Der Arbeitsmarkt am Ende des zweiten Corona-Jahres und die Brückenfunktion der Kurzarbeit: Alles hat seinen Preis

„Der Arbeitsmarkt hat sich zum Jahresende gut entwickelt. Damit hat sich die Erholung der letzten Monate fortgesetzt. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben im Dezember saisonbereinigt erneut abgenommen.“ Mit diesen Worten des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, beginnt die Pressemitteilung Arbeitsmarkt im Dezember 2021. Da will sich der ehemalige und auch in der neuen Ampel-Koalition zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nicht lumpen lassen und legt überschriftenmäßig noch eine ordentliche Schippe rauf: „Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung so hoch wie noch nie“, so ist die Mitteilung des Ministeriums betitelt. Der Arbeitsmarkt stehe deutlich besser da als nach dem ersten Jahr der Pandemie, so der Minister. Und bei ihm findet man diesen Hinweis auf ein bedeutsames Instrument der Arbeitsmarktpolitik: »Vor allem mit dem Kurzarbeitergeld konnten wir Millionen von Arbeitsplätzen sichern. Die Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit lag im Oktober bei gut 710.000, noch im Februar waren es 3,4 Millionen.« An dieser Stelle wird man dann wieder an die eigentlichen Zahlenlieferanten denken müssen, denn in der Mitteilung der BA findet man diesen Hinweis des BA-Vorsitzenden Scheele: »Unsicherheiten entstehen durch die pandemische Lage: die Anzeigen für Kurzarbeit sind im Dezember kräftig gestiegen.« Und etwas genauer: »Nach aktuellen Daten zu geprüften Anzeigen wurde vom 1. bis einschließlich 27. Dezember für 286.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Insbesondere das Gastgewerbe und der Handel zeigen wieder vermehrt Kurzarbeit an.«

Das verschweigt der zuständige Bundesminister nicht. In der Mitteilung seines Hauses liest sich das so: »Vor allem mit dem Kurzarbeitergeld konnten wir Millionen von Arbeitsplätzen sichern. Die Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit lag im Oktober bei gut 710.000, noch im Februar waren es 3,4 Millionen. Zum Gesamtbild gehört allerdings auch der Blick auf die eingegangenen Anzeigen für Kurzarbeit. Deren Zahl hat sich von November auf Dezember deutlich gesteigert. Noch wissen wir nicht genau, welche Folgen Omikron für den Arbeitsmarkt hat. Aber wir müssen von einem Anstieg der Kurzarbeit in den nächsten Monaten ausgehen. Durch die Verlängerung der Sonderregelungen bei der Kurzarbeit ist der Arbeitsmarkt für die kommenden Herausforderungen gut aufgestellt.«

»Aktuelle Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen bis Oktober 2021 zur Verfügung. So wurde nach vorläufigen hochgerechneten Daten der Bundesagentur für Arbeit in diesem Monat für 710.000 Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt.«

Bei den Zahlen zur tatsächlichen Inanspruchnahme hat man eine mehrmonatige Verzögerung, so dass man sich für den aktuellen Rand mit Schätzungen behelfen muss, wie sie beispielsweise vom ifo Institut regelmäßig veröffentlicht werden. Dabei ist aber zu beachten, dass die Schätzwerte mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind und regelmäßig teilweise erheblich korrigiert werden müssen. So berichtete das Institut am 3. Dezember 2021 unter der Überschrift Kurzarbeit steigt wieder: »Die Zahl der Kurzarbeitenden in Deutschland ist erstmals seit Februar gestiegen. Im November nahm sie zu auf 608.000.« Nunmehr erfahren wir einen Monat später von der BA wie bereits zitiert, dass im schon für den Oktober 2021 nach vorläufigen Hochrechnungen der BA selbst 710.000 Bezieher von konjunkturellem Kurzarbeitergeld genannt werden.

Wie dem auch sei – die Kurzarbeit hat in den nun zurückliegenden zwei Corona-Jahren eine wirklich bedeutsame Rolle gespielt bei der Stabilisierung von Beschäftigung. Damit wurden auf der einen Seite zahlreiche Jobs vorübergehend gesichert und viele Unternehmen, die ansonsten einen Teil ihrer Beschäftigten entlassen hätten, können sich durch dieses arbeitsmarktpolitische Instrumentarium eine Menge Geld sparen, beispielsweise bei den Such- und Rekrutierungskosten. Zugleich ist man den Unternehmen sehr weitgehend entgegengekommen, in dem auch die gesamten Sozialversicherungsbeiträge vom Staat bzw. genauer: von der Arbeitslosenversicherung übernommen wurden und noch werden.

Aber klar ist auch, das alles seinen Preis hat. Der zuweilen ziemlich hoch ist. So meldet das Handelsblatt: Corona verursacht Arbeitsagentur Defizit von etwa 22 Milliarden Euro: »Die Corona-Pandemie und damit verbundene Milliardenkosten für Kurzarbeit haben die Bundesagentur für Arbeit (BA) das zweite Jahr in Folge in tiefrote Zahlen gestürzt. Das Defizit zum Jahresende 2021 werde voraussichtlich rund 22 Milliarden Euro betragen, sagte ein BA-Sprecher … Für das abgelaufene Jahr werde die Behörde daher etwa 17 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss erhalten. Der Rest des Defizits werde aus der verbliebenen Rücklage gedeckt, die damit aufgebraucht sei … Das Gesamtdefizit von 27 Milliarden Euro im Jahr 2020 hatte die BA größtenteils noch aus der eigenen Rücklage finanziert, bei einem Bundeszuschuss von 6,9 Milliarden Euro. Den Löwenanteil der BA-Finanzierung schultern Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit ihren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.«

Und dann die besondere Bedeutung der Kurzarbeit und der damit verbundenen Ausgaben:

»Allein für Kurzarbeit gab die Behörde demnach mit Stand vom 27. Dezember 20,2 Milliarden Euro aus. Das ist beinahe soviel wie im Jahr 2020 mit rund 22 Milliarden Euro.«

Damit der eine oder andere die Größenordnung des Ausgabenpostens Kurzarbeitergeld besser einordnen kann: Wenn die BA mitteilt, dass sie im nunmehr vergangenen Jahre 2021 mit mehr als 20 Mrd. Euro nur etwas weniger für Kurzarbeit ausgegeben hat als im ersten Corona-Jahr 2020 mit 22 Mrd. Euro, dann sollte man bei der Bewertung der 20 Mrd. Euro berücksichtigen, dass beispielsweise der gesamte Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Jahr 2020 bei lediglich 18,3 Mrd. Euro lag.

Und wie wird es in dem nun neuen Jahr 2022 weitergehen?

Dazu einen Blick in den Haushaltsplan der Bundesagentur für Arbeit. Dessen Eckwerte findet man im November 2021 veröffentlicht unter der sich selbst beruhigenden Überschrift BA-Haushalt 2022 gut aufgestellt für anstehende Aufgaben: Für 2022 hat die BA Gesamtausgaben in Höhe von knapp 38 Mrd. Euro eingeplant. Nach den Rekordausgaben in Höhe von 61 Mrd. Euro im Jahr 2020, und voraussichtlich 58 Mrd. Euro in 2021, nähern sich die geplanten Ausgaben dem Vorkrisenniveau an. Das ist offensichtlich getrieben von der Erwartungshaltung, dass nun aber Schluss ist mit dieser Corona-Krise: »Der Rückgang wird vor allem durch die voraussichtlich sinkenden Ausgaben für die Kurzarbeit und beim Arbeitslosengeld begünstigt.«

«Durch die hohen Defizite in den Jahren 2020 und 2021 ist die Rücklage in Höhe von knapp 26 Mrd. Euro aufgebraucht. Für beide Jahre zusammen wird zudem der Bund knapp 24 Mrd. Euro bereitstellen.« Pandemiebedingt geht die BA auch für 2022 von einem Zuschussbedarf aus, der aus Bundesmitteln gedeckt werden soll – um dann gleich eine Beruhigungspille nachzuschieben: »Ab dem Jahr 2023 wird erstmals wieder ein Überschuss erwartet.« Erwarten kann man ja mal.

Wie erwartungsgetrieben der Haushaltsplan der BA ist, kann man an dem konkreten Kalkulationspunkt für die Kurzarbeit im nun neuen Jahr 2022 im Vergleich zu dem, was im gerade abgeschlossenen Jahr 2021 passiert ist, entnehmen:

Für die Leistung bei konjunktureller Kurzarbeit sind im nächsten Haushalt 1,7 Mrd. Euro eingeplant. Im laufenden Jahr wird die BA für Kurzarbeitergeld und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge an Arbeitgeber voraussichtlich rund 20 Mrd. Euro ausgeben.

Das ist natürlich ein ganz erhebliche Absenkung der erwarteten Ausgaben für die Kurzarbeit und man kann nur hoffen, dass das der Realität nahe kommen wird.