Heute ist der Internationale Frauentag – viele salbungsvolle Worte sind gesprochen worden. Und die Verabschiedung der Frauenquote im Bundestag am Freitag (Fußnote: Einer Quote für die Besetzung von Aufsichtsräten in gut 100 großen, börsennotierten Konzernen;vgl. dazu bereits kritisch Erde an Raumschiff Berlin: Die Geschlechterfrage ist weitaus komplexer als man zu glauben meint zu müssen. Vor allem für die vielen unterhalb der Aufsichtsräte sehr großer Unternehmen) wurde dann als passender Beweis des Fortschritts in der „Frauenfrage“ herausgestellt. Auf Twitter gab es dazu von Frank Lübberding einen durchaus nachdenklich stimmenden Tweet. Der Frauentag auf dem Niveau vom Valentinstag? Eine solche Be- und Abwertung muss man nicht teilen, sehr wohl sollte aber die Perspektive auf die vielen Frauen, die niemals in die Nähe von Aufsichtsratspöstchen kommen werden, sondern deren Hauptbeschäftigung darin besteht, irgendwie über die Runden zu kommen, in den Mittelpunkt gestellt werden. Und gerade für die unter den geschätzt 99,9% der Frauen könnte man viele Beispiele finden.
Die Gewerkschaft GEW hat eines von eben ganz vielen denkbaren Beispielen herausgegriffen und angesichts der sozialpolitischen Relevanz soll das hier aufgerufen werden: Es geht um die Honorarlehrkräfte insbesondere in der öffentlich finanzierten Weiterbildung. Vier von fünf der 150.000 hauptberuflichen Honorarlehrkräfte in der Weiterbildung sind Frauen. »Von den Honoraren bleibt häufig weniger als der Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde übrig. Damit liegt das Einkommen vieler akademisch qualifizierter Frauen auf Hartz-IV-Niveau.« Sagt die Gewerkschaft in ihrer Pressemitteilung GEW: „Überwiegend Frauensache: prekäre Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung“.
Und was wäre eine Gewerkschaft ohne Forderungen?
„Wir fordern ein Mindesthonorar von 30 Euro in der Stunde sowie eine Beteiligung der Arbeitgeber an den Sozialversicherungsbeiträgen, die die Honorarlehrkräfte zahlen müssen“, so wird Frauke Gützkow, für Frauenpolitik verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied der GEW zitiert.
Man kann und sollte die Forderung nach einem „Mindesthonorar“ tatsächlich als eine Ergänzung zur Großbaustelle „Mindestlohn“ sehen: »In der Weiterbildung würden Honorarkräfte nur für die Zeit bezahlt, in der sie Kurse geben … Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts, Beratung von Kursteilnehmerinnen und –teilnehmern sowie Verwaltungstätigkeiten seien in den Honoraren nicht berücksichtigt. Zudem gebe es weder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch beteiligten sich die Arbeitgeber an den Sozialversicherungsbeiträgen der Honorarkräfte.« So die Erläuterung der GEW zu ihrer Forderung.
Und dann kommt ein wichtiger Hinweis auf einen ganz besonderen – und man denke an die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung und der Flüchtlingspolitik ganz besonders brisanten – Teilbereich der Weiterbildungsbranche: die „Integrationskurse“. Dazu die GEW:
„Skandalös ist die Situation der rund 22.000 Lehrkräfte, die Integrationskurse leiten. Viele müssen ihr Einkommen bei einem Durchschnittshonorar von 20 Euro mit Sozialhilfeleistungen aufstocken. In diesem Bereich arbeiten zu 85 Prozent Frauen … So produziert der öffentliche Auftraggeber, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Einkommens- und Altersarmut.“
Die Gewerkschaft weist darauf hin, dass das BAMF eine akademische Qualifikation sowie einen weiteren Nachweis im Bereich Deutsch als Fremdsprache für Lehrkräfte, die Integrationskurse geben, voraussetze.
Zu den Integrationskursen und den dort vorherrschenden wirklich teilweise skandalösen Bedingungen vgl. auch meinen Blog-Beitrag Integration wollen alle. Und Integrationskurse für Migrantinnen werden gekürzt. Das passt nicht. Das gilt auch für die Existenz der pädagogischen Tagelöhner vom 27.02.2015.
Wie gesagt, nur ein Beispiel von ganz vielen über die reale Frauenfrage jenseits der Aufsichtsräte und der Quoten.