Es geht runter. Zur Entwicklung der Befristungen bei Neueinstellungen

Der Arbeitsmarkt ist keine statische Angelegenheit, sondern ein überaus dynamisches Gebilde. Da geht es raus aus Beschäftigungsverhältnissen und gleichzeitig werden in vielen Betrieben neue Mitarbeiter eingestellt. Und zwar in erheblichem Umfang. Auf der Basis der IAB-Stellenerhebung1 wissen wir, dass beispielsweise im Jahr 2024 die Betriebe in Deutschland rund 4,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Neueinstellungen (ohne Auszubildende und ohne Mini-Jobs) vorgenommen haben.

Und seit vielen Jahren wird darüber kritisch berichtet und diskutiert, dass es „viele“ Befristungen der Beschäftigungsverhältnisse geben würde. Die Befristung ist einer der Merkmale der sogenannten „atypischen Beschäftigung“ (im Sinne einer Abweichung von einem vor langer Zeit einmal fixierten „Normalarbeitsverhältnis“, das verstanden wird als unbefristete, sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mit mehr als 20 Arbeitsstunden pro Woche, die zudem nicht in Leiharbeit stattfinden darf, um „normal“ zu sein).

Aus den vergangenen Jahren ist bei den meisten sicher hängen geblieben, dass die Befristung der Jobs vor dem Hintergrund der Unsicherheit und der Folgen für die Betroffenen eher negativ diskutiert wurde (vgl. dazu beispielsweise die Beiträge Ein Höchststand bei den befristeten Arbeitsverträgen und eine Regierung, die etwas dagegen tun will. Das alles in Zeiten der Gleichzeitigkeit von „Fachkräftemangel“ und mehr schlechten Jobs vom 7. Juli 2018 oder Aus dem Jobwunderland Deutschland: Die Zahl der „atypisch Beschäftigten“ bleibt weiter auf einem hohen Niveau und trifft bestimmte Arbeitnehmer mehr als andere vom 25. Juni 2019, die hier veröffentlicht wurden).

Dazu kommt, dass befristete Arbeitsverhältnisse nicht gleich verteilt sind über alle Branchen und Regionen, sondern es hochgradig konzentrierte Verteilungsmuster gibt, also Arbeitnehmer in bestimmten Branchen überdurchschnittlich stark davon betroffen sind. Und das nicht selten in Bereichen, in denen es spiegelbildlich zu den atypisch Beschäftigten „betonhart unbefristete“ Jobs gibt, man denke hier an Bereiche wie die Hochschulen mit Lebenszeitbeamten auf der einen und einer mehrheitlich befristete Schicht von jungen Wissenschaftlern und Assistenzkräften auf der anderen Seite.

Nun hat sich hinsichtlich der Befristungen zumindest gesamtwirtschaftlich gesehen eine Menge verändert, wenn man auf den Befristungsanteil bei den Neueinstellungen schaut:

Im Jahr 2024 wurde also der niedrigste Anteilswert an befristeten Neueinstellungen seit dem Jahr 2000 gemessen. Der im Rahmen der IAB-Erhebung 2004 gemessene Höchststand war mit 54 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Die Daten (mit weiteren Differenzierungen) kann man dieser Veröffentlichung entnehmen:

➔ Nicole Gürtzgen et al. (2025): Befristungen bei Neueinstellungen 2024, Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 6. Juni 2025

Das ist aus Sicht der Arbeitnehmer erfreuliche Entwicklung und sie spiegelt sicherlich auch die Veränderungen auf vielen (nicht allen) Arbeitsmärkten in den vergangenen Jahren wieder, die eher durch Fachkräfte- oder gar Arbeitskräftemangel gekennzeichnet waren.

Zu beachten ist, dass die Befristungsquoten bei Neueinstellungen deutlich oberhalb des Anteils befristeter Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung liegen. Rund 2,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland hatten laut IAB-Betriebspanel im Jahr 2022 einen befristeten Arbeitsvertrag. Das entspricht einem Anteil an allen Beschäftigten (ohne Auszubildende) von 6,6 Prozent. Die Diskrepanz zwischen dem Anteil befristeter Neueinstellungen und dem Befristungsanteil aller Beschäftigter zeigt, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse in nennenswertem Ausmaß in unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt werden.

Nun gibt es ganz unterschiedliche Gründe für die Befristung bei Neueinstellungen. Dazu Gürtzgen et al. (2025): »Die Befristung von Neueinstellungen ermöglicht den Betrieben, die Fähigkeiten von Bewerberinnen und Bewerbern zu überprüfen, bevor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen wird. Durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen können Betriebe ohne langfristige Mittelbindung häufig auch Jobs anbieten, die sonst vielleicht nicht finanzierbar gewesen wären. Darüber hinaus haben Befristungen für Betriebe zudem den Vorteil, dass sie (Entlassungs-)Kosten vermeiden können, die gegebenenfalls im Rahmen des allgemeinen oder tarifvertraglich erweiterten Kündigungsschutzes entstehen können … Als weiteres wichtiges betriebliches Motiv für befristete Neueinstellungen ist zudem ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften etwa infolge temporärer Auftragsspitzen zu nennen … Die Tatsache, dass Betriebe befristete Neueinstellungen vornehmen können, kann u.a. darin begründet sein, dass Betriebe über Marktmacht verfügen, die den Abschluss von befristeten Verträgen erleichtert.«

Mit Blick auf das Jahr 2024: In Betrieben mit bis zu 75 Beschäftigten erhalten rund 22 Prozent der neu eingestellten Personen einen befristeten Vertrag. In Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten zeigt sich auch im Jahr 2024 ein deutlich erhöhter Befristungsanteil bei Neueinstellungen. Rund 29 Prozent der Neueinstellungen sind hier zunächst befristet. Es zeigt sich in beiden Gruppen, dass ein relativ großer Anteil der Befristungen ohne Angabe eines Sachgrunds erfolgt. Zu vermuten ist, dass der Grund für diese Art von Befristungen mehrheitlich eine verlängerte Probezeit darstellt (hier ist ergänzend anzumerken, dass die Vereinbarung einer Probezeit bei sonst unbefristetem Arbeitsvertrag keine befristete Neueinstellung darstellt).

Differenziert nach dem Einstellungsgrund wird deutlich, dass im Jahr 2024 der Befristungsanteil von Neueinstellungen bei vorübergehendem Ersatz- oder Mehrbedarf mit 78 beziehungsweise 56 Prozent weiterhin sehr hoch liegt. Bei längerfristigem Ersatz- oder Mehrbedarf war der Befristungsanteil mit 23 bis 24 Prozent auf einem wesentlich niedrigeren Niveau.

Fußnote

  1. Die IAB-Stellenerhebung wird als repräsentative Quartalsbefragung im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung durchgeführt. Die Erhebung erfolgt seit 1989 im vierten Quartal jedes Jahres schriftlich mit einem mehrteiligen Fragebogen. Es handelt sich um die einzige Erhebung in Deutschland, die repräsentativ die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs misst und Informationen zu den betrieblichen Rekrutierungsprozessen erhebt. Seit dem vierten Quartal 2005 wird die Zahl der offenen Stellen für jedes Quartal erhoben. In der Hauptbefragung im vierten Quartal jeden Jahres werden jeweils etwa 7 Prozent der deutschen Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angeschrieben. Der endgültige Rücklauf liegt im vierten Quartal zwischen 11.500 und 20.850 auswertbaren Fragebögen. Auf dieser Basis lassen sich repräsentative Aussagen getrennt für Ost- und Westdeutschland für 6 Betriebsgrößenklassen bzw. 24 Wirtschaftszweige treffen. Bei den Angaben aus der IAB-Stellenerhebung handelt es sich nicht um administrativ erfasste Zahlen, sondern um hochgerechnete Werte aus einer Stichprobe, die mit einer gewissen Ungenauigkeit einhergehen. Bei der Interpretation sollte deshalb auch hier berücksichtigt werden, dass sich Veränderungen der Zahlenwerte zum Teil im Bereich des Stichprobenfehlers bewegen. Die Befristungsquoten auf Basis der IAB-Stellenerhebung beziehen sich auf alle sozialversicherungspflichtigen Neueinstellungen (ohne Auszubildende) der vergangenen 12 Monate. ↩︎