Lonely Britain: Tens of thousands of elderly men and women are left home and alone – so die Überschrift eines Artikels, in dem am Beispiel der Situation in Großbritannien darauf hingewiesen wird, dass sich die Isolation und die Vereinsamung vieler alter Menschen zu einem echten sozialen Notstand ausgewachsen habe.
»Trevor Lyttleton, chairman of Contact the Elderly, said the number of lonely pensioners aged 75 or older was at its worst more than any time in the almost 50 years since he founded the charity. Some go whole weeks without any human contact …« Man muss sich an dieser Stelle verdeutlichen, was die Organisation Contact the elderly anbietet: Die ehrenamtlichen Mitarbeiter organisieren monatlich an einem Sonntag Nachmittag „tea parties“ für vereinsamte Menschen über 75 Jahre. Es geht also nicht um die tägliche Pflege und Betreuung, sondern um ein Angebot aus dem „sozialen Leben“ im Monat.
Als Beispiel für die Lage wird Birmingham genannt: Dort gibt es mehr als 34.000 Menschen über 75 Jahre, die in einer sozialvereinsamten Lage leben (müssen). Aber die Organisation hat in dieser Stadt lediglich fünf Gruppen, die solche monatlichen Nachmittagstreffen an einem Sonntag organisieren können. In Durham versucht eine einzige Freiwilligengruppe etwa 21.000 allein lebende Menschen über 75 zu erreichen. Insgesamt kann die Organisation Contact of elderly derzeit auf 5.000 Freiwillige zurückgreifen.
Für die alten Menschen sind es oftmals die einzigen Angebote in ihrem Leben. Beispielsweise Sylvia Rothberg, 98, aus Maid Vale im Nordwesten von London. Sie sagt:
»My husband died 12 years ago and my son died six years ago, so I found myself with little contact with anyone. Now the volunteers come and pick me up and we go to someone’s house for tea and it’s great seeing so many people. I always look forward to it.«
Das muss in einem größeren Kontext gesehen werden. Nach einer Studie des Office for National Statistics ist die Bevölkerung in Großbritannien unter allen anderen Ländern des europäischen Kontinents am gespaltensten, vor allem hinsichtlich der sozialen Beziehungen zu anderen Menschen.
Im vergangenen Jahr wurde der Gesundheitsminister Jeremy Hunt mit den Worten zitiert, dass »… 800,000 people suffering from chronic loneliness „a national disgrace“« seien.
Vor diesem Hintergrund muss man die Arbeit von Freiwilligen-Organisationen wie Contact the elderly wertschätzen und herausstellen. Aber natürlich kann das, was die Organisation selbst zu dem Problem und seiner möglichen Lösung sagt, nicht ausreichen: »The solution is as simple as having something to look forward to, a friendly face, human contact, a cup of tea and a chat.«
Das ist wichtig, wird aber schlichtweg nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Auch in Deutschland stehen wir vor dem gleichen Phänomen bzw. Problem. Auch bei uns vereinsamten immer mehr ältere Menschen. Und vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird es in den vor uns liegenden Jahren auch immer mehr alte Menschen geben, von denen die einen sicherlich sehr gut eingebettet in ihre Familien und materiell halbwegs ordentlich ausgestattet das Leben mit sich selbst werden ausmachen können. Zugleich wird aber der andere Teil der älteren Menschen, Der nicht über diese guten Lebensumstände verfügt bzw. verfügen kann, immer stärker angewiesen sein auf die Hilfestellung von Dritten bzw. schlichtweg ein wenig Sorge von anderen. Aber auch das wird in den meisten Fällen nicht (mehr) von alleine entstehen und geregelt werden können. Hier liegt eine der großen Aufgaben bzw. Baustellen einer kommunalen Altenhilfepolitik, die wir dringend brauchen, die jetzt aber entweder nur in Form von Leuchttürmen in einigen wenigen Kommunen oder aber in der Mehrheit der Gemeinden nur embryonal entwickelt ist.
Dabei könnte man aus anderen Bereichen durchaus ganz viel lernen. Man denke an dieser Stelle nur an die Erfahrung, die wir seit Jahren im Bereich der Kindertagesbetreuung machen. Wir werden uns der Vorstellung öffnen müssen, dass das, was derzeit auf die kleinen Kinder fokussiert ist, alsbald orientiert werden sollte auf die alten, vereinsamten Menschen sowie auf diejenigen unter den älteren Menschen, die am Anfang oder in der ersten Hälfte einer Demenzerkrankung stehen und deren Angehörige aber nicht den ganzen Tag zur Verfügung stehen können, weil sie selbst arbeiten müssen, so dass eine tagesstrukturierende Betreuung (nicht zwingendermaßen, aber zu erwarten) in speziellen Räumlichkeiten und durch möglichst professionell qualifizierte Kräfte notwendiger werden wird als das beispielsweise in der Vergangenheit der Fall war. Hier liegt eine gewaltige Entwicklungs-, Aufbau- und Stabilisierungsaufgabe vor uns. Zugleich gilt auch an dieser Stelle mit Blick auf die politischen Entscheidungsträger, die nur noch in Budgets denken (müssen), dass die Ausgaben für eine solche umfassende, natürlich nur in einem Mix aus professionellen und ehrenamtlichen Kräften leistbare Aufgabe gut angelegtes Geld wären, wenn man bedenkt, welche Folgekosten in den einzelnen Systemen unseres Sozialstaates ansonsten (möglicherweise) anfallen, so im Gesundheitsbereich, um nur ein Teilfeld zu benennen.