Das Renten-Wunder! Der Demografie-Kollaps bleibt aus! Ist jetzt doch alles gut bei der Rentenversicherung?

Da werden sich nicht wenige BILD-Zeitungsleser die Augen gerieben haben: In den typisch ganz großen Buchstaben hat ihnen die Zeitung, die ansonsten gerne auf den apokalyptischen Wellen reitet, vor allem wenn es um Soziales geht, eine solche Schlagzeile etwas verfrüht in die vor die Tür gestellten Nikolaus-Schuhe gesteckt: Renten-Überraschung! Und wenige Zeilen später dann sogar im Fettdruck: Das Renten-Wunder! Was ist passiert?

Die BILD-Leser werden mit Hammer-Nachrichten versorgt, die bei nicht wenigen das vorher in vielen Jahren einzementierte Weltbild des ganz bald in sich zusammenbrechenden Renten-Gebäudes schwer erschüttern muss: »Mega-Rentenerhöhungen, gigantische Rücklagen, stabiler Beitrag – die Rente entwickelt sich viel besser als Experten und Regierung in den vergangenen Jahren schwarzgemalt haben! Und jetzt? Zeichnet sich auch noch ab, dass der prognostizierte Demografie-Kollaps ausbleibt!« Da ist doch nun wirklich nach den langen Jahren des Kaputt-Redens der gesetzlichen Rente ein rentenpolitisches Halleluja fällig. Oder?

Schauen wir uns einmal die Begründung für diese das Herz des Sozialpolitikers mit positiven Schwingungen füllenden Nachricht genauer an: »Seit Jahren warnen die Experten vor einem dramatischen Anstieg der Arbeitnehmerbeiträge. Im Rentenversicherungsbericht von 2009 hat die Bundesregierung für die nächsten 15 Jahre düstere Zeiten vorhergesagt. Für 2023 erwartete sie einen Beitrag von 20,6 (!) Prozent. Selbst im Rentenbericht von 2021 wurde schon für kommendes Jahr ein Beitrags-Anstieg auf 19,5 Prozent prognostiziert. Jetzt zeigt sich: Das alles war viel zu pessimistisch!« Den Fettdruck für die müden Augen findet man im Original-Artikel, den Dirk Hoeren verfasst hat. »Tatsächlich liegt der Beitrag seit sieben Jahren schon bei 18,6 Prozent – und soll das bis einschließlich 2027 so bleiben. Die Chefin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, zu BILD: „Es ist gelungen, den Beitragssatz entgegen den Prognosen über einen längeren Zeitraum stabil zu halten.“«

Und nicht nur die zuständige Versicherungsanstalt streut die gute Nachricht unter das Volk. »Auch der Sozialbeirat der Bundesregierung stellt in seinem jüngsten Gutachten fest, dass die Entwicklung der Rentenfinanzen auch längerfristig „günstiger als in den Vorjahren angenommen“ ausfällt.« Und es ist nicht nur der Beitragssatz, der sich besser darstellt als erwartet – auch die Rentner und Rentnerinnen hat es viel besser getroffen:

»2009 sagte die Regierung einen Anstieg der Renten bis heute um rund 25 Prozent voraus. Die sogenannte Eckrente (nach 45 Jahren Durchschnittsverdienst) sollte von 1224 auf 1533 Euro steigen. Tatsächlich liegt die Eckrente heute bei 1692 Euro. Sie ist damit um 38 Prozent gestiegen, allein in diesem und im vergangenen Jahr legten die Renten um fast zehn Prozent zu.«

Und seien wir ehrlich – wer kann gerade in diesen Tagen, in denen eine Bundesregierung, der vom Bundesverfassungsgericht offensichtlich eine volle Breitseite verpasst wurde, (fast jeden, auf alle Fälle die sozialen) Steine in der Republik umzudrehen versucht, in der Hoffnung, dort die eine oder andere der akut fehlenden Milliarden für die gerupften Staatsfinanzen auftreiben zu können, nicht begeistert sein bei solchen positiven Nachrichten:

»Statt des für dieses Jahr erwarteten Defizits in der Rentenkasse von einer Milliarde Euro gibt es einen Überschuss von einer Milliarde Euro. Der Sozialbeirat stellt in seinem Gutachten fest, dass die Rentenkasse aktuell „finanziell solide aufgestellt ist“.«

Aber die Demografie? Ist nicht über viele Jahre im Brustton der unerschütterlichen Überzeugung vorhergesagt worden, dass die vor unseren Augen ablaufende demografische Entwicklung (Immer mehr und dann auch noch immer länger lebende Alte und immer weniger werdende Junge!) dazu führen muss, dass wir die Renten nicht mehr werden finanzieren können? Oder wenn man nichts ändert, dass die ausgedünnten Jahrgänge der Jüngeren unter dem Joch sie überfordernder Zwangsabgaben für die vielen Alten werden darben müssen?

Und dann das: »Der von vielen Experten vorhergesagte Alters-Kollaps fällt aus. Das Statistische Bundesamt hat in seiner neuesten Bevölkerungsvorausberechnung bisherige Annahmen korrigiert. Zwar soll der Anteil der Älteren an der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten steigen, aber längst nicht so dramatisch wie bisher gedacht.« Und die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung wird dann abrundend mit diesen Worten zitiert: „In den nächsten Jahren wird die demografische Belastung deutlich weniger zunehmen als bisher erwartet.“

Handelt es sich um ein in die Adventszeit passendes Wunder oder was ist hier (wirklich) los?

Die empirische Basis des angeblichen Renten-Wunders ist zum einen der Rentenversicherungsbericht 2023 der Bundesregierung sowie die Stellungnahme zu diesem Bericht im Jahresgutachten 2023 des Sozialbeirats. Im Rentenversicherungsbericht gibt es Vorausberechnungen der Einnahmen, der Ausgaben und des Vermögens (S. 28 ff.) – mittelfristig für die Jahre von 2023 bis 2027 und langfristig bis 2037. Zu diesen Rechnungen nimmt der Sozialbeirat der Bundesregierung Stellung und macht gleich die wissenschaftlich notwendige Einschränkung:

»Bei den im Rentenversicherungsbericht dargestellten Entwicklungen handelt es sich um Ergebnisse aus Vorausberechnungen. Grundlage dieser Berechnungen sind Annahmen über die wirtschaftliche und demografische Entwicklung. Etwaige zukünftige Änderungen der Gesetzeslage bleiben unberücksichtigt. Von daher sind die Vorausberechnungen nicht als Prognose zu verstehen. Sie vermitteln vielmehr eine Vorstellung künftiger Entwicklungen unter den getroffenen Annahmen.« (Sozialbeirat 2023: 4). Und weiter: »Der Sozialbeirat hält die getroffenen Annahmen und das Vorgehen grundsätzlich für plausibel.«

Was von diesen Annahmen erklärt denn die im Vergleich zu früheren Rentenversicherungsberichten mit ihren Vorhersagen günstigere Entwicklung, die für die Finanzen erwartet werden?

Um es auf den Punkt zu bringen: Es sind

➞ neben einer Korrektur der Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes (koordiniert mit den Statistischen Landesämtern)

➞ auch die ausgesprochen gute (und in die Zukunft verlängerte) Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen Jahre,

die im Ergebnis dazu führen, dass sich die bislang pessimistischen Vorhersagen etwas aufgehellt haben.

Was ist nun an der demografischen Entwicklung anders als vorher?

Zum einen kommen hier die“ sogenannten „Bervölkerungsvorausberechnungen“ des Statistischen Bundesamtes ins Spiel. Denn auf diesen in mehrjährigen Abständen aktualisierten Vorausberechnungen werden nicht nur die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen, sondern auch die Altersstruktur und die Zu- und Abwanderungen abgeleitet, die man dann wiederum in Verbindung mit anderen Annahmen wie der Entwicklung der Erwerbsquoten nach Geschlecht und Alter unterstellen muss bei der Berechnung des Finanzbedarfs wie auch der maßgeblichen Beitragsquellen für die Rentenversicherung.

Und der Blick zurück auf die bisher vorgelegten Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes verdeutlichen, wie man sich im Laufe der Zeit geirrt hat. Dazu nur als ein Beispiel die im April 2023 vom IAQ veröffentlichte Ausarbeitung Die Vorausberechnungen im Vergleich – deutlich höhere Bevölkerungszahlen als noch vor 10 Jahren angenommen. Wie weit die Zahl der (erwarteten) Bevölkerung voneinander abweicht je nach Erstellungsdatum der Berechnungen, verdeutlicht die erste Abbildung aus der Zusammenstellung des IQA:

Wenn wir uns nur einmal auf das Jahr 2030 beschränken – das ist nicht weit hin und man kann hier auf festem Boden Vorausberechnungen machen. In der 12. Vorausberechnung (die auf dem Bevölkerungsstand des Jahres 2008 basiert) wurden für das Jahr 2030 nur noch 79 Millionen Menschen in Deutschland vorausberechnet – in der 15. Bevölkerungsvorausberechnung (ausgehend vom Bevölkerungsstand Ende 2021) sind es hingegen mit 84,7 Mio. Menschen sogar mehr als noch heute. Man kann in der Abbildung auch erkennen, dass die älteste der hier dargestellten Vorausberechnungen (also die 12.) für das Jahr 2020 nur noch 80,4 Mio. Einwohner berechnet hat, waren es in Wirklichkeit dann gut drei Millionen Menschen mehr. Das sind natürlich ganz erhebliche Abweichungen.

Und die gibt es dann auch unvermeidbar bei den erwerbsfähigen Menschen, die also dem Arbeitsmarkt (nicht) zur Verfügung stehen oder dies tun könnten. Auch hier sind die Differenzen ganz erheblich:

Schauen wir in das Jahresgutachten des Sozialbeirats, der ja Stellung nehmen muss zu den Annahmen im Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung (aus der dann die positiver daherkommenden Vorhersagen stammen). Im Jahresgutachten 2023 des Sozialbeirats heißt es: »Die Annahmen zur demografischen Entwicklung basieren auf den Ergebnissen der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (2022). Gegenüber dem letzten Rentenversicherungsbericht haben sich die diesbezüglichen Annahmen kaum verändert.« Aber man habe darüber hinaus die tatsächliche Entwicklung am aktuellen Rand berücksichtigt – und hier hat es vor allem bei einem der drei Einflussfaktoren auf die demografische Entwicklung (also Geburtenrate, Lebenserwartung und Wanderungssaldo) eine erhebliche Veränderung gegeben:

»Die Nettozuwanderung fiel 2022 mit rund 1,5 Mio. Personen höher aus als zuvor erwartet (+200.000 Personen). Dies lag im Wesentlichen an der hohen Fluchtzuwanderung aus der Ukraine infolge des dortigen Krieges. Bis 2033 soll die Nettomigration auf jährlich 250.000 Personen zurückgehen und dann auf diesem Niveau bleiben. Dies entspricht einem Anstieg um 35.000 Personen pro Jahr gegenüber der letzten Vorausberechnung.«

Und der Sozialbeirat sichert sich mit Blick auf die immer unsichere Zukunft mit diesem Disclaimer ab: Der Sozialbeirat »weist aber auf die Unsicherheit der demografischen Entwicklung hin, die sich vor allem aus den Annahmen zum Volumen der Netto-Zuwanderung ergibt.«

Von allen drei Einflussfaktoren auf die demografische Entwicklung ist der Wanderungssaldo (also Zuzüge nach abzüglich der Fortzüge aus Deutschland) der volatilste und am schwersten zu modellierende Faktor. Bereits ein flüchtiger Blick auf die langfristige Entwicklung des Wanderungsgeschehens kann verdeutlichen, wie ungleichmäßig und mit welchen Streubreiten sich der Wanderungssaldo über die Jahre darstellt.

Der Sozialbeirat weist mit Blick auf die vor allem aus den Löhnen und ihrer (teilweisen) Verbeitragung abgeleiteten Finanzsituation der Rentenversicherung darauf hin, dass nicht nur die (wie man sieht extrem schwankende) absolute Zahl an Zuwanderern von Bedeutung ist:

»Für die längerfristige Entwicklung der Rentenversicherung sind letztlich das Alter der Zu- und Abwandernden, deren Arbeitsmarktintegration und die dort erzielten sozialversicherungspflichtigen Entgelte relevant. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, inwieweit es gelingt, die Zugewanderten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies betrifft die Geschwindigkeit der Arbeitsmarktintegration und die Art der Tätigkeiten.« (S. 6). Das erhöht natürlich in mehrfacher Hinsicht das Unsicherheitspotenzial bei mittel-, vor allem aber bei längerfristig angelegten Vorhersagen, denn auch hier müssen multiple Annahmen den Modellrechnungen zugrundegelegt werden.

Ein Beispiel aus der Stellungnahme des Sozialbeirats: »Für den langfristigen Zeitraum bis 2037 unterstellt der Rentenversicherungsbericht, dass das Einkommens- und Altersprofil der Erwerbsbeteiligung von Zugewanderten demjenigen der bisher im Inland lebenden Personen entspricht. Der Sozialbeirat weist darauf hin, dass auch diese Annahme von Unsicherheit geprägt ist, da sich Art und Umfang der Arbeitsmarktintegration der Zugewanderten erheblich unterscheiden.« (S. 6).

Und mit Blick auf den für die Rentenversicherung so bedeutsamen vorgelagerten Arbeitsmarkt muss außerdem berücksichtigt werden, dass man hier keineswegs eine gleich bleibende Aufnahme- und Entwicklungskapazität annehmen kann und darf. So ist die Integration in den Arbeitsmarkt einfacher und wirkungsvoller zu gestalten, wenn die Zuwanderung a) gleichmäßig und b) ein bestimmtes Niveau nicht überschreitend stattfindet. Wenn man aber außergewöhnliche Zuwanderungswellen hat wie 2015 oder im Jahr 20022 mit über einer Millionen ukrainischer Flüchtlinge, dann ist es nicht unplausibel anzunehmen, das mehr Menschen durch den Rost fallen und beispielsweise in die hoch problematische Langzeitarbeitslosigkeit übergehen, während sie zu anderen Zeiten vielleicht deutlich schneller und überhaupt in den Erwerbsarbeitsmarkt eingetreten wären. Das ist alles komplex und natürlich auch mengenabhängig.

Für die Vergangenheit können wir jedenfalls erklären und verstehen, warum es nun zu einer etwas anderen Sichtweise auf die Entwicklung der Rentenversicherung gekommen ist. Die hier positiv wirkenden Effekte aus Demografie + Arbeitsmarkt haben

➞ zu mehr Beitragszahler
und
➞ zu weniger Rentner/innen

geführt. Das wird in der folgenden Abbildung eindrucksvoll illustriert:

Quelle: Paul M. Schröder (2023): Rentenversicherungsbericht 2023 und 2018 im Vergleich: Beitragszahler und Rentner im Jahr 2032, Bremen: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ), 24.11.2023

Hier wurde der Blick geworfen auf die im Rentenversicherungsbericht 2023 für 2032 erwartete Zahl der Beitragszahler und Rentner im Vergleich zu der im Rentenversicherungsbericht 2018 für 2032 erwarteten Zahl. Ergebnis:

»Im Rentenversicherungsbericht 2023 werden für das Jahr 2032 bei „mittlerer Lohn- und Beschäftigungsentwicklung“ 3,440 Millionen mehr Äquivalenzbeitragszahler (ÄB) und 674.000 weniger Äquivalenzrentner (ÄR) erwartet als im Rentenversicherungsbericht 2018.«1

Es ist klar, dass diese nach oben und unten korrigierten (vorausberechneten) Zahlen für 2032 zu einer entsprechend abweichenden Finanzentwicklung führen muss. Hier mal im Ergebnis positiv für die gesetzliche Rente.

Fazit: Zum einen ist die Bevölkerungsentwicklung weniger schlecht ausgefallen, als man bei früheren Bevölkerungsvorausberechnungen als Ergebnis herausbekommen hat. Das vor allem aufgrund der sehr dynamischen Wanderungsbewegungen. Zugleich muss man berücksichtigen, dass wir rückblickend eine wirklich gute Arbeitsmarktentwicklung erfahren haben, die dazu geführt hat, dass es noch nie so viele Beschäftigte (und damit auch Beitragszahler) gab wie gegenwärtig.

Dazu nur ein Zahlenbeispiel, um die Größenordnung dieser quantitativ positiven Beschäftigungsentwicklung zu illustrieren: Im Jahr 2000 gab es im Bundesland Rheinland-Pfalz 1.189.941 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, für 2023 werden aber 1.483.368 Beschäftigte ausgewiesen – das ist ein Anstieg von 25 Prozent innerhalb von 20 Jahren.

Ist die Rente also sicher? Die Antwort kann nur lauten, Ja, vorerst ist sie das.

Man sollte an dieser Stelle eine gewisse Unruhe mit Blick auf die (kommenden) Zahlen aber auch nicht verschweigen – vor allem hinsichtlich der unmittelbar vor uns liegenden zehn bis fünfzehn Jahre. Wir müssen da nichts vorausberechnen – die Menschen aus der Baby-Boomer-Generation, die in den kommenden Jahren altersbedingt den Erwerbsarbeitsmarkt verlassen werden, sind schon alle da. Und wir wissen, dass sich rechnerisch in den kommenden etwas mehr als zehn Jahren eine Lücke von gut sieben Millionen Arbeitskräfte (vor allem auch bei den generell und betriebsspezifisch ausdifferenzierten Fachkräfte, die sich nicht einfach, zuweilen überhaupt nicht substituieren lassen) auftun könnte. Könnte, wenn man gar nicht gegensteuern würde. Aber das, was an anderer Stelle immer wieder als Lösung für diese Arbeitskräftelücke vorgetragen wird (Zuwanderung und/oder die Erschließung von Potenzialen bei den Arbeitslosen oder den Niedriglohnbeschäftigten im Sinne einer Aufwärtsqualifizierung oder eine – weitere – Steigerung der Erwerbsquoten bei den Frauen) kann zur Lösung oder zumindest zur Teilkompensation der demografisch bedingten Ausfällen beitragen (vgl. beispielsweise die Darstellung bei Hellwagner et al. 2022: Wie sich eine demografisch bedingte Schrumpfung des Arbeitsmarkts noch abwenden lässt) – was aber bei genauerer Betrachtung erst einmal nur auf dem Papier, also rechnerisch ausgleichen kann, in der Praxis vor Ort wird davon lediglich ein Teil und oftmals nur mit erheblicher Zeitverzögerung auch ankommen.

So etwas muss man einfach in Rechnung stellen und das sollte einen doppelt zur Vorsicht mahnen: Zum einen natürlich gegen die seit langem bekannten und bewusst vorangetriebenen Instrumentalisierungen „der“ demografischen Entwicklung, über die man ganz andere Ziele verfolgt (wie Kürzungen bei Sozialleistungen oder eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters), wozu man dann wahrhaftige Schreckensgemälde an die Wand geworfen hat und wirft, um darüber eine Legitimationsgrundlage zu beschaffen, auf der man dann gegen eine umlagefinanzierte Rentenversicherung polemisieren und auch agieren kann. Zum anderen aber muss man dringlich davor warnen, dass die besondere demografische Entwicklung, die uns in den unmittelbar vor uns liegenden Jahren erwartet, ohne größere Komplikationen auf den Arbeitsmärkten weggesteckt werden kann. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht passieren, woraus sich dann weiterführende Diskussionen ergeben (müssten), beispielsweise wie man mit anhaltenden mangelwirtschaftlichen Lagen vor allem in personalintensiven Bereichen wie den personenbezogenen Dienstleistungen umgehen kann bis hin zu einer Auseinandersetzung über ungeplante und geplante Rationierung.

1 Wenn der eine oder andere irritiert sein sollte, warum hier nicht mit lebenden, sondern mit „Äquivalenzbeitragszahlern“ und „Äquivalenzrentnern“ gerechnet wird: Man gewichtet dadurch die Beitragszahler mit dem Durchschnittsentgelt der Rentenversicherung und den darauf entfallenden Beitrag. Und man normiert die Rentner auf den „Eckrentner“, der eine Regelaltersrente nach 45 Jahren bekommt.