Ein Viertel aller Erwerbstätigen hat 2021 im Homeoffice gearbeitet, darunter die einen viel und die anderen kaum. Erkennbar ist eine „dreifache Polarisierung“ der Heimarbeit

Es ist noch gar nicht so lange her, als die Medien voll waren mit Berichten über Homeoffice und der sicheren Prognose, dass die Arbeitswelt nie mehr wieder so sein wird wie früher, was hier als „Vor-Corona-Zeit“ gelesen werden muss. Das schlägt sich dann in solchen Berichten nieder: Nach zwei Jahren Pandemie: Gibt es noch eine Zukunft ohne Homeoffice?: »Kann es nach mehr als zwei Jahren Pandemie noch eine Arbeitswelt ohne Heimarbeit geben? Gründerin und Autorin Teresa Hertwig stellt im Interview klar: „Unternehmen, die sich dem Thema Homeoffice gegenüber versperren, haben keine Zukunft auf dem Arbeitsmarkt.“« Nun sollte man grundsätzlich immer skeptisch sein, wenn man etwas serviert bekommt, bei dem von „den“ Unternehmen gesprochen wird oder „die“ Beschäftigten wollen dieses oder das nicht. Dafür ist die Welt zu komplex und gerade beim Thema Homeoffice muss berücksichtigt werden, um welche Betriebe in welchen Branchen und um welche Mitarbeiter eines Unternehmens es (nicht) geht.

Da ist man doch dankbar, wenn man einige gleichsam hoch offizielle Zahlen geliefert bekommt. Das hat das Statistische Bundesamt für uns gemacht: Ein Viertel aller Erwerbstätigen arbeitete 2021 im Homeoffice, so ist die Meldung überschrieben. 2021 »haben so viele Menschen wie noch nie von zu Hause gearbeitet. 24,8 % aller Erwerbstätigen in Deutschland waren im Jahr 2021 zumindest gelegentlich im sogenannten Homeoffice … Für 10,0 % der Berufstätigen waren die eigenen vier Wände sogar an jedem Arbeitstag das Büro. Corona-Maßnahmen wie die im Früh- und Spätjahr 2021 geltende Homeoffice-Pflicht haben dazu geführt, dass sich der Anteil gegenüber dem Vor-Corona-Niveau fast verdoppelt hat: Im Jahr 2019 hatten noch 12,8 % der Erwerbstätigen im Homeoffice gearbeitet, im ersten Corona-Jahr 2020 waren es 21,0 %.«

In den vergangenen Wochen und Monaten sind Berufstätige in vielen Unternehmen derweil wieder vermehrt aus dem Homeoffice an ihren eigentlichen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Die gesetzliche Pflicht zum Angebot von Homeoffice durch den Arbeitgeber war Ende März 2022 ausgelaufen, so das Statistische Bundesamt.

Wobei es zu einer Angleichung der Anteilswerte bei abhängig Beschäftigten und den Erwerbstätigen insgesamt, unter denen sich auch die Selbstständigen befinden, in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 gekommen ist.

Hinzu kommt – in den neuen Daten nicht dargestellt – ein Tatbestand, auf den hier bereits frühzeitig in der Corona-Pandemie hingewiesen wurde: Wir sind mit einer erheblichen sozialen Schichtung bei den Möglichkeiten wie auch der tatsächlichen Inanspruchnahme von Arbeit zu Hause konfrontiert, die vereinfacht gesagt lautet: Je höher der formale Berufsabschluss und je höher das Erwerbseinkommen, desto höher ist auch der Anteilswert hinsichtlich Homeoffice. Vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Dann macht doch Heimarbeit … Ungleiches Arbeiten zu Hause (nicht nur in viralen Zeiten), der hier bereits am 18. März 2020 veröffentlicht wurde. Das kann und muss man durchaus als einer der mit Homeoffice einhergehenden Polarisierung der bzw. durch Homeoffice sehen.

Eine zweite Polarisierung kann man nach den vorliegenden Forschungsbefunden erkennen innerhalb der Gruppe derjenigen, die Homeoffice in Anspruch nehmen können bzw. müssen. Und dabei gibt es einen Geschlechter-Bias, also für viele Mütter war das Homeoffice eine Möglichkeit, die in Pandemie-Zeiten teilweise unterbrochenen Betreuungs-, Bildungs- und Versorgungsarrangements (man denke hier nur an die Schul- oder Kita-Schließungen) mit der eigenen Berufstätigkeit zu kombinieren, woraus aber nicht selten Überforderungs- und Überlastungssituationen entstanden sind (was auch erklärt, dass viele dieser Betroffenen das Homeoffice ambivalent bis ablehnend einschätzen, wobei man berücksichtigen muss, dass das vor allem bei Ausfall der ansonsten funktionierenden Infrastruktur wie Kitas und Schulen der Fall ist, so dass es ansonsten auch in dieser Gruppe durchaus eine positive Sichtweise auf Homeoffice gibt bzw. geben soll, vgl. dazu beispielsweise die neue Studie von Alberg et al. 2022: Homeoffice während der Corona-Pandemie und darüber hinaus – Potenziale für erwerbstätige Eltern), während es andere Beschäftigte gibt, die vor allem die ohne Zweifel vorhandenen Vorteile der Heimarbeit intensiv (aus)nutzen konnten und das auch gerne in die Zukunft prolongieren möchten.

Hinsichtlich der dritten Polarisierung muss man darauf hinweisen, dass es (nur scheinbar) trivial ist, hervorzuheben, dass es auf der einen Seite homeofficefähige Betriebe gibt, andere hingegen haben – selbst wenn sie wollten – gar keine wirklichen Optionen, um die Homeoffice-Karte ziehen zu können, da die bei Ihnen vorherrschenden Tätigkeiten eine körperliche Präsenz vor Ort zwingend mit sich bringt. Das zeigen auch die Daten des Statistischen Bundesamtes.

Bei der Nutzung von Homeoffice nach Branchen sind die Variationen erheblich: »In der Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie arbeiteten im Jahr 2021 gut drei Viertel der abhängig Beschäftigten von zu Hause aus (75,9 %). In der Verwaltung und Führung von Unternehmen sowie in der Unternehmensberatung nahmen 71,3 % Homeoffice in Anspruch, bei Versicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen waren es etwa zwei Drittel der Beschäftigten (66,2 %). In anderen Wirtschaftsbereichen blieb die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, dagegen auch zu Corona-Zeiten vielmehr die Ausnahme als die Regel. Im Gesundheitswesen konnten 2021 mit 5,4 % anteilig die wenigsten Beschäftigten ihre Arbeit auch zu Hause ausüben. Auch eine Tätigkeit im Bau- und Ausbaugewerbe (8,1 %) oder etwa im Einzelhandel (8,3 % …) war in den seltensten Fällen mit Homeoffice vereinbar.«

Es gibt große Branchen mit Millionen Beschäftigten, bei denen stellt sich gar nicht die Frage, ob ein oder mehrere Tage im Homeoffice verbracht werden können, weil die Art und Weise der Tätigkeit Heimarbeit gar nicht zulässt. Darunter sind übrigens sehr viele Jobs, die eher in niedrig oder unterdurchschnittlich vergüteten Segmenten angesiedelt sind. Das verstärkt natürlich die Ungleichheitseffekte, die im Kontext des Homeoffice zu sehen sind.

Wie sieht es international vergleichend aus mit dem Anteil von 24,8 Prozent der Erwerbstätigen, die im Homeoffice gearbeitet haben? Ist das viel oder wenig? Dazu das Statistische Bundesamt:

»Im internationalen Vergleich lag Deutschland 2021 leicht über dem EU-weiten Durchschnitt. In den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union arbeiteten durchschnittlich 24,2 % aller Erwerbstätigen ab 15 Jahren von zu Hause aus. In den Niederlanden (54,0 %), in Schweden (46,5 %) und in Luxemburg (45,4 %) war der Homeoffice-Anteil im vergangenen Jahr EU-weit am höchsten. In Bulgarien (6,5 %), Rumänien (6,6 %) und Zypern (12,6 %) arbeiteten anteilig die wenigsten Berufstätigen von zu Hause aus.«

Wie wird es weiter gehen mit dem Homeoffice? Wir sind derzeit nun keineswegs bereits am Ende der Pandemie, möglicherweise kommt es zu einer erneuten Zuspitzung im Herbst/Winter 2022. Wer kann das derzeit schon voraussagen?

Deshalb soll hier – gleichsam als Merk- und Prüfposten für die Zukunft – eine Einschätzung von Bernd Fitzenberger, dem Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, zitiert werden, die er bereits Anfang des zweiten Corona-Jahres gemacht hat:

„Wir werden nach dem Abebben der Pandemie einen deutlichen Rückgang von Homeoffice erleben, aber nicht auf das Niveau vor Corona zurückkehren. Es wird vermutlich eine höhere Flexibilität beim Arbeitsort als vor Corona geben. Eins ist aber auch klar: Die Mehrzahl der Menschen kann nicht im Homeoffice arbeiten. Nach unserer Frühjahrsbefragung hatten 14 Mio. Beschäftigte die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Viele Beschäftigte, die eigentlich könnten, wollen nicht generell daheim arbeiten. Ich halte aus Befragungsergebnissen des IAB ein bis zwei von fünf Wochenarbeitstagen für einen realistischen typischen Wert in Nach-Pandemie Zeiten. Die sozialen Kontakte sind intensiver, wenn man sich vor Ort trifft. Richtig ist: Die digitale Infrastruktur in den Unternehmen hat sich verbessert. Es gibt aber auch Grenzen des Homeoffice.“ (Quelle: Ausblick auf den Arbeitsmarkt im Jahr 2021. Gespräch mit Professor Bernd Fitzenberger, in: Betriebspraxis & Arbeitsforschung. Zeitschrift für angewandte Arbeitswissenschaft, Ausgabe 241, Februar 2021, S. 6f.).