Im Februar dieses Jahres wurde hier berichtet: Kommissionsmitglied Axel Börsch-Supan … macht seiner Enttäuschung über die Arbeit der Kommission jetzt Luft. „Erwarten Sie nicht zu viel“, sagte er auf einer Renten-Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing. „Erwarten Sie besser gar nichts.“ Börsch-Supan will seine Frustration nun nicht mehr verstecken: „Die Kommission hat sich selbst zu viele Fallgruben gegraben. Die rentenpolitischen Denkverbote engen den Diskussionsspielraum so ein, dass man sich nicht mehr bewegen kann.“ Damit spielt der Rentenexperte, der schon vielen Regierungskommissionen angehörte, unter anderem auf die Vorgabe von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, nicht am Renteneintrittsalter zu rütteln, das bis 2031 auf 67 Jahre steigt. So dieser Beitrag vom 14. Februar 2020: Wenn der „Kommission Verlässlicher Generationenvertrag“ zur Alterssicherung ab 2025 die Verlässlichkeit eines Mitglieds abhanden kommt: „Erwarten Sie besser gar nichts“.
Da war ein Kommissionsmitglied sichtlich verärgert, denn Axel Börsch-Supan war einer von drei Wissenschaftlern in der Rentenkommission, die ansonsten von Politikern der Regierungsparteien und den Vertretern der Arbeitgeber und Gewerkschaften dominiert wird. Und Börsch-Supan gehört zu denen, die seit langem mit einer klaren Perspektive durch die sozialpolitische Landschaft laufen: Das gesetzliche Renteneintrittsalter muss (noch) weiter angehoben werden, die bereits vor Jahren beschlossene „Rente mit 67“ kann und darf nur eine Etappe sein auf dem Weg hin zur „Rente mit 70“.
Nun hat die Rentenkommission ihren Abschlussbericht – den Zeiten angepasst – mit entsprechendem Sicherheitsabstand virtuell in Form von PDF-Dokumenten der Bundesregierung und der Öffentlichkeit übergeben. Hier erst einmal die Original-Materialsammlung dazu:
➔ Kommission Verlässlicher Generationenvertrag (2020): Bericht der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag. Band I – Empfehlungen, Berlin, März 2020
➔ Kommission Verlässlicher Generationenvertrag (2020): Bericht der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag. Band II – Materialien, Berlin, März 2020
➔ Kommission Verlässlicher Generationenvertrag (2020): Bericht der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag. Kurzfassung, Berlin, März 2020
Man muss an dieser Stelle noch einmal aufrufen, was die derzeitigen Koalitionspartner in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 für die laufende Legislaturperiode konkret vereinbart haben:
»Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein hohes Gut in unserem Sozialstaat. Deshalb werden wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 absichern und bei Bedarf durch Steuermittel sicherstellen, dass der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen wird. Für die Sicherung des Niveaus bei 48 Prozent werden wir in 2018 die Rentenformel ändern und parallel dazu eine Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ einrichten, die sich mit den Herausforderungen der nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der beiden weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 befassen wird. Sie soll eine Empfehlung für einen verlässlichen Generationenvertrag vorlegen. Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert. Die Rentenkommission soll ihren Bericht bis März 2020 vorlegen.« (S. 92)
Was sind nun die wichtigsten Ergebnisse aus der zweijährigen Kommissionsarbeit? Die zentralen Punkt kann man so zusammenfassen:
➞ Die Kommission schlägt nun auch für die Zeit nach 2025 eine „doppelte Haltelinie“ vor, deren Höhe alle sieben Jahre neu festgelegt werden soll. Diese könnten dazu beitragen, Beitragszahler und Rentner „vor Überforderung zu schützen“, heißt es im Bericht. Die Experten benennen allerdings lediglich Korridore.
➞ Der Rentenbeitrag (derzeit 18,6 Prozent) soll nicht über einen Korridor von 20 bis 24 Prozent steigen.
➞ Das Rentenniveau vor Steuern (derzeit 48 Prozent) soll nicht unter eine Grenze von 44 und 49 Prozent sinken.
➞ Da eine verlässliche Rentenpolitik auch „langfristige Orientierung und Sicherheitsversprechen“, brauche, sollten auch weiter alle 15 Jahre „perspektivische Haltelinien“ festgelegt werden.
➞ Außerdem sollen nach dem Willen der Kommission zwei weitere Indikatoren hinzukommen: Um eine Überforderung der Beitragszahler zu verhindern, soll jedes Jahr die Höhe der Sozialbeiträge betrachtet werden.
➞ Um Rentnerinnen und Rentner zu schützen, soll der Abstand zwischen der „Standardrente“, also der Rente, die jemand mit einem Durchschnittseinkommen nach 45 Beitragsjahren erhält, und der Höhe der Grundsicherung überprüft werden. Je geringer dieser Abstand, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik das Rentenniveau nach oben anpassen muss.
Und die Anhebung des Renteneintrittsalters?
»Umstritten war in der Kommission die Frage, ob das gesetzliche Rentenalter weiter steigen soll. Die Wissenschaftler in der Runde plädierten dafür, die Altersgrenze nach dem Jahr 2031, wenn die Rente mit 67 erreicht ist, auch weiter anzuheben. Doch nicht nur aus den Gewerkschaften gab es erheblichen Widerstand.«
Und was macht man in so einer vertrackten Situation? Man reicht den schwarzen Peter weiter an eine noch zu gründende weitere Kommission, die sich mit dieser Frage ab 2026 beschäftigen soll, obgleich doch der Auftrag der nun fertigen Kommission genau das war – Antworten zu geben auf die Frage, wie es nach 2025 weitergehen kann/soll:
»Zum jetzigen Zeitpunkt solle nicht über diese Frage entschieden werden, lautet nun der Kompromiss. Doch im Jahr 2026 solle ein neu zu gründender Alterssicherungsbeirat eine Einschätzung abgeben, „ob und in welcher Weise die Anhebung der Altersgrenzen erforderlich und vertretbar“ sei.«
Man kann sich vorstellen, dass dieses Nicht-Ergebnis das Renteneintrittsalter betreffend für erhebliche Aggressionen bei interessierten Kreisen gesorgt hat: »Die Rentenkommission hat es geschafft, mit ihrem Bericht die bereits reduzierten Erwartungen noch einmal deutlich zu unterbieten. Zusammengefasst schlägt sie vor: Weiter so«, so Hubertus Pellengahr von der arbeitgeberfinanzierten Lobbyorganisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) unter der Überschrift Rentenkommission gescheitert: Lösungen vertagt. Und dort geht es dann neben einige kritischen Anmerkungen zum Thema Rentenniveau vor allem – keine Überraschung – um das aufgerufen Thema Renteneintrittsalter:
»Es ist bereits Realität, dass wir länger arbeiten müssen bis zur Rente. Das ist darin begründet, dass wir erfreulicherweise immer länger leben und einen größeren Teil des Lebens im Ruhestand verbringen als noch unsere Eltern und Großeltern. Die Politik hatte 2007 die Rente mit 67 beschlossen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Bis zum Jahr 2030 soll ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren vollständig umgesetzt sein. Doch auch über das Jahr 2030 hinaus wird die Lebenserwartung steigen. Um eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern, sollte das Verhältnis aus Arbeitszeit und Rentenbezugsdauer stabil gehalten werden. Eine Idee wäre: Drei Monate mehr Lebenserwartung gleich ein Monat mehr Rente und zwei Monate länger arbeiten. So wäre sichergestellt, dass das Rentenniveau stabilisiert wird und das System finanziell tragbar bleibt. Die Rentenkommission hatte nun nicht den Mut, der Politik reinen Wein einzuschenken. In der Politik selbst mag man darüber sogar erleichtert sein, denn das heißt auch: Keinen Wahlkampf mit unpopulären Vorhaben wie ein höheres Rentenalter bestreiten zu müssen … Vielmehr wäre es sinnvoll, früher oder später unausweichliche Schritte vorzubereiten, damit sie perspektivisch auch umgesetzt werden können – also eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung.«
Da ist sie wieder – „die“ steigende Lebenserwartung
Aber nicht nur Axel Börsch-Supan als einer der drei Wissenschaftler in der Kommission war und ist für eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, explizit dafür ist auch der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Gert G. Wagner, der ebenfalls in dem Gremium mitgearbeitet hat. Er hält eine weitere Anhebung des Rentenalters für die „entscheidende Stellschraube“ zur Finanzierung der Renten. Dazu das Interview mit ihm: „Die Altersgrenze sollte ab 2031 weiter steigen“. Seine Argumentation geht so: »Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Stellschrauben: Die Beiträge können steigen, der Steuerzuschuss kann steigen, die Renten können langsamer angehoben werden als in den letzten Jahren oder die Altersgrenze wird nach 2030 weiter erhöht. Ich persönlich halte die Altersgrenze für die entscheidende Stellschraube zur Finanzierung der Renten. Ab 2031, also dann, wenn die Rente mit 67 voll greift, sollte die Altersgrenze weiter steigen.« Und auch bei ihm findet man erneut den legitimatorischen Bezug auf „die“ steigende Lebenserwartung, von der nur etwas umverteilt werden soll: »Dabei geht es doch gar nicht darum, dass Rentner kürzer ihre Rente beziehen sollen. Die Lebenserwartung steigt. Wir müssen darüber diskutieren, wie man diese gewonnene Zeit aufteilt in ein längeres Arbeitsleben und eine längere Rentenbezugszeit.« Man darf und muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass „die“ Lebenserwartung keinesfalls steigt, sondern wir mit einer verteilungspolitisch hoch brisanten unterschiedlichen Entwicklung „der“ Lebenserwartung konfrontiert sind. Vgl. dazu mit dem Versuch einer differenzierenden Analyse beispielsweise die hier veröffentlichten Beiträge „Wir“ werden (nicht alle) immer älter. Über den Zusammenhang von steigender Lebenserwartung, zunehmender Einkommensungleichheit schon vor der Rente und Altersarmut vom 20. Juni 2019 oder bereits am 22. April 2016 Rente mit 70(+)? Warum die scheinbar logische Kopplung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung unsinnig ist und soziale Schieflagen potenziert. Es ist keinesfalls so, dass Wagner diesen Punkt nicht sieht. Auf Nachfrage erläutert er in dem Interview:
»Ja, gesundheitlich belastende Berufe sind auch mit einer kürzeren Lebenserwartung verbunden … Nach meiner persönlichen Meinung sollte das dann darauf hinauslaufen, dass bei einer weiter steigenden Altersgrenze der Zugang zu Erwerbminderungsrenten jenseits des 60. Lebensjahres erleichtert wird.«
Und während die einen wütend bis frustriert die Verschiebung der Frage nach einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters kommentieren, sieht der gremienerfahrene Politikberater Wagner das Glas eher halb voll als ganz leer: »Das Rentenalter wurde in der Kommission, durchaus zu Recht, sehr kontrovers diskutiert. Deswegen schlagen wir vor, dass ein neu zu schaffender Alterssicherungsbeirat im Jahr 2026 einen Vorschlag für die Entwicklung der Altersgrenze macht. Damit ist das Thema auf der politischen Agenda. Ich behaupte: Niemand wird das wieder runterbringen. Und von 2026 bis 2031, wenn ein weiterer Anstieg beginnen könnte, ist noch genug Zeit, um sich vorzubereiten, sowohl für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.«
Auch das dritte wissenschaftliche Mitglied der Kommission, die Bremer Soziologie-Professorin Simone Scherger, hat sich zwischenzeitlich zu Wort gemeldet: Simone Scherger findet den Bericht der Rentenkommission sehr ehrlich, so ist ein Interview mit ihr überschrieben. Für sie stellen die Ergebnisse der Rentenkommission keinen inhaltsleeren Minimalkonsens dar, denn durch die breite Zusammensetzung der Rentenkommission gab es einen großen Dissens in Bezug auf viele größere Stellschrauben und Handlungsoptionen, beispielsweise der Regelaltersgrenze, und deshalb sei der nun breit kritisierte Abschlussbericht der Kommission ehrlich in Bezug auf das, was derzeit überhaupt politisch umgesetzt werden kann. Natürlich wird sie auch nach dem immer wieder geforderten „großen Wurf“ in der Rentenpolitik gefragt, den sie aber für eine Illusion hält. Darüber hinaus:
»Wir haben uns viele dieser größeren Reformideen angeschaut, sie haben aber bei genauem Hinsehen alle größere Haken und Nachteile. Eine schnelle pauschale Anhebung der Regelaltersgrenze ist derzeit ungerecht, weil sie Härten für Ärmere bedeutet, die eine geringere Lebenserwartung haben. Ein Ausbau der privaten Altersvorsorge ist mit großen Risiken behaftet, und bisher erfüllt die private Altersvorsorge viele an sie gerichtete Erwartungen nicht. Und natürlich stellen steigende Beiträge in der Rentenversicherung eine Belastung für die Rentenversicherten dar.«
Soweit die ersten Reaktionen seitens der Wissenschaftsbank in der Kommission. Nicht nur, aber auch die Auswahl der drei Wissenschaftler hat mich am Beginn der Kommissionsarbeit zu der Vorhersage getrieben, dass die Empfehlung einer weiteren Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters „mit großer Wahrscheinlichkeit“ eines der zu erwartenden Ergebnisse sein wird – was sich nun aber so nicht eingestellt hat, wobei der von Wagner angesprochene Grundsatz gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Dazu beispielsweise meine Ausführungen in dem Beitrag Die Rentenkommission setzt sich in Bewegung. Was rauskommen wird? Mit hoher Wahrscheinlichkeit eine höchst problematische weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters vom 6. Juni 2018. Dort ging es mit Blick auf die drei von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in die Kommission berufenen Wissenschaftler um zwei für einige sicher irritierende Signale, die so beschrieben wurden:
»Zum einen die Berufung von Axel Börsch-Supan, der sich zum einen als massiver Kritiker der Teile der bisherigen Rentenpolitik, die aus der Sozialdemokratie vorangetrieben wurden wie der abschlagsfreien „Rente mit 63“ oder der Stabilisierung des auf dem Sinkflug befindlichen Rentenniveaus, die er als „unbezahlbar“ etikettiert und zugleich plädiert er heftig für private Altersvorsorge. Zumindest muss man festhalten, dass kein relevanter Wissenschaftler in die Kommission berufen wurde, der oder die dieser Position etwas entgegenhalten kann.
Zum anderen ergibt ein Blick auf alle drei Wissenschaftler, also neben Axel Bursch-Supan noch Gert G. Wagner als Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung sowie Simone Scherger, die an der Uni Bremen lehrt, dass alle drei passungsfähig sind zu der – so meine These – „hidden agenda“der Kommission, die daraus besteht, einer weiteren Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters den Boden zu bereiten. So hat Simone Scherger von 2010 bis 2017 eine Nachwuchsforschungsgruppe „Erwerbsarbeit jenseits der Rentengrenze in Deutschland und Großbritannien“ am SOCIUM Bremen geleitet. Um nur ein Beispiel zu nennen, wo es Andockstellen der drei Wissenschaftler gibt.«
Mission completed? Die Gewerkschaften sehen „Weder Fluch noch Segen für Arbeitnehmer“ und waren durchaus erfolgreich bei der Abwehr der „hidden agenda“
Der DGB war in der Kommission mit dem diese Tage aus dem Amt scheidenden Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach vertreten und die hat aus gewerkschaftlicher Sicht eine erfolgreiche Verhinderung einer von vielen anderen angestrebten Empfehlung einer weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters abgeliefert, bevor sie nun die Funktionärsbühne verlassen wird. Was sagt der DGB speziell zu der Frage einer Anhebung der Regelaltersgrenze?
»Bei steigender Lebenserwartung erscheint ein höheres Rentenalter auf den ersten Blick plausibel, wenn man nur die Finanzlage der Rentenversicherung im Blick hat. Denn mit höheren Altersgrenzen kürzt man massiv die Ausgaben. Allerdings geht es in der Rentenpolitik um mehr und die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass in der Sozialpolitik der Mensch im Mittelpunkt steht.
Die Gesellschaft wird insgesamt älter, aber nicht jeder einzelne. Wir wissen, dass einige Berufsgruppen wegen der Arbeitsbelastungen ein höheres Sterberisiko haben, gleiches gilt für Menschen mit geringem Einkommen. Als Wissenschaftler oder Politikerin kann man bestimmt auch mit 75 noch arbeiten, als Krankenschwester, Dachdecker; Feuerwehrmann, Polizist oder Busfahrer und in vielen anderen Berufen geht das nicht.
Für alle, die meinen, eine Rente mit 70 oder mehr diene der Generationengerechtigkeit und sei gut für die Jüngeren: Es sind genau diese jungen Menschen, die dann erst mit 70 oder mehr in Rente gehen können. Sie müssen länger arbeiten und länger Beiträge zahlen. Am Ende zahlen die Junge damit sogar mehr Beiträge, um bekommen trotzdem weniger lange Rente.
Eine höhere Altersgrenze wäre vor allem eine weitere schnelle Entlastung der Arbeitgeber. Und im Übrigen gibt es kein Beschäftigungsverbot für Senioren. Wer will, darf auch nach 65, 67 oder 70 weiterarbeiten. Oft scheitert das an Arbeitgebern, die lieber auf jüngere Belegschaften setzen.« (Quelle: Abschlussbericht der Rentenkommission: Fragen und Antworten).
Unter der Überschrift Bericht der Rentenkommission: Weder Fluch noch Segen teilt uns der DGB mit, dass es noch einen weiteren wichtigen Dissens zu vielen anderen in der Kommission gab und auch zum bereits weitgehend entleerten Abschlussbericht: »Beim Rentenniveau haben die Gewerkschaften ein Sondervotum abgegeben, auch wenn der DGB den Bericht im Großen und Ganzen mitträgt. Dass es in Zukunft feste Haltelinien geben soll beim Beitragssatz und – was für uns entscheidender ist – beim Sicherungsniveau, ist vernünftig. Aber einen Korridor beim Rentenniveau, der nach 2025 zwischen 44 und 49 Prozent liegen soll, können wir nicht unterschreiben. Für die Gewerkschaften ist klar, es darf keine weiteren Rentensenkungen geben – das Niveau von heute 48 Prozent muss als definitive Untergrenze festgelegt werden, und zwar ein für alle Mal. Sonst heißt es gerade für die Jüngeren: Mehr einzahlen, weniger rausbekommen und dann auch noch die Kosten für die private Vorsorge alleine tragen – das ist einfach ungerecht.«
Die Bewertung des Abschlussberichts der Rentenkommission seitens des DGB kann man hier nachlesen:
➔ DGB (2020): Abschlussbericht der Kommission Verlässlicher Generationenvertrag: Die Auseinandersetzung um starke Rente geht weiter!, Berlin, März 2020
Und die Gewerkschaften haben natürlich noch ganz andere rentenpolitische Vorstellungen, die es nicht in den Kommissionsbericht geschafft haben, so dass sie einen eigenen „Rentenbericht“ veröffentlicht haben, in dem man die gewerkschaftlichen Positionen nachlesen kann:
➔ DGB (2020): Bericht zur Rentenpolitik in Deutschland: Neue Sicherheit für alle Generationen, Berlin: DGB-Bundesvorstand, Abteilung Sozialpolitik, März 2020
Die rentenpolitische Debatte wird nach der gegenwärtig alles überlagernden Corona-Krise weitergehen und man wird das Drehen an den kritischen Stellschrauben nur (erneut) für eine kurze Zeit auf die bekannte längere Bank schieben können. Das Wachstum bei der Zahl der altersarmen Menschen (zugleich auch der Anstieg der materiell gut bis sehr gut aufgestellten Senioren, mithin also die Zunahme der Ungleichheitsstrukturen im Sinne einer sich fortsetzenden Polarisierung) wird in Verbindung mit dem für die bestehende gesetzliche Rentenversicherung besonders herausforderungsvollen Veränderungen in den vorgelagerten Systemen wie auf dem Arbeitsmarkt (Stichwort Niedriglöhne und Teilzeitarbeit zugleich die rentenpolitische Systemfrage am Gären halten. Wiedervorlage garantiert.