Das deutsche „Jobwunder“ zwischen glücksuchenden Zuwanderern, tollen Kopfzahlen und der eigenen Realität an den Rändern, die immer weiter in die Mitte wachsen

Immer mehr Menschen aus dem Ausland suchen ihr Glück im wirtschaftlich stabilen Deutschland. Mehr als eine halbe Million Menschen kamen im ersten Halbjahr 2013. Viele sind gut ausgebildet  und auf dem Arbeitsmarkt gesucht – so die positiv daherkommende Botschaft in dem Artikel „Krise zieht mehr Zuwanderer nach Deutschland“ in der Online-Ausgabe der FAZ. Grundlage sind neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes: „Zuwanderung nach Deutschland steigt im 1. Halbjahr 2013 um 11 %„. Dem kann man entnehmen, dass im ersten Halbjahr des laufenden Jahres 555.000 Personen nach Deutschland zugezogen sind, 55.000 (oder + 11 %) mehr als im ersten Halbjahr 2012. Damit gab es zum dritten Mal in Folge eine zweistellige Zuwachsrate bei den Zuwanderungen in einem ersten Halbjahr. Gleichzeitig zogen im ersten Halbjahr 2013 rund 349.000 Personen aus Deutschland fort (+ 10 %). Insgesamt hat sich dadurch der Wanderungssaldo von 182.000 auf 206.000 Personen erhöht (+ 13 %). In dem FAZ-Artikel wird bemerkt, dass die Zuwanderer vor allem aus Osteuropa und den Euro-Krisenländern kommen: »Die Mehrzahl der ausländischen Zuwanderer kam abermals aus Polen (93.000), gefolgt von Rumänien (67.000) und Bulgarien (29.000). Auch aus den Krisenländern des Euroraums – die unter hoher Arbeitslosigkeit leiden – zog es viele Menschen nach Deutschland: Aus Spanien wanderten 39 Prozent mehr ein als im Vorjahr, aus Portugal 26 Prozent und aus Italien 41 Prozent mehr.«

Und dann kommt mit Blick auf den Arbeitsmarkt oder sagen wir besser und korrekter auf die vielen Arbeitsmärkte ein interessantes Zitat:

»Die kräftige Zuwanderung hat die Zahl der Beschäftigten in Deutschland im September erstmals über die Marke von 42 Millionen steigen lassen. „Die Firmen finden die benötigten Arbeitskräfte zunehmend nicht mehr im Pool der verbliebenen Arbeitslosen, sondern im Ausland“, sagte Ökonom Christian Schulz von der Berenberg Bank.«

Der Satz des Ökonomen von der Berenberg Bank bringt eine zunehmende und sehr beunruhigende Problematik auf den Punkt: Auf der einen Seite steigt die Beschäftigung, wenn man sie vor allem an den Köpfen misst, zum anderen müssen wir beobachten, dass das kaum bis gar keine Effekte hat auf die Arbeitslosigkeit der heute vor allem im Hartz IV-System konzentrierten erwerbsfähigen Menschen. Die können einfach nicht profitieren von diesem „Jobwunder“. Dies hängt auch damit zusammen, dass sich für viele Unternehmen erfreulicherweise das Arbeitsangebot nicht nur im Bereich der niedrig qualifizierten Tätigkeiten durch die Zuwanderung ausweitet, sondern: »Die Einwanderer in die Bundesrepublik verfügen inzwischen über ein höheres Bildungs- und Qualifikationsniveau als die deutsche Stammbevölkerung. Die Neuzuwanderer haben häufiger einen Techniker-, Meister- oder Hochschulabschluss als die Deutschen«, so die FAZ mit Bezug auf eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung aus dem Frühjahr dieses Jahres (Herbert Brücker: Auswirkungen der Einwanderung auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat: Neue Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für die Einwanderungspolitik, Gütersloh 2013; vgl. dazu auch den Artikel: Zuwanderer besser ausgebildet als Deutsche).

Aber es lohnt sich, einen genaueren Blick auf diese derzeit vielzitierte und sich in den Medien auch verselbständigende Erfolgsstory zu werfen.

Denn zu dieser passt die folgende Überschrift so gar nicht: „Atypische und prekäre Beschäftigung weiterhin auf hohem Niveau„, meldet der DGB. Auch die Gewerkschaften nehmen sie zur Kenntnis: „Rekord bei der Beschäftigung“ und „mehr reguläre Jobs“, so lauten aktuelle Schlagzeilen zum Arbeitsmarkt. Aber sie haben genauer hingeschaut und kommen zu dem Ergebnis: den Wandel der Arbeitswelt begleitet ein schleichender Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses.
Der DGB weist völlig zu Recht auf eine interessante Auseinanderentwicklung von Erwerbstätigkeit gemessen an den Köpfen und dem Arbeitsvolumen hin.

Dieser Befund ist deshalb wichtig, weil viele Menschen ob bewusst oder unbewusst bei den Jubelmeldungen über „Rekordzahl an neuen Jobs“ an „richtige“ Jobs denken, also Vollzeit, unbefristet, halbwegs „normal“ entlohnt.

Massiv angestiegen ist die Zahl der erwerbstätigen Menschen, insbesondere seit Mitte des letzten Jahrzehnts und zwar um rd. 2,5 Millionen. Aber: Während die meisten Menschen bei Erwerbstätigen an sozialversicherungspflichtig, also „normal“ Beschäftigte denken, gilt zu beachten: »Dabei zählt auch die steigende Zahl von Minijobs, Selbständige (inkl. Scheinselbständige) und Ein-Euro-Jobber oder Ältere in der Freistellungsphase der Altersteilzeit zu den Erwerbstätigen. Als erwerbstätig zählt jede/r ab 15 Jahren, der/die in einem einwöchigen Zeitraum mindestens eine Stunde lang gegen Entgelt gearbeitet hat oder selbständig war. Allein 4,9 Millionen Erwerbstätige üben ausschließlich einen Minijob aus; gegenüber 1999 hat sich ihre Zahl um ein Drittel bzw. 1,2 Millionen erhöht. Selbst Erwerbstätige über 65 Jahre werden noch mitgezählt, die sich zu ihrer Altersrente noch etwas hinzuverdienen wollen und müssen.«

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: »Zwar sind heute deutlich mehr Menschen erwerbstätig (inkl. Kleinstarbeitsverhältnisse), doch ein gestiegenes Sozialprodukt wird mit einem niedrigeren Arbeitsvolumen erwirtschaftet als 20 Jahre zuvor.«

Weitere interessante Befunde aus der DGB-Analyse:

  • Die (sozialversicherte) Beschäftigung bleibt weit hinter dem Zuwachs der Erwerbstätigkeit zurück. Absolut wurden Mitte 2013 rd. 29,2 Millionen sozialversicherte Beschäftigte gezählt, fast ebenso viele wie zuletzt Anfang der 90er Jahre. Dabei hat in den letzten 20 Jahren die sozialversicherte Teilzeit kontinuierlich zugenommen, während die Zahl der Vollzeitplätze rückläufig war. So haben sich die Teilzeitjobs mehr als verdoppelt, während etwa drei Millionen Vollzeitjobs in diesem Zeitraum per Saldo verloren gingen.  Aktuell üben lediglich 69,5 Prozent aller Erwerbsfähigen noch eine sozialversicherte Beschäftigung aus, gegenüber 76,8 Prozent vor 20 Jahren. Einen sozialversicherten Vollzeitjob übt nur noch gut die Hälfte aller Erwerbstätigen aus, gegenüber einem Anteil von gut zwei Dritteln 20 Jahre zuvor. 
  • Seriöse Untersuchungen wie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (vgl. genauer Rhein, Thomas: Erwerbseinkommen: Deutsche Geringverdiener im europäischen Vergleich, IAB-Kurzbericht 15/2013, Nürnberg 2013), Nürnberg zeigen, dass „die Lohnungleichheit in Deutschland deutlich gewachsen“ und der hiesige Niedriglohnsektor zwischenzeitlich zu den größten in der EU zählt. Danach bezogen fast ein Viertel aller deutschen Beschäftigten im Jahr 2010 einen Niedriglohn. Stärker als in anderen EU-Ländern erhalten auch Qualifizierte hierzulande einen Niedriglohn; mehr als vier von fünf Geringverdienern haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. 

In einem Interview des DGB mit Karl Brenke vom DIW in Berlin („Beschäftigungsquote und Zahl der prekären Jobs nehmen gleichzeitig zu„) werden weitere wichtige Aspekte zur Einordnung der aktuellen Arbeitsmarktentwicklung angesprochen: Auch er hebt bereits angesprochenen Aspekte hervor: »Der Beschäftigungsaufbau pro Kopf betrachtet ging also mit vermehrter Teilzeittätigkeit und geringfügiger Beschäftigung einher.«

Und weiter führt Brenke aus: »In der Tat hat sich der Niedriglohnsektor stark ausgeweitet. Allerdings steigt seit 2006 die Zahl der Niedriglöhner nur noch im Gleichschritt mit der Zahl aller Beschäftigten; der Anteil der abhängig Beschäftigten, die auf den Niedriglohnsektor entfallen, wächst seitdem nicht mehr. Das passt wenig zu der Auffassung, dass erst mit der Hartz IV-Reform die Arbeitslosen zur Aufnahme eines Jobs angereizt wurden, da sie zuvor zu wenig leistungsbereit waren und übermäßige Lohnvorstellungen gestellt  hatten. Vielmehr lässt sich zeigen, dass deren Lohnansprüche auch schon vor der Reform gering waren und sich danach auch nicht nennenswert verändert haben. Den Arbeitslosen mangelte es nicht an Arbeitsmoral, sondern an Beschäftigungsmöglichkeiten.«
Und mit Blick auf das derzeit hoch aktuelle Thema Mindestlohn ein kritischer Seitenhieb:
»Die aktuell im Vordergrund stehende Debatte um Mindestlöhne reduziert indes Lohnpolitik nahezu auf Sozialpolitik und lenkt davon ab, dass auch im mittleren Lohnbereich die Entgelte alles andere als kräftig gestiegen sind oder gegenwärtig zulegen. Absurd ist es deshalb, dass sich gerade solche politischen Verantwortlichen für Mindestlöhne einsetzen, die in ihrem öffentlichen Dienst Arbeitnehmern die Lohnanpassung an bestehende Tarifverträge verweigern.«

Man kann und soll aus seiner Kommentierung herauslesen, dass man nicht den Fehler machen darf, sich zu sehr auf den Mindestlohn zu fokussieren und dabei den viel bedeutsameren mittleren Teil aus den Augen zu verlieren. Und auch da passieren erhebliche Ausfransungen bis hin zu substanziellen Bedrohungen der Kernbelegschaften der Rückgrats der deutschen Volkswirtschaft, der Industrie mit ihren Belegschaften. Wie das aussehen kann, lässt sich beispielsweise hier nachlesen mit Blick auf ein ebenfalls sehr aktuelles Thema: „Längst kein Randphänomen mehr. Werkverträge – von der Ausnahme zur Regel„:

»In einer Betriebsrätebefragung hat die IG Metall Strukturen und Entlohnung der Branchen analysiert. Demnach stehen in der Automobilindustrie den 763 000 Stammbeschäftigten 100 000 Leiharbeitskräfte und 250 000 Werkvertragsbeschäftigte gegenüber. Das entspricht einem Verhältnis von fast 2:1. In der Stahlindustrie stehen 19 000 Werkvertragsbeschäftigte und 2 100 Leiharbeiter gegenüber 61 000 Festangestellten. Im Schiffbau arbeiten 16 800 Menschen fest, aber 2700 Menschen für Leih- und 6500 Menschen für Werkvertragsfirmen. Ebenso in der Luftfahrtindustrie: Dort gehören 72 400 Menschen zur Stammbelegschaft, aber 10 000 Menschen arbeiten als Leihbeschäftigte und weitere 10 000 Menschen sind über Werkvertrag beschäftigt.
Das bedeutet für die gesamte Branche der Metall- und Elektroindustrie und die unmittelbar an die Wertschöpfungskette angrenzenden Branchen: Fast ein Drittel der Beschäftigten arbeiten in Leiharbeit und Werkverträgen.«

Bulgaren und Rumänen: Kommen (noch) mehr und wenn ja wie viele? Und welche? Über Arbeits- und Armutszuwanderung aus dem Armenhaus der EU

Erinnern wir uns noch an die Debatten im Vorfeld der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Menschen aus den osteuropäischen Beitrittsländern zur EU? Da wurde von vielen Medien mit der Angst vor den vielen Polen gespielt, die nur darauf warten, ins gelobte Deutschland zu strömen. Aus dem Strom ist bekanntlich in der Realität eher ein überschaubares Flüsschen geworden.

Nun beginnt das Spiel wieder von vorne, diesmal sind alle Augen auf die Bulgaren und Rumänen gerichtet. Denn ab 2014, also in einem halben Jahr, fällt auch gegenüber diesen beiden Ländern die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Und sofort beginnt wieder die Debatte über einen gewaltigen Zustrom, handelt es sich bei diesen Ländern doch auch tatsächlich um das Armenhaus der EU. Und übrigens – sind nicht schon viele aus den dort herrschenden trostlosen Verhältnissen ins reiche Deutschland gekommen? Häufen sich nicht die Berichte über die Armutszuwanderer in deutschen Großstädten, von Duisburg bis Berlin-Neukölln?

Zu den damit verbundenen Fragen hat sich nun das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit Gedanken gemacht und eine Studie veröffentlicht:

Herbert Brücker, Andreas Hauptmann und Ehsan Vallizadeh: Arbeitsmigration oder Armutsmigration? Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien (= IAB-Kurzbericht 16/2013), Nürnberg, 2013

Zehntausende werden die Chance nutzen, schätzen Experten, wie wir einem der Artikel über die neue IAB-Studie entnehmen können: „2014 bis zu 180.000 Zuwanderer aus Südosteuropa„. Schauen wir uns die Studie des IAB einmal genauer an:

Die kompakte Zusammenfassung lautet: »Der starke Anstieg der Migration aus Bul­garien und Rumänien hat Befürchtungen ausgelöst, dass dies den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme in Deutschland belasten könnte. Zwar sind die bulgari­schen und rumänischen Neuzuwanderer im Durchschnitt geringer qualifiziert als andere, aber die Arbeitslosenquoten und die Anteile der Bezieher von Transfer­leistungen sind unter den hier lebenden Bulgaren und Rumänen deutlich geringer als bei anderen Migrantengruppen – und insgesamt profitiert Deutschland von die­ ser Zuwanderung. Allerdings sieht das Bild in deutschen Großstädten sehr un­terschiedlich aus.«

Die Nettozuwanderung aus Bulgarien und Rumänien könnte nach Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1.1.2014 von 71.000 Personen im Jahr 2012 auf 100.000 bis 180.000 Personen steigen, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Zusammenfassung der Befunde aus ihrer Studie.

Vor dem Hintergrund der sich zunehmend verfestigenden Wahrnehmung der Menschen, die aus Rumänien und Bulgarien zu uns kommen, als „arme Schlucker“, die für unsere Sozialsysteme zu einer großen Belastung werden, ist der folgende Befund interessant, der zugleich wieder einmal verdeutlicht, dass es keinen Sinn macht, von „den“ Rumänen oder Bulgaren zu sprechen: »Im Jahr 2010 verfügten 25 Prozent der Neuzuwanderer aus Bulgarien und Rumänien über einen Hochschulabschluss, aber auch 35 Prozent hatten keine abgeschlossene Berufsausbildung.«

Die Abbildung, die dem IAB-Bericht entnommen ist, verdeutlicht anschaulich, dass die Betroffenheit der Rumänen und Bulgaren sowohl von (gemessener) Arbeitslosigkeit und von Grundsicherungsbezug zwar etwas höher liegt als der Bevölkerungsdurchschnitt, aber deutlich unter der aller Ausländer in Deutschland.

Mit Blick auf die Zukunft und im Lichte der Erfahrungswerte aus der jüngeren Vergangenheit schreiben die Wissenschaftler: »Bei der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Länder der ersten Osterweiterungsrunde sind die Arbeitslosenquoten und Anteile der SGB-II-Leistungsempfänger gesunken. Ob dies auch bei Bulgaren und Rumänen der Fall sein wird, ist aufgrund ihrer im Schnitt geringeren Qualifikation allerdings offen.«

Die bulgarische und rumänische Bevölkerung konzentriert sich in Deutschland mit wenigen Ausnahmen auf prosperierende Großstädte. Allerdings ist bereits heute eine bedenkliche Polarisierung zu beobachten, die dazu führt, dass die Kommunen, denen es schon heute am schlechtesten geht, überdurchschnittlich stark belastet werden: »Während in Großstädten wie München, Mannheim und Stuttgart die Zahl der arbeitslosen Bulgaren und Rumänen vergleichsweise moderat ausfalle, konzentrierten sich die Probleme vor allem auf drei Städte: Berlin, Duisburg und Dortmund. Hier seien die Arbeitslosenquoten außergewöhnlich hoch. In Berlin beziehe fast ein Fünftel der bulgarischen und rumänischen Bevölkerung Hartz IV-Leistungen, berichten die Arbeitsmarktforscher. Auch in Köln, Hamburg, Frankfurt am Main und Offenbach sei der Anteil der bulgarischen und rumänischen Hartz-IV-Bezieher groß«, so der Beitrag bei Handelsblatt Online.

Und hier sind wir an einem bereits aktuell mehr als sichtbaren Armutsproblem angekommen, was auch von anderen Medien und in anderen Formaten aufgegriffen wird. Besonders zu empfehlen in diesem Zusammenhang ist die ARD-Dokumentation „Deutschlands neue Slums – Das Geschäft mit den Armutseinwanderern“, die am 19.08.2013 ausgestrahlt worden ist. Der redaktionellen Beschreibung der Dokumentation können wir entnehmen:

»Dortmund im Frühsommer 2013. Zwei Gestalten laufen durch die Nacht, mit einem Bündel Habseligkeiten. Zuletzt etwas gegessen haben sie gestern, sagen sie. Wo sie schlafen werden? Vielleicht in einem alten Transporter, im Park oder in einem Keller – wie viele andere Bulgaren und Rumänen auch. Viele der Alteingesessenen fühlen sich in ihren Vierteln nicht mehr wohl. Sie fürchten den Anstieg von Kriminalität, Prostitution, Menschenhandel. Manche haben Angst vor den Zuwanderern und vor denen, die mit ihnen Geschäfte machen. Die Reportage begleitet die neuen Armutseinwanderer ein halbes Jahr lang und versuchen herauszufinden, wer an den Menschen „ganz unten“ verdient. Unter welchen Umständen kommen sie nach Deutschland? Wer sind die Leute, die ihnen statt Wohnungen Matratzen oder Kellerlöcher vermieten? Wer lässt sie unter unwürdigen Bedingungen arbeiten, oftmals nur für einen Hungerlohn, wie sie erzählen?«

Ein sehenswerter Beitrag zu einem schwierigen Thema.

Angst und schlechtes Gewissen im Auge der Armutszuwanderung, tariflich garantierte Niedriglöhne, die Drei-Klassen-Gesellschaft der Seeleute und eine „menschliche“ Gefängnisarchitektur

Seit einiger Zeit baut sich eine teilweise immer schriller werdende Debatte über „Armutszuwanderung“ auf. Deutschland reagiert völlig überzogen auf die Zuwanderer aus dem östlichen Europa. Kaum einer von ihnen übrigens bezieht Hartz IV – das zumindest ist die Meinung von Barbara Dribbusch in ihrem Beitrag Das schlechte Gewissen. Sie mahnt eine politische Moderation der um sich greifenden Ängste vor einer Welle der Armutszuwanderung aus Osteuropa an, denn „inzwischen werden Zahlen, Vermutungen und Mythen in die Welt gesetzt, die mit der Wirklichkeit nur noch begrenzt zu tun haben.“ Im Jahre 2011 seien nur 58.000 Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland gekommen, Kinder mit eingerechnet. Rumänen sind etwa in den vergangenen Jahren in sehr viel größerer Zahl nach Italien migriert. „Es ist auch nicht anzunehmen, dass der überwiegende Teil der Zugewanderten aus Bulgarien und Rumänien Roma oder Sinti sind. In Rumänien und Bulgarien selbst liegt der Anteil der Roma und Sinti an der Bevölkerung zwischen drei bis vier Prozent.“ Wo also liegt das Problem? 

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