Ambivalente Zeiten: Gute Kurzarbeit, niedriges Kurzarbeitergeld. Und was man schon vor einem Jahr hätte tun müssen, aber nicht gemacht hat

In diesen Zeiten freut man sich über jede positive Nachricht: »Die Corona-Pandemie erschüttert die Menschheit auf vielfache Weise. Die deutsche Wirtschaft brach 2020 so stark ein wie seit dem Zweiten Weltkrieg nur einmal zuvor. In einer Bilanz lässt sich allerdings erkennen, wie die Regierung Schlimmeres verhinderte. So rettete die Kurzarbeit nach einer neuen Studie mehr als zwei Millionen Jobs«, berichtet Alexander Hagelüken in einem Artikel mit dieser Überschrift: Kurzarbeit rettet mindestens zwei Millionen Jobs. Wie immer hat eine Medaille zwei Seiten und die andere Seite dieser Botschaft wird auch sofort nachgeschoben: »Trotzdem gibt es Reformbedarf: Bei vielen Kurzarbeitern wurde es finanziell eng. Beschäftigte in Kultur und Gastronomie verloren im Schnitt 30 Prozent ihres Einkommens.«

Bleiben wir aber erst einmal bei der guten Nachricht, die noch deutlicher als solche erkennbar wird, wenn man einen Vergleich mit früheren Krisen zieht: »Wie gut die Politik auf Corona reagiert hat, zeigt am ehesten der Vergleich mit vorhergehenden Krisen. In vielen früheren Rezessionen der Bundesrepublik stieg die Arbeitslosigkeit dramatisch an. Erst in der Finanzkrise 2008/2009 durchbrach die Regierung dieses fatale Muster. In der Pandemie leistet sie durch hohe Ausgaben für Kurzarbeit noch weitaus mehr … Gemessen an den gekürzten Arbeitsstunden rettete die Regierung auf dem Höhepunkt der Krise 2,2 Millionen Jobs, so die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Damit habe sie sechsmal so viele Arbeitsplätze gesichert wie in der Finanzkrise.«

Hagelüken hat diese Rechenergebnisse dieser Studie entnommen:

➔ Alexander Herzog-Stein, Patrick Nüß, Lennert Peede and Ulrike Stein (2021): Germany’s labour market in Coronavirus distress – new challenges to safeguarding employment. IMK-Working Paper No. 209, Düsseldorf: Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), May 2021

Zu der Studie des IMK berichtet die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung unter der Überschrift Kurzarbeit sicherte 2020 mehr als sechs mal so viele Stellen wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise – doch Lücken bleiben, wie man zu den Zahlen gekommen ist: Demnach »sank im Rahmen der weit verbreiteten Kurzarbeit im zweiten Quartal 2020 die durchschnittliche Zahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Beschäftigtem in Deutschland gegenüber dem 4. Quartal 2019 um 17,6 Stunden. Im entsprechenden Drei-Monatszeitraum 2009 betrug die Reduktion bezogen auf alle Beschäftigten durchschnittlich 3,1 Stunden. Rechnerisch entspricht das knapp 2,2 Millionen gesicherten Jobs auf dem Höhepunkt der Krise 2020 gegenüber rund 330.000 Jobs in der Finanz- und Wirtschaftskrise.«

Allerdings kommen weitere Faktoren im Vergleich hinzu – so beispielsweise die Tatsache, dass gerade die Industrie bereits vor der Corona-Krise in einem rezessiven Umfeld war: »Anders als in der Finanz- und Wirtschaftskrise spielte etwa der Abbau von Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten diesmal nur eine kleine Rolle, auch weil diese bei Ausbruch der Pandemie deutlich geringer waren.« In der Finanzkrise hingegen »brach die Wirtschaft durch den Lehman-Crash mitten in einer Hochkonjunktur ein. Entsprechend viele Stunden hatten die Beschäftigten in der Industrie auf Arbeitszeitkonten angesammelt. Die Unternehmen konnten einen Teil der Krise bewältigen, in dem sie einfach diese Stunden abbauten und den Mitarbeitern freigaben. brach die Wirtschaft durch den Lehman-Crash mitten in einer Hochkonjunktur ein. Entsprechend viele Stunden hatten die Beschäftigten in der Industrie auf Arbeitszeitkonten angesammelt. Die Unternehmen konnten einen Teil der Krise bewältigen, in dem sie einfach diese Stunden abbauten und den Mitarbeitern freigaben«, so Hagelüken seiner Zusammenfassung.

Und noch ein Unterschied muss in Rechnung gestellt werden: Im ersten Corona-Jahr 2020 traf der Wirtschaftseinbruch anders als in der Finanzkrise viele Dienstleister wie Restaurants und Geschäfte, bei denen Arbeitszeitkonten weniger verbreitet sind als in der Industrie.

Der Kurzarbeit wird ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. So bilanziert die Hans-Böckler-Stiftung in ihrem Bericht über die neue Studie: »In ihrer Untersuchung vergleichen … (die Forscher) die schweren Wirtschaftskrisen von 2009 und 2020. In beiden Fällen brach die Beschäftigung weitaus weniger stark ein als die Wirtschaftsleistung, weil es gelang, viele Arbeitsplätze durch zeitweilige drastische Arbeitszeitreduzierung über die Krise zu retten. Dabei habe sich der Einsatz von Kurzarbeit als Instrument des wirtschaftspolitischen Krisenmanagements gegenüber 2009 weiter verbessert.«

Und diese Einschätzung wird sekundiert von Andreas Peichl vom ifo Institut, den Hagelüken in seinem Artikel so zitiert: »“Das deutsche Modell der Kurzarbeit ist eine super Sache. Mehrere Staaten haben es inzwischen kopiert“, sagt der Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik, der in Kürze mit dem Forschungscenter der EU-Kommission eine eigene Studie zum Thema vorlegen wird.«

Und auch an anderer Stelle werden die positiven Aspekte der Kurzarbeit hervorgehoben: Corona-Krise: Arbeitsmarkt dank Kurzarbeit besser als erwartet, so ist beispielsweise ein Artikel von Steffen Herrmann überschrieben. Der berichtet von den „Nürnberger Gesprächen“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Stadt Nürnberg. »Gelobt wurde vor allem ein Instrument der Arbeitsmarktpolitik: „Die Kurzarbeit war genau das richtige Instrument“, sagte IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei. Sie habe viele Arbeitsplätze gesichert.« Das war für die Bundesagentur für Arbeit auch ein organisatorischer Kraftakt, wie der Vorstandsvorsitzender der BA, Detlef Scheele, betont: Normalerweise bearbeiteten nur 700 Menschen in der Behörde die Anträge auf Kurzarbeitergeld, inzwischen seien es knapp 11.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus anderen Bereich versetzt worden seien. „Dass das alles hingehauen hat, ist eine irre Geschichte“, sagte Scheele.«

Alles hat seinen Preis

Die Abwicklung einer bislang noch nie gesehenen Inanspruchnahme der Kurzarbeit ist das eine – die Kosten dafür musste und muss vor allem die Arbeitslosenversicherung stemmen. Und wir sprechen hier insgesamt und mit Blick auf die Kurzarbeit besonders von richtig großen Hausnummern: »Die BA hat im Jahr 2020 61 Milliarden Euro aufgewendet, um die Folgen der Pandemie am Arbeitsmarkt abzufedern. Im Jahr 2019 lagen die Ausgaben bei 33,2 Milliarden Euro.« So beginnt eine Mitteilung der BA unter der Überschrift Haushalt der BA: Rekordausgaben im Jahr 2020. »Im vergangenen Jahr hat die BA 33,7 Milliarden Euro eingenommen. Durch die hohen Ausgaben musste ein Defizit von 27,3 Milliarden Euro ausgeglichen werden. Knapp 20 Milliarden Euro konnten aus der Rücklage eingesetzt werden, weitere rund 7 Milliarden Euro wurden aus dem Bundeshaushalt zugewiesen.«

Und wie sieht es hinsichtlich des Kurzarbeitergeldes aus? »Durch den Lockdown im Frühjahr 2020 waren in der Spitze bis zu 6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Dadurch stiegen auch die Ausgaben auf ein historisches Hoch. Im vergangenen Jahr zahlte die BA 22,1 Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld aus. Im Jahr 2019 waren es 157 Millionen Euro. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise, die sich finanziell zwischen 2008 und 2012 auswirkte, fielen insgesamt 8,5 Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld an.«

Über 22 Milliarden Euro im vergangenen Jahr für das zu Recht gelobte Instrument der Kurzarbeit. Und die Inanspruchnahme dieser Versicherungsleistung ist ja noch nicht beendet. Das ifo Institut versucht seit Beginn der Corona-Krise, das Volumen der Kurzarbeit möglichst aktuell zu schätzen. Danach zeit sich das folgende Bild seit dem April des vergangenen Jahres:

Anfang Mai 2021 meldete sich das ifo Institut mit diesen Größenordnungen unter der Überschrift Zahl der Kurzarbeiter sank im April um 10 Prozent zu Wort: »Die Zahl der Kurzarbeiter ist im April um 10 Prozent gesunken, von 3,0 auf 2,7 Millionen Menschen. Das schätzt das ifo Institut auf Basis seiner monatlichen Konjunkturumfrage und Daten der Bundesagentur für Arbeit. In der Industrie fiel die Zahl im April von 535.000 auf 444.000 Menschen. Damit sind dort noch 6,4 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit. „Aber unverändert hoch bei 53,2 Prozent oder 565.000 der Beschäftigten liegt die Zahl der Kurzarbeiter im Gastgewerbe“, sagt ifo-Arbeitsmarktexperte Sebastian Link.«

Dabei streut die Inanspruchnahme zwischen den Branchen erheblich: »Der Einzelhandel durfte vielerorts nur unter strengen Corona-Auflagen öffnen. Dennoch sank die Zahl der Kurzarbeiter von 375.000 auf 276.000. Das sind noch 11,2 Prozent. Im Handel insgesamt, mit Großhandel und Autohändlern, sank die Zahl von 598.000 auf 433.000, das sind 9,5 Prozent der Beschäftigten. Überdurchschnittlich betroffen war auch das Druckgewerbe mit 22,1 Prozent oder 28.000 Beschäftigten. Die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleister waren zu 10,1 Prozent auf Kurzarbeit, was 228.000 Menschen bedeutet. Unterdurchschnittlich betroffen waren im April die Autobranche mit 4,8 Prozent oder 45.400 Beschäftigten, die Hersteller von elektrischen Ausrüstungen mit 2,8 Prozent oder 9700 Mitarbeitern sowie die Chemie-, Pharma-, Gummi- und Kunststoff-Branche mit 1,8 Prozent oder 16.400 Beschäftigten.«

Und eine Branche soll hier mal besonders hervorgehoben werden: die Gastronomie, wo insgesamt knapp über eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte unterwegs sind bzw. normalerweise sein sollten. Für April 2021 weist das ifo Institut hier (immer noch) 565.161 Kurzarbeiter aus – das sind 53,2 Prozent aller Beschäftigten dieser wahrhaft gebeutelten Branche. Die Gastronomie wird auch deshalb hier ausdrücklich aufgerufen, weil dort viele Beschäftigte zu dem gehören, was immer als Niedriglohnsektor bezeichnet wird. Wo also viele Menschen arbeiten, die schon unter Normalbedingungen mehr als überschaubare Vergütungen bekommen und die dann auch noch einen besonderen Nachteil haben, dass bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes, das ja eine Lohnersatzleistung ist, von einem bereinigten Einkommen ausgeht, bei dem beispielsweise das Trinkgeld oder andere Zulagen keine Berücksichtigung finden, was dann das tatsächlich ausgezahlte Kurzarbeitergeld „doppelt“ nach unten drückt. Und schon sind wir bei dem angekommen, was auch in der an sich positiv daherkommenden Berichterstattung über Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld kritisch angemerkt wird.

Auf der Schattenseite finden wir – wieder einmal – die in den Kelleretagen. Und das Licht wurde hier schon im Frühjahr ausgemacht

Dazu aus dem Artikel von Alexander Hagelüken: »Weil der Wirtschaftseinbruch diesmal viele schlecht bezahlte Dienstleister trifft und die Firmen die Arbeitszeit stark reduzieren, zeigen sich Grenzen des Modells. In der Finanzkrise verdiente ein Single in Steuerklasse eins im Schnitt vor der Kurzarbeit gut 2100 Euro netto im Monat und verlor durch die Arbeitszeitverkürzung 180 Euro. Diesmal verdienten die Betroffenen im Schnitt vorher knapp 1700 Euro – und verloren im April 2020 300 Euro, ein Fünftel des Einkommens. Dadurch blieben ihnen weniger als 1400 Euro im Monat … In der Gastronomie, bei Kultur und sonstigen Dienstleistungen waren die Verluste prozentual höher. In diesen Branchen sind Tarifverträge weniger verbreitet als in der Industrie, sodass weniger Firmen aufs Kurzarbeitergeld etwas drauflegen.«

„Kurzarbeit sichert erfolgreich Arbeitsplätze, kann aber Beschäftigte mit geringeren Löhnen in eine prekäre Lage bringen“, wird Ulrike Stein vom IMK zitiert.

Aber es bleibt nicht bei der Klage über diese Unwucht, sondern es werden Lösungen in den Raum gestellt:

»(Ulrike Stein) schlägt daher vor, etwa Niedriglöhnern ein prozentual höheres Kurzarbeitergeld zu zahlen. Andreas Peichl vom Ifo-Institut teilt diesen Gedanken. „Haushalte mit höheren Einkommen legten in der Krise viel Geld auf die hohe Kante. Sie sind gut abgesichert. Es spricht viel dafür, Geringverdienern mehr zu zahlen.“«

An dieser Stelle muss man aber erinnern, dass das, was hier im Mai 2021 präsentiert wird, im wahrsten Sinne des Wortes viel zu spät kommt und übrigens bereits vor einem Jahr konkret eingefordert, aber von der Bundesregierung in vollem Bewusstsein über die Problematik abgelehnt worden ist.

Am 11. Mai 2020 gab es im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum damaligen „Entwurf eines Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II)“ der Regierungsfraktionen sowie weiteren Anträgen der Oppositionsparteien von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken. Auch ich war in der damaligen Anhörung als Einzelsachverständiger geladen. Die schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung, darunter meine Ausführungen (S. 79-89) wurden als Ausschussdrucksache 19(11)655 vom 11.05.2021 veröffentlicht.

In der Stellungnahme habe ich damals diese Frage aufgerufen: „Wo bleibt die dringend erforderliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für die vielen Betroffenen im Niedriglohnsektor?“ Dazu wurde dann weiter ausgeführt:

»Natürlich spiegeln sich die gegebenen Ungleichheitsstrukturen auch beim Kurzarbeitergeld und sie potenzieren sich dort zugleich. Denn schaut man auf diejenigen, die bereits jetzt eine Aufstockung ihrer Kurzarbeitergelder seitens des Arbeitgebers bekommen, dann sind das überwiegend Beschäftigte, die im mittleren oder oberen Lohnbereich unterwegs sind. Aber die vielen Niedriglohnbeschäftigten, die dann auch noch überdurchschnittlich von Kurzarbeit betroffen sind, arbeiten in Branchen, in denen es zumeist keine tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungen gibt.
Auf alle Fälle wäre eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes für die vielen, die in diesen Einkommensbereichen unterwegs sein müssen, eine Minimalerwartung aus sozialpolitischer Sicht.«

Ein Blick über den nationalen Tellerrand kann für die Deutschland hilfreiche Inspirationen verschaffen. So wurde in der Stellungnahme auf Beispiele aus anderen Ländern verweisen, wo es eine absolute Untergrenze für das Kurzarbeitergeld, die durch den gesetzlichen Mindestlohn fixiert wird, gibt. Eine solche Regelung soll vor allem Beschäftigten im Niedriglohnsektor während der Kurzarbeit ein bestimmtes Mindesteinkommen sichern. Ausdrücklich hervorgehoben wurde die damals bereits existierende Regelung in Österreich, wo die Beschäftigte mit niedrigen Einkommen von Anfang an eine prozentual höhere Aufstockung des Kurzarbeitergeldes erhalten. Ebenfalls dargestellt wurde der Vorschlag ein Mindestkurzarbeitergeld betreffend, das damals aus den Reihen der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) gefordert wurde. Auch hier sollte mindestens ein Einkommen auf dem Mindestlohn-Niveau sichergestellt werden.

Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte die besondere Problematik der vielen Menschen im unteren Einkommensbereich in das Zentrum ihrer Vorschläge gestellt und zugleich einen erweiterten Ansatz vorgelegt, vgl. dazu den Antrag „Kurzarbeitergeld Plus einführen“ auf Bundestags-Drucksache 19/18704 vom 21.04.2020. Das „Kurzarbeitergeld Plus“ ist ein nach Einkommen gestaffeltes Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld soll für kleine bis mittlere Einkommensbereiche angehoben werden. Wer Vollzeit mit Mindestlohn gearbeitet hat, soll den maximalen Zuschlag erhalten. Dieser Zuschlag sinkt dann mit zunehmendem Einkommen ab. Konkret heißt das: Bei Beschäftigten mit einem Nettoeinkommen unter 2.300 Euro wird das Kurzarbeitergeld erhöht und zwar umso stärker, von 60 Prozent auf 90 Prozent, je geringer das Einkommen ist. Den Höchstsatz von 90 Prozent erhalten Beschäftigte bis zu einem Nettoentgelt von 1.300 Euro. Wer wenig verdient, erhält im Vergleich zu heute ein höheres Kurzarbeitergeld und wird so vor Armut geschützt. In der Bewertung dieses Modells habe ich in meiner Stellungnahme ausgeführt, »dass das Modell der Grünen „defensiver“ angelegt ist als beispielsweise das österreichische Modell, aber aufgrund der Fokussierung auf die unteren Einkommen würde hier eine spürbare Verbesserung der Einkommenslage hergestellt werden können – und in diesen Haushalten wird wirklich jeder Cent gebraucht.« (S. 87).

»Fazit: Wenn man nicht den österreichischen Weg geht, dann sollte man wenigstens die konkreten partiellen Verbesserungsvorschläge aus dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgreifen. Denn das Ziel sollte sein, so schnell wie möglich die finanzielle Lage vor allem der überdurchschnittlich von Kurzarbeit betroffenen Niedriglöhner zu verbessern – und eben nicht eine schrittweise Anhebung für alle, die aber erst nach einigen Monate Wartezeit, wie wir das nun aber bekommen haben.« Das war am 11. Mai 2020.

Also wenn das Thema der defizitären Absicherung gerade der vielen Beschäftigten im Niedriglohnsektor, die dann auch noch überdurchschnittlich und deutlich länger von Kurzarbeit betroffen waren (und derzeit immer noch sind) im Mai 2021 wieder aufgerufen wird, dann muss man konstatieren, dass eine Lösung schon vor einem Jahr mit konkreten Regelungsvorschlägen vorgetragen wurde – und CDU/CSU wie auch die SPD haben das damals mit ihren Stimmen vom Tisch gewischt.