Das ist wieder so eine Meldung, die einen daran erinnert, dass die Lebensweisheit „In der Ruhe liegt die Kraft“ sicher lebenszeitverlängernd wirken kann – wenn man es denn schafft, die Ruhe zu bewahren: Bayern will Asylbewerber mit Ein-Euro-Jobs Arbeitswerte vermitteln. Genau auf so was haben wir gewartet. Aber lassen wir vor jeglicher Bewertung die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) ihren Ansatz vorstellen, wie sich das für eine ordentliche Berichterstattung gehört:
»Bayerns Sozialministerin Müller sieht in Ein-Euro-Jobs eine Möglichkeit, Asylbewerbern die Gepflogenheiten der deutschen Arbeitswelt zu vermitteln. So lernten sie früh wichtige Werte wie Pünktlichkeit, Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit kennen, auf die es in der Arbeitswelt dieses Landes ankomme, sagte die CSU-Politikerin in München. Die Flüchtlinge könnten den Hof in der Erstaufnahmeeinrichtung fegen, Schnee räumen oder dem Hausmeister helfen. Die bayerische Sozialministerin fügte hinzu, sollten die Flüchtlinge die Jobs ablehnen, würden ihnen die Leistungen gekürzt. Sanktionen für Unwillige seien wichtig, um die Balance der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz zu erhalten.«
Sicher wird in den kommenden Monaten in Bayern ganz viel Schnee liegen, um all die jungen, kräftigen Flüchtlinge schippend zu beschäftigen.
„Pünktlichkeit, Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit“ – jetzt wissen wir endlich, was in der deutschen Arbeitswelt und auf deutschen Arbeitsplätzen so abgeht. Man könnte anmerken, ein wenig umfassender hätte man sich schon die bayerischen Hinweise auf die deutsche Leitkultur gewünscht. Oder etwas ernsthafter und zugleich frustrierter: Will Frau Müller aus München jetzt die Nahles aus Berlin machen? Denn die hatte sich zu dem Thema Ein-Euro-Jobs, also Arbeitsgelegenheiten, auch schon in einer reichlich verwirrten Art und Weise zu Wort gemeldet, vgl. hierzu die Beiträge Die Bundesarbeitsministerin fordert „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge. Aber welche? Und warum eigentlich sie? Fragen, die man stellen sollte vom 13. Februar 2016 sowie nachfolgend Die Bundesarbeitsministerin macht es schon wieder: „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge ankündigen, die noch nicht im Hartz IV-System sind. Was soll das? vom 23. März 2016.
Und richtig ernsthaft könnte man anmerken, dass die Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz durchaus Sinn machen, vor allem zur Beschäftigung der Menschen, die zu uns gekommen sind und die teilweise Monate warten müssen, bevor sie überhaupt einen Asylantrag stellen dürfen, der dann noch einige Monate bearbeitet wird. Aber weniger wegen der genannten angeblich deutschen Arbeitstugenden, sondern weil es für die meisten von ihnen schlichtweg notwendig ist, da ihnen die Decke auf den Kopf fällt und weil sie arbeiten wollen und das auch durchaus sollten und weil man die Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch koppeln kann mit Sprachkursen und Qualifizierung.
Man könnte an dieser Stelle einfach kopfschüttelnd aufhören, wenn da nicht der erneut sich Bahn brechende Impetus der schwarzen Pädagogik wäre, nach der erst einmal vom Schlechten im Menschen auszugehen ist, vor allem, wenn er aus einer anderen „Kultur“ und ihren Kreisen stammt, die einen nicht kleinen Teil der Debatte über „die“ Flüchtlinge zu beherrschen scheint.
Man kann das verdeutlichen an der aktuellen Diskussion über ein „Integrationsgesetz“, das von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden soll – auch hier taucht der Topos des in die Mangel zu nehmenden Flüchtlings auf, dem man zeigen muss, was eine Harke ist. Aber die Realität stellt sich dann doch etwas komplexer dar.
Wer verweigert eigentlich die Integration – die Flüchtlinge oder der Staat? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Der Bundesinnenminister meint aber, bereits eine klare Antwort geben zu können:
»Thomas de Maizière hat ein neues Vorhaben: Wer Integrationskurse verweigert und Arbeitsangebote ausschlägt, soll nicht dauerhaft in Deutschland bleiben können – so will es der Bundesinnenminister. Das Ganze soll in ein Integrationsgesetz einfließen, an dem der CDU-Politiker derzeit arbeitet.« So der Beginn eines Artikel von Cathérine Simon und Christiane Jacke von der Nachrichtenagentur dpa unter der Überschrift Die Suche nach den Integrationsblockern.
Und die beiden schütten gleich eine Menge Wasser in den Wein:
»… wie sollen Menschen einen Kurs verweigern, wenn sie gar keinen Platz bekommen, fragen Kritiker. 269 Millionen Euro stellte der Bund 2015 für Integrationskurse bereit – das reichte für 190.000 Teilnehmer. In diesem Jahr sind es 559 Millionen Euro – genug für etwa 300.000 Teilnehmer. Hinzu kommen noch andere Kurse, zum Beispiel von der Bundesagentur für Arbeit (BA).«
Der Bundesinnenminister setze mit seinem Vorstoß ein Gerücht in die Welt und lenke davon ab, dass Asylverfahren zu lange dauerten und Integrationsangebote fehlten, so die Kritiker. Beispielsweise von ProAsyl: Deren Vertreter rechnen mit einem Bedarf von 600.000 bis 800.000 Plätzen in Integrationskursen in diesem Jahr – weit mehr also als vom Bund eingeplant.
Annelie Buntenbach aus dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes weist darauf hin, dass die Nachfrage erheblich größer sei als das Angebot an Kursen: Für die zeitweise von der BA finanzierten Deutschkurse etwa hätten sich statt erwarteter 100.000 mehr als 220.000 Menschen angemeldet.
Und auch aus dem BAMF kommen entsprechende Hinweise von ganz oben:
»Der BA-Chef und Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, räumt ein, es gebe eine Lücke beim Angebot … wenn das BAMF es wirklich schaffe, in diesem Jahr den riesigen Berg von offenen Asylverfahren abzuarbeiten, seien wohl eher 500.000 Plätze nötig. Bliebe eine Lücke von 200.000 Plätzen.«
Das Problem ist nicht (nur) bzw. weniger fehlendes Geld, denn im Moment gebe es eher Probleme beim Schaffen von Plätzen und der Suche nach Lehrkräften. Und deren Arbeitsbedingungen:
»Es fehle an Räumen und Lehrern, sagt Simone Kaucher vom Deutschen Volkshochschulverband – dem größten Träger von Integrationskursen. Allein die Volkshochschulen gehen von einem zusätzlichen Bedarf von 5.000 Lehrkräften in diesem Jahr aus. Das Problem: Die Pädagogen verdienten mit 23 Euro pro Unterrichtseinheit zu wenig. Inklusive Vor- und Nachbereitung sei dies „eine Vollzeitbeschäftigung mit um die 1.000 Euro netto“, sagt Kaucher.«
Das wird übrigens – auch auf diesen Seiten – seit Monaten immer wieder beklagt, hier hätte man … Ach ja.
Abschließend wieder zurück zu den Planungen des Bundesinnenministers.
»Praktiker fragen sich ohnehin, woher die Annahme kommt, es würden viele Menschen Integrationskurse ablehnen. Sie berichten von einer großen Lernbereitschaft und Wissbegierde bei vielen Flüchtlingen. Eine Statistik zur Zahl der „Integrationsverweigerer“ gibt es auch gar nicht – das räumt das Innenressort offen ein. Und Sanktionen gibt es schon heute: Wer zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet ist, aber nicht hingeht, dem drohen Kürzungen der Sozialleistungen, Bußgelder oder eine Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis.«
Man kann es auch so sagen: Erneut sollen die Menschen auf eine Spur gesetzt werden, die von den eigentlichen Problemen wegführt.