Zuweilen sind es die kurzen Meldungen, hinter denen gewichtige Aspekte stehen, die man wahrnehmen sollte, gerade auch deshalb, weil sie neue und notwendige Wege aufzeigen. Ein Beispiel dafür wäre die Situation in der Pflege und die Vergütung der Pflegekräfte. Darüber wird seit langem geklagt. Und immer wieder hat man in der Vergangenheit seitens der Träger der ambulanten Pflegedienste und der Pflegeheime das Argument hören müssen, man würde ja gerne das Personal besser, beispielsweise nach Tarif bezahlen – aber man stehe in einem harten Wettbewerb mit anderen Anbietern und wenn sich die daran nicht halten, dann zieht man eine ganz schlechte Karte. Kurzum, man würde ja gerne, aber die Rahmenbedingungen der Finanzierung erlauben das leider nicht.
Nun hatte dass Bundessozialgericht mit Blick auf die Pflegesätze in der stationären Altenpflege schon vor Jahren entschieden, dass die Einhaltung einer Tarifbindung nicht dazu führen darf, einen solchen Anbieter wegen „Unwirtschaftlichkeit“ gleichsam zu bestrafen.
Zum Hintergrund sei an dieser Stelle nur auf die Ausführungen zum „externen Vergleich“ und dem richtungweisenden Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Januar 2009 hingewiesen, die man in dieser Veröffentlichung nachlesen kann:
Stefan Sell (2009): Das Kreuz mit der Pflege. Konfessionelle Träger von Pflegeheimen als Getriebene und Treiber in Zeiten einer fortschreitenden Ökonomisierung des Pflegesektors. Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 06-2009, Remagen, 2009
Von besonderer Rolle ist dabei der „externe Vergleich“ und die Orientierung der zugestandenen Pflegesätze an den in Rahmen dieses Vergleichs gewonnenen durchschnittlichen Beträgen bzw. Steigerungsraten. Als Hintergrund für die Anwendung dieses speziellen und mit Blick auf Träger, die eine z.B. tarifinduzierte höhere Personalkostenstruktur haben, nicht unproblematischen Verfahrens, muss die (alte) Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 2000 gesehen werden.
In zwei Urteilen hatte das BSG richtungweisend dargelegt, wie die Vergütung der vollstationären Pflegeheime zu ermitteln ist. Die Höhe der leistungsgerechten Vergütung ist nach den Vorschriften des Gesetzgebers auf der Grundlage einer marktorientierten Pflegeversorgung in erster Linie durch Marktpreise zu bestimmen. In der Entscheidung vom 14. Dezember 2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3 3300 § 85 Nr 1) hatte der erkennende Senat ausgeführt, dass sich die leistungsgerechte Vergütung von Pflegeleistungen der Pflegeheime in erster Linie am jeweiligen Marktpreis orientiere; um diesen zu ermitteln, seien Angebot und Vergütung der Leistungen anderer Pflegeheime ähnlicher Art und Größe zum Vergleich heranzuziehen (externer Vergleich).
In der Bilanz hat die praktische Anwendung des externen Vergleichs eine (nach unten) nivellierende Wirkung auf die Preise ausgeübt. Der externe Vergleich wirkte tendenziell wie ein Treiber zugunsten der billigen Anbieter und als permanentes Kostenunterdeckungs-Damoklesschwert für die „teuren“ Anbieter.
In dieser Gemengelage war die im Januar 2009 vom BSG vorgenommene Neuausrichtung der bisherigen Vorgaben zur Berechnung der leistungsgerechten Vergütung von Pflegeeinrichtungen in den Schiedsstellenverfahren besonders hervorzuheben – und für alle Vertreter einer Aufrechterhaltung der Tarifbindung und einer ordentlichen Bezahlung war dieser Kurswechsel der Bundessozialrichter von zentraler Bedeutung.
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hatte entschieden, dass die Pflegevergütungen für Pflegeheime auf einer neuen Basis zu berechnen sind, um einerseits den Pflegeheimen eine leistungsgerechte, ein wirtschaftliches Handeln ermöglichende Vergütung zu gewähren (§ 84 Abs. 1 und 2 SGB XI), ohne dabei zu dem vom Gesetzgeber abgeschafften „Selbstkostendeckungsprinzip“ hinsichtlich der Gestehungskosten zurückzukehren. Nach den Vorgaben des BSG sind die Pflegesätze in einem zweistufigen Verfahren zu berechnen:
In einer 1. Stufe erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der vom Heimträger für den bevorstehenden Pflegesatzzeitraum prognostisch geltend gemachten einzelnen Kostenansätze. Dabei hat der Heimträger die Abweichung der Kostenansätze zu den Vorjahreskosten (interner Vergleich) plausibel zu erklären (z. B. „normale“ Lohnsteigerungen, verbesserter Pflegepersonalschlüssel). Die Pflegekassen haben die Plausibilität zu überprüfen.
Sind die Kostenansätze plausibel, erfolgt in einer 2. Stufe ein externer Vergleich der geforderten Pflegesätze mit den Pflegesätzen vergleichbarer Pflegeheime aus der Region, um die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Dabei ist nicht nach tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Pflegeheimen zu unterscheiden. Liegt der geforderte Pflegesatz im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegesätze, ist regelmäßig ohne weitere Prüfung von der Wirtschaftlichkeit auszugehen. Liegt er darüber, sind die vom Heimträger dafür geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu prüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.
Der letzte Satz ist hier natürlich von entscheidender Bedeutung: „Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.“ Das ist der Schlüsselsatz für alle Vertreter einer Tariforientierung bei der Ausgestaltung der Pflegesätze.
1. Pflegedienste mit Tarifbindung erhalten ab dem 1. Juli 2017 eine um 2,5 Prozent erhöhte Vergütung.
Für Anbieter, die keinen Tariflohn bezahlen, vereinbarten die Vertragspartner ein abgestuftes Verfahren.
2. Dienste ohne Tarifbindung erhalten ein Vergütungsplus von 2,2 Prozent, wenn sie belegen, dass sie die Löhne ihrer Beschäftigten durchschnittlich im gleichen Umfang erhöhen.
3. Unternehmen, die weder Tariflohn bezahlen noch die Weitergabe des Vergütungsplus an ihre Mitarbeiter nachweisen, erhalten eine Steigerung von lediglich 1,2 Prozent.