Deutschland vor dem Winter 2021/22. Schaut man nur auf die Inzidenz-Zahlen, dann sind wir inmitten der vierten Corona-Welle. Zugleich tobt eine zuweilen an mittelalterliche Glaubenskriege erinnernde Auseinandersetzung, bei dem sich der mehr oder wenige bewusste Teil der Impfgegner aufmerksamkeitsheischend inszeniert, als seien sie schlimmster Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt. Von Seiten der Politik erreichen uns andererseits irrlichternde Signale: So verkündet ein nur noch geschäftsführender und damit letztlich von jeder zukünftigen Verantwortung befreiter Bundesgesundheitsminister das Ende der pandemischen Lage in unserem Land, was nun wirklich jede weitere Einschränkung mehr als fragwürdig daherkommen lässt und den Eindruck bei vielen zementiert, dass die Gefahr jetzt gebannt sei. Auf der anderen Seite kommen von dem gleichen Mann solche Botschaften, die nicht wirklich auf Entspannung hindeuten: »Angesichts der hohen Zahl von Corona-Neuinfektionen und sich füllender Krankenhausbetten mit Covid-19-Erkrankten wirbt der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für Auffrischungsimpfungen. Dies gelte vor allem für ältere Menschen, Pflegebedürftige und medizinisches Personal, sagte der CDU-Politiker … Es sei genug Impfstoff da, sodass alle, die wollten, eine sogenannte Booster-Impfung bekommen könnten.«
Es sei genug Impfstoff da – was für ein selbstverständlich daherkommender Satz, der uns alle zurückdenken lassen sollte an den Anfang des nunmehr zweiten Corona-Jahres, wo viele Menschen sämtliche vorhandenen oder vermeintlichen Netzwerke mobilisiert haben, um so schnell wie möglichen einen der anfangs so überaus knappen und begehrten Impftermine zu bekommen und in denen man neidisch auf andere Länder geschaut hat, die tatsächlich oder scheinbar schneller mit den Impfungen vorankamen.
Nur wenige Monate später wurde man dann mit niedrigschwellig daherkommenden Impfangeboten im Kombipack mit einem Gratis-Döner konfrontiert.
Und kaum sind die vielen regionalen Impfzentren weitgehend zurückgebaut worden, da werden die ersten Stimmen laut, die ihre Wiederbelebung fordern. »Die regionalen Impfzentren waren im vergangenen Winter zum Start der Impfungen eingerichtet worden. Hintergrund waren Anforderungen an eine starke Kühlung der zunächst knappen Impfstoffe und ein strikter Vorrang für gefährdete Bevölkerungsgruppen. Zeitweise gab es mehr als 400 Impfzentren. Bund und Länder hatten vereinbart, sie spätestens zum 30. September zurückzufahren oder zu schließen. Die meisten Länder stellten auf mobile Impfteams um. Daneben impfen auch Arztpraxen, inzwischen sind es aber wieder weniger.« Und nun auch hier Anzeichen einer möglichen Kehrtwende: »Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach fordert im Kampf gegen die Corona-Pandemie, die vielfach geschlossenen Impfzentren wieder einzurichten. Die Impfungen kämen viel zu langsam voran, um die stark steigende vierte Welle der Pandemie zu brechen«, so dieser Artikel: Lauterbach für Wiedereröffnung der Impfzentren. Auch hier spielt offensichtlich die Frage, ob es denn genügend Impfstoff gibt, keine Rolle (mehr).
Und Impfstoff scheint es in Deutschland mehr als genug zu geben, sogar zu viel. So viel, dass man größere Menge davon nicht (mehr) an den Mann oder die Frau bringen kann.
Moment, wird der eine oder andere an dieser Stelle einwenden: Da war doch gerade Anfang dieses Jahres, als es hier erst losging mit den Impfungen, eine intensive Debatte über die Frage, wie man denn neben den wohlhabenden Ländern der Welt auch die vielen armen Länder und deren Menschen mit Impfstoffen versorgen kann. Schließlich sind wir mit einer globalen Pandemie konfrontiert und nur ein entsprechend aufgesetztes Impfvorgehen kann der globalen Herausforderung entgegen treten. „Damals“ (so lange ist das noch nicht her) wurde sogar darüber diskutiert, ob es sich nicht bei den Impfstoffen um ein (globales) „öffentliches Gut“ handelt, was bedeuten würde, dass man auch die Patente der Pharma-Firmen den Ableitungen aus dem öffentlichen Gutscharakter unterwerfen kann und ggfs. auch muss, wenn die auf ihre durchaus verständliche eigennützige Verwertung der Impfstoffe dort, wo am meisten gezahlt wird, bestehen sollten.
Das wurde hier am 30. Januar 2021 in diesem Beitrag aufgegriffen und ausführlich thematisiert: Impfstoffe als ein globales öffentliches Gut in einer globalen Pandemie? Ein Blick über den nationalen Tellerrand auf die Ökonomie der Rechte und auf eine Systemfrage, so ist der Beitrag überschrieben. Darin kann man beispielsweise lesen, dass selbst die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Anfang der Pandemie, als noch kein Impfstoff vorhanden war, im April des Jahres 2020 diese Position vertreten hat: Es handelt sich „um ein globales öffentliches Gut, einen Corona-Impfstoff zu produzieren und ihn dann auch in alle Teile der Welt zu verteilen“.
Wie zu erwarten war, hat man den Impfstoffherstellern nicht die Schutzrechte entzogen. Und damit nicht falsche Legenden konstruiert werden: Man muss deutlich hervorheben, dass es den (meisten) Befürwortern einer Aufhebung des Patentschutzes bei den Impfstoffen in der Corona-Pandemie keineswegs um eine Art „staatliches Raubrittertum“ ging, bei dem die innovativen Pharmaunternehmen enteignet und um die Früchte ihrer wertvollen Arbeit gebracht werden. Es ist nicht nur die Tatsache, dass enorme öffentliche Mittel für die Forschung und Entwicklung sowie den Aufbau entsprechender Produktionsanlagen zur Verfügung gestellt worden sind. Sondern die Unternehmen sollen nach den meisten vorliegenden Modellen im Falle einer Auflösung des herkömmlichen Patenschutzes durchaus zusätzlich – und manche forderten Anfang des Jahres: „fürstlich“ – vergütet werden bei einer Freigabe der Produktion der Impfstoffe auch in anderen Ländern und Kontinenten. Wie dem auch sei, der Druck auf die reichen Länder, etwas für die ärmeren zu tun, konnte nicht vollständig abgeblockt werden (und selbst eine rein egoistische Begründung wurde vorgetragen: Was hilft die Impfung der zahlenmäßig kleinen Bevölkerung in den wohlhabenden Ländern, wenn die Pandemie durch Mutationen durch die vielen umgeimpften Menschen außerhalb der Wohlstandsinseln außer Kontrolle gerät und wieder auf die zurückschriebt, die geglaubt haben, sie seien sicher).
➔ Also wurde auf globaler Ebene gehandelt, man versprach, auch die Länder zu versorgen, die keinen Dollar oder Euro für die notwendige Impfkampagne zur Verfügung haben. Die Vereinten Nationen starteten ein Programm für globale Lösungen rund um das Coronavirus, den ACT-Accelerator. ACT ist die Abkürzung für „Access to COVID Tools“ (etwa: Zugang zu COVID-Werkzeugen). Dazu gehören das Impfprogramm Covax sowie Programme für COVID-Tests und COVID-Medikamente. Covax hat bislang mehr als 425 Millionen Impfdosen an 144 Länder geliefert. Aber: Da die meisten reichen Länder den Großteil ihres Impfstoffbedarfs in separaten Verträgen mit den Herstellern gedeckt haben, sei für Covax nicht genügend Impfstoff verfügbar, kritisiert beispielsweise die WHO, die Weltgesundheitsorganisation.
Und während offensichtlich in Deutschland mittlerweile nicht nur ausreichend, sondern sogar „zu viel“ Impfstoff vorhanden ist, stellt sich die Situation in anderen Ländern völlig gegenteilig dar: »Für die Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19 sind bis September 2022 weitere Milliardenbeträge nötig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezifferte den Bedarf … auf 23,4 Milliarden Dollar (rund 20 Milliarden Euro). Damit könnten mindestens fünf Millionen potenzielle Todesfälle verhindert werden, und die Weltwirtschaft spare mehr als 5,3 Milliarden Dollar. Durch die bisher ungleiche Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten werde ein baldiges Ende der Coronapandemie verhindert, so die WHO. Das erhöhe das Risiko, dass sich neue und gefährlichere Varianten des Virus SARS-CoV-2 entwickeln, gegen die bisherige Impfstoffe und Medikamente nicht wirksam genug sind. Bislang seien erst 0,5 Prozent der verfügbaren Impfstoffe in den ärmsten Ländern eingesetzt worden, obwohl sie neun Prozent der Bevölkerung ausmachen«, so diese Meldung: Milliardenbeträge für Coronaimpfungen und Medikamente nötig. Und darin findet man auch diese Illustration der Ungleichverteilung: „Wenn die 6,8 Milliarden Impfdosen, die verabreicht wurden, fair verteilt worden wären, hätten wir das Ziel, in jedem Land 40 Prozent der Bevölkerung zu impfen, bereits erreicht“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Wohlgemerkt, in jedem Land auf dieser Welt.
Nun könnte der eine oder andere eingedenk der Ausführungen im ersten Teil dieses Beitrags auf die naheliegende und völlig plausible Idee kommen, dass ja nun spätestens jetzt der passende Zeitpunkt gekommen ist, dass die „überzähligen“ Impfdosen aus den reichen Ländern wie Deutschland in die armen Länder geschafft und dort verimpft werden. Sollte man meinen.
Dann aber wird man mit so etwas konfrontiert: »Zehn reiche Länder werden bis Ende des Jahres zusammen 870 Millionen überschüssige Dosen Impfstoff gegen Covid-19 horten. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Report von Ärzte ohne Grenzen hervor. Die internationale Hilfsorganisation fordert darin die Staaten auf, diese Dosen so schnell wie möglich an ärmere Länder abzugeben.»Es ist unerträglich, dass in einer andauernden Pandemie manche Länder Millionen Dosen zu viel einkaufen und Impfstoffe teilweise sogar verfallen lassen, während andere noch nicht einmal Hochrisikogruppen und das gesamte Gesundheitspersonal schützen können«, sagt Impfstoffexpertin Elisabeth Massute. Der Report bezieht sich auf die Menge an Impfstoffen, die bis Ende dieses Jahres an die Länder geliefert und die in diesem Zeitraum selbst bei einer Drittimpfung von Hochrisikogruppen dort nicht gebraucht werden«, berichtet Kurt Stenger unter der skandalös daherkommenden und sicher übertrieben gemeinten Überschrift Covid-Impfstoffe in den Müll. Oder etwa doch nicht?
Auf alle Fälle ist Deutschland auch dabei: »Laut Ärzte ohne Grenzen ist Deutschland mit etwa 81 Millionen Dosen das Land mit dem drittgrößten Überschuss nach den USA (490 Millionen) und Großbritannien (97 Millionen). In Deutschland sind bereits mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, vermutlich sind es deutlich mehr. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bisher die Hälfte der afrikanischen Länder, die Impfstoffdosen erhalten haben, immer noch weniger als zwei Prozent ihrer Bevölkerung vollständig geimpft.« Und Deutschland, die USA und Großbritannien bilden nur die Spitze des Eisbergs: »Die Gesamtzahl der überschüssigen Impfstoffdosen ist sogar noch deutlich größer. Das Wissenschaftsanalyse-Unternehmen Airfinity aus London hat errechnet, dass die G7-Staaten und die EU-Länder bis Ende 2021 über eine Milliarde Impfstoffe mehr haben werden, als sie benötigen.«
➔ Die Originalquelle von Ärzte ohne Grenzen findet man in dieser Mitteilung vom 7. Oktober 2021: Reiche Länder horten 870 Millionen überschüssige Dosen Impfstoff: »Zehn reiche Länder, darunter auch Deutschland, werden bis Ende des Jahres zusammen 870 Millionen überschüssige Dosen Impfstoff gegen Covid-19 horten. Das zeigt ein neuer Report von Ärzte ohne Grenzen, der heute veröffentlicht wurde. Die internationale Hilfsorganisation fordert die Staaten auf, diese Dosen so schnell wie möglich an ärmere Länder abzugeben. Dadurch könnten schätzungsweise eine Million Todesfälle bis Mitte 2022 verhindert werden.« Der angesprochene Report im Original:
➞ Médecins Sans Frontières (2021): COVID-19 Vaccine Redistribution to Save
Lives Now. Why high-income countries must immediately redistribute excess COVID-19 vaccines to address global vaccine inequity. MSF Technical Brief, October 2021
Klar, ein krasses Gefälle zuungunsten der ärmeren Länder, aber wieso Impfstoffe in den Müll? Dazu erläutert Stenger in seinem Artikel: »Die Experten gehen zudem davon aus, dass mindestens zehn Prozent der Überschussmenge in diesem Jahr ihr Verfallsdatum erreichen werden. Dieses Problem verschärft sich noch dadurch, dass viele Entwicklungsländer, an die Impfstoffe jetzt weitergereicht werden, darauf bestehen, dass die Vakzine noch mindestens zwei Monate haltbar sind, da sonst die rechtzeitige Verteilung nicht sichergestellt werden kann. Airfinity schätzt daher, dass 241 Millionen Impfdosen aus den reichen Ländern in diesem Jahr letztlich im Müll landen könnten.« Und wenn man weiterliest, dann öffnen sich Abgründe: »Deutschland plant bis Ende des Jahres zwar, 100 Millionen Impfstoffdosen abzugeben. Aber diese werden mehrheitlich erst noch gekauft und sollen dann direkt in ärmere Länder geliefert werden. Kontingente, die bereits jetzt lagern oder nicht direkt umverteilt werden können, könnten verfallen. Bisher hat Deutschland weniger als 20 Millionen Dosen tatsächlich abgegeben.«
»Die Kritik richtet sich aber nicht nur an die reichen Staaten, sondern auch an die Hersteller. Trotz des immensen Bedarfs in ärmeren Ländern liefern diese weiterhin vor allem an reiche Staaten: Bei Biontech/Pfizer sollen 78 Prozent der Lieferungen an reiche Länder gehen, bei Moderna sind es sogar 85 Prozent. Die Unternehmen haben sich bisher immer damit herauszureden versucht, dass sie die Bestellungen nach dem Eingang der Aufträge abwickeln würden. Das mag in der Anfangsphase korrekt gewesen, aber gut ein Dreivierteljahr nach Beginn der Lieferungen und angesichts der bekannten Verteilungsungerechtigkeit ist dies nicht mehr haltbar.«
➔ Die beiden Herstellern der neuartigen mRNA-Impfstoffe reagieren durchaus auf die massive Kritik an der Nichtweitergabe von Patenten und technologischem Know-how an die Länder des globalen Südens und ganz besonders in Afrika. »Neue Werke sollen nun offenbar nicht mehr wie bisher nur in Industrieländern entstehen. Der US-Hersteller Moderna teilte vor wenigen Tagen mit, man plane den Bau einer Impfstofffabrik auf dem afrikanischen Kontinent. Der genaue Standort der Anlage, in der bis zu 500 Millionen Dosen mRNA-Vakzine produziert und abgefüllt werden könnten, sei aber noch unklar. »Das Verfahren zur Auswahl von Land und Standort soll in Kürze beginnen«, erklärte das Unternehmen. Konkurrent Biontech war deutlich schneller: Das deutsche Biotech-Unternehmen hatte schon im Juli eine Partnerschaft mit der südafrikanischen Biovac-Gruppe angekündigt. Ab 2022 sollen in Kapstadt Impfstoffe abgefüllt werden. Die Herstellung der sogenannten Messenger-RNA – der komplizierteste und wichtigste Schritt der Impfstoffherstellung – wird jedoch weiterhin in Europa durchgeführt. Darüber hinaus kündigte Biontech mittlerweile an, man prüfe den Aufbau »nachhaltiger Produktionsmöglichkeiten« in Ruanda und Senegal. Hergestellt werden sollen hier allerdings Malaria- und Tuberkulose-Impfstoffe mit der mRNA-Technologie. Die klinischen Studien, deren Ausgang natürlich ungewiss ist, sollen erst Ende 2022 beginnen.«
Wir dürfen die Hersteller an dieser Stelle keineswegs entlassen, denn es kommt offensichtlich noch eine Nummer härter. Dazu dieser Beitrag von Ursel Sieber: Millionen Impfdosen droht Vernichtung: »Deutschland verfügt über mehr Corona-Impfstoff als nötig. Im Rahmen der Covax-Initiative will die Bundesregierung Vakzine an ärmere Länder spenden. Doch das Vorhaben droht an den Herstellern zu scheitern.«
Das muss man sich genauer anschauen: »Die Bundesregierung befürchtet, dass Deutschland demnächst schon große Mengen an Corona-Impfstoffen vernichten muss. Eigentlich hatte sie angekündigt, diese Impfstoffe im Rahmen der Covax-Initiative zu spenden – überzählige Vakzine, die hierzulande nicht mehr verimpft werden können, aber andernorts dringend gebraucht werden. Bis Jahresende hat Deutschland 100 Millionen Impfdosen versprochen – doch bisher sind erst 19 Millionen Dosen tatsächlich gespendet worden – Impfstoffe des Herstellers AstraZeneca. Der Grund: Die Hersteller anderer Impfstoffe stellen offenbar Bedingungen, die eine schnelle Weitergabe der Impfstoffe an ärmere Länder unmöglich machen.«
Bedingungen seitens der Hersteller für eine Abgabe an arme Länder? Wie das?
In einem Schreiben vom 18. Oktober 2021 an die EU-Kommission kritisiert Staatssekretär Thomas Steffen vom Bundesgesundheitsministerium das Verhalten der Impfstoffhersteller, von dem nicht nur Deutschland betroffen sei: „Wir werden demnächst vor einer Situation stehen, in der einige Länder große Mengen an Impfstoff vernichten müssen, der anderswo dringend benötigt wird.“ Wie kann das sein und warum schreibt ein deutscher Staatssekretär an die EU-Kommision?
»Die Verträge, die die EU-Kommission mit den Impfstoffherstellern im vergangenen Jahr geschlossen hat, bieten den Firmen de-facto ein Vetorecht bei der Weitergabe von Impfstoffen an Drittländer. Die Hersteller müssen nämlich in entsprechende Abgabeverträge einwilligen.«
Man ahnt schon, was jetzt kommt:
»Diese Konstruktion nutzen einige Firmen offenbar hemmungslos aus: Hersteller würden „Mindestpreise diktieren“ oder von den Empfängern „überzogene Ausgleichszahlungen“ verlangen, kritisiert Staatssekretär Steffen. „Inakzeptabel“ sei auch, dass versucht werde, die Verteilung der Impfstoffe durch internationale Organisationen zu verbieten. In afrikanischen Empfängerländern sind internationale Organisation wie etwa „Ärzte ohne Grenzen“ an der Impfkampagne beteiligt.«
„Mindestpreise“, „Ausgleichszahlungen“ – für von reichen Ländern bestellte und bereits bezahlte Impfstoffe? Ja, so ist das – und aus der Perspektive der Impfstoffhersteller durchaus rational:
»Bezahlt werden müssten solche Mindestpreise oder Ausgleichszahlungen zusätzlich zu dem Preis, den die EU-Länder für die Impfungen vertraglich vereinbart haben. Für eine Impfdosis vom Hersteller Moderna zum Beispiel zahlt die EU angeblich etwa 19 Euro. Hintergrund für die finanziellen Zusatzforderungen sind laut Brancheninsidern kommerzielle Interessen: Jede Dosis, die unentgeltlich von Deutschland beispielsweise nach Afrika gespendet wird, kann dort nicht mehr verkauft werden, auch nicht zu einem niedrigeren Preis.« Hinzu kommt: »Auch der lukrative Absatzmarkt für Booster-Impfungen in Europa würde zumindest aus Sicht des US-Unternehmens Moderna schrumpfen: Je weniger Deutsche ihre Erst- und Zweitimpfung mit dem Moderna-Impfstoff erhalten haben, desto kleiner der Markt für die Auffrischungsimpfung im reichen Deutschland. Laut Zulassung wird bisher bei den mRNA-Impfstoffen mit demselben Impfstoff „geboostert“.«
Derzeit stellt sich offenbar vor allem (noch) das US-Unternehmen Moderna quer. „Rahmenverträge“ zwischen Covax und BioNTech/Pfizer sowie zwischen Covax und Johnson&Johnson seien mittlerweile unterzeichnet worden. Was aber nicht wirklich befriedigt, denn: Unklar ist, welche Summen bei diesen Ausgleichszahlungen gefordert werden. Auch die Höhe der geforderten „Mindestpreise“ ist nicht öffentlich. Aber das verwundert jetzt auch nicht wirklich.