Dass es einen enormen Mangel an Fachkräften in der Pflege gibt, sollte mittlerweile Allgemeingut sein. Und nicht nur der stetig steigende Bedarf gerade in der Langzeitpflege angesichts der sicheren Zunahme an Pflegebedürftigen in den vor uns liegenden Jahre stellt eine Herausforderung für deutlich mehr Qualifizierung als bislang dar, sondern bereits heute ist die Pflege, ob im Krankenhaus wie auch in der ambulanten und stationären Langzeitpflege in teilweise nur als skelettös zu bezeichnendem Ausmaß unterausgestattet. Hinzu kommt, dass wie in anderen Berufsfeldern auch die Pflegeberufe in den kommenden Jahren einen massiven Aderlass erfahren werden aufgrund des altersbedingten Ausscheidens vieler Pflegekräfte.
Als wenn das nicht schon genug wäre. Mit Beginn des Jahres 2020 – dem ersten Corona-Jahr – wurden dann auch noch nach einem langjährigen Prozess die bislang versäulten Pflegeausbildungen (also die Gesundheits- und Krankenpflege mit ihrem Fokus auf das Krankenhaus, die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie die Altenpflege) im Kontext eines an sich angestrebten Systemwechsels hin zu einer generalistischen Pflegeausbildung umgestellt. In der neuen Ausbildung, die mit dem Pflegeberufereformgesetz (PflBRefG) von 2017 begründet wurde, werden die bis dahin getrennten Ausbildungen in den Berufen Gesundheits- und Krankenpfleger/in, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in sowie Altenpfleger/in zum Berufsbild Pflegefachfrau/-mann zusammengeführt. Der Wechsel zwischen Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege soll erleichtert und den Pflegefachkräften ein breiteres Tätigkeitsfeld eröffnet werden.
Wie so oft gibt es ein Aber: Der ursprüngliche Ansatz einer vollständigen Generalisierung der Pflegeausbildung wurde im Gesetzgebungsverfahren vor allem nach Interventionen von Seiten einiger Pflegeheimbetreiber wieder dahingehend aufgeweicht, dass es nun auch weiterhin die Option gibt, eine vom Niveau her abgesenkte Ausbildung zum Altenpfleger einzuschlagen, deren Abschluss sich von der einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson unterscheidet. Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Pflegeberufe: Mehr Auszubildende, vor allem in der Altenpflege. Mehr Männer. Endlich Erfolgsmeldungen, aus der Welt der Pflegeausbildungen. Wenn da nicht diese Fragezeichen wären vom 29. Oktober 2020.
Vor diesem Hintergrund hat man gespannt auf neue Zahlen das Jahr 2020 betreffend gewartet. Bis 2019 gab es eine Aufwärtsentwicklung, vor allem im klassischen Berufsfeld der Altenpflege.
In der Abbildung sind die Ausbildungen zu Pflegefachkräften nach den bisherigen versäulten Pflegeausbildungen dargestellt. Hinzu kommen – nicht enthalten in der Abbildung – auf der Helferebene die Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpflegehlfer/in (2019: 5.106 Ausbildungsanfänger/innen) sowie zum Altenpflegehelfer/in (2019: 9.147).
Nun wurden die neuen Zahlen das erste Jahr der generalistischen Pflegeausbildung betreffend gemeldet. Und das wird dann mit solchen Überschriften garniert: Mehr Menschen in Rheinland-Pfalz beginnen die Pflegeausbildung, meldet beispielsweise das Arbeits- und Sozialministerium des Landes Rheinland-Pfalz am 30. Juli 2021. Und sicherheitshalber schiebt man den Satz nach: »Pflegeberufe sind zum Schuljahr 2020/2021 in Rheinland-Pfalz so beliebt wie nie.« Zahlen bitte, wird der eine oder andere einwerfen. »Die neue Ausbildung konnte aufgrund umfassender Vorbereitungen gelungener Kooperation und eines immensen Einsatzes aller im Gesundheitswesen, der Pflege und des Bildungswesens Beteiligter zum Schuljahr 2020/2021 erfolgreich starten. Die aktuellen, nun für das Schuljahr 2020/2021 vorliegenden Ausbildungszahlen, beinhalten auch Nachmeldungen und erlauben nun ein präzises Bild der Ausbildungssituation. Sie bestätigen den erfolgreichen Start der neuen Pflegeausbildungen in Rheinland-Pfalz durch eine leichte Steigerung von +5,8 Prozent (126 Personen) im Vergleich zum vergangenen Schuljahr.« Mehr gibt es nicht.
Also schauen wir auf die Bundesebene – und für die hat sich das Statistische Bundesamt zu Wort gemeldet. Bei denen gibt es eine wichtige Zahl schon in der Überschrift: Neuer Beruf: 53 610 Auszubildende zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann am Jahresende 2020, so ist die Meldung vom 27. Juli 2021 überschrieben. »Seit Anfang 2020 ist in Deutschland eine Ausbildung im neuen Beruf der Pflegefachfrau beziehungsweise des Pflegefachmanns möglich. Nun liegen erstmals Ausbildungszahlen vor. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren zum Jahresende 2020 insgesamt 53.610 Frauen und Männer in der Ausbildung zu diesem neuen Beruf.«
Angefangen hatten sogar etwas mehr Menschen die neue Pflegeausbildung: »Im Jahr 2020 wurden insgesamt 57.294 Ausbildungsverträge abgeschlossen. 3.681 Verträge (6,4 %) wurden bis zum Jahresende bereits wieder gelöst.« Wobei ohne eine Quantifizierung darauf hingewiesen wird: Das »bedeutet nicht, dass die betreffenden Personen ihre Ausbildung abgebrochen haben: Ein Teil der vorzeitigen Vertragslösungen mündet in einen neuen Vertrag bei einem anderen Ausbildungsbetrieb.«
Wenn wir die mehr als 57.000 Ausbildungsanfänger/innen in den drei klassischen Pflegeausbildungen im Jahr 2019 in Erinnerung rufen, dann kann man nicht sagen, dass es 2020 eine Zunahme bei den neuen Pflegeausbildungen gegeben hat. Und man muss generell bei den Ausbildungszahlen berücksichtigen, dass nicht alle die begonnene Ausbildung auch beenden werden (Stichwort Ausbildungsabbrecher).
Die Pflegeberufe waren, sind und bleiben ein Frauenberuf. Drei Viertel der neuen Ausbildungsverträge entfallen auf Frauen, der Männeranteil beläuft sich auf 24 Prozent.
Nicht nur junge Menschen wählen eine Ausbildung in der Pflege: 6 Prozent beziehungsweise 3.582 Auszubildende zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann waren bei Ausbildungsbeginn bereits 40 Jahre oder älter, weitere 11 Prozent beziehungsweise 5.910 waren zwischen 30 und 39 Jahre alt. Das Durchschnittsalter (Median) bei Ausbildungsbeginn lag bei 20 Jahren.
Die Pflegeausbildung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern dafür gibt es Pflegeschulen – in Deutschland weist die „Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung 2020“ insgesamt 1.266 Pflegeschulen aus, die sich auf unterschiedliche Träger verteilen:
Neben zahlreichen inhaltlichen Problemen und offenen Fragen, die mit der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung verbunden sind (vgl. dazu bereits den Beitrag Bei der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung gibt es eine Menge praktischer Probleme. Im Mangelberuf könnte zusätzlicher Mangel entstehen vom 3. Oktober 2019) zeigen die ersten Zahlen, die nun für das Jahr 2020 vorliegen, dass es zu einem nicht gekommen ist: zu einem starken Anstieg der Ausbildungszahlen. Die Zuwächse müssten bereits vor dem Hintergrund dessen, was am Anfang dieses Beitrags skizziert wurde, deutlich stärker ausgeprägt sein.