Solche und andere Kinder: Sonderurlaub und Entschädigung – aber nur wenn … Der Unterschied zwischen Kita- und Schulkindern als folgenreiche Spaltungslinie

Nachdem es mit dem Anfang November verhängten Teil-Lockdown irgendwie nicht funktioniert hat, was die anvisierte Absenkung sowohl der generellen Fallzahlen sowie der bei einem Teil der Corona-Infizierten erforderlichen Inanspruchnahme der Krankenhäuser und darunter besonders der Intensivstationen angeht, haben die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 13. Dezember 2020 telefoniert und man hat sich auf ein Paket an Maßnahmen verständigt, das nun als „harter Lockdown“ bezeichnet wird, wobei eine genauere Inaugenscheinnahme der vereinbarten Maßnahmen zeigt, dass der neuerliche Lockdown in vielen Bereichen gar nicht so hart ist, wie man das bei dem Etikett denken könnte.

Ein heftig umstrittener Punkt war (und ist) der Umgang mit den Schulen (das stand im Mittelpunkt der politischen Debatte) und der Kitas. Denn – das war bereits nach der ersten Welle eine zentrale Lehre – es gibt in unserer Erwerbsarbeitsgesellschaft, in der immer mehr Mütter selbstverständlich einer bezahlten Berufstätigkeit nachgehen (und in nicht wenigen Fällen mit Blick auf das Haushaltseinkommen sich nachgehen müssen), echte Probleme für einen Teil der Eltern, vor allem der mit kleinen, betreuungsbedürftigen Kindern sowie mit Schulkindern, die nach Hause entlassenen Kinder zu versorgen und der eigenen Erwerbsarbeit nachgehen zu können, selbst und manchmal gerade dann, wenn man vom Arbeitgeber in das Homeoffice, also in die Heimarbeit geschickt wurde (und jetzt wieder wird). Denn die betroffenen Eltern müssen zu Hause in mehrfacher Heimarbeit alles miteinander „vereinbaren“, was bei vielen, die nicht über geräumige Einfamilienhäuser verfügen ein echtes Problem darstellt.

Und in der neuen Lockdown-Phase ist erneut mit einem Anstieg der Heimarbeit zu rechnen, zumindest, wenn sich viele Unternehmen, die nicht direkt adressiert wurden mit angeordneten Schließungen, an die Bitte der Verantwortlichen in Bund und Ländern halten. So findet man in dem Beschluss der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin vom 13.12.2020 diese nette Formulierung: »Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden dringend gebeten zu prüfen, ob die Betriebsstätten entweder durch Betriebsferien oder großzügige Home-Office-Lösungen vom 16. Dezember 2020 bis 10. Januar 2021 geschlossen werden können, um bundesweit den Grundsatz „Wir bleiben zuhause“ umsetzen zu können.«

Nun ist es keinesfalls so, dass unsere Regierungschefs und -chefinnen gemeinsam mit der Bundeskanzlerin das angesprochene Vereinbarkeitsproblem nicht vor Augen hatten, als sie ihre Beschlüsse gemacht haben. Denn man findet in dem Beschluss als Punkt 7 auch dieses Versprechen:

»Auch an den Schulen sollen im Zeitraum vom 16. Dezember 2020 bis 10. Januar 2021 die Kontakte deutlich eingeschränkt werden. Kinder sollen dieser Zeit wann immer möglich zu Hause betreut werden. Daher werden in diesem Zeitraum die Schulen grundsätzlich geschlossen oder die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Es wird eine Notfallbetreuung sichergestellt und Distanzlernen angeboten. Für Abschlussklassen können gesonderte Regelungen vorgesehen werden. In Kindertagesstätten wird analog verfahren. Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen.«

Und das wurde auch auf den gesetzgeberischen Weg gebracht. Am 18.12.2020 hat nun auch die Länderkammer, der Bundesrat, dem zugestimmt und entsprechend vielversprechend ist die Meldung auf der Website des Bundesrates: Eltern erhalten Entschädigung bei Kita- und Schulschließungen, so ist die frohe Botschaft für alle überschrieben: »Eltern haben Anspruch auf Entschädigung, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Kitaferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird. Einem entsprechenden Gesetzesbeschluss des Bundestages hat der Bundesrat am 18. Dezember 2020 zugestimmt. Die entsprechende Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes hatte der Bundestag kurzfristig an das Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldung-und Wehrsoldempfänger angefügt.«

Und hinsichtlich der angesprochenen Entschädigung erfahren wir vom Bundesrat:

»Entschädigung für insgesamt 20 Wochen
Die betroffenen Eltern haben Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalls, maximal jedoch von 2.016 Euro monatlich. Der Anspruch gilt für insgesamt 20 Wochen: jeweils zehn Wochen für Mütter und zehn Wochen für Väter – beziehungsweise 20 Wochen für Alleinerziehende. Der Maximalzeitraum kann über mehrere Monate verteilt werden.«

Nun weiß der mit Lebenserfahrung gesättigte Leser, dass man in unseren Zeiten ganz besonders achtsam sein muss auf das Kleingedruckte, vor allem, wenn Juristen am Werke sind. In der Formulierung der Mitteilung des Bundesrates findet man dieses „…, wenn …“ und da ist besondere Vorsicht angezeigt. Lesen wir weiter, was uns zu diesem Punkt erläutert wird:

»Voraussetzung: keine andere Betreuungsmöglichkeit
Die Regelung sieht eine Entschädigung vor, wenn Eltern ihre Kinder aufgrund verlängerter Schul- oder Betriebsferien, ausgesetztem Präsenzunterricht oder Hybridunterricht zuhause betreuen müssen. Voraussetzung ist, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind besteht. Anspruchsberechtigt sind Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die behindert und hilfebedürftig sind.«

Es ist diese Formulierung, die Hasso Suliak zu diesem Artikel motiviert hat: Kein Son­der­ur­laub, keine Ent­schä­d­i­gung für Kita-Eltern, dessen Überschrift allein viele Eltern mehr als frustrieren wird. Auch hier wird anfangs das hervorgehoben, was gemacht werden sollte: »Eigentlich hatten Kanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und -minister in ihrem Beschluss vom vergangenen Sonntag Eltern, die ihre Kinder im Lockdown zu Hause betreuen müssen, zusätzlichen, „bezahlten“ Urlaub versprochen. „Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen“, heißt es in dem Papier, das in diesen Tagen in Gesetzes- bzw. Verordnungsform gegossen wird.« Aber:

»Doch dieses vollmundige Versprechen ist seit Mittwoch vom Tisch bzw. wurde – wie es hinter vorgehaltener Hand aus Regierungskreisen heißt – „mit Rücksicht auf die Arbeitgeber und die Union“ stark eingedampft: Beschlossen wurde lediglich eine staatliche Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalls, maximal von 2.016 Euro monatlich. Anspruch darauf haben diejenigen Eltern, bei deren Kindern kein Präsenzunterricht mehr in der Schule stattfindet oder wo die Schulferien verlängert wurden. § 56 Abs. 1a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wird entsprechend ergänzt. Bislang galt eine solche Regelung bereits für den Fall, dass die Kindertagesstätte (Kita) oder Schule des Kindes im Wege behördlicher Anordnung geschlossen wurde.«

Das betrifft einerseits (nur) Kinder bis zum zwölften Lebensjahr bzw. bei Behinderung und Hilfebedürftigkeit der älteren Kinder (was aber durchaus angemessen erscheint angesichts der Zielsetzung, Kinder mit einem besonderen Betreuungsbedarf in den Mittelpunkt zu rücken), andererseits gibt es da diese Einschränkungen, wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit vorhanden ist und vor allem „wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Kitaferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird.“

Dazu erläutert Suliak: »Zu früh gefreut haben sich … viele Eltern von Kita-Kindern, deren Einrichtungen – wie in den meisten Bundesländern – den Regelbetrieb eingestellt haben und in denen nur noch ein Notbetrieb stattfindet. Diese Eltern werden zwar wie z.B. von der Berliner Senatsverwaltung „eindringlich aufgefordert“, ihr Kind während des aktuellen Lockdowns möglichst zu Hause zu lassen und das Notbetreuungsangebot nur in Anspruch zu nehmen, wenn ein außerordentlich dringlichen Betreuungsbedarf besteht. Folgen die Eltern indes dieser Empfehlung, gibt es für sie keinerlei staatliche Hilfe; auch dann nicht, wenn ihnen der Arbeitgeber nur unbezahlten Urlaub einräumt, weil sämtliche Urlaubstage bereits verbraucht sind.«

Nach der nunmehr auch vom Bundesrat bestätigten »Entschädigungsregelung reicht es nicht aus, dass die Kita im Notbetrieb und mit weniger Personal fährt. Es müssten vielmehr „Betriebsferien“ angeordnet worden sein, wie es in einer Formulierungshilfe aus dem Bundesgesundheitsministerium für die Koalitionsfraktionen im Bundestag heißt. Das bedeutet: Nur wenn die Kita auf behördliche Anordnung komplett geschlossen wurde, gibt es ggf. Entschädigung. In Bundesländern wie in Berlin oder Nordrhein-Westfalen ist das gegenwärtig ausgeschlossen, denn die Kitas sind nur ein bisschen geschlossen („kein Regelbetrieb“), aber eben nicht so ganz.« Alles klar?

Übrigens kann/wird das auch fatale Kollateralschaden mit Blick auf das eigentliche Ziel auslösen, das man mit dem neuen Lockdown anvisiert hat: »Ohne finanziellen Ausgleich werden viele Eltern gar nicht darum herumkommen, ihre Kinder in den Notbetrieb der Kita zu geben – auch wenn gerade das unerwünscht ist und das Infektionsrisiko für Erzieherinnen und Erzieher sowie die Familie dadurch steigt.«

Und leider tun sich hier auch ganz neue Spielwiesen für die Juristen auf, wenn es nun um die Auslegung und ggfs. Geltendmachung von Ansprüchen geht – wie immer erweisen sich die hypertrophierten gesetzgeberischen Klimmzüge als Arbeitsbeschaffungsprogramm für diese Berufsgruppe:

Auf der einen Seite blockiert die nun verabschiedete Formulierung eventuelle Ansprüche seitens der Eltern von Kita-Kindern durch die Hürde der Voraussetzungen. Suliak zitiert hier als Beispiel die Positionierung aus Baden-Württemberg: „Wenn Sorgeberechtigte eine von der Kita angebotene Notbetreuung freiwillig nicht wahrnehmen, kann kein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG entstehen“, heißt es aus dem Stuttgarter Sozialministerium. Was aber, wenn aufgrund mangelnder Kapazitäten in der Kita die Notbetreuung für das betreffende Kind gar nicht angeboten werden könne? „Dann besteht der Entschädigungsanspruch dem Grunde nach.“ Die Kita müsse dies jedoch auf einer „Negativbescheinigung“ bestätigen.

Und Suliak weist dann die möglicherweise interessierten Eltern darauf hin, dass es ein für diese „Negativbescheinigung“ der Kita erforderliches Formular bereits – von wegen Servicewüste Deutschland – auf dem ländergemeinsamen Online-Portal Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) geben würde. Jedenfalls bei den Formularen sind und bleiben wir unschlagbar, auch wenn ansonsten vieles um uns herum wackelt und einbricht.

An die betroffenen Eltern wird auf alle Fälle, so muss man bilanzieren, eine letztendlich klare Botschaft ausgesendet: Haltet durch. Ihr schafft das schon.