Menschen mit einer Behinderung sind in vielen Lebensbereichen und gerade auch auf dem Arbeitsmarkt teilweise massiv beeinträchtigt. Zusammenfassend formuliert: Sie haben geringere Beschäftigungschancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und gleichzeitig sind sie stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen ohne eine Behinderung.
Dabei kann man rückblickend durchaus Positives vermelden: »Im vergangenen Jahrzehnt stieg die Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen … kontinuierlich auf 1,12 Millionen im Jahr 2023, lediglich unterbrochen von der Corona-Pandemie«, so die Bundesagentur für Arbeit in ihrer 2025 veröffentlichten Übersicht Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen 2024. Bis 2023 gab es diesen Trend, aber seit diesem Jahr ging und geht es wieder nach unten: »Die Zahlen aus dem aktuellen Inklusionsbarometer Arbeit ergeben, dass sich die Inklusionslage am Arbeitsmarkt im Jahr 2024 erneut verschlechtert hat. Der Negativtrend aus 2023 setzt sich also fort und hält auch in 2025 an.« So die Aktion Mensch1 bei der Vorstellung des Inklusionsbarometers Arbeit 2025.
➔ Das Handelsblatt Research Institute erstellt in Kooperation mit der Aktion Mensch seit 2013 jährlich das Inklusionsbarometer Arbeit,2 um Fortschritte oder Rückschritte bei der Inklusion in der Arbeitswelt zu messen und langfristig zu beobachten. Im Jahr 2025 erschien die 13. Ausgabe. Es basiert auf mehreren Teilindikatoren wie Arbeitslosenzahl und -quote, Beschäftigungsquote in Unternehmen, Langzeitarbeitslosigkeit. Bis ungefähr 2019 gab es einen Trend, der (wenn auch langsam) auf eine Verbesserung hingedeutet hat: Die Erwerbstätigkeit von Menschen mit Behinderung stieg und die Arbeitslosigkeit sank. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie verschlechterte sich die Situation: Laut dem Bericht 2021 waren deutlich mehr schwerbehinderte Menschen arbeitslos — die Zahl stieg im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie stark an. Der Rückschlag durch Corona vernichtete viele der vorher mühsam erzielten Fortschritte; die Lage entsprach laut dem Barometer 2021 in etwa dem Niveau von 2016. Das Inklusionsbarometer 2023 zeigte teils eine leichte Erholung: Die Arbeitslosenquote für Menschen mit Behinderung sank auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Berichterstattung. Dennoch blieb sie deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote. Zusammenfassend kann man bilanzieren: Der anfängliche positive Trend bis 2019 wurde durch Krisen wie die Corona-Pandemie sowie die Rezession und Stagnation der vergangenen Jahre unterbrochen. Hinzu kommt der Fortbestand struktureller Hürden: Viele Unternehmen ignorieren ihre gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.
➔ Aktion Mensch (2025): Inklusionsbarometer Arbeit. Ein Instrument zur Messung von Fortschritten bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, 13. Jahrgang (2025), Bonn: Aktion Mensch, November 2025
Die wichtigsten Befunde aus dem Inklusionsbarometer 2025
Die wirtschaftlichen Herausforderungen der jüngeren Vergangenheit hinterlassen auch bei der Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung deutliche Spuren. Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung zog im Jahr 2024 an und lag bei fast zwölf Prozent und damit rund doppelt so hoch, wie die allgemeine Arbeitslosenquote . Ebenso erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung – um nahezu sechs Prozent auf einen Jahresdurchschnitt von 175.236. Und der Scheitelpunkt ist damit längst nicht erreicht: Im Oktober 2025 waren bereits rund 185.400 Menschen mit Behinderung ohne Anstellung, knapp fünf Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahresmonat.
Menschen mit Behinderung finden deutlich schwerer aus der Arbeitslosigkeit wieder heraus. Ihre Abgangsrate aus der Arbeitslosigkeit sank im Jahr 2024 auf unter drei Prozent, während sie bei Menschen ohne Behinderung bei über sechs Prozent verblieb. Die Chance einen neuen Arbeitsplatz zu finden, ist also bei Arbeitslosen ohne Behinderung doppelt so hoch.
„Der Missstand verfestigt sich weiter. Wir sehen uns mit einem drastischen Rückschlag für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. Es ist zu befürchten, dass es viele Jahre dauern und massive Anstrengungen erfordern wird, um diese Krise zu überwinden.“
(Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch).
Und was ist mit der Beschäftigungspflicht für (bestimmte) Unternehmen?
Auch die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung spiegelt die besorgniserregende Lage wider: Der Abstand zum vorgeschriebenen Fünf-Prozent-Anteil hat sich 2024 erneut vergrößert – mit 4,4 Prozent sank die Quote auf den niedrigsten Stand seit der ersten Ausgabe des Inklusionsbarometers im Jahr 2013. Konkret bedeutet dies: Jedes vierte Unternehmen, das auf Grund seiner Mitarbeiterzahl dazu verpflichtet wäre, beschäftigt gar keinen Menschen mit Behinderung, weitere 35 Prozent tun dies zwar, erfüllen aber die Quote nicht.
Was hat es mit dieser Quote auf sich? Von Beschäftigungspflichten – und Ausgleichsabgaben
Private und öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen. Je nach Betriebsgröße gibt es verbindliche Mindestvorgaben. Auch bei Erfüllung des Mindestanteils ist bei Neueinstellungen zu prüfen, ob Menschen mit Behinderungen infrage kommen.
Jeder Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen ist verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Menschen mit einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung zu beschäftigen (§ 154 SGB IX).
➞ Betriebe mit mindestens 20 bis unter 40 Arbeitsplätzen müssen einen Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen,
➞ Betriebe mit 40 bis unter 60 Arbeitsplätzen müssen 2 Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen und
➞ private und öffentlich-rechtliche Arbeitgeber mit 60 und mehr Arbeitsplätzen haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen oder ihnen gleichgestellte behinderte Menschen zu beschäftigen.3
Es kommt bei der Größenbestimmung auf die Zahl der bei dem Arbeitgeber insgesamt vorhandenen Arbeitsplätze an, nicht etwa auf die jeweilige Beschäftigtenzahl beispielsweise in unterschiedlichen Filialen. Bei der Berechnung der Arbeitnehmeranzahl bleiben Ausbildungsverhältnisse unberücksichtigt.
Und was ist, wenn Arbeitgeber die Beschäftigungspflicht nicht erfüllen?
Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl von Menschen mit Schwerbehinderung nicht beschäftigen (Beschäftigungspflicht, § 154 SGB IX), haben sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe zu entrichten (§ 160 Absatz 1 Satz 1 SGB IX).
Durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes aus dem Jahr 2023 (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2024) wurde § 160 Absatz 2 SGB IX dahingehend verändert, dass die bislang geltenden drei Stufen der zu entrichtenden Ausgleichsabgabe um eine vierte Stufe ergänzt wurden:
➞ 3 Prozent bis unter 5 Prozent: 155 Euro
➞ Weniger als 3 Prozent: 275 Euro
➞ Weniger als 2 Prozent: 405 Euro
➞ 0 Prozent: 815 Euro4
Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe dürfen nur für Zwecke der besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verwendet werden, sie sind also zweckgebunden.
Was war bzw. ist die Motivation des Gesetzgebers bei der Ausgleichabsgabe?
Primär sollen Arbeitgeber einen bestimmten Prozentsatz der Arbeitsplätze für die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung zur Verfügung stellen. In zweiter Linie sollen sie bei Nichterfüllung als Ausgleich einen bestimmten Geldbetrag zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung leisten.
Über die „Antriebsfunktion“ soll die Ausgleichsabgabe Arbeitgeber anhalten, ihre Beschäftigungspflicht zu erfüllen.5 Zugleich soll die Ausgleichsabgabe einen kostenmäßigen Ausgleich gegenüber den Arbeitgebern schaffen, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllen und denen daraus, zum Beispiel durch den gesetzlichen Zusatzurlaub und die behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes mit technischen Arbeitshilfen, erhöhte Kosten entstehen (sogenannte „Ausgleichsfunktion“).
➞ Wichtig zu wissen: Arbeitgeber, die zur Ausgleichsabgabe verpflichtet sind, können ihre Zahlungspflicht ganz oder teilweise auch dadurch erfüllen, dass sie anerkannten Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) oder Blindenwerkstätten Aufträge erteilen. 50 Prozent der in den Aufträgen enthaltenen Arbeitsleistung kann an der zu zahlenden Ausgleichsabgabe abgesetzt werden (§ 223 SGB IX).
Wie sieht es aus bei der Erfüllung der Beschäftigungspflichten?
Bereits den Ausführungen zum neuen Inklusionsbarometer konnte man entnehmen, dass offensichtlich die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden.
Dazu passende Zahlen liefert auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (vgl. Hiesinger et al. 2025):
»In Deutschland sind Unternehmen ab 20 Beschäftigten verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung zu besetzen. Aktuell erfüllen über 60 Prozent dieser Unternehmen diese Pflicht nicht vollständig. Unternehmen in der öffentlichen Verwaltung weisen die höchsten Erfüllungsquoten auf. Der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter steigt zudem mit der Unternehmensgröße: In Firmen mit 20 bis 39 Beschäftigten liegt er durchschnittlich bei 2,8 Prozent, in denen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten sind es 5 Prozent.«
➔ Karolin Hiesinger et al. (2025): Etwa 40 Prozent der Unternehmen erfüllen die Schwerbehindertenquote, in: IAB-Forum, 25.11.2025
Die Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen (BsbM) ist ein einzigartiger Datensatz der Bundesagentur für Arbeit (BA). Damit kontrolliert die BA, ob Unternehmen die Beschäftigtenquote von Menschen mit Schwerbehinderung einhalten. Der Datensatz wird nun auch für wissenschaftliche Studien genutzt.6 Hiesinger et al. haben nun untersucht, wie Unternehmensmerkmale mit der Einhaltung der Beschäftigungspflicht zusammenhängen.
Es gibt Unternehmen, die die Beschäftigungsquote erfüllen. Und das variiert stark nach Branche und Unternehmensgröße.
Zwischen 2003 und 2014 stieg der Anteil der Unternehmen, die diese Quote erfüllen, von etwa 36 Prozent auf 40 Prozent, blieb bis 2020 etwa auf diesem Niveau und fiel danach leicht ab auf etwas über 38 Prozent in 2023.
➞ Rund 71 Prozent der Unternehmen in der öffentlichen Verwaltung erfüllen die Beschäftigungspflicht. Öffentliche Arbeitgeber haben oftmals strengere Vorgaben, was die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen betrifft. So müssen sie beispielsweise gemäß § 165 SGB IX alle schwerbehinderten Bewerber und Bewerberinnen, die grundsätzlich für eine Stelle geeignet sind, zu einem Vorstellungsgespräch einladen.
➞ An zweiter Stelle folgt die Branche „Energie und Wasserversorgung“, in dem 51 Prozent der Unternehmen die Beschäftigungspflicht erfüllen. In der Gesundheitsbranche liegen die Erfüllungsquoten bei etwa 46 Prozent.
Und wo sieht es düster aus?
➞ Am unteren Ende rangieren Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche mit knapp über 30 Prozent und die Gastronomie sowie die Immobilienbranche mit jeweils weniger als 30 Prozent.
Interessant ist der Blick auf die Unternehmensgröße:
➞ Mit Blick auf die Unternehmensgröße zeigt sich ein U-förmiges Muster: Bei Unternehmen mit 20 bis 39 Beschäftigten und bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten liegt die Erfüllungsquote am höchsten, nämlich bei 48 beziehungsweise 46 Prozent. Bei Unternehmen mit 60 bis 249 Beschäftigten beträgt die Quote hingegen etwa 26 Prozent.7
Hiesinger et al. haben außerdem herausgefunden, dass Unternehmen mit einem höheren Anteil an weiblichen Beschäftigten die Quote eher erfüllen. Auch die Qualifikationsstruktur ist relevant: In Unternehmen, in denen relativ viele Hochqualifizierte tätig sind, wird die Beschäftigungspflicht seltener eingehalten.
Nicht zuletzt hängt auch die Altersstruktur in einem Unternehmen stark mit der Wahrscheinlichkeit zusammen, die Quote zu erfüllen: Unternehmen mit einem hohen Anteil von Beschäftigten, die 55 Jahre oder älter sind, erfüllen die Pflicht deutlich häufiger.8
Fußnoten
- Die Aktion Mensch e.V. ist die größte private Förderorganisation im sozialen Bereich in Deutschland. Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 hat sie mehr als fünf Milliarden Euro an soziale Projekte weitergegeben. Ziel der Aktion Mensch ist, die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung, Kindern und Jugendlichen zu verbessern und das selbstverständliche Miteinander in der Gesellschaft zu fördern. Mit den Einnahmen aus ihrer Lotterie unterstützt die Aktion Mensch jeden Monat bis zu 1.000 Projekte. Möglich machen dies rund vier Millionen Lotterieteilnehmer. Zu den Mitgliedern gehören: ZDF, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Paritätischer Gesamtverband und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.
↩︎ - Als das Inklusionsbarometer Arbeit im Jahr 2013 eingeführt wurde, gab es hier dazu – und auch zu der Frage der gesetzlichen Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe – einen Beitrag: Vgl. Stefan Sell (2013): Von Menschen mit Behinderungen auf einem Arbeitsmarkt mit Hindernissen. Und warum sich viele Unternehmen freikaufen und warum gut gemeint manchmal zum Gegenteil beitragen kann, 03.12.2013.
↩︎ - Ein Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen muss kein Vollzeitarbeitsplatz sein: Auch ein teilzeitbeschäftigter Mensch mit Behinderung, der kürzer als betriebsüblich, aber wenigstens 18 Stunden in der Woche beschäftigt ist, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet (§ 158 Absatz 2 SGB IX). Die Bundesagentur für Arbeit kann eine Anrechnung auch bei weniger als 18 Stunden zulassen, wenn die Teilzeitbeschäftigung wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig ist (§ 158 Absatz 2 SGB IX). Dies gilt auch für einen Arbeitgeber mit Schwerbehinderung, sofern es sich um eine natürliche, nicht um eine juristische Person oder Personengesamtheit handelt (§ 158 Absatz 3 SGB IX). Ebenfalls werden in Heimarbeit beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderung auf den Pflichtsatz angerechnet (§ 210 Absatz 1 SGB IX). Weitere Sonderregelungen enthalten § 157 Absatz 1 und § 159 Absatz 2 SGB IX: Danach wird ein Auszubildender auf mindestens zwei, nach Entscheidung der Agentur für Arbeit bis zu drei, Pflichtarbeitsplätze angerechnet.
↩︎ - Wenn man im Gesetz im § 160 SGB IX die konkrete Höhe der Ausgleichsabgabe in Euro für die vier Stufen nachprüft, dann findet man dort niedrigere, weil ältere Werte: 140, 245, 360 und 720 Euro. Die sind offensichtlich zwischenzeitlich angehoben worden. Auch dafür gibt es eine entsprechende Vorschrift, die zugleich ein Lehrbuchbeispiel abgibt für die hyperkomplexe Sprache in Verbindung mit einer (bei der Anwendung Gesetzesakrobatik voraussetzende) Verweisungstechnik in (sozial)rechtlichen Regelungen. Die hier einschlägige Formulierung findet man im § 160 Abs. 3 SGB IX: »Die Ausgleichsabgabe erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches. Sie erhöht sich zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wenn sich die Bezugsgröße seit der letzten Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe um wenigstens 10 Prozent erhöht hat. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgt, indem der Faktor für die Veränderung der Bezugsgröße mit dem jeweiligen Betrag der Ausgleichsabgabe vervielfältigt wird. Die sich ergebenden Beträge sind auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag abzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach Satz 3 ergebenden Beträge der Ausgleichsabgabe im Bundesanzeiger bekannt.« Nun werden die meisten fragen: Was ist bitte diese Veränderung der Bezugsgröße, die ja (wenn sie 10 Prozent überschreitet) zu einer entsprechenden Anpassung der Ausgleichsabgabe führt? Im § 18 Abs. 1 SGB IV findet man die vorläufige Auflösung: es handelt sich um „das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.“
↩︎ - Hiesinger/Vetter (2023) haben sich mit der Frage beschäftigt, ob und welche Auswirkungen die Ausgleichabgabe auf die Beschäftigung von Schwerbehinderten hat. Sie kamen damals, also noch vor der Anhebung der Beträge für die Abgabe, zu dem Ergebnis, dass die Ausgleichsabgabe die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung tatsächlich fördert. Sie hat aber auch Nebenwirkungen. Dazu zählen ein verminderter Beschäftigungsaufbau und ein höherer Anteil an geringfügiger Beschäftigung für Unternehmen, die knapp unterhalb der einschlägigen Schwellenwerte liegen. Vgl. ausführlicher Karolin Hiesinger und Franka Vetter (2023): Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung: Die Ausgleichsabgabe wirkt, in: IAB-Forum, 26. Juni 2023.
↩︎ - Vgl. beispielsweise Matthias Collischon et al. (2024): Partizipation am Arbeitsmarkt: Eine Schwerbehinderung hat oft gravierende Folgen für den weiteren Erwerbsverlauf. IAB-Kurzbericht, Nr. 22/2024, Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2024. Darin werden Ergebnisse einer empirischen Analyse präsentiert, die untersucht hat, wie das Eintreten einer Schwerbehinderung die individuelle Erwerbsbiografie beeinflusst. Verwendet wurden Daten aus der Beschäftigungsstatistik der schwerbehinderten Menschen (BsbM), die mit den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB verknüpft wurden.
Aus der Zusammenfassung: Schwerbehinderungen sind in Deutschland weit verbreitet und treten zum Großteil im Laufe des Erwerbslebens auf. Ist dies der Fall, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, fünf Jahre später erwerbstätig zu sein, um etwa 16 Prozentpunkte im Vergleich zu ähnlichen Personen, die nicht schwerbehindert werden. Nach Eintreten der Schwerbehinderung wechseln Personen mehrheitlich in die Nichterwerbsbeteiligung. Übergänge in Arbeitslosigkeit spielen dagegen kaum eine Rolle, was darauf verweist, dass man nicht nur auf die Arbeitslosenquote schauen sollte. Für diejenigen, die weiterarbeiten, gehen die Löhne nach Eintritt der Schwerbehinderung langfristig zurück: Nach fünf Jahren liegen die Verluste bei 7 Prozentpunkten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Und schlussendlich: Neben denjenigen, die den Arbeitsmarkt komplett verlassen, wechseln viele Personen mit Schwerbehinderung in Teilzeit oder in Tätigkeiten, die körperlich wie psychisch weniger belastend sind als die Tätigkeiten, die sie vor dem Eintritt der Schwerbehinderung aus geübt haben.
↩︎ - Zu dem höheren Anteilswert bei kleineren Unternehmen vermuten Hiesinger et al. (2025): »Die hohen Erfüllungsquoten bei kleinen Unternehmen mit bis zu 60 Beschäftigten liegen vermutlich auch an den Sonderregeln für diese Unternehmen: Unternehmen mit mindestens 20, aber weniger als 40 Beschäftigten müssen genau eine Person mit Schwerbehinderung beschäftigen, um die Beschäftigungspflicht zu erfüllen, Unternehmen mit 40 bis unter 60 Beschäftigten genau zwei. Die 5-Prozent-Quote gilt erst für Unternehmen ab 60 Beschäftigten. Somit ist es für kleinere Unternehmen etwas einfacher, die Beschäftigungspflicht zu erfüllen.« Insgesamt steigt der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter mit der Unternehmensgröße. Zu den höheren Anteilswerten bei den größeren Unternehmen: »In größeren Unternehmen ist die Infrastruktur oft besser ausgebaut, was die Integration erleichtert. Zudem verfügen größere Unternehmen über mehr Erfahrung mit Inklusion, etablierte Prozesse zur Arbeitsplatzanpassung und über die nötigen Ressourcen, um individuelle Lösungen und Weiterbildungen anzubieten. In kleinen Unternehmen hingegen ist der relative organisatorische und finanzielle Aufwand für solche Maßnahmen oft höher.«
↩︎ - Dieses Ergebnis sei insofern nicht überraschend, so Hiesinger et al., als Schwerbehinderungen in den allermeisten Fällen im Laufe des Lebens auftreten.
↩︎