Der „Low-Cost-Carrier“, anders ausgedrückt: der Billigflieger Ryanair, wird in diesem Jahr gut 120 Mio. Passagiere befördern. Wir sprechen von einer echten Erfolgsgeschichte des Flugverkehrs, obgleich die Leistungen dieses Unternehmens für seine Passagiere auf ein Minimum begrenzt sind. Vielleicht aber auch deshalb, definiert sich Ryanair doch vor allem über den Preis. Einen möglichst niedrigen Preis. Das kommt an, gerade in Deutschland, wo man Fleisch und Flugreisen immer gerne zu absoluten Schnäppchen-Preisen haben möchte. Bei der erkennbaren Expansion in so einem angenehmen Umfeld möchte der Billigflieger natürlich nicht gestört werden.
Was auf der anderen Seite gar nicht so einfach ist, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen und sein Geschäftsmodell vor allem darauf basiert, die Kosten zu „reduzieren“ – dann nicht, wenn ein Kostenfaktor durch rechtliche Regelungen „verteuert“ wird für die Billigheimer aus Irland. Und zu den Kostenstellen des Unternehmens gehören natürlich auch die Mitarbeiter – und da hat Ryanair enorme Potenziale der Kostensenkungsstrategien zum Leben erweckt. Und die werden nun erschwert, wenn man sich eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anschaut. Als die bekannt wurde, ging der Aktienkurs von Ryanair um mehrere Prozentpunkte nach unten – immer ein guter Indikator, dass das Urteil mit Blick auf das Geschäftsmodell von Ryanair kritisch gesehen wird. Analysten rechnen mit Kostensteigerungen.
Um das neue Urteil des EuGH einordnen zu können, ist ein Blick auf den Kern des Problems angezeigt. Und darüber wurde auch hier schon mehrfach berichtet. Beispielsweise in diesem Beitrag: Über den Wolken muss die Freiheit der Ausbeutung annähernd grenzenlos sein. Der Billigflieger Ryanair mal wieder – am 3. November 2015:
»Ryanair dreht an vielen Stellschrauben, um als Kosteneffizienzmaschine der Konkurrenz zuzusetzen. Und das Unternehmen ist „wirtschaftlich“ (in einem sehr begrenzten Verständnis davon) mehr als erfolgreich … Die wirklich beeindruckende Kosteneffizienzmaximierung kann Ryanair bei allen unterschiedlichen Maßnahmen letztendlich nur durch billiges Personal erreichen. Und die daraus resultierenden Klagen über die Arbeitsbedingungen bei diesem „Erfolgsmodell“ haben eine lange Geschichte.«
Bereits am 28. Mai 2015 wurde in dem Beitrag Billig hat einen hohen Preis. Die Piloten bei Ryanair und die „zu teuren Auslaufmodelle“ bei der Deutschen Post ausgeführt:
»Die Niedrigpreise bei Ryanair werden – neben anderen Faktoren – durch einen mehr als fragwürdigen Umgang mit dem eigenen Personal ermöglicht. »Ryanair steht wegen zweifelhafter Vertragskonstruktionen in der Kritik. Seinen Erfolg soll der Billigflieger auch auf Kosten von scheinselbstständigen Piloten machen«, kann man beispielsweise dem Artikel Das Geschäft mit scheinselbstständigen Piloten entnehmen. Das ist schon heftig: »So sind mehr als die Hälfte der über 3.000 Ryanair-Piloten nicht direkt bei Europas größtem Billigflieger angestellt. Sie fliegen als selbstständige Unternehmer.« die machen das, weil sie hoffen, auf diesen Weg Erfahrungen sammeln zu können und später in eine besser bezahlte Festanstellung zu gelangen.
Dabei geht Ryanair durchaus strategisch und komplex vor: Ein großer Teil der Piloten des europäischen Billigfliegers wird etwa über den englischen Personaldienstleister Brookfield Aviation International angeworben, die wiederrum hat zuvor Mini-Unternehmen gegründet, deren formale Geschäftsführer die Piloten sind. Als solche gehen sie mit Brookfield einen Vertrag ein und bieten ihre Dienste an.«
Für Ryanair ist das ein prächtiges Modell, denn das Unternehmen muss weder Betriebsrente zahlen noch die Piloten gegen Arbeitsunfähigkeit absichern. Eine Mindestzahl an Flugstunden ist in der Regel auch nicht vereinbart. Die Piloten werden nach Bedarf eingesetzt – und müssen mit dem Risiko leben, in einigen Monaten nur wenig zu verdienen. Das Risiko karger Monate ist gerade bei Ryanair hoch, weil die Billig-Fluggesellschaft in der nachfrageschwachen Winterzeit routinemäßig knapp hundert Maschinen am Boden lässt. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Ryanair spart sich über dieses Modell die Abgaben für die Sozialversicherung, es gibt „natürlich“ auch kein Urlaubsgeld.
Nun wird der eine oder andere fragen – wie kann das sein? Warum lassen das Piloten mit sich machen? Haben wir die nicht eher als streikfreudige Wahrer ihres Besitzstandes (Stichwort Lufthansa) in Erinnerung?
Hierzu gibt es in dem Beitrag Das moderne Prekariat sitzt nicht (nur) in sozialen Brennpunkten. Sondern auch im Cockpit und fliegt über den Wolken vom 25. März 2017 einige erläuternde Hinweise.
»Airlines wie Ryanair wollen die Nachfrage nach günstigen Tickets befriedigen. Das hat aber seinen Preis – für Piloten«, so beginnt Jochen Remmert seinen Artikel Wenn es im Cockpit prekär wird, der in der FAZ veröffentlicht wurde:
»Am Anfang steht der Traum vom Fliegen. Wird der verwirklicht, folgen 70.000 bis 80.000 Euro Schulden. Oft jedenfalls. Denn die Ausbildung zum Piloten muss der Nachwuchs in der Regel selbst finanzieren. Und das Gros der Berufseinsteiger hat diese Summe nicht irgendwo auf der hohen Kante. Tom K. ist solch ein Nachwuchspilot. Der Neunundzwanzigjährige … fliegt seit gut drei Jahren für die irische Low-Cost-Gesellschaft Ryanair … Angestellter der Iren ist er bis heute allerdings nicht. Formal ist er Geschäftsführer einer Limited nach irischem Recht, deren einziger Mitarbeiter er ist. Vertraglich ist er mit einer Art Leiharbeitsfirma verbunden, die seine Dienstleistung an Ryanair verkauft. Um überhaupt ins Cockpit der Ryanair-Flugzeuge vom Typ Boeing 737-800 zu gelangen, musste Tom K. noch eine Musterberechtigung erlangen … Ein Berufspilot muss für jeden Flugzeugtyp, den er fliegen will, immer eigens eine Berechtigung vorweisen. Die Schulung bei Ryanair schlug noch einmal mit 30.000 Euro zu Buche. Den rund 100.000 Euro Schulden zum Berufsstart steht bei Ryanair für Kopiloten wie Tom K. ein Stundenlohn zwischen 50 Euro und 80 Euro gegenüber, wie er sagt. Andere Piloten bestätigen das. Das funktioniert finanziell, solange man oft genug im Monat fliegen darf. In Sommermonaten können das 100 Stunden sein, im Winter aber auch einmal nur 30 Flugstunden. „Dann ist man ganz schnell bei 1500 Euro brutto und weiß nicht mehr, wie man die Miete zahlen, das Auto unterhalten und den Kredit bedienen soll“, sagt er. Den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung von rund 500 Euro trägt Tom K. auch alleine. Um finanziell über die Runden zu kommen, flögen er und viele seiner Kollegen auch schon einmal, wenn sie krankheitsbedingt eigentlich nicht voll einsatzfähig seien.«
Das ausgeklügelte System aus britischen Personaldienstleistern, Hunderten von „irischen“ Pilotenfirmen und europäischen „Betriebsstätten“ ist auch für die Behörden nur schwer zu durchschauen. In Frankreich und Großbritannien haben Staatsanwälte und Steuerbehörden seit Jahren das Beschäftigungsmodell des irischen Billigfliegers im Visier, auch in Deutschland ist die Staatsanwaltschaft Koblenz seit Jahren in dieser Angelegenheit unterwegs. „Das ist ein großes gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Problem, denn wenn man solche windigen Modelle zulässt, dann gibt es eine Abwärtsspirale nach unten“, wird der renommierte Arbeitsrechtler Franz Josef Düwell in dem Artikel Gnadenloser Preiskampf bei Billig-Airlines zitiert.
Nun aber zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der hat am 14.09.2017 eine Entscheidung verkündet, zu der man bei Spiegel Online diese Überschrift lesen konnte: EuGH verbietet Trickserei beim Arbeitsrecht: »Die Billigfluglinie Ryanair muss künftig das Arbeitsrecht des Landes anwenden, in dem seine Mitarbeiter stationiert sind. Die Bedingungen für die deutsche Belegschaft könnten sich dadurch verbessern.« So die Kurzfassung. Was genau ist der Hintergrund?
Dazu die Hinweise in dem Beitrag Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt die Rechte von Arbeitnehmern und manchmal muss es nach einem für Arbeitnehmer zuständigen Gericht erst suchen vom 27. April 2017: Der „klassische“ Verfahrensgang beim EuGH ist so, dass die eigentlich zuständigen nationalen Instanzen durchlaufen worden sind und beispielsweise das höchste deutsche Arbeitsgericht eine grundlegende Fragestellung an das EuGH weitergeleitet hat mit der Bitte, diese zu klären.
Aber es gibt auch andere Fallkonstellationen und da taucht dann auch Ryanair wieder auf: »Welches Gericht ist zuständig für das Flugpersonal von Ryanair? Die arbeitsrechtlichen Verflechtungen machen die Antwort schwierig. Der Generalanwalt am EuGH hat eine Sechs-Punkte-Prüfung zur Lösung der Frage entwickelt.« Das konnte man diesem Artikel entnehmen: Wo sollen wir klagen? Ryanair-Personal sucht zuständiges Gericht. Zum Sachverhalt:
Einige frühere Mitgliedern des Bordpersonals der irischen Ryanair wollen gegenüber der Fluggesellschaft und dem ebenfalls irischen Personaldienstleister Crewlink die Zahlung verschiedener Beträge geltend machen, unter anderem wegen nachträglicher Gehaltsanpassungen. Doch wo sie klagen sollen, wissen sie nicht. Denn Ryanair hatte das Flugpersonal – Staatsangehörige aus Portugal, Spanien und Belgien – entweder selbst eingestellt oder Crewlink hatte die Stewards eingestellt und an Ryanair abgeordnet. In den Arbeitsverträgen ist dabei der Flughafen Charleroi in Belgien als Heimatbasis der Arbeitnehmer angegeben. Die Arbeitnehmer waren dabei vertraglich verpflichtet, weniger als eine Stunde von ihrer Heimatbasis entfernt zu wohnen und traten am Flughafen Charleroi morgens ihren Dienst an für innereuropäische Flügen und beendeten ihn auch dort.
In den Arbeitsverträgen ist aber gleichzeitig vereinbart, dass das Gehalt auf ein irisches Bankkonto überwiesen werde, irisches Recht anwendbar sei und die irischen Gerichte für Rechtsstreitigkeiten zuständig seien. Das Arbeitsgericht Charleroi erklärte sich daher für die Klagen für unzuständig und wies sie ab.
Der Arbeitsgerichtshof Mons in Belgien legte nach einer Beschwerde der Betroffenen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, wie die Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit auszulegen sei. Darin ist unter anderem geregelt, dass der Arbeitgeber auch an dem Ort verklagt werden kann, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
Der beim EuGH zuständige Generalanwalt plädierte in seinen Schlussanträgen dafür, die ständige Rechtsprechung beizubehalten. Danach wäre bei Arbeitsverträgen, die im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erfüllt werden, das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt.
Was sich einfacher anhört, als es hier klingt, denn man muss weiterlesen: Das nationale Gericht müsse diesen Ort im Licht aller relevanten Umstände ermitteln. Dabei seien vor allem diese sechs Aspekte zu berücksichtigen: »Zunächst einmal den Ort, wo der Arbeitnehmer seine Arbeitstage beginnt und beendet. Als zweites, wo die Flugzeuge, an Bord deren er tätig ist, ihren gewöhnlichen Standort haben. Als drittes, wo er von Anweisungen seines Arbeitgebers Kenntnis erlangt und seinen Arbeitstag organisiert. Weitere Gesichtspunkte seien die Fragen, wo der Arbeitnehmer aufgrund vertraglicher Verpflichtung wohnen muss und wo sich ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Büro befindet. Als letztes Kriterium sei heranzuziehen, wohin sich der Arbeitnehmer im Fall der Arbeitsunfähigkeit und im Fall disziplinarischer Probleme begeben muss.«
Das hört sich wie eine große Arbeitsbeschaffungsmaßnahme an, so meine Bewertung in dem Beitrag vom 27. April 2017. »Der Generalanwalt ließ durchblicken, dass nach diesen sechs Kriterien viel für die Zuständigkeit der Gerichte des Ortes spricht, an dem sich der Flughafen Charleroi befindet.«
Und was hat das EuGH nun entschieden? Die Pressemitteilung des Gerichts ist so überschrieben – durchaus der sperrigen Materie angemessen: Mitglieder des Flugpersonals können in Rechtsstreitigkeiten über ihre Arbeitsverträge das Gericht des Ortes anrufen, von dem aus sie den wesentlichen Teil ihrer Verpflichtungen gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen. Kürzer ging es nicht. Und direkt unter der Überschrift folgt der Zusatz: »Das nationale Gericht hat diesen Ort anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen; dabei ist die „Heimatbasis“ des Arbeitnehmers ein wichtiges Indiz.«
Weiter führt das EuGH mit Blick auf die strittige Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Klagen der Arbeitnehmer aus: »In seinem heutigen Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass bei Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverträge die schwächere Vertragspartei durch die Zuständigkeitsvorschriften der Union geschützt werden soll.«
Der EuGH verwirft eine Gerichtsstandsklausel, der es den Arbeitnehmern verbietet, die nach den einschlägigen Unionsvorschriften zuständigen Gerichte anzurufen, selbst wenn sie die unterschrieben haben.
Ansonsten hat sich das Gericht den bereits skizzierten Ausführungen des Generalanwalts weitgehend angeschlossen – und auch was zu dem Thema Staatszugehörigkeit“ von Flugzeugen ausgeführt, was sich als ein ganz entscheidender Passus herausstellen wird:
»… der Mitgliedstaat, von dem aus ein Mitglied des bei einer Fluggesellschaft beschäftigten oder ihr zur Verfügung gestellten Flugpersonals gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, (ist) auch nicht mit dem Mitgliedstaat gleichzusetzen, dessen Staatszugehörigkeit die Flugzeuge dieser Fluggesellschaft haben.«
Genau diese Formulierung erklärt dann einen solchen Artikel: Ryanair drohen teure Prozesse: »Der Billigflieger Ryanair zwingt sein Flugpersonal für Arbeitsrechtsprozesse nach Irland. Europäische Richter stoppen nun diese Praxis. Das könnte für die Fluglinie richtig teuer – und fürs Geschäftsmodell gefährlich werden«, so die Einschätzung von Marcus Theurer und Hendrik Wieduwilt. „Das ist ein sehr wichtiges Urteil“, zitieren sie Steffen Frey, Rechtsanwalt der Kabinenpersonalgewerkschaft Ufo dieser Zeitung. Bisher hätten Ryanair-Mitarbeiter nur in Irland gegen ihren Arbeitgeber vor Gericht ziehen können, was für ausländische Mitarbeiter mit hohen Kosten verbunden sei. „Faktisch entfällt damit eine wichtige Hürde, die Ryanair bisher bewusst gesetzt hat, um Klagen zu erschweren.“
Ryanair selbst macht einen auf Gelassenheit: Man begrüße das Urteil, sagte Personalchef Eddie Wilson. Man werde das Flugpersonal auch weiterhin mit irischen Arbeitsverträgen ausstatten. Er rechne nicht damit, dass das Urteil „in irgendeiner Weise“ Einfluss darauf habe, sagte der Ryanair-Manager. Die Richter hätten im Sinne der Fluggesellschaft klargestellt, dass der Ort der Heimatbasis des Kabinenpersonals nicht allein ausschlaggebend sei im Falle von Rechtsstreitigkeiten.
Diese Sichtweise wird von anderen Akteueren nicht geteilt: »Die Anleger an der Börse sahen dies ganz anders: Der Aktienkurs von Ryanair fiel im Handelsverlauf in Dublin um mehr als 3 Prozent. Die Analysten der britischen Großbank HSBC rieten zum Verkauf der Papiere. Anders als die Fluggesellschaft selbst erwarten sie, dass Ryanair in Zukunft Piloten und Kabinenpersonal in den Ländern anstellen müsse, wo diese stationiert seien. „Wir rechnen damit, dass dieser Wechsel zu nationalen Beschäftigungsstrukturen das Machtverhältnis zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern verändern wird“, kommentiere Andrew Lobbenberg, Luftfahrtexperte bei HSBC.«
Und die Analysten legen den Finger auf eine große Wunde, die aufgerissen werden kann im Geschäftsmodell von Ryanair: »Analysten schätzen, dass die Kosten für das Kabinenpersonal bisher um die Hälfte niedriger sind als beim Konkurrenten Easyjet. Nun sei auch bei Ryanair mit höheren Kosten für Sozialbeiträge und Krankengeld zu rechnen.«
Auch bei uns wird es spannend: »Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt seit 2011 wegen des Verdachts auf Steuer- und Sozialleistungsbetrug bei der Fluggesellschaft. Mit ersten Anklagen sei in diesem Jahr zu rechnen.«
In dem Artikel Mitarbeiter kritisieren Arbeitsbedingungen über die Situation bei Ryanair findet man diesen wichtigen Hinweis, der darauf verweist, dass wir es nicht nur mit Ryanair, sondern einem strukturellen Problem zu tun haben:
»Für Markus Wahl von der Vereinigung Cockpit geht das Problem tiefer. Er warnt vor dem „Verdrängungswettbewerb“, der zurzeit „auf dem gesamten Luftverkehrsmarkt in Europa“ statt finde. Denn das führe dazu, dass „manche der Airlines sich Mitteln bedienen, die zumindest unseriös sind, die so eigentlich nicht sein dürften. Sie schaffen sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen, die es absolut richtig machen, die Piloten zum Beispiel in ganz normale Arbeitsverhältnisse überführen. So kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen. Leider ist auch zu beobachten, dass immer mehr Airlines dazu übergehen, auf solche Tarifvertrags-Konstrukte zurück zu greifen.“«
Und abschließend der Hinweis – es geht immer um Angebot und Nachfrage. Und auch auf der Nachfrage-Seite kann man was tun. Dazu bereits eine Beispiel aus meinem Blog-Beitrag Billig hat einen hohen Preis. Die Piloten bei Ryanair vom 28. Mai 2017:
Den Beschäftigten der Stadt Kopenhagen ist es ab sofort untersagt, für Dienstreisen den Billigflieger Ryanair zu benutzen. Die Begründung: Das Lohndumping beim Konzern sei eine „Schweinerei“.
Es geht hier nicht um irgendeine kleine Kommune, sondern: Mit 45.000 Beschäftigten ist die Stadt Kopenhagen der größte Arbeitgeber des Landes. Wie begründet die Stadt diesen Schritt?
Kopenhagen stelle gegenüber allen seinen Lieferanten die Bedingung, dass diese ihren Angestellten „anständige Lohn- und Arbeitsbedingungen garantieren“. Ansonsten würden diese bei Ausschreibungen und Lieferverträgen nicht berücksichtigt, erklärte der sozialdemokratische Oberbürgermeister der dänischen Hauptstadt, Frank Jensen. Selbst wenn der Billigflieger Ryanair das preisgünstigste Angebot unterbreiten solle, disqualifiziere er sich selbst, solange er sich bei seinen Anstellungsverhältnissen nicht an dänische Arbeitsmarktvorschriften halte – zumindest für von Dänemark ausgehende Flüge, berichtet Reinhard Wolff in seinem Artikel Kopenhagen erlässt Ryanair-Reiseverbot. Diese Entscheidung, über die man sich bei Ryanair „erstaunt“ zeigt, hat einen Hintergrund: Ryanair-Boss Michael Kevin O’Leary hatte kürzlich den Abschluss dänischer Tarifverträge für Piloten und Kabinenpersonal mit den Worten abgelehnt: „Wir werden die dänischen Traditionen, die dänische Kultur und dänische Geschichte respektieren – bloß keine Gewerkschaften, die uns sagen wollen, was wir zu tun und zu lassen haben.“
Acht weitere dänische Kommunen haben einen ähnlichen Schritt wie Kopenhagen angekündigt oder bereits umgesetzt. Gut so. Man muss sein eigenes Arbeitsmarktmodell nicht mit Füßen treten lassen.