Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter nimmt (mal wieder) deutlich zu. Und was das (auch) mit der Ukraine zu tun hat

Wenn über „die“ Grundsicherung berichtet und debattiert wird, dann geht es fast ausschließlich um eines der Grundsicherungssysteme, das SGB II (Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende). Es gibt aber auch noch die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter nach dem SGB XII, also dem Sozialhilferecht – es handelt sich um eine bedarfsorientierte und bedürftigkeitsgeprüfte Fürsorgeleistung.

Die Grundsicherung im Alter ist gleichsam das „Hartz IV“ bzw. das „Bürgergeld“ für die älteren Menschen, die nach dem Überschreitung der gesetzlichen Altersgrenze nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen. Oftmals wird in den Medien und in der Politik (auch in Teilen der Wissenschaft) der Bezug von Grundsicherung im Alter mit „Altersarmut“ gleichgesetzt (und in der Regel mit dem Hinweis verbunden, das diese doch bei uns sehr gering sei, weil sich nur ein überschaubarer Anteil an älteren Menschen im Grundsicherungsbezug befindet), was aber eine fehlerhafte Verengung darstellt, denn das wahre Ausmaß an Altersarmut ist um ein Vielfaches größer als es die Grundsicherungsquote (im Dezember 2023 lag diese Quote bundesweit bei 3,9 %), denn zum einen haben wir (immer noch) eine erhebliche Nicht-Inanspruchnahme von ans sich zustehenden Leistungen, außerdem wird die Altersarmut bzw. das Altersarmutsrisiko richtigerweise gemessen an einem relativen Einkommensarmutsbegriff, so dass wir von einer „Armutsgefährdungsquote“ (so nennen das die Statistiker ganz korrekt) der älteren Menschen von mehr als 18 Prozent ausgehen müssen.

Wenigstens einmal im Jahr taucht die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und vor allem im Alter mit Sicherheit für einen dieser kurzen Momente am Rande des Schweinwerferlichts der öffentlichen Aufmerksamkeit auf. Wenn die neuesten Zahlen der Empfänger dieser Sozialhilfeleistung bekannt gegeben werden. Der „Tradition“ folgend geschieht das immer mit Blick auf das jeweilige Jahresende, weil diese Zahl früher nur einmal im Jahr (immer mit Stand Ende Dezember eines Jahres) veröffentlicht wurde (mittlerweile kann man beim Statistischen Bundesamt auch die Monatsdaten abrufen).

Rund 1,26 Millionen Personen haben im Dezember 2024 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen, meldet das Statistische Bundesamt Ende März 2025. Das seien 4,1 Prozent mehr als im Dezember 2023 gewesen. Aber es geht natürlich noch etwas genauer: »Von Ende 2023 bis Ende 2024 stieg ausschließlich die Empfängerzahl bei der Grundsicherung im Alter, während die Zahl der Empfängerinnen und -empfänger von Grundsicherung bei Erwerbsminderung konstant blieb.«

Schauen wir uns die Entwicklung der Empfängerzahlen in einer langen Zeitreihe an:

Betrachtet man nur die Entwicklung bei der Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter, dann sehen wir für 2024 einen Anstieg um 7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Welche Gründe werden von den Bundesstatistikern genannt, um den doch erheblichen Anstieg der Empfängerzahlen zu erklären?

➔ Als ein Ursache wird eine im Vergleich zu den Vorjahren überdurchschnittliche Anhebung der Regelsätze zum 1. Januar 2024 genannt, denn die führte zu einem größeren Kreis von Leistungsberechtigten. So gilt beispielsweise für Alleinstehende seitdem ein um 61 Euro erhöhter Regelsatz von monatlich 563 Euro (+12,2 Prozent). Dadurch sind einige, die bislang knapp oberhalb der Grundsicherungsschwelle lagen, in den Leistungsbezug „reingerutscht“.

Und da sind sie, die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bzw. ein Teil von ihnen

➔ Die Zahl leistungsberechtigter Geflüchteter aus der Ukraine stieg von rund 87 .00 im Dezember 2023 auf insgesamt rund 99.000 im Dezember 2024 und damit um 14,6 Prozent. Dieser Anstieg hatte somit erneut maßgeblichen Anteil an der Gesamtentwicklung, wenn auch etwas weniger stark als im Vorjahr (Dezember 2023: +18,8 Prozent gegenüber Dezember 2022). Seit dem 1. Juni 2022 haben Geflüchtete aus der Ukraine unter den üblichen Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bei den Erwerbsfähigen und bei den Älteren bzw. den voll Erwerbsgeminderten nach dem SGB XII anstatt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Die Integration der – entsprechend den üblichen Voraussetzungen anspruchsberechtigten – Ukrainer in das Grundsicherungssystem SGB XII (neben der „normalen“ Grundsicherung nach SGB II für die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten) erklärt also einen großen Anteil der Steigerung.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der vom Statistischen Bundesamt nicht als Einflussfaktor erwähnt wird, sehr wohl aber an anderer Stelle:

Die „Grundrente“ hat auch ihren Anteil

Bereits im Herbst des vergangenen Jahres gab es solche Meldungen: Neuer Rekord bei Grundsicherung im Alter: »728.990 Rentner bezogen zum Ende des 2. Quartals 2024 Grundsicherung im Alter – so viele wie nie zuvor. Allein im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Ruheständler, die auf das Sozialamt angewiesen sind, um 37.000 gestiegen.« Auch damals wurde auf die zunehmende Zahl von Leistungsberechtigten aus der Ukraine hingewiesen. Aber auch auf einen weiteren Einflussfaktor:

Laut Deutscher Rentenversicherung hänge der Anstieg auch mit einer Gesetzesreform zusammen, von der Rentner mit niedrigen Bezügen profitieren würden. Personen mit Anspruch auf die Grundrente erhalten seit 2021 einen Freibetrag in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Grundrente nicht vollständig auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird und die Bezüge entsprechend geschützt sind.

Durch die Freibetragsregelung können Personen, die zuvor knapp über der Grundsicherungsgrenze lagen, unter diese Grenze fallen und somit Anspruch auf Grundsicherung erlangen. Dies führt dazu, dass nun auch Menschen Anspruch auf Grundrente haben, die zuvor ein zu hohes Einkommen hatten, um entsprechende Sozialleistungen zu beziehen. Die Freibetragsregelung ist in § 82a SGB XII festgelegt.

Freibetrag für Personen mit Grundrentenzeiten in der Grundsicherung für Ältere: Wenn 33 Jahre Grundrentenzeiten oder vergleichbare Zeiten erfüllt sind, bleiben von der gesetzlichen Rente monatlich 100 Euro bei der Einkommensanrechnung auf die Sozialleistung unberücksichtigt. Ist die Rente höher als 100 Euro, werden vom übersteigenden Betrag zusätzlich 30 Prozent als Freibetrag berücksichtigt. Der Freibetrag ist auf einen Betrag von 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 gedeckelt. Aktuell sind das 281,50 Euro monatlich (Stand: seit dem 1. Januar 2024).

Bei der Deutschen Rentenversicherung findet man dieses Beispiel zur Veranschaulichung:
➔ »Sie haben mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten erfüllt und Ihre monatliche Bruttorente beträgt 750 Euro. Hiervon wären 100 Euro anrechnungsfrei. Von den verbleibenden 650 Euro würden 30 Prozent nicht angerechnet. 30 Prozent von 650 Euro betragen 195 Euro. Es ergäbe sich ein nicht anzurechnendes Einkommen von 295 Euro. Mit diesem Betrag würden 50 Prozent des Regelsatzes zur Grundsicherung überschritten. Der Freibetrag für die Grundsicherung oder dem Wohngeld wäre daher auf 281,50 Euro zu begrenzen. Das bedeutet: von Ihrer Rente in Höhe von 750 Euro würden nur 468,50 Euro (750 Euro – 281,50 Euro) auf die Grundsicherung oder das Wohngeld angerechnet.«

Und schon ist man mitten drin in den Tiefen bzw. Untiefen der modernen sozialrechtlichen Regelungen, wo mit Frei- und sonstigen Beträgen jongliert wird.

➔ Und zur Abrundung der Thematik ein kurzer Blick auf die Ausgaben: Für das Jahr 2023 werden für die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter nach SGB XII insgesamt Nettoausgaben in Höhe von 10,1 Mrd. Euro ausgeweisen. Nun könnte man meinen, dass die Kommunen als Träger der Sozialhilfe diese erhebliche Summe aus dem kommunalen Haushaltstopf zu stemmen haben, denn die sind ja auch über die Sozialämter zuständig für die Leistungsbewilligung und -gewährung. Dem ist ab nicht so, denn seit 2014 gibt es sogar eine vollständige Erstattung der Nettoausgaben aus Bundesmitteln. Nun wird der eine oder andere an dieser Stelle zu Bedenken geben, dass nach Art. 104a Abs. 1 GG doch gilt, dass Bund und Länder getrennte Finanzierungsverantwortungen haben, und eigentlich gibt es keine direkten Finanzströme vom Bund zu den Kommunen. Das ist auch richtig, aber § 46a SGB XII regelt die Kostenerstattung durch den Bund – genauer: der Bund erstattet die gemeldeten Nettoausgaben den Bundesländern. Die Länder sind dann verpflichtet, diese Mittel zeitnah und vollständig an die kommunalen Träger (also Städte und Landkreise) weiterzuleiten.

Das bleibt weiter konstant: Ein sich in der Zukunft (wahrscheinlich) verstärkendes Drama

Im Juli 2023 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Ein erheblicher Anstieg der Zahl älterer Menschen in der Grundsicherung, aber (noch) kein Grund zur quantitativen Dramatisierung. Am Ende findet man diese Einschätzung, die auch im April 2025 ihre Gültigkeit nicht verloren hat:

»Wenn sich am bestehenden Alterssicherungssystem nichts fundamental verändern sollte, dann wird es in den kommenden Jahren einen erheblichen Zustrom in das Grundsicherungssystem geben müssen von den vielen, die trotz langer Erwerbsarbeitszeiten keine über den Bedarfsschwellen der Sozialhilfe liegenden Rentenansprüche aufbauen konnten (und denen oft zusätzliche Einkommensquellen im Alter wie Betriebsrenten oder gar Vermögenseinkünfte fehlen). Hinzu kommen auch die vielen Zuwanderer, denen es nicht gelingen wird, ausreichende Rentenansprüche im System der gesetzlichen Rentenversicherung aufzubauen.«