Homeoffice bleibt. Für einige. Und damit auch die mindestens dreifache Polarisierung der Heimarbeit

Vor allem in den beiden ersten Corona-Pandemie-Jahren hat das Thema Homeoffice viele Menschen bewegt (und gleichzeitig ist das an vielen anderen Menschen vorbei gegangen, da deren Jobs schlichtweg nicht geeignet waren, hinter die eigenen bzw. gemieteten vier Wände verlagert zu werden, darunter waren – bevor der Begriff wieder aus dem kollektiven Gedächtnis ausgewaschen wird – viele der „systemrelevanten Berufe“, von den Pflegekräften und Ärzten über Erzieherinnen, Verkäuferinnen und Handwerker bis hin zu den Lkw-Fahrern).

Schaut man sich auf der Basis von Google Trends das Suchinteresse im Internet rund um den Begriff „Homeoffice“ an, dann erkennt man rückblickend für die vergangenen fünf Jahre die drei Phasen während der Pandemie, in denen es einen intensiven Orientierungsbedarf gegeben hat:

Methodische Anmerkungen zur Interpretation der Daten: Die bei „Interesse im zeitlichen Verlauf“ vergebenen Bewertungen stellen die relative Beliebtheit eines Begriffs in einem bestimmten Zeitraum dar. Dabei wird das maximal erreichte Suchvolumen für den Begriff gleich 100 gesetzt und alle anderen Suchvolumina entsprechend skaliert. Wenn also beispielsweise ein Begriff in den letzten 6 Monaten ein maximales Suchvolumen von 1.000.000 erreicht hat, dann werden die Punkte im Diagramm, die ein absolutes Suchvolumen von 500.000 aufweisen, mit der Punktzahl 50 dargestellt, da sie 50% des maximalen Suchvolumens bilden. Die Scores haben also keine absolute quantitative Bedeutung, sondern es handelt es sich um relative Werte. Somit können auch zwei verschiedene Begriffe in derselben Woche 80 Punkte erreichen, obwohl einer 1.000 Suchanfragen und der andere 1.000.000 Suchanfragen erhielt.

Am 23. Juni 2022 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Ein Viertel aller Erwerbstätigen hat 2021 im Homeoffice gearbeitet, darunter die einen viel und die anderen kaum. Erkennbar ist eine „dreifache Polarisierung“ der Heimarbeit. Darin wurde auf eine „dreifache Polarisierung“, die mit der teilweisen oder gar vollständigen Heimarbeit verbunden ist, hingewiesen:

➔ Zum einen der Tatbestand, auf den bereits frühzeitig in der Corona-Pandemie hingewiesen wurde (vgl. dazu nur als ein Beispiel den Beitrag Dann macht doch Heimarbeit … Ungleiches Arbeiten zu Hause (nicht nur in viralen Zeiten), der hier bereits am 18. März 2020 veröffentlicht wurde): Wir sind mit einer erheblichen sozialen Polarisierung bei den Möglichkeiten wie auch der tatsächlichen Inanspruchnahme von Arbeit zu Hause konfrontiert, die vereinfacht gesagt lautet: Je höher der formale Berufsabschluss und je höher das Erwerbseinkommen, desto höher ist auch der Anteilswert hinsichtlich Homeoffice.

Dazu ein Beispiel aus einer Auswertung der Homeoffice-Nutzung bei den abhängig Beschäftigten in Bayern im Jahr 2022:

➔ Eine zweite Polarisierung kann man nach den vorliegenden Forschungsbefunden erkennen innerhalb der Gruppe derjenigen, die Homeoffice in Anspruch nehmen können bzw. müssen. Und dabei gibt es einen Geschlechter-Bias, also für viele Mütter war das Homeoffice eine Möglichkeit, die in Pandemie-Zeiten teilweise unterbrochenen Betreuungs-, Bildungs- und Versorgungsarrangements (man denke hier nur an die Schul- oder Kita-Schließungen) mit der eigenen Berufstätigkeit zu kombinieren, woraus aber nicht selten Überforderungs- und Überlastungssituationen entstanden sind, was auch erklärt, dass viele dieser Betroffenen das Homeoffice ambivalent bis ablehnend einschätzen, wobei man berücksichtigen muss, dass das vor allem bei Ausfall der ansonsten funktionierenden Infrastruktur wie Kitas und Schulen der Fall ist, während es andere Beschäftigte gibt, die vor allem die ohne Zweifel vorhandenen Vorteile der Heimarbeit intensiv (aus)nutzen konnten und das auch gerne in die Zukunft prolongieren möchten.

➔ Hinsichtlich der dritten Polarisierung muss man darauf hinweisen, dass es (nur scheinbar) trivial ist, hervorzuheben, dass es auf der einen Seite homeofficefähige Betriebe gibt, andere hingegen haben – selbst wenn sie wollten – gar keine wirklichen Optionen, um die Homeoffice-Karte ziehen zu können, da die bei ihnen vorherrschenden Tätigkeiten eine körperliche Präsenz vor Ort zwingend mit sich bringt. 

Das wird auch in den aktuellsten Daten erkennbar. Zuvor aber noch der Hinweis, dass die Homeoffice-Nutzung durch die Corona-Pandemie nicht nur quantitativ einen Sprung nach vorne gemacht hat – und sich offensichtlich auf einen deutlich höheren Niveau als vor der Pandemie festzusetzen beginnt. Wenn auch eben nicht in allen Branchen. Es gab auch einen qualitativen Sprung, wenn wir an die nun auch selbstverständlicher gewordenen kollaborativen Arbeitsformen denken oder an die (eben nicht) Selbstverständlichkeit, mit der man Meetings oder gar Veranstaltungen, die früher unbedingt und ohne Diskussion in „klassischer“ Präsenz durchgeführt werden mussten, mittlerweile in den virtuellen Raum verlagert hat.

Wir hat sich die Nutzung von Homeoffice in den vergangenen Jahren bis einschließlich 2022 entwickelt? Dazu hat sich das Statistische Bundesamt unter der Überschrift Knapp ein Viertel aller Erwerbstätigen arbeitete 2022 im Homeoffice am 11. Juli 2023 zu Wort gemeldet, auf der Basis einer Auswertung von Daten aus dem Mikrozensus*:

*) In Deutschland wird die statistische Erhebung für den Mikrozensus durch die Statistischen Landesämter durchgeführt und vom Statistischen Bundesamt vorbereitet und weiterentwickelt. An der Befragung sind jedes Jahr 1 Prozent der Privathaushalte in Deutschland beteiligt, was etwa 370.000 Haushalten mit 810.000 Personen entspricht. An der integrierten EU-weiten Erhebung zur Arbeitsmarktbeteiligung (Arbeitskräftestichprobe; Labour Force Survey, LFS) nehmen nur 0,45 % der Privathaushalte teil. An der seit 2020 ebenfalls integrierten EU-weiten Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC) nehmen nur 0,12 % der Privathaushalte teil.

Aber Durchschnittswerte können bekanntlich zuweilen die Realität derart verdichten, dass die tatsächlich vorhandene enorme Streuung um diese Durchschnitte verdeckt wird. Es wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass es auch zahlreiche Unternehmen gibt, bei denen Homeoffice keine realistische Option darstellt, die man ziehen kann. Das verdeutlichen auch die Daten zu den ganz unterschiedlichen Nutzungsquoten von Homeoffice, je nach Branche bzw. Wirtschaftszweig, in dem sich die Betriebe bewegen:

Auch das ifo Institut für Wirtschaftsforschung hat sich während der Pandemiejahre immer wieder mit Angaben zu der (geschätzten) Nutzung von Homeoffice zu Wort gemeldet und die Quoten (die beim ifo auf der monatlichen Befragung von etwa 9.000 Unternehmen basieren) für unterschiedliche Branchen differenziert ausgewiesen. Bezugnehmend auf die Ergebnisse aus der April 2023-Umfrage ergibt sich das folgende Bild – das die auch vom Statistischen Bundesamt aufgezeigte Spaltung der Branchenlandschaft bestätigt:

Das Statistische Bundesamt fasst die Entwicklung und aktuelle Situation so zusammen:

»Auch nach dem Ende der Covid-19-Pandemie arbeiten viele Menschen weiterhin von zu Hause. 24,2 % aller Erwerbstätigen in Deutschland waren im Jahr 2022 zumindest gelegentlich im sogenannten Homeoffice, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Damit war der Anteil nur geringfügig niedriger als im Jahr zuvor (24,9 %), das noch deutlich von Corona-Schutzmaßnahmen wie der zeitweise geltenden Homeoffice-Pflicht geprägt war. Gegenüber dem Vor-Corona-Niveau hat sich der Anteil nahezu verdoppelt: 2019 hatten noch 12,8 % der Erwerbstätigen im Homeoffice gearbeitet, im ersten Corona-Jahr 2020 waren es 21,0 %.
Gegenüber dem Vorjahr deutlicher zurückgegangen ist der Anteil derer, die jeden Arbeitstag in den eigenen vier Wänden verbrachten: Traf dies 2021 noch auf jede zehnte berufstätige Person zu (10,1 %), so galt es 2022 nur noch für 7,4 % der Erwerbstätigen.«

Die mit Blick auf die Branchen erkennbare Spaltung hinsichtlich der Nutzung von Homeoffice durch die Beschäftigten muss auch auf einer anderen Ebene zur Kenntnis genommen werden – es gibt eine erheblich Streuung der Homeoffice-Quoten zwischen den EU-Mitgliedsstaaten:

»Im internationalen Vergleich lag Deutschland 2022 über dem EU-weiten Durchschnitt. In den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union arbeiteten durchschnittlich 22,6 % aller Erwerbstätigen ab 15 Jahren zumindest gelegentlich von zu Hause aus. In den Niederlanden (53,2 %), in Schweden (45,0 %) und in Finnland (40,6 %) war der Homeoffice-Anteil im vergangenen Jahr EU-weit am höchsten. In Rumänien (4,3 %), Bulgarien (4,4 %) und Griechenland (9,8 %) arbeiteten anteilig die wenigsten Berufstätigen von zu Hause aus.«

Man kann also für Deutschland festhalten: Die partielle Expansion der Heimarbeit im Kontext der pandemiebedingten Schutzvorschriften (für einen Teil der Beschäftigten) wird nicht wieder zurückgefahren auf das Niveau vor der Pandemie. Im Vergleich zu 2021 bleibt der Homeoffice-Anteil, auch nach Auslaufen der Homeoffice-Pflicht aufgrund der Corona-Regelungen im März 2022, konstant.

Es gibt allerdings eine generelle Veränderung, die man an den Daten für die Beschäftigten in Bayern exemplarisch aufzeigen kann: Von »2021 zu 2022 (hat sich) die Häufigkeit der Homeoffice-Tage pro Woche verändert. In der Personengruppe, die im Homeoffice arbeitet, haben 2021 noch 37 Prozent der abhängig Beschäftigten an jedem Tag in der Woche von zu Hause aus gearbeitet. Im Jahr 2022 sinkt dieser Anteil auf 28 Prozent … Das bedeutet, dass mit Auslaufen der Homeoffice-Pflicht die Menschen weiterhin von zu Hause aus arbeiten, sich allerdings die Anzahl der Homeoffice-Tage pro Woche reduziert hat.«

In der ersten Phase der Homeoffice-Diskussion ging es neben den ungleichen Verteilungsaspekten und den Vorteilen, die mit Heimarbeit für die Beschäftigten einhergehen (können) immer auch um die Frage, ob die Produktivität der Unternehmen bei verstärkter Inanspruchnahme von Homeoffice seitens der Arbeitnehmer zu Produktivitätseinbußen führen – oder ob es nicht eher umgekehrt eine Steigerung der Arbeitsproduktivität gibt aufgrund der höheren Zufriedenheit (und auch unbezahlter Mehrarbeit, die von einem Teil der Heimarbeiter geleistet wird).

➔ Das Thema Produktivität ist schwierig zu behandeln. Dazu nur ein Beispiel: Über eine internationale Studie des Chatanbieters Slack wurde in diesem Artikel berichtet: Studie zu Produktivität im Büro: Meetings und E-Mails nerven. Zu der Frage „Höhere Produktivität im Homeoffice?“ kann man dem Beitrag einen durchaus differenzierten Antwortversuch entnehmen: »Als mögliche Verbesserung ihrer Produktivität sehen viele Büro-Angestellte Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten an. 69 Prozent der Befragten aus Deutschland sagten, dass die Möglichkeit, von überall zu arbeiten, ihre Produktivität ihrer Einschätzung nach „ein wenig“ (35 Prozent) oder „deutlich“ (34 Prozent) steigern würde. Auch über das Homeoffice hinaus sehen viele Befragte Vorteile durch mehr Flexibilität etwa bei den Arbeitszeiten.
Die subjektive Einschätzung und die tatsächliche Produktivität können sich allerdings sehr unterscheiden, gibt Arbeitsmarktexperte Ulf Rinne zu Bedenken: „Wie produktiv es sich von zu Hause arbeiten lässt, ist wissenschaftlich tatsächlich eine sehr spannende Frage, weil es darauf – zumindest bislang – keine eindeutige Antwort gibt.“
„Es stellt sich auch die Frage, inwieweit sich die subjektive Beurteilung der Produktivität im Homeoffice allein auf den Bereich Arbeit beschränkt“, sagte Rinne. „Ich glaube, dass im Hinterkopf oft auch der Gedanke mitschwingt: Ich kann auch noch viele Dinge nebenbei erledigen, die ich vorher erst nach Feierabend erledigen konnte.“ Das könne die subjektive Bewertung der Produktivität im Homeoffice positiv beeinflussen – auch wenn es sich dabei eigentlich nicht um Aufgaben im Rahmen des Jobs handelt.«
Man muss also bei ernsthafter Forschung über die (möglichen) Produktivitätseffekte des Homeoffice eine Menge mitbedenken – außer, man hat eine eindeutig daherkommende Sichtweise auf das eigene Unternehmen und den Mitarbeitern: Trigema-Chef Grupp pocht auf Präsenz: „Der, den ich ins Homeoffice schicken könnte, ist unwichtig“, so ist ein Artikel über Wolfgang Grupp überschrieben, der immer wieder auch in den Medien präsent war und ist.

Zumindest ein Teil der Unternehmen, bei denen sich Homeoffice per se anbietet und die zugleich auch über die digitalen skills verfügen (sollten), also die Tech-Konzerne, scheint sich da vorsichtig formuliert nicht sicher zu sein bzw. davon auszugehen, dass die Produktivität der Unternehmen insgesamt Schaden nimmt oder nehmen könnte: Google, Amazon, Meta und Apple haben bereits frühzeitig das Arbeiten aus der Ferne wieder eingeschränkt und setzen mit teils drastischen Maßnahmen Anwesenheitspflichten durch.

Da geht es bereits seit längerem richtig zur Sache. Apple beispielsweise hatte bereits im vergangenen Jahr verfügt: Wer ab September 2022 nicht mindestens drei Tage pro Woche in das Büro kommt, der erhält – nach einigen Verwarnungen – die Kündigung. Die Anwesenheit wird kontrolliert über eine Auswertung der digitalen Zeitstempel. Und zugleich gilt die Einschränkung: Am Dienstag, Donnerstag und einem beliebigen anderen Tag, über den das jeweilige Team entscheidet, müssen die Beschäftigten ins Büro kommen.

Auch Google zwingt seine Beschäftigten, mindestens drei Tage pro Woche ins Büro zu kommen. Andernfalls drohen negative Leistungsbeurteilungen. Ohne einen solchen expliziten Druck haben es Amazon und die Facebook-Mutter Meta versucht, die ihre Beschäftigten „ermutigen“, mehr Zeit im Büro zu verbringen. Mittlerweile aber gibt es auch hier wieder Tage mit einer Büropflicht. Für Aufsehen sorgte zuletzt vor allem OpenAI-Chef Sam Altman, hinter dem Unternehmen steht die vieldiskutierte ChatGPT-Software. Den teilweise kompletten Umzug ins Homeoffice, den es zu Beginn der Coronakrise gab, bezeichnet er als „größten Fehler“ der Technologiebranche.

Fazit: Das quantitative Niveau von Homeoffice hat sich nun offensichtlich eingependelt zwischen 22 bis 25 Prozent und liegt damit doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Anteilswerte nicht mehr zurückbilden werden auf das Niveau in der Vor-Corona-Zeit. Zugleich hat die Heimarbeitsintensität abgenommen, wir sprechen im Regelfall von Beschäftigten, die einen, manchmal auch zwei oder drei Arbeitstage im heimischen Office verbringen, das war mal pandemiebedingt mehr. Man kann sicher sagen, dass ein Teil der Beschäftigten durch die für sie positiven Erfahrungen mit der eigenen Heimarbeit darauf auch unter „Normalitätsbedingungen“ nicht mehr verzichten wollen und der eine oder andere wird auch seine Arbeitgeberauswahl davon abhängig machen, ob überhaupt und wenn ja, wie weit man ihm hier entgegenkommt. Für Millionen andere Beschäftigte wird sich hingegen überhaupt nichts verändern, sie werden Präsenz zeigen müssen.