Immer wieder wird über die „Riester-Rente“ berichtet, auch in einigen Beiträgen in diesem Blog, wobei es heute nicht um Fragen geht, ob und wie viel man denn rausbekommt, wer davon (wirklich) profitiert oder ob das ursprüngliche Ziel, die Rentenniveauabsenkung im umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherungssystem zu kompensieren, erreicht worden ist oder erreicht werden kann. Es geht mal wieder um eine Studie über die Riester-Rente, davon hat es ja auch in der Vergangenheit so einige gegeben.
Mit Blick auf das, was schon seit längerem vorliegt, sei hier nur beispielhaft auf zwei Studien verwiesen: Heike Joebges et al.: Auf dem Weg in die Altersarmut. Bilanz der Einführung der kapitalgedeckten Riester-Rente, Düsseldorf 2012 sowie Axel Kleinlein: Zehn Jahre „Riester-Rente“. Bestandsaufnahme und Effizienzanalyse, Berlin 2011. Es geht um eine neue Studie von Giacomo Corneo, Carsten Schröder und Johannes König mit dem Titel Distributional Effects of Subsidizing Retirement Savings Accounts: Evidence from Germany. Man kann das auch so zusammenfassen: Von Riester-Rente profitieren insbesondere Bezieher höherer Einkommen: »Die Riester-Altersvorsorge kommt nach Berechnung von Wissenschaftlern der Freien Universität und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vor allem Bezieherinnen und Beziehern höherer Einkommen zugute.« Demnach entfallen fast 40 Prozent der Gesamtförderung auf die oberen zwei Zehntel der Einkommensverteilung.
Vor allem Reiche kassieren Riester-Förderung, so hat das die FAZ aufgegriffen. Und spricht sogleich ein systematisches Problem der Riester-Rente an: »Eigentlich sollte die staatliche Riester-Zulage gerade Klein- und Mittelverdienern zugute kommen.« Die Unwucht zugunsten der höheren Einkommen ist offensichtlich: »Von den 2,79 Milliarden Euro Fördergeld, die der Staat im Jahr 2010 – auf das sich die Studie bezieht – ausgeschüttet hat, entfielen damit mehr als 1 Milliarde Euro auf Menschen, die mehr als 60.000 Euro Nettoeinkommen im Jahr erzielen. Auf die unteren beiden Zehntel der Einkommensbezieher entfielen demnach nur 7 Prozent der Gesamtfördersumme.« Und dann kommt ein Passus, den wir uns merken sollten:
»Die Studie ist ein weiteres negatives Zeugnis für die Riester-Rente. Forscher hatten in der Vergangenheit bereits festgestellt, dass Menschen trotz der staatlichen Förderung nicht wie erhofft mehr sparen. „Es hat sich empirisch mehrfach gezeigt, dass die Sparneigung gleich bleibt – nur, dass ein Teil der Summe nun vom Staat aufgebracht wird.“«
Dieser Befund ist natürlich ernüchternd vor dem Hintergrund der sozialpolitisch daherkommenden Komponente, dass gerade die unteren Einkommen und die mit vielen Kindern besonders starke Anreize bekommen sollen, zu „riestern“. Dennoch: »Menschen in den untersten Einkommensklassen bekommen, weil sie weniger das geförderte Zusatzsparen betreiben, den geringsten Anteil vom Förderkuchen«, schreibt Markus Rieksmeier in seinem Artikel Riester-Rente geht an Kleinverdienern vorbei.
Diese Erkenntnis lässt auch die FAZ in Person des Philipp Krohn nicht los: »Kinderreiche Familien und Einkommensschwache werden in der Altersvorsorge besonders gefördert. Erstere nutzen es, aber nur wenig Arme haben eine Riester-Rente. Warum nur?«, fragt er in seinem Beitrag Arme verschmähen die Riester-Rente. Er liefert uns zwei Antwortversuche auf diese Frage:
»Ein einfacher Grund liegt schlicht in der Verfügbarkeit von Einkommen: Wer nur 100 Euro im Monat übrig hat, lässt sich auch von knapp 500 Euro staatlicher Zulage im Jahr bei einem Kind kaum locken. Einen anderen Grund sieht Forscherin Coppola in der mangelnden Informiertheit der Geringverdiener. „Unsere Frage danach, ob sich Probanden für förderberechtigt hielten, schätzten Geringverdiener deutlich weniger oft richtig ein“, sagt sie. Diese Menschen glauben also, gar nicht anspruchsberechtigt zu sein.«
Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende Restriktion aufgrund einer politischen Entscheidung: »Riester-Sparer müssen in der Rentenphase zunächst auf ihre Auszahlungen zurückgreifen, bevor sie staatliche Grundsicherung erhalten.« Anders formuliert: Wenn die armen Schlucker im Rentenalter auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, dann werden die Auszahlungen aus der Riester-Rente voll angerechnet. Belohnung fürs Sparen sieht anders aus.
Wieder zurück zur neuen Studie. In der wurden auch die Auswirkungen auf die Ungleichheitssituation untersucht, denn die besondere Förderung der unteren Einkommen und der Familien mit vielen Kindern sollte ja auch Auswirkungen haben im Sinne einer Verringerung der Ungleichheit. Die Befunde sind auch hier ernüchternd, wie das DIW in seiner zusammenfassende Pressemitteilung zur Studie erläutert:
»Die Wissenschaftler betrachteten auch die Auswirkungen auf die Verteilung der verfügbaren Einkommen in der Gesamtbevölkerung und zogen hierzu unter anderem den sogenannten Gini-Koeffizienten heran, der stets zwischen dem Wert null bei völliger Gleichheit und eins bei völliger Ungleichverteilung der Einkommen liegt. Sie fanden heraus, dass die Riester-Förderung ungeachtet der nicht gleichmäßigen Verteilung über alle Einkommensgruppen kaum zu einem Ausschlag in der gemessenen Ungleichheit führt. Betrachtet man beispielsweise den Gini-Koeffizienten, sinkt dieser von einem Wert von etwa 0,3296 um kaum mehr als 0,00014 Punkte, wenn man die Riester-Förderung in die Betrachtung der Verteilung der Einkommen einbezieht. Ursache für diesen vermeintlichen Widerspruch seien zwei Effekte, die sich gegenseitig neutralisierten, hieß es. So gebe es einen progressiven Effekt, der Ungleichheit reduziere, nämlich die relativ zum Einkommen großzügige Förderung von Haushalten mit niedrigen Einkommen. Dieser Effekt werde ausgeglichen durch einen regressiven Effekt: Haushalte mit niedrigen Einkommen schlössen seltener einen Riester-Vertrag ab als Haushalte mit hohen Einkommen, zeigen die Wissenschaftler. So würden in der Gesamtbevölkerung nur rund sieben Prozent des untersten Zehntels, aber rund 22 Prozent des obersten Zehntels der Einkommensverteilung zurzeit mit Riester-Verträgen sparen.«
Fazit: Die oberen und mittleren Einkommen nutzen das Instrumentarium der Riester-Rente, natürlich vor allem angesichts der Subventionierung ihres persönlichen Sparverhaltens aufgrund der steuerlichen Förderung. Sparverhalten ist hier das relevante Stichwort, denn wer glaubt ernsthaft, dass diese Gruppen ihr Sparverhalten deutlich verändern würden in dem Sinne, dass sie weniger sparen, nur weil es keine Riester-Förderung mehr gibt. Auf der anderen Seite werden die, um die es eigentlich besonders gehen sollte hinsichtlich der notwendigen Kompensationsfunktion, also die unteren Einkommen, nicht oder eben nur deutlich unterdurchschnittlich erreicht, womit die sozialpolitische Funktionalität in keiner Art und Weise adressiert werden kann.
Also abschaffen die Riester-Rente. Das wäre eine naheliegende, sich sogar aufdrängende Möglichkeit. Und zwar so schnell wie möglich, denn jeder weiterer Verzug erhöht die gebundenen Kosten, denn die bereits eingegangenen Förderzusagen müssen natürlich eingehalten werden. Man sollte einmal genau hinschauen, wie unabhängige Finanzmakler die Riester-Rente bewerten: Das geht von „Mogelpackung“ bis hin zur der weicheren, aber genau so vernichtenden Variante, dass man zur Kenntnis nehmen muss, es mit einer „überdimensionierten Papierflut“ zu tun zu haben und selbst Akademiker verzweifeln an den Unterschieden zwischen mittelbarer und unmittelbarer Förderung und dass es kaum ein Produkt außer denen aus dem Formenkreis der betrieblichen Altersvorsorge geben würde, das so viele Nachfragen produziert. Eine Hyperkomplexität, die zudem noch ihre ursprünglichen Intentionen verfehlt. Wann, wenn nicht bei einer solchen Fallkonstellation wäre die Systemfrage fällig.