„Wenn Dein starker Arm es will, stehen viele Döner-Spieße still“. Der Arbeitskampf der Beschäftigten der Dönerfabrik Birtat war erfolgreich (und sollte nicht in Vergessenheit geraten)

Ein paar Tage lang befand sich in der ersten Augusthälfte des Jahres 2025 die Republik oder zumindest Teile von ihr mit einer bestimmten kulinarischen Orientierung an der Grenze zur Schockstarre: Döner-Streik: Wird der Döner jetzt noch teurer?: »In einer Dönerfabrik wird gestreikt. Welche Auswirkungen hat das auf die Versorgung der Imbisse – und auf den Dönerpreis?« Wie das mit diesem Döner-Preis aussehen wird, das vor allem treibt die Berichterstattung um, weil es viele Menschen bewegt und wir hier offensichtlich über ein mittlerweile zum Grundnahrungsmittel transformiertes Gericht1 sprechen mit dem daraus resultierenden Aufmerksamkeitspotenzial.

Und weil die Menschen, die Döner verspeisen, in den vergangenen Jahren noch stärker als im Durchschnitt der Lebensmittel bei der gefüllten Teigtasche oder dem Döner-Teller von der Inflation getroffen wurden. Die überdurchschnittlich daherkommenden Preisanstiege beim Döner – eigentlich eine höchst lokale Angelegenheit – haben es bis auf die Bundesebene geschafft. Das kulminierte – kein Scherz – in der aufmerksamkeitsheischenden Forderung von Politikern der Linkspartei nach einer „Dönerpreisbremse“. Im Mai 2024 musste man so etwas zur Kenntnis nehmen: »In Deutschland liegt der Preis für Döner derzeit bei über sieben Euro. Das treibt auch die Linkspartei um. In einem Vorstandspapier fordert sie die Regierung zum Handeln auf.« Und was die sich unter staatlichem Handeln so vorgestellt haben, das kann man dem Artikel Der Staat soll Milliarden zahlen: Linke will den Dönerpreis drücken und Gutscheine für alle entnehmen: In einem Papier aus dem Parteivorstand der Linken wird tatsächlich eine „Dönerpreisbremse“ gefordert.2 Der Preis für Döner solle auf 4,90 Euro begrenzt werden, heißt es in dem Papier aus dem vergangenen Jahr. Die Mehrkosten sollten vom Staat übernommen werden.3 Da in Deutschland pro Jahr 1,3 Milliarden Döner verzehrt würden, beliefen sich die staatlichen Kosten bei einem Zuschuss von jeweils drei Euro auf knapp vier Milliarden Euro, rechnet die Linke vor.4 Der „Döner-Sozialismus“ ist nun nicht über uns gekommen – und die Preise sind zwischenzeitlich weiter gestiegen. Für den März 2025 wurde ein nationaler Durchschnittspreis von 8,03 Euro gemeldet – allerdings mit erheblicher regionaler Streuung von bis zu 70 Prozent.5 Hin und wieder wird auch von einer eigenen „Dönerflation“ gesprochen.

Insofern waren viele Menschen höchst sensibilisiert, als in den vergangenen Wochen Meldungen aufgetaucht sind, dass möglicherweise bald dem einen oder anderen Döner-Spieß der Stoff ausgehen wird, weil es streikbedingt an Fleischspießen fehlen könnte. Das mag sich für den einen oder anderen vergleichbar bedrohlich angehört haben wie die mehrfache und tageweise Stilllegung des Landes in den Zeiten der legendären Lokführer-Streiks unter Leitung des mittlerweile im Ruhestand befindlichen Arbeiterführers Claus Weselsky von der Gewerkschaft GDL. 

Ein Arbeitskampf in einer (bislang) tarifvertragsfreien Zone

Dem bereits zitierten Artikel  Döner-Streik: Wird der Döner jetzt noch teurer? kann man entnehmen: »Bei einem großen Dönerspieß-Hersteller in Baden-Württemberg gehen seit Wochen die Mitarbeitenden auf die Straße: Sie fordern einen Tarifvertrag und höhere Löhne.» Das Unternehmen Birtat gehört zu den großen Dönerspieß-Herstellern in Deutschland. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen Marktführer. Es beliefert tausende Imbisse und erreicht damit angeblich 13.000 Kunden im Monat – und nach eigenen Angaben von Birtat werden mehr als 13 Millionen Konsumenten durch diese eine Döner-Fabrik im Monat versorgt. Das sind schon Größenordnungen. Das Unternehmen Birtat produziert nach Angeben des Betriebsratsvorsitzenden 35 bis 40 Tonnen Dönerspieße jeden Tag. Und zu den großen Größenordnungen gehört auch der Branchen-Umsatz insgesamt: Die Dönerbranche soll nach Schätzungen in Deutschland jährlich etwa 2,4 Milliarden Euro Umsatz erzielen.

Aber wenn der Döner-Esser den zitierten Artikel a) lesen und b) weiterlesen würde, dann hätte er oder sie entspannende Botschaften vernehmen können: »Birtat ist aber kein Monopolist: Der Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa schätzt …, dass es insgesamt 400 Hersteller in Deutschland gibt … Ein längerer Streik bei Birtat könnte möglicherweise Folgen für einzelne Imbisse haben, die von dem Unternehmen beliefert werden. Eine generelle Dönerknappheit ist aber nicht zu erwarten.« Auftatmen also? Der Artikel legt dann aber noch eine Besorgnis erregende Schippe nach: »Es gibt Befürchtungen, dass die Preise für Döner weiter steigen, falls es zu einer Einigung und damit höheren Löhnen für die Belegschaft des schwäbischen Dönerspieß-Herstellers kommt.« Da sind sie wieder, die steigenden Döner-Preise. Bevor man nun streikenden Arbeitern in einer Döner-Fabrik das Schuld-Etikett für die nach oben gehenden Teigtaschen-Preise aufdrückt, sollte man erneut weiterlesen: »Die Lohnkosten der Zulieferer sind aber nur ein sehr kleiner Teil des Verkaufspreises. Viel wichtiger sind die generell gestiegenen Kosten für Lebensmittel, vor allem Rindfleisch. Aber auch höhere Energiekosten, Löhne für das Verkaufspersonal und Mieten für die Läden spielen eine Rolle.«

➔ Bereits am 1. Juli 2025 hat Oliver Schmale in seinem FAZ-Artikel „Der Spieß wird immer teurer“ ausgeführt: »Fleischpreise und Energiekosten treiben den Dönerpreis hoch.« Da steht erst einmal nichts von Löhnen.

»Auf dem Dönermarkt hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt. Viele Jahrzehnte lang waren Dönerbuden häufig Einmannbetriebe, in denen die ganze Familie aushalf. Heute gibt es in jeder deutschen Stadt hippe Läden, und auch Prominente wie Lukas Podolski mischen in dem Geschäft kräftig mit.6 Der Markt wächst seit Jahren. Eine Herausforderung. Die Anbieter müssen mit Rohware versorgt werden. Der Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa schätzt, dass es hierzulande rund 400 Hersteller gibt, die den Drehspieß mit Fleisch bestücken. Vom kleinen Produzenten mit wenigen Mitarbeitern bis hin zu Betrieben mit über 100 Beschäftigten.«

Den Herstellern machen die gestiegenen Rohstoffpreise zu schaffen. Die Preise für Kalb und Rindfleisch schießen in die Höhe, weil die Nachfrage nach Schlachttieren höher ist als das Angebot. Das Fleisch macht einen nicht unerheblichen Teil der Kosten aus.
Natürlich darf die Globalisierung nicht fehlen: Mancher Drehspieß findet seinen Weg aus dem Ausland nach Deutschland. So aus Osteuropa. Dort gebe es geringere Energie- und Personalkosten. 

Die Prognosen für alle Döner konsumierenden Menschen sind nicht rosig: »Die gestiegenen Kosten werden in den nächsten Monaten wohl weiter Auswirkungen auf den Dönerpreis für den Endverbraucher haben. Das wird sicherlich nicht am Fleisch allein liegen. Beim Imbiss und den Restaurants kommen gleichfalls noch die Zutaten dazu sowie deren Personal- und Energiekosten und die Gewerbemieten.« Die 10-Euro-Schwelle werde bald genommen.7 

Um wen und was geht es eigentlich bei dem Thema Arbeitskampf in der Döner-Fabrik?

„Nur ein sehr kleiner Teil des Verkaufspreises“ stammen aus den Lohnkosten der Zulieferer – aber für die Beschäftigten ist das sehr Kleine an ihren Löhnen einer der Gründe gewesen, in den Ausstand zu treten. Also werfen wir endlich einen Blick auf die kämpfenden Döner-Arbeiter. Um wen und was geht es hier?

Dem am 5. August 2025 in der FAZ veröffentlichten Artikel „Ein Arbeitskampf beeinflusst den Döner-Preis“ von Benjamin Wagener kann man gleich am Anfang eine Annäherung an die harte Arbeit entnehmen, die da gestemmt werden muss:

»Die Arbeit ist hart, die Bedingungen sind vor allem kalt. In den Hallen der Döner-Fabrik Birtat in der kleinen Gemeinde Murr nördlich von Stuttgart stecken die Mitarbeiter Scheiben aus gepresstem Hackfleisch und Fleischscheiben auf Metallspieße. Immer und immer wieder, bis die Metallstangen aussehen wie die riesigen Fleischspindeln, die sich in Tausenden von Imbissbuden in Deutschland und Europa drehen. Danach wuchten die zumeist nur als Metzgergehilfen angestellten Mitarbeiter die zwischen 15 und 100 Kilogramm schweren Dönerspieße auf Wagen, um sie in den Schockfroster zu fahren.«

Es wird mit sehr hoher Frequenz und unter Zeitdruck gearbeitet.

Was die rund 115 Mitarbeiter seit einigen Monaten empört, sei das ungerechte, willkürliche und intransparente Entlohnungssystem, so wird Magdalena Krüger, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Stuttgart, zitiert. Und deshalb hätten die Mitarbeiter zusammen mit Betriebsrat, den es bei Birtat seit September 2024 gibt, und der Gewerkschaft NGG dem Dönerproduzenten den Kampf angesagt. Man muss wissen: Gut 400 Dönerhersteller soll es in Deutschland geben, einen Tarifvertrag gibt es laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in diesem Bereich (bislang) nicht.

Seit Anfang Juli haben die Birtat-Beschäftigten ihren Arbeitgeber immer wieder bestreikt. Mal sind es nur wenige Stunden, dann wieder ganze Tage. Das Ziel ist ein Tarifvertrag, der für die Mitarbeiter einen angemessenen Lohn in einem transparenten System sicherstellt.

Wagener erläutert in seinem Artikel, was zu der Eskalation geführt hat – und zitiert dabei Betriebsratschef Muzayfe Doganer:

»Einen Betriebsrat gibt es bei Birtat seit September 2024. In den Monaten nach der Wahl sei der Wunsch nach einem Tarifvertrag in dem Unternehmen immer größer geworden, erklärt der Betriebsratsvorsitzende. „Natürlich ist unsere Arbeit hart, und wir bekommen wegen der harten Arbeit keine neuen Leute“, erläutert Doganer. Ausschlaggebend sei jedoch die Entlohnung gewesen. „Es gibt kein System, es ist alles ziemlich katastrophal. Einer, der lange dabei ist, bekommt 2300 Euro im Monat, einer der gerade angefangen hat, 2600 Euro“, sagt der Betriebsrat. „Das geht nicht.“ Entscheidend für die Bezahlung seien bislang persönliche Beziehungen und individuelles Verhandlungsgeschick.«

Vor diesem Hintergrund haben die Gewerkschaftsmitglieder bei Birtat Anfang des Jahres eine Tarifkommission gewählt mit dem Ziel, einen Tarifvertrag auszuhandeln. Nach Angaben der NGG wäre in der Branche ein Tarifvertrag bundesweit einmalig. Es handle sich um ein Pilotprojekt.

Als das Unternehmen Birtat in der vierten Gesprächsrunde erklärte, das Ergebnis könne aus Unternehmenssicht auf keinen Fall ein Tarifvertrag sein, brach die Tarifkommission die Gespräche ab – und die Beschäftigten intensivierten ihre Streiks. 

„Eine Riesenleistung“

Dass die Beschäftigten bei Birtat überhaupt so weit gekommen sind, dass sie nach der Wahl eines Betriebsrats nun zudem für einen Tarifvertrag kämpfen, das ist nicht aus Sicht der Gewerkschaft NGG „eine Riesenleistung“. Allein sprachlich ist das keine einfache Aufgabe gewesen. In der Firma wird neben Deutsch unter anderem auch Türkisch, Bulgarisch und Rumänisch gesprochen.

Mit einer Antrittsprämie von 200 Euro versuchte die Geschäftsführung von Birtat, Streikbrecher zu gewinnen. Das sei für die Beschäftigten in dieser Branche nach Angaben der NGG sehr viel Geld. „Aber bis jetzt hat sich keiner darauf eingelassen, wir sind einig, wir wollen den Tarifvertrag“, wird Betriebsratschef Doganer, der gleichzeitig Mitglied der Tarifkommission ist, zitiert.

Und dann das: Erfolg

Am 8. August 2025 wurde ein von vielen Beobachter für unwahrscheinlich gehaltenes Ergebnis gemeldet: Tarifeinigung bei Dönerfabrik Birtat: »Nach elf Warnstreiks und Sorgen über Lieferengpässe von Dönerspießen haben sich der Hersteller Birtat und die Gewerkschaft NGG auf einen Tarifvertrag verständigt.« Das ist mal eine Nachricht.

»Im Tarifkonflikt beim Dönerspieß-Hersteller Birtat gibt es eine Einigung. Nach Gewerkschaftsangaben ist es der erste Tarifvertrag in der Dönerfleischindustrie. Für die rund 120 Beschäftigten wurde der Einstiegslohn auf 2.600 Euro festgelegt, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und das Unternehmen Meat World SE (Birtat) in Murr bei Ludwigsburg mitteilten. Ferner sei eine Anhebung der Entgelte in zwei Stufen im Gesamtumfang von bis zu 17 Prozent in der Spitze bei einer Laufzeit bis Ende 2026 vereinbart worden. Beide Seiten verpflichteten sich demnach zudem, bis zum Ende dieser Laufzeit einen Tarifvertrag zur Eingruppierung sowie einen Manteltarifvertrag auszuhandeln.«

Dieser Tarifabschluss sei ein „historisches Ergebnis in der Dönerfleischbranche und ein Erfolg der Beschäftigten“, so die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft NGG, Magdalena Krüger. Das kann man wohl unterschreiben.

Die Gewerkschaft NGG selbst hat diese Mitteilung herausgegeben: Erster Tarifvertrag in der Dönerfleischindustrie abgeschlossen. Bei der Belegschaft traf das Ergebnis auf Zustimmung: In einer zweiten Urabstimmung stimmten rund 90 Prozent der befragten NGG-Mitglieder für die Annahme des Tarifvertrags. Mit dem erfolgreichen Abschluss des ersten Tarifvertrags in der Dönerfleischbranche ist ein wichtiges Kapitel in den Arbeitsbeziehungen aufgeschlagen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Arbeitskampf der rund hundert Angestellten von Birtat – die sich selbst von unten nach oben durchgekämpft haben, was wirklich eine ganz besondere Leistung darstellt – eine Ausnahme bleibt oder als Impuls in der ganzen Branche wirken wird. 

➔ Parallelität des Einstiegs und des Ausstiegs: Zeitgleich zu diesem Erfolg der Gewerkschaft in einer bislang tariflosen Zone kam diese Meldung vom „oberen Ende“ der Tariflandschaft: Adidas steigt aus Tarifbindung aus: »Der weltweit zweitgrößte Sportartikelhersteller Adidas verlässt an seinem Heimatstandort Deutschland die Tarifbindung. Das Unternehmen steigt mitten im Tarifstreit mit der Gewerkschaft IGBCE aus der Tarifbindung aus … Vom 1. September an gehöre Adidas dem Arbeitgeberverband nur noch als Mitglied ohne Tarifbindung an … Nach Unternehmensangaben werden 4.600 der Mitarbeiter in Deutschland nach Tarif bezahlt, laut IGBCE geht es um insgesamt 8.000 Beschäftigte bei Adidas – von 13.000 in der Branche.«

Lohnerhöhungen von 17 Prozent – was bedeutet das nun für den Döner-Preis? Versuch einer Annäherung

Wenn man nur hört, dass die vereinbarten Lohnerhöhungen 17 Prozent umfassen, dann könnte man auch den Schnellschluss verfallen, dass das aber nun einen erheblichen Preisanstieg beim Döner auslösen wird. Es sei denn, man schaut und rechnet etwas genauer.

Das hat Peter Schadt in seinem Artikel Nein, höhere Löhne machen den Döner nicht teurer kalkulatorisch gemacht. Seine überschlägige Rechnung geht so:

Der Verband der Dönerproduzenten Deutschlands e.V. (VDD), der sicher kein Interesse daran hat, den Einfluss der Lohnkosten kleinzurechnen, kalkuliert mit einem Kostpreis (auch Selbstkostenpreis genannt, also der Preis, den ein Unternehmen aufwenden muss, um ein Produkt herzustellen) pro durchschnittlichem Döner von knapp 3 Euro.8

Bleiben wir beim Selbstkostenpreis: Von den knapp 3 Euro Kostpreis ist das Dönerfleisch mit 2 Euro für die 125 Gramm pro Fleischtasche der größte Posten, der Rest verteilt sich auf Brot, Beilagen, Sauce und Gewürze. Und jetzt muss man einige Annahmen treffen:

»Will man dem Lohnanteil beim Kebabpreis auf die Spur kommen, sind auch diese 2 Euro pro Fleischportion im Döner noch nicht die endgültige Größe: Immerhin sind die Kebabstecker bei Birtat und Co. nur ein Teil der Wertschöpfungskette, die beim Rohfleisch, also der Landwirtschaft, beginnt, und von der Zerlegung und Zerschneidung der Fleischscheiben in den Schlachthäusern gefolgt wird. Erst danach kommt das Fleisch in die Drehspießfabriken, die den Dönerspieß herstellen … Gehen wir einmal großzügig davon aus, dass die Hälfte der Kosten der Fleischproduktion auf die Drehspießfabriken fällt und die Aufzucht und Schlachtung der Tiere nur die andere Hälfte ausmacht. Dann würde auf die Branche also ein Kostenanteil von 1 Euro fallen.«

»Rechnet man mit einem ebenfalls sehr hohen Lohnkostenanteil von 20 Prozent, dann beliefe sich der Lohnanteil bei den Gesamtkosten des Döners auf 20 Cent. Damit würden sich die tariflichen Lohnerhöhungen von 17 Prozent in einer Erhöhung der Dönerkosten um 3,4 Cent niederschlagen.«

In einem alternativen zweiten Schritt nähert sich Schadt noch einmal ganz anders der Frage, welchen Anteil die nun steigenden Lohnkosten in der Dönerspießbranche auf das fertige Produkt haben.

»Dafür nehmen wir die Zahlen direkt von Birtat: Ungefähr 130 Beschäftigte stellen pro Tag zwischen 35 und 40 Tonnen Dönerspieße her. Gehen wir, um den maximalen Einfluss der Lohnkosten zu errechnen, von nur 35 Tonnen aus. Wenn man den Bruttoarbeitgeberlohn kennt, dann weiß man, wie viel von deren Lohn in einem Döner steckt.

Wir wissen, dass die meisten Mitarbeitenden bisher weniger als 2.600 Euro verdient haben, nun mindestens 2.600 Euro. Rechnen wir großzügig mit 3.600 Arbeitgeberbrutto für die insgesamt 130 Mitarbeiter, sind wir bei 468.000 Euro. Wir gehen von einer Produktion von 35 Tonnen pro Tag aus, fünf Tage die Woche. Durchschnittliche Wochen pro Monat sind 4,33, woraus sich dann 21,65 Arbeitstage pro Monat ergeben. Die Monatsproduktion beläuft sich nach dieser Berechnung auf 757,75 Tonnen. Wir teilen daher die Lohnkosten durch die Monatsproduktion und landen bei etwa 0,617 Euro pro Kilogramm. Pro Dönerportion stecken daher etwa 7,7 Cent Lohnkosten aus der Dönerspießbranche in einem Döner.«

Zusammenfassend:

»Wenn man von einem Dönerpreis von 8 Euro ausgeht, beläuft sich der Anteil der Lohnkosten mit 0,96 Prozent bereits auf weniger als einen Prozentpunkt. Mit dieser Rechnung verteuert der Tarifvertrag, bei einer angenommenen Lohnerhöhung von 17 Prozent, daher den Döner um 1,31 Cent.«

Mit zwei ganz unterschiedlichen Rechenwege hat sich Schadt jeweils dem Lohnkostenanteil in der Dönerspießbranche angenähert:

»… zwischen 7,7 Cent und 20 Cent pro Döner werden für die Lohnkosten in dieser Branche aufgewendet.«

Fußnoten

  1. Der Döner Kebab steht wie vielleicht kein anderes Gericht für das, was Sozialwissenschaftler als „Migration Food“ schubladisieren. Der mit Fleisch, Salat, Gemüse und Soße gefüllte Döner gehört heute fest zur deutschen Esskultur. Und immer wieder wird die Erzählung vorgetragen, der Döner seit eine Berliner Produktentwicklung. Dem wird aber widersprochen.
    Türkische Gastarbeiter brachten ihn in den 1970er Jahren nach Deutschland. Der Ursprung aber scheint definitiv in der Türkei zu liegen. Gábor Paál behauptet in seinem Beitrag Ist der Döner eine deutsche Erfindung aus Berlin?: »Das Prinzip des Döner Kebab stammt eindeutig aus der Türkei und ist schon Anfang des 19. Jahrhunderts in der westanatolischen Stadt Bursa belegt.« Und weiter: »Döner“ heißt „rotierend“, „Kebab“ ist Grillfleisch (auch das auf dem Balkan verbreitete „Ćevapčići“ leitet sich daraus ab) „Döner Kebab“ entsprechend: „Rotierendes Grillfleisch“. Dieses Verfahren: Fleisch ggf. verschiedener Sorten – anfangs primär Rind oder Kalb, Hammel oder Lamm – aufzuspießen, rotieren zu lassen, dabei zu grillen und dann immer den äußeren Rand abzuschneiden – das gab’s damals in Bursa auch schon.« Für Bursa ist es auf jeden Fall belegt. Dort lebte übrigens auch ein Koch namens Iskender, der die berühmte – nach ihm benannte – Variante des Iskender Kebab etabliert hat: Döner-Fleisch mit Jogurt, gegrillten Paprika und Tomaten. Dennoch hört man immer wieder, der Döner sei 1972 in Berlin erfunden worden. Tatsächlich gab es einen „Gastarbeiter“ aus der Türkei, Kadir Nurman, der schon 1960 nach Stuttgart gekommen und 1966 nach Berlin weitergezogen ist. Er kannte Döner Kebab aus seiner türkischen Heimat. Allerdings war das dort ein normale Mahlzeit, die man, oft in guten Restaurants, auf Tellern servierte, mit Reis oder anderen Beilagen. Nurman hatte den Eindruck, dass es im betriebsamen Deutschland einen Markt geben könnte für schnelle Mahlzeiten. Das Konzept „Imbiss“ gab es damals eigentlich nur in Form von Brat- oder Currywurst. Und so machte Kadir Nurman aus dem einstigen Tellergericht „Döner Kebab“ eine Imbiss-Mahlzeit, steckte das vom Spieß abgeschnittene Fleisch in ein Fladenbrot (Pide) mit ein paar Zwiebeln dazu – und so gab es Döner auf die Hand. Das war noch sehr schlicht, ohne viel Soße, nicht „mit allem und scharf“, das kam erst später. Aber Kadir Nurman war der Begründer einer eigenen deutsche Döner-Imbiss-Kultur, die sich von Berlin aus in die übrige Bundesrepublik ausbreitete und die längst weltweit kopiert wird. Gábor Paál bilanziert: »Insofern kann man sagen: Kadir Nurman hat den Döner in Deutschland eingeführt, die Fladenbrot- und damit Imbiss-Variante erfunden und somit, das, was der Deutsche landläufig unter einem „Döner“ versteht – aber das Gericht „Döner Kebab“ gab es schon mindestens 150 Jahre vorher in der Türkei.«
    Wobei auch das möglicherweise zeitlich zu kurz gesprungen ist. Unter dem Stichwort Migration Food: Döner will uns die Universität Münster auf diese Fährte setzen: »Die Vorgeschichte des Döners reicht bis in die Zeit der nomadischen Seldschuken zurück, die im 11. Jahrhundert über Iran und Syrien in das Gebiet der heutigen Türkei einwanderten: Die Produkte ihrer Schafherden – Fleisch und Milch, aus der auch Jogurt hergestellt wurde – bildeten ihre Nahrungsgrundlage. Im 19. Jahrhundert werden Frühformen des Döners dann in Reiseberichten über Anatolien fassbar, wo Europäer das ihnen unbekannte Phänomen des vertikalen Drehspießes beobachteten und den Geschmack des so zubereiteten Fleischs lobten. Dieses wurde damals allerdings nicht in Brot, sondern mit Reis auf einem Teller serviert. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der Döner in seiner heute in Deutschland bekannten Form als Teigtasche, die mit Fleisch, Salat und verschiedenen Soßen gefüllt wird, erstmals in Berlin-Kreuzberg nachweisbar.« Also dieser Döner, wie ihn die meisten Menschen in Deutschland kennen, der hat sich in Berlin entfalten können. Also doch wenigstens ein bisschen „Berlin“ bei der Frage: Und wer hat es erfunden? ↩︎
  2. Auch die Grüne Jugend hatte sich im vergangenen Jahr für eine „Dönerpreisbremse“ ausgesprochen. In ihrer Geschäftsstelle konnten die Landes- und Kreisverbände 200 entsprechende Flyer erwerben. Sie sind Teil eines „Aktionspakets Döner Europawahl 2024“ für 45 Euro, das für die Kampagne „Kein Bock auf Krise“ zusammengestellt wurde. ↩︎
  3. „Alle kriegen Dönergutscheine zugeschickt, einen pro Woche“, steht außerdem in dem Papier. Mit dem Gutschein könne man einen Döner für fünf Euro kaufen. Schüler sollten lediglich 2,50 Euro zahlen müssen. „Die Dönerbuden können die Gutscheine einlösen und sich den Überschussbetrag über den normalen Preis vom Staat zurückholen.“ Die Hauptkosten für Dönerläden würden durch hohe Miete, Energie und Lebensmittel verursacht. Würden diese Preise sinken, „dann sinken auch die Dönerpreise“, heißt es in dem Papier.  ↩︎
  4. In dem Papier heißt es: „Jedes Jahr werden in Deutschland 1,3 Milliarden Döner gegessen. Wenn der Staat für jeden Döner drei Euro zuzahlt, kostet die Dönerpreisbremse knapp vier Milliarden.“ In der Berichterstattung wurde das beispielsweise so aufgegriffen: »Mit vier Milliarden Euro Steuergeld sollen wöchentlich an alle Einwohner Deutschlands Döner-Gutscheine ausgegeben werden, damit sie preisgünstig das Fleisch-Fladenbrot futtern können. Damit der Dönerpreis unten bleibt. Bei 4,90 Euro und der Schüler-Döner bei 2,50 Euro. „Alles, was drüber ist, zahlt der Staat“, schreiben die Linken in ihrem Döner-Papier.« Quelle: Stefan Schlagenhauber (2024): Vier Milliarden Euro Steuergeld: Linke fordern Döner-Sozialismus, in: BILD Online, 05.05.2024. ↩︎
  5. Die Zahlen beziehen sich auf den „Dönerpreis-Index 2024/2025“ des derzeit – aufgrund seines rüden Umgangs mit den bislang beim Unternehmen angestellten Ridern, die an Subunternehmer outgesourct werden – überaus umstrittenen Lieferdienstes Lieferando (vgl. Döner-Index von Lieferando enthüllt: In Halle gibt es den günstigsten Döner Deutschlands vom 16.05.2025): Die 70 Prozent Preisunterschied trennen den günstigsten vom teuersten Döner. In Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt gab es den günstigsten Döner Deutschlands – für durchschnittlich 5,79 Euro. Im norddeutschen Flensburg war der Imbiss mit durchschnittlich 9,77 Euro am teuersten. Zur Datenbasis: Grundlage des Dönerpreis-Index sind über 11.000 Döneranbieter und Partnerrestaurants in ganz Deutschland sowie real registrierte Bestellungen von Juni 2023 bis März 2025. ↩︎
  6. Lukas Podolski betreibt gemeinsam mit Metin Dag das Döner-Unternehmen Mangal x LP10. ↩︎
  7. Vgl. dazu auch Stadt – Land – Döner: Die Region Stuttgart und der türkische Drehspieß: »Der Döner in und um Stuttgart an der magischen Preisgrenze von zehn Euro.« In dem Artikel wird am Beispiel der Situation in baden-Württemberg thematisiert: »Es scheint … eine Zweiteilung im Döner-Ländle zu geben: Die einen setzten gerade im urbanen Bereich auf Qualität und eine zahlungskräftige Kundschaft. Die anderen eher im ländlichen Bereich sehen, dass ihre Gäste nicht jede Preisentwicklung ohne weiteres mitgehen können und wollen. Und sie kämpfen mit starker Konkurrenz: Selbst in noch kleineren Orten so zum Beispiel Urbach neben Schorndorf gibt es zwei Dönerläden plus Bäckereien und einem Fastfood-Restaurant.« ↩︎
  8. Der VDD empfiehlt bei dieser Kalkulation übrigens einen Verkaufspreis von 10,50 Euro, da die Gastrobetriebe das Drei- bis Vierfache des Einkaufspreises verlangen, um rentabel zu sein. Die meisten Kosten entstehen im Endverkauf: Miete, meistens in Innenstädten, Energie, Personal. Vor allem die ersten beiden Posten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. ↩︎