unfreiwilligen Teilzeit fortbestehe. Ein wichtiger und richtiger Hinweis.
»Die Autoren der Bertelsmann-Studie geben sieben Empfehlungen ab, wie ausländische Pflegekräfte reibungsloser in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Ganz oben steht die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen und kompetenzorientierten Verfahren der Berufsanerkennung. Zudem sollten mögliche Bewerber schon zu Hause Möglichkeiten vorfinden, Deutsch zu lernen«, berichtet Fricke.
Die Umfrage habe aber auch deutlich gemacht, so die Studienautoren, dass nicht alle Unternehmen von sich aus bedächten, dass sich durch ihr Engagement Lücken in der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Entsendeländer auftun könnten. Das nun wieder wirkt irgendwie als wohlfeile Einfügung einer kritisch daherkommenden Fußnote – denn natürlich reißen alle Arbeitgeber, die hier in Deutschland Fachkräfte aus anderen Ländern beschäftigen, unvermeidbar Lücken in die dortige Versorgung. Man werfe nur einen Blick auf die gut 30.000 ausländischen Ärzte, die in deutschen Krankenhäusern die medizinische Versorgung mit aufrechterhalten. Viele kommen aus osteuropäischen Ländern, wo ihr Weggang schmerzhafte Versorgungslücken reißt.
Die entscheidende Aufgabe wird in den vor uns liegenden Jahren darin liegen, zum einen die Pflegeberufe endlich aufzuwerten und die Arbeitsbedingungen erträglicher zu gestalten, auf der anderen Seite wird man gerade angesichts der definitiv stark ansteigenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen nicht umhin kommen (im Zusammenspiel mit völlig berechtigten Forderungen nach einer Verbesserung der Personalschlüssel), auch Zuwanderer für die Pflege zu gewinnen. Dies dann aber bitte zu qualifizierten und qualifizierenden Bedingungen. Sicherlich gäbe es unter den Menschen, die gerade in großer Zahl zu uns gekommen sind und noch kommen werden, auch viele, die sich eine berufliche Tätigkeit in der Pflege vorstellen können. Dafür muss man diese Menschen dann aber auch entsprechend qualifizieren. Jeder Euro, den man dafür in die Hand nimmt bzw. nehmen würde, wird sich um ein Vielfaches auszahlen.
Man sollte aber auch so ehrlich sein, dass das nicht nur erhebliche vorlaufende Investitionen voraussetzen würde, sondern man braucht vor allem auch Zeit, denn das zentrale Nadelöhr gerade für die Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen oder sich das vorstellen können, ist oftmals die deutsche Sprache, denn man arbeitet in der Pflege nicht an Maschinen oder anderen Dingen, sondern am und mit dem Menschen und da ist Kommunikation von zentraler Bedeutung. Und die deutsche Sprache ist keine einfache Sprache und nicht jeder ist sprachbegabt. Dann benötigt man Zeit und eine qualifizierte Begleitung der zukünftigen (potenziellen) Pflegekräfte, denn gerade auf ausreichend Sprachkompetenz muss gerade in solchen Bereichen wie er Pflege besonderer Wert gelegt werden – im beiderseitigen Interesse, sowohl der Pflegebedürftigen wie auch des Personals. Aber das verstärkt nur eine Einsicht: Jedes Jahr, jeder Monat und jeder Tag, den wir länger warten, durch umfassende Bildungsinvestitionen den Menschen, die zu uns gekommen sind bzw. das noch werden, und die auch prinzipiell in der Pflege arbeiten können und wollen, das zu ermöglichen, wird sich angesichts des in den meisten Fällen mehrjährigen Qualifikations- und Anpassungsprozesses bitter rächen. Statt aber dieses Thema systematisch anzugehen, verlässt man sich auf die mehr oder weniger durchdachten Suchbewegungen einzelner Heime oder Träger von solchen. Das kann mal klappen, oft aber auch nicht.