Überwiegend weise, aber zunehmend eine Last? Gibt es einen Trend zu mehr negativen Einstellungen gegenüber der älteren Generation?

Beginnen wir mit den positiven Nachrichten: Ältere Personen werden in der Bevölkerung eher als weise und erfahren wahrgenommen. Hierbei wird insbesondere die Funktion Älterer als Ratgeber geschätzt, bei der Jüngere von deren Lebenserfahrung profitieren. So betrachten insgesamt 87,1 Prozent (1996: 87,9 Prozent) der Befragten Ältere als erfahrene Ratgeber. Demgegenüber beschreiben nur 47 Prozent sie als einsam, depressiv und nicht auf der Höhe der Zeit. 1996 waren 43,7 Prozent dieser Ansicht. Aber: Während 1996 nur neun Prozent der Befragten hohe Zustimmungswerte zur Einschätzung Älterer als gesellschaftliche Bürde berichteten, waren es 2021 mit 19,2 Prozent mehr als doppelt so viele.

Wo kommen diese Zahlen her? Sie stammen aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts USUMA und der Universität Leipzig im Auftrag der deutschen Versicherungswirtschaft. Hier die Originalquelle:

➔ Elmar Brähler und Lina Krakau (2022): Studienbericht 2022: Was wir über alte Menschen denken – Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in Deutschland, Leipzig, Mainz, 2022

»Das individuelle Altersbild der Deutschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert und ist überwiegend positiv, zeigt eine Studie. Angesichts der wachsenden Zahl Älterer wächst jedoch die Sorge vor einer Überlastung der Sozialsysteme«, so der Gesamtverband der Versicherer (GDV) in seiner Berichterstattung über die Studie mit der Überschrift Zusammenhalt der Generationen bekommt Risse. »Für ihre Studie haben die Wissenschaftler das Altersbild in drei Dimensionen bewertet: Weisheit, Rigidität und Bürde. Während letztere die Einstellungen der Menschen zu den gesellschaftlichen Folgen der wachsenden Zahl Älterer erfasst, messen Weisheit und Rigidität die individuellen Zuschreibungen an Ältere – als wissend und erfahren beziehungsweise als eingeschränkt und vereinsamt. „Die persönlichen Zuschreibungen an Ältere haben sich seit 1996 kaum verändert und sind weiterhin überwiegend positiv“, so Brähler«, einer der beiden Studienautoren.

Für Brähler sind die Studienergebnisse »sowohl von individueller als auch von gesellschaftlicher Bedeutung. „Altersbilder prägen nicht nur das Verhalten gegenüber älteren Menschen. Sie können auch politische Entscheidungen mit beeinflussen“, betont Brähler. Dies zeigte sich beispielsweise in der Debatte darüber, bis zu welchem Alter Menschen noch ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk bekommen sollten. „Auch bei der Energiepauschale ging es um die Frage, ob Rentnern der Zuschuss zustehen soll oder nicht“, so Brähler.«

„Einen gefährlichen Trend“ erkennt Mirko Wenig in seinem Beitrag unter der bezeichnenden Überschrift Deutsche nehmen Ältere zunehmend als Last wahr in den Daten: »Demnach nehmen die Deutschen ältere Menschen zunehmend als gesellschaftliche Last wahr. Im Jahr 2021 vertrat fast jeder Dritte (30,5 Prozent) die Ansicht, dass Ältere den Staat zu viel Geld kosten. Im Jahr 1996, als die Umfrage erstmals durchgeführt wurde, waren es mit 15 Prozent Zustimmung nur halb so viele.«

Die Verschiebung der Anteilswerte mit den negativen Aspekten sollte auch deshalb nachdenklich stimmen, weil die Bevölkerung in den vergangenen 25 Jahren gealtert ist. Und die Studie zeigt zugleich: Ältere haben grundsätzlich ein positiveres Altersbild als Jüngere. Je älter die Menschen werden, umso mehr nehmen die positiven Annahmen über Ältere im Alter zu, während negative Stereotype abnehmen. Es liegt also eine adaptive Anpassung an die eigene Lebensrealität vor. Obgleich Jüngere ein negativeres Bild vom Altern haben als Ältere, berichtet auch diese Gruppe die größten Zustimmungswerte zu einem Bild Älterer als weise und erfahren.

Brähler/Krakau (2022: 15 f.) schreiben dazu: »Der Befund, dass der Stereotyp von älteren Menschen als gesellschaftliche Bürde im Vergleich zu 1996 zugenommen hat, bleibt weiter zu verfolgen. Obwohl der Anteil Älterer in der Bevölkerung (und somit auch in der Befragung), die tendenziell über positivere Altersstereotype verfügen, zunahm, wurde deutlich, dass Ältere mittlerweile verstärkt als gesellschaftliche Last beschrieben werden.«

Nun muss man ein genaueren Blick auf die Datenquellen werfen, auch und gerade, weil hier zwei Jahre verglichen werden, 1996 und 2021.

➔ Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2021. Es wurden 2.509 Menschen aus Deutschland im Alter von 16 und 95 Jahren (1.230 Männer, 1.276 Frauen, drei diverse Personen) zu sozial- und medizinpsychologischen Themen befragt, darunter Gesundheitsvariablen, politische Einstellungen und Einschätzungen zu verschiedenen Lebensbereichen. Die Untersuchung wurde im Auftrag der Universität Leipzig vom Meinungsforschungsinstitut USUMA durchgeführt. Die Gespräche fanden bei den Befragten zu Hause und durch geschulte Interviewer statt.

Der Studie kann man entnehmen, dass „Altersstereotype 1996 nicht bei unter 45-Jährigen erfasst wurden“, was als Limitation hervorgehoben wird. Aus diesem Grund habe man die Aussagen auch nur mit der entsprechenden Altersgruppe in der neuen Befragung verglichen. »Dennoch zeichnet sich auch in dieser, eher älteren Gruppe eine verstärkte Wahrnehmung Älterer als gesellschaftliche Bürde ab. Dies kann als Hinweis interpretiert werden, dass gesellschaftliche Diskussionen und Meinungsbilder auch auf die Selbstwahrnehmung der alternden Generationen rückwirken.«

➔ »Um mögliche Veränderungen der Alterststereotype in der deutschen allgemeinen Bevölkerung zu erfassen, wurden zusätzlich Daten einer vergleichbaren Erhebung aus dem Jahr 1996 herangezogen. In dieser Studie wurden Altersstereotype ausschließlich bei N = 1005 Personen ab 45 Jahren erfasst. Diese wurden mit N = 1505 der über 45-Jährigen unserer Stichprobe verglichen.« (Brähler/Krakau 2022: 11).

Und mit Blick auf die bei vielen sicher Besorgnis erregenden Befunde hinsichtlich der negativen Altersbilder sollte man den folgenden Hinweis von Mirko Wenig zur Kenntnis nehmen: »Während die Dimensionen Weisheit und Rigidität die individuellen Zuschreibungen zu älteren Menschen erfassen, fragt die Dimension „Bürde“ nach den Einstellungen der Menschen zu den gesellschaftlichen Folgen der wachsenden Zahl Älterer. Zu letztgenannter Dimension sei angemerkt, dass ausschließlich negative Aussagen vorgegeben sind: auch das kann bereits Einfluss auf eine Umfrage haben, wie Statistiker wiederholt betont haben.«

Fazit: Man sollte die Kirche im Dorf lassen und das Gesamtbild zur Kenntnis nehmen, dass also die große Mehrheit durchaus positive Altersbilder weiterhin vor Augen hat. Zugleich aber sollte die Ausweitung der negativen Einstellungen gegenüber älteren Menschen höchst aufmerksam machen, denn wenn sich dieser – mögliche – Trend verfestigt und an Fahrt gewinnt, dann werden gesellschaftliche Konflikte unvermeidlich an Intensität gewinnen.