Mehr als 120.000 Beschäftigte arbeiten und schwitzen bei den Großen der Systemgastronomie, die vor allem mit Namen wie McDonald’s oder (vom Umsatz her mit Abstand) Burger King verbunden wird. Wir sprechen hier über eine Branche, deren Gesamtumsatz im Jahr 2023 mit 31 Milliarden Euro angegeben wird (+14 Prozent zu 2022). Der umsatzstärkste Anbieter in der deutschen Systemgastronomie ist McDonald’s, für 2023 wird ein Umsatz allein dieses Unternehmens in Höhe von 4,8 Mrd. Euro in 1.430 Schnellrestaurants, von denen der Großteil von Franchisepartnern geführt wird. Lediglich etwa 6 Prozent der Filialen werden direkt von McDonald’s selbst betrieben.
Immer wieder werden systemgastronomische Unternehmen in der Berichterstattung mit Blick auf die Arbeitsbedingungen kritisch behandelt, vor allem, was die Vergütung der dort Beschäftigten angeht. Immerhin sind viele der systemgastronomischen Unternehmen im Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) organisiert – laut eigenen Angaben vertritt der Verband über 830 Mitgliedsunternehmen – und der ist seit 2007 Tarifpartner für die hier zuständige Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten (NGG), mit der man einen bundesweit geltenden Entgelt- und einen Manteltarifvertrag abgeschlossen hat.
Man kann sich gut vorstellen, dass Tarifverhandlungen in dieser Branche auch dadurch erschwert sind, dass die Gewerkschaft NGG über keinen für die Arbeitgeberseite spür- oder gar schmerzhaften Organisationsgrad unter den dort Beschäftigten verfügt, was natürlich eventuelle Arbeitskampfdrohungen relativieren. Das kennt man auch aus vielen anderen Niedriglohnbranchen.
Gut ein Jahr sind vergangen zwischen der ersten Forderung der Gewerkschaft und dem nun erzielten Abschluss. Ein zäher Prozess, an dessen Ende nunmehr ein Tarifabschluss auf der Grundlage eines Schlichterspruchs steht. Schauen wir zuerst auf die Chronologie (wie immer bietet sich hier als systematische und hilfreiche Quelle die laufende Tarifverhandlungs- und -abschlussberichterstattung des WSI-Tarifarchivs an). Wie immer stehen am Anfang ambitionierte Forderungen seitens der Gewerkschaften, die dann im weiteren Gang des Prozesses eingedampft werden:
»Die NGG forderte am 22.03.2024 für die Systemgastronomie eine Erhöhung der Entgelte um mind. 500 €/Mon. bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Zudem soll die unterste Entgeltgruppe TG 1 auf mind. 15 €/Std. angehoben werden. Außerdem fordert die NGG die Vereinbarung einer Abstandsklausel zum gesetzlichen Mindestlohn. Weitere Forderungen umfassen eine verbesserte Durchlässigkeit der Tarifgruppen, den Wegfall der Tarifgruppe 3, eine Bonuszahlung für die Übernahme von Ausbildertätigkeiten sowie eine Einmalzahlung von 500 € für NGG-Mitglieder.«
Im Juli 2024 ging es dann los mit den Verhandlungen und in der 1. Verhandlungsrunde am 16.07.2024 haben dann die Arbeitgeber ihre Angebot vorgelegt: Das Angebot sah nach sechs Nullmonaten eine Anhebung der Vergütungen ab Januar 2025 vor, gefolgt von weiteren Stufenerhöhungen bis Ende 2028 um insgesamt 16,3 Prozent. Für die Tarifgruppe 1 hätte dies eine Erhöhung von 1,26 Euro/Stunde bedeutet. Die NGG wies dieses Angebot zurück.
Drei weitere Verhandlungsrunden gab es dann im September, November sowie Anfang Dezember 2024. Bei der Verhandlungsrunde im Dezember 2024 wurden die Gespräche seitens NGG bereits am ersten Tag abgebrochen. Die NGG kündigte daraufhin bundesweite Warnstreiks an, bereits seit dem Sommer hatte es immer wieder vereinzelte Aktionen gegeben.
Anfang Januar 2025 wurde über die stockenden Verhandlungen berichtet, so beispielsweise in diesem Artikel: McDonalds und Co.: Beschäftigte drängen auf mehr Lohn. Der beginnt mit der Stimme eines Beschäftigten: »Ercan Burgu ist gestresst. Der Betriebsrat arbeitet bei Burger King im westfälischen Kamen beim Franchisenehmer Schlossburger GmbH. In seiner Filiale und generell bei Burger King ist die Stimmung »nicht so gut« … Es fehlt händeringend an Personal, gerade zum stressigen und umsatzstarken Feiertagsgeschäft war das wieder spürbar. »Viel zu wenig. Wir dürfen auch keine Neuen einstellen, damit wir Kosten sparen«, berichtet Burgu. Ähnlich soll es auch bei anderen Fast-Food-Ketten zugehen.«
Und Samir Boudih von der NGG aus Dortmund wird mit diesen Worten zitiert, die zugleich eine interessante Verbindung zum derzeit mal wieder heftig diskutierten gesetzlichen Mindestlohn aufzeigen: »Wir haben keinen Druck, denn der Mindestlohn steigt schneller als die Tariferhöhungen, die vom Arbeitgeberverband angeboten wurden.« Der noch nachwirkende Tarifvertrag sieht einen Abstand von 0,20 Euro zum gesetzlichen Mindestlohn vor. Der stieg zum ersten Januar auf 12,82 Euro. Heißt also: automatische Lohnerhöhung auf 13,02 Euro – ohne neuen Tarifvertrag. Die Systemgastronomie ist also eine klassische Niedriglohnbranche, zudem stark migrantisch geprägt.
Und es geht weiter – mit einem wichtigen rückblickenden Hinweis, der bedeutsam ist für die Einordnung des mittlerweile erreichten neuen Tarifabschlusses:
»Aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre haben die Beschäftigten starke Reallohneinbußen erlitten. »Der aktuell wirkende Tarifvertrag wurde im März 2020, kurz vor dem ersten Lockdown, abgeschlossen. Damals lag der gesetzliche Mindestlohn bei 9,35 Euro. Unsere Forderung war es damals, einen tariflichen Lohn in Höhe von mindestens 12 Euro zu erreichen, weil das damals noch als armutssicherer Lohn galt.« Im Gegenzug verpflichtete sich die Gewerkschaft zu einer langen Laufzeit des Tarifvertrags von vier Jahren. »Das war die Pille, die wir dafür schlucken mussten«, sagt Boudih von der NGG. In anderen Branchen beträgt sie meist zwei Jahre. Damals sei nicht absehbar gewesen, dass der gesetzliche Mindestlohn die ersten drei Entgeltgruppen im Tarifvertrag überholen würde.«
Auch die 5. Verhandlungsrunde Ende Januar 2025 führte zu keinem Ergebnis. Anfang Februar verständigten sich die Gewerkschaft NGG und der Bundesverband der Systemgastronomie auf den Versuch, den Tarifkonflikt im Rahmen einer Schlichtung beizulegen. Den Vorsitz übernahm Harald Wanhöfer, Präsident des Landesarbeitsgerichts München.
Im Zuge der Schlichtung, die am 11.03. begann, haben sich die Gewerkschaft NGG und der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) am 12.03.2025 auf einen Abschluss geeinigt.
Und wie sieht der aus? Hier die wichtigsten Komponenten – und natürlich muss man die mit den Forderungen der Gewerkschaftsseite aus dem März 2024 vergleichen. Aber man muss zugleich auch den Mindestlohn-Aspekt im Hinterkopf behalten:
Tarifabschluss in der Systemgastronomie: Der neue bis zum 31. Dezember 2026 laufende Tarifvertrag sieht eine dreistufige Entgelterhöhung für die rund 120.000 Beschäftigten der Systemgastronomie vor. Für die untersten Tarifgruppen 1-3 erhöhen sich die Entgelte wie folgt: Tarifgruppe 1: ab 1.3.2025 13,50 Euro; ab 1.1.2026 13,90 Euro; ab 1.10.2026 14,30 Euro Tarifgruppe 2: ab 1.3.2025 13,65 Euro; ab 1.1.2026, 14,00 Euro; ab 1.10.2026 14,50 Euro Tarifgruppe 3: ab 1.3.2025 13,75 Euro; ab 1.1.2026, 14,10 Euro, ab 1.10.2026 15,00 Euro Darüber hinaus einigten sich NGG und BdS auf eine Abstandsregelung zum gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 20 Cent für Tarifgruppe 1, 35 Cent für Tarifgruppe 2 und 45 Cent für Tarifgruppe 3. Die Auszubildendenentgelte erhöhen sich in drei Schritten auf bis zu 1.167 Euro im ersten, 1.304 Euro im zweiten und 1.456 Euro im dritten Ausbildungsjahr. |
Nach acht Nullmonaten (Juli 2024 – Februar 2025) steigen die Vergütungen um 6,8 Prozent ab 01.03.2025, gefolgt von zwei Stufenerhöhungen von 2,9 Prozent ab 01.01.2026 und weiteren 8,6 Prozent ab 01.10.2026 (jeweils im Durchschnitt). Die Gewerkschaft NGG hat das dann so „verdichtet“: »Die rund 120.000 Beschäftigten dürfen sich über eine Lohnplusspanne von 9,8 bis 18,73 Prozent in den jeweiligen Tarifgruppen freuen.« Dabei muss man natürlich die Laufzeit insgesamt berücksichtigen, die Prozentwerte beziehen sich nicht auf ein einzelnes Jahr und sofort. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrages beträgt 30 Monate.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über einen gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 interessant: Lediglich die Tarifgruppe 3 würde frühestens im Oktober 2026 die 15 Euro erreichen. Selbst wenn die Mindestlohnkommission im Sommer 2025 nicht auf 15 Euro ab 2025 kommen wird bei ihrer Empfehlung – eine nachlaufende Tariflohnanpassung des Mindestlohns müsste bei 14 Euro plus landen. Hier werden also im Niedriglohnsektor weiterhin Tarifverträge geschlossen, die Beträge vorsehen, die unterhalb des (zu erwartenden) Mindestlohnes liegen. Das wird natürlich auch gesehen, deshalb hat man sich auf eine „Abstandsregelung“ von überschaubaren 20 bis 45 Cent pro Stunde in den ersten drei Tarifgruppen zu einem Mindestlohn verständigt, der den neuen Tarifabschluss (erneut) überholt.
Zugleich ist die Hilferegelung mit dem Cent-genauen Abstand zum untersten Lohn für alle ein Hinweis darauf, wo und weshalb viele Arbeitgeber mit dem Mindestlohn und den 15 Euro hadern – der wahre Lohndruck entsteht bei ihnen knapp oberhalb der Mindestlohnschwellen, denn das Gefüge darüber muss entsprechend nach oben angepasst werden, zumindest wird der entsprechende Druck steigen.
Die Arbeitgeberseite ist offensichtlich zufrieden – Markus Suchert, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BdS, wird mit den entscheidenden Worten zitiert: „Der Tarifabschluss sorgt für Planungssicherheit“ und er meint damit die wieder einmal lange Laufzeit des neuen Tarifvertrages.