Was ist eigentlich aus den „Totengräbern“ geworden? Frankreich möchte den Orpea-Konzern verklagen

Anfang Februar 2022 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: „Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber. Darin ging es um schwerwiegende Vorwürfe gegen den Orpea-Konzern in Frankreich – ein Pflegeheimkonzern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt, darunter auch in Deutschland. Auslöser war das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet. Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen: Der Betreiber Orpea steht massiv in der Kritik, so ein Bericht in der FAZ.

Was ist daraus geworden? Erneut berichtet die FAZ unter der Überschrift Orpea-Skandal: Frankreich verklagt Pflegeheimkonzern: »Die Kritik am französischen Pflegeheimbetreiber Orpea wegen unlauterer Geschäftspraktiken reißt nicht ab. Eine Untersuchungskommission der französischen Regierung hat die seit einigen Wochen erhobenen Vorwürfe gegen das Unternehmen nun in weiten Teilen bestätigt. Wie das Haus der zuständigen Ministerin Brigitte Bourguignon am Wochenende mitteilte, wiesen die Autoren des Berichts auf „erhebliche Funktionsstörungen in der Organisation der Gruppe hin“. Diese gingen zulasten der Versorgung der Bewohner in den Pflegeheimen von Orpea. Das betreffe beispielsweise die Ernährungspolitik. Sie stelle nicht sicher, dass die Bedürfnisse der Bewohner erfüllt werden.«

»Auch gebe es in der Buchhaltung „mutmaßlich regelwidrige Praktiken“, unter anderem was Überschüsse aus der öffentlichen Finanzierung angeht. Mit der Untersuchung beauftragt worden waren die Generalinspektionen des französischen Gesundheits- und des Finanzministeriums. Sie haben sechs Wochen ermittelt.«

Die Ergebnisse der Untersuchung sollen nun an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Die muss nun über weitere rechtliche Schritte entscheiden.

Zugleich hat die französische Regierung das Unternehmen angewiesen, »öffentliche Gelder, die unrechtmäßig verwendet wurden, zurückzugeben. Der Bericht der Generalinspektionen spricht diesbezüglich von 20 Millionen Euro. Das sei die Summe an öffentlichen Mitteln, die Orpea in den Jahren 2017 bis 2020 einbehalten habe, statt sie unter anderem für das Pflegepersonal auszugeben.«

Orpea selbst weist die „pauschalen Vorwürfe“ zurück. Man entschuldige sich „aufrichtig bei den Bewohnern und Familien“, wird der Vorstandschef Philippe Charrier von der Tageszeitung „Le Figaro“ zitiert, aber: Ein systematisches Fehlverhalten sei nicht gegeben. Philippe Charrier bestritt, dass es ein „Orpea-System“ gebe, das darauf abzielt, die Verwendung der öffentlichen Zuwendungen zu optimieren.

„Die von den Inspektoren festgestellten Missstände sind meist auf einen Mangel an Pflege- und Betreuungsfachkräften zurückzuführen, der den gesamten Sektor betrifft“, so der Orpea-Chef, der damit die institutionelle Verantwortung des Pflegeheimkonzerns an einen abstrakten, angeblich über allen schwebenden Personalmangel wegdefinieren möchte.

Zur Berichterstattung in der französischen Presse vgl. beispielsweise den Beitrag Scandale des Ehpad Orpea : le rapport définitif transmis au gouvernement confirme des «dysfonctionnements graves» von Béatrice Jérôme in der Tageszeitung Le Monde. Danach haben die Gutachter festgestellt, »dass es in den Einrichtungen der Gruppe einen sehr großen Mangel an ausgebildetem Personal und Mängel bei der Ernährung der Bewohner gab.«

Bereits am 21. März 2022 wurde in dem Artikel Ehpad: l’Etat rend un prérapport accablant pour le groupe Orpea auf einen Vorbericht – der Anfang März an Orpea gesandt wurde, damit es auf die Feststellungen der Inspektoren reagieren konnte – hingewiesen, »der die von der Gruppe mit öffentlichen Geldern erzielten Einsparungen und eine hyperzentralisierte Arbeitsweise auf Kosten der Qualität der Pflege der Bewohner bestätigt.« Bis auf wenige Ausnahmen wurden die von Castanet ans Licht gebrachten Vorwürfe bestätigt.

Man wird abwarten müssen, ob und was die Staatsanwaltschaft aus den Untersuchungsergebnissen machen oder eben nicht machen wird. Auf alle Fälle hat die enorme öffentliche Aufmerksamkeit für die Vorgänge hinter den Toren der Orpea-Heime dafür gesorgt, dass das Unternehmen an der Börse abgestraft wurde – und das ziemlich heftig:

Seit Mitte Januar 2022 hat die Aktie des Unternehmens rund 60 Prozent an Wert verloren.