Mit Gottes Hilfe gegen den gesetzlichen Mindestlohn? Was bleibt, sind immer wieder solche Behauptungen: Die Gefährdung der Tarifautonomie, die angeblich ganz vielen Ungelernten im Niedriglohnsektor und die Produktivitätsfrage

Die Diskussion über die Positionierung der SPD, als Bedingung für eine große Koalition mit der Union die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn zu akzeptieren, hatte in den zurückliegenden Tagen teilweise hysterische Züge angenommen. Ein der deutschen Diskussionskultur fremder Außenbeobachter hätte durchaus zu der Einschätzung gelangen können, dass demnächst Millionen arbeitslos gewordenen Niedriglöhner vor den Türen der Arbeitsagenturen und Job Center Schlange stehen werden müssen. Und auf der anderen Seite wurde eine Zahl, in diesem Fall 8,50 €, zu einer quasi magischen Zahl hochstilisiert, an der scheinbar die verbliebene (Rest-)Identität der deutschen Sozialdemokratie zu hängen scheint.

Dass die Funktionäre auf der Seite der Arbeitgeber bzw. bestimmter Branchen gegen jegliche Form einer Mindestlohn-Regulierung wettern, das ist ja noch durchaus nachvollziehbar und gleichsam im Jobprofil dieser Personen angelegt. Darüber wurde auf dieser Seite bereits in einem eigenen Beitrag am Beispiel der Äußerungen des Arbeitgeber-Präsidenten Hundt berichtet: „Dicke Backen machen gehört zur Jobbeschreibung. Die Arbeitgeberfunktionäre machen mobil gegen einen möglichen Mindestlohn und gegen eine mögliche Regulierung der Werkverträge„, so ist dieser Beitrag überschrieben.

Nunmehr aber scheinen sich die Gegner des Mindestlohns eine scheinbar überraschende Unterstützung organisiert zu haben: So können und müssen wir lesen, dass offensichtlich auch Gottes Unterstützung – so er denn katholisch ist, was wir aber nicht genau wissen können – in die aufgeheizte Debatte geworfen werden soll, um „natürlich“ der Mannschaft der Mindestlohn-Gegener zu Hilfe zu kommen: „Caritas-Präsident Neher warnt vor Mindestlohn“, so wurde es heute vermeldet. Und weiter: »Armen zu helfen, ist ein zentrales Anliegen der Caritas. Doch … das katholische Hilfswerk (hat) eindringlich vor einem einheitlichen und flächendeckenden Mindestlohn gewarnt.« Na, wenn das keine Botschaft ist. Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem Vorstoß des Caritas-Präsidenten um eine nette Geste in Richtung Union:

»Ein Mindestlohn bedeute die Gefahr, dass Menschen ihre Arbeit deshalb verlören oder künftig keine mehr erhielten, meinte der Caritas-Chef. Er halte es deshalb für „entscheidend“, dass es „nach Branchen und am besten auch regional differenzierte Lohnuntergrenzen“ gebe.«

Das nun ist zufälligerweise genau das CDU-Modell für eine Vielzahl an regionalen und nach Branchen differenzierten Lohnuntergrenzen, was bereits mathematisch eine echte Herausforderung wäre, was aber selbst von den Gegnern der gesetzlichen einheitlichen und flächendeckenden Mindestlohnregelung als eine eigentlich nicht realisierbare Variante verstanden wird. Da möchte jemand seinen Bündnispartnern – oder die, die er dafür hält – ein Geschenk in bewegten Zeiten machen, so würde ich das Husarenstück des Wohlfahrtsverbands-Präsidenten interpretieren. Insofern soll uns dieses „Geschenk“ an wen auch immer nicht weiter interessieren, obgleich die wahrscheinliche Wirkung einer solchen Positionierung des Caritas-Verbandes nach außen eine desaströse ist.

Hier soll vielmehr eingegangen werden auf Argumente, die derzeit immer wieder von den Gegnern einer Mindestlohnfestsetzung vorgetragen oder auch en passant eingestreut werden: Es geht um die Behauptungen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn die ach so wichtige Tarifautonomie gefährden und infragestellen würde, dass der nunmehr vielgescholtene Niedriglohnsektor Auffangbecken sei für bislang Arbeitslose und Ungelernte, die mit einem Mindestlohn ihren Job verlieren würde, auf dass es ihnen noch schlechter gehen wird als im bisherigen Niedriglohnjob und drittens – und mit der zweiten Behauptung eng zusammenhängend – das Postulat, dass man den Arbeitnehmer eben nur so viel zahlen könne, was ihre Produktivität hergibt und man ebenfalls zum logischen Schluss eines Jobabbaus gelangen muss, wenn nun die armen Arbeitgeber über der Produktivität zahlen müssen, weil der Staat ihnen das aufoktroyiert. Alle drei Behauptungen sind für viele Menschen sicher prima facie einleuchtend und deshalb lohnt ein kritischer Blick auf die (Nicht-)Substanz dieser Argumente.

Dass in der derzeitigen Debatte über Mindestlöhne gerade Vertreter aus dem Arbeitgeberlager auf die Gefahren für die Tarifautonomie hinweisen und argumentieren, die Frage der Lohnfindung gehöre doch in die Hände der Tarifparteien, gibt dem Ganzen fast schon eine putzige Note. Man muss doch an dieser Stelle daran erinnern dürfen, dass wir in den vergangenen Jahren mit einem kontinuierlichen Prozess der abnehmenden Tarifbindung konfrontiert worden sind, der ganz maßgeblich dadurch vorangetrieben wurde, dass die Verbandsmitgliedschaft von Unternehmen vom Regel- zum Ausnahmefall geworden ist.

Dem Beitrag „Schwächende Gegenspieler“ von Thomas Haipeter vom IAQ können wir folgende Informationen entnehmen: »Deutschland gehört neben Portugal und Slowenien zu den wenigen europäischen Ländern mit Flächentarifverträgen, in denen sowohl der gewerkschaftliche Organisationsgrad als auch die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden und die Tarifbindung zurückgegangen sind. In 2011 waren nur noch 29 Prozent der Betriebe in der Tarifbindung.« Die hier angesprochenen Arbeitgeberverbände sind Täter und Opfer zugleich. illustrieren kann man das am Beispiel des in Deutschland so wichtigen Einzelhandels, in dem immerhin mehr als 3 Millionen Menschen, darunter überwiegend Frauen, arbeiten: »Im beschäftigungsstarken Einzelhandel hingegen brach die Tarifbindung von über 50 Prozent der Betriebe auf nur noch unter 30 Prozent ein. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war die Aufgabe der Allgemeinverbindlicherklärung Anfang des letzten Jahrzehnts, die vom Arbeitgeberverband durchgesetzt wurde. Eine Aufsplitterung der Verbände in der Branche war zunächst die Folge. Inzwischen gibt es mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) nur noch einen Verband.« Übrigens: Die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Einzelhandel wurde im Jahr 2000 auf Druck der Arbeitgeberverbände aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Einzelhandel eine relativ stabile und gut aufgestellte Branche, was die Arbeitsbedingungen für das Personal anging. Seit der Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit haben wir es in der Branche mit einer sich beschleunigenden Entwicklung in Richtung Lohndumping seitens einzelner Unternehmen zu tun, die hoffen, sich darüber einen Wettbewerbsvorteil verschaffen zu können.

Apropos Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge: Auch die Möglichkeit hierzu wird immer wieder in der aktuellen Debatte von den Gegnern eines gesetzlichen Mindestlohns ins Feld geführt. Dabei ist die Entwicklung in den vergangenen Jahren genau in die andere Richtung verlaufen: Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich der Anteil der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge an allen geltenden Ursprungstarifverträgen von 5,4 % auf 1,5 % mit weiter abnehmender Tendenz reduziert. Der wichtigste Grund für diesen Rückgang liegt in der zunehmend ablehnenden Haltung der Arbeitgeberseite zu diesem Instrument: In den Tarifausschüssen haben die Arbeitgebervertreter in den letzten Jahren sehr viel häufiger als früher von ihrem Vetorecht gegen Allgemeinverbindlichkeits-Anträge Gebrauch gemacht – manchmal auch gegen den Willen des betreffenden Branchenarbeitgeberverbands.

Die Arbeitgeberverbände haben, so Haipeter in seinem Beitrag, darauf so reagiert: »Als ein deutsches Spezifikum im europäischen Vergleich haben die Arbeitgeberverbände seit Mitte der 1990er Jahre parallel … Mitgliedschaften „ohne Tarifbindung“ (OT) in ihren Reihen verankert oder gesonderte OT-Verbände gegründet. Inzwischen gibt es OT-Verbände in den meisten Branchen … Im Einzelhandel oder in der Holzindustrie wurden die OT-Verbände bewusst und erfolgreich dazu eingesetzt, die vorhandenen Tarifstrukturen zu zerstören.«

Das Thema Allgemeinverbindlichkeit ist nun wiederum relevant für die Frage der Festlegung von Mindestlöhnen innerhalb von bestimmten Branchen, was ja der bisherige Weg in Deutschland gewesen ist, um eine branchenbezogene Lohnuntergrenze einziehen zu können. Der ganze Prozess hat – vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen zwischen der Union und der SPD besonders pikant – in der letzten großen Koalition, die von 2005 bis 2009 die Geschicke unseres Landes bestimmt hat, begonnen: »Die große Koalition der Jahre 2005 bis 2009 begann dann auf Initiative der Gewerkschaften und der SPD, das Entsendegesetz, das ursprünglich vor allem den Bau mittels eines Mindestlohns vor billiger Konkurrenz aus Osteuropa schützen sollte, auch für andere Branchen anzuwenden. Bedingung dafür ist allerdings, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer der Branche in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiten«, so Flora Wiesdorff in ihrem Artikel „Mindestlohn-Debatte gefährdet Tarifautonomie“. Mit der 50 %-Regelung kommt nun aber die abnehmende Tarifbindung innerhalb der einzelnen Branchen ganz und gar negativ an die Oberfläche. Wenn man also abweichend von einem gesetzlichen, einheitlich ausgestalteten und flächendeckenden Mindestlohn agieren will, dann ist man gezwungen, die kontinuierlich gesunkene Tarifbindung wieder dadurch zu verstärken, dass man beispielsweise mit dem Instrument der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen agiert. Mit Blick auf eine Verstärkung des Instruments Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen argumentiert Thomas Haipeter: »Wichtig für die notwendige Wiederbelebung der Allgemeinverbindlichkeit wären neben einer Senkung des bisher erforderlichen Quorums von 50 Prozent die Abschaffung der Veto-Position des BDA und die stärkere Einbindung der Branchen-Tarifparteien in die Entscheidungsfindung. Deren Bereitschaft zur Einführung der Allgemeinverbindlichkeit ist zumeist deutlich größer.«

Um jeden Vorwurf einer einseitigen Berichterstattung von vornherein entgegenzutreten, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass natürlich auch der abnehmende Anteil an Arbeitnehmern, die bereit sind, sich bei den Gewerkschaften zu engagieren, einen signifikanten Beitrag zur abnehmenden Bedeutung einer tarifvertraglichen Regelung aus eigener Kraft leistet.

Wie sieht es nun mit dem Argument aus, dass der Niedriglohnsektor doch letztendlich ein Sammelbecken von ehemals Arbeitslosen und vor allem von Ungelernten sei, die auf diese hier überwiegend angebotenen einfachen Arbeiten angewiesen sind, um einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten zu können? Um eine Annäherung an eine Antwort auf diese Frage erreichen zu können, werfen wir einen Blick in die neueste Publikation des IAQ zum Thema Niedriglohnsektor:

Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf: Niedriglohnbeschäftigung 2011. Weiterhin arbeitet fast ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn, IAQ-Report 2013-01

Aus diesem Bericht können wir das folgende entnehmen: »Nach Qualifikation differenziert ist das Niedriglohnrisiko am stärksten für Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung gestiegen und nach Arbeitszeitform für Vollzeitbeschäftigte.« Betrachtet man den Zeitraum von 2001 bis 2011, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich das Risiko, dass beruflich Qualifizierte einer Niedriglohnbeschäftigung nachgehen müssen, von 20,8% auf 24,3% erhöht hat.

Nach Kalina/Weinkopf (2013: Tabelle 6, S. 9) sind nur noch 21,4% aller Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland gering qualifiziert. 69,8% der Niedriglohnbeschäftigten haben eine abgeschlossene Berufsausbildung und weitere 8,7% einen akademischen Abschluss. Bei einem Anteil von fast 80% Beschäftigten mit Berufsausbildung oder hochschulischer Qualifikation kann man nun wirklich nicht mehr davon sprechen, dass es alles Ungelernte sind, die sich im Niedriglohnsegment tümmeln müssen, weil – so das übliche Argument – sie eben nicht über die Produktivität verfügen, so dass man diese Menschen auch nicht höher vergüten könne.

Damit wären wir bei einem dritten Argument, das in der aktuellen Debatte immer wieder vorgetragen wird und dass viele Menschen, darunter vor allem den Mainstream-Ökonomen, sofort einleuchtend. So behauptet Michael Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk („Wirtschaftsforscher: Mindestlohn könnte Jobs kosten„) auf der Basis von Berechnungen, dass 5,6 Mio. Menschen weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdienen, »… dass nicht alle 5,6 Millionen Menschen wirklich einen Wert von 8,50 für ihr Unternehmen erwirtschaften. Und dann ist in der Tat die Gefahr groß, dass Unternehmen sagen, nein, wir können die Menschen nicht weiter beschäftigen, und die Arbeitslosigkeit steigt.«
Das erscheint wie eine plausible Argumentation, deshalb sei an dieser Stelle auf eine berechtigte Kritik von Stefan Dudey hingewiesen, die er in einem Blog-Beitrag unter dem schönen Titel „Eine dringende Frage an neoklassisch ausgebildete Ökonomen“ entwickelt hat:

»So komme ich in Berlin auf verschiedenen Straßen rund um das Brandenburger Tor immer wieder an freundlichen Menschen vorbei, die als Beruf dort gelegene Botschaften und andere wichtige Gebäude bewachen. Die machen das ganze Jahr über Schichtdienst rund um die Uhr, bei Sonne und Regen, um ihre Bewachungsaufgaben zu leisten. Natürlich werden sie durch installierte Kameras unterstützt, aber ganz kann man an bestimmten Stellen auf diese Leistung nicht verzichten. Jetzt die Frage: Werden die eigentlich Jahr für Jahr produktiver? “Erwirtschaften” die in diesem Jahr geschätzt 1,5% mehr Sicherheit als im Vorjahr?«

Ein weiteres Beispiel, das er heranzieht, sind die Busfahrer:

»Höhe, Breite und Länge beim Bus sind gesetzlich begrenzt, und somit passen auch nur begrenzt viele Fahrgäste hinein. Der Busfahrer fährt seine Schicht, hält die Geschwindigkeitsregeln ein und wird vermutlich (wegen zunehmendem Individualverkehr und immer mehr Stau) von Jahr zu Jahr in seiner pro Stunde durchschnittlich geleisteten Zahl an Personenkilometern immer schlechter. Müsste man ihm nicht den Reallohn jedes Jahr kürzen, weil er real immer weniger leistet? Er kann auch bei bestem Bemühen eigentlich nichts dafür, das ist klar, aber seine Produktivität wird nun mal messbar schlechter.«

Man könnte die Liste der vielen Berufe, die von diesem scheinbaren Produktivitäts-Paradoxon betroffen sind, beliebig fortführen: »Auch bei Fensterputzern, Klavierstimmern, Psychotherapeuten, Fliesenlegern, Hornisten bei den Bayreuther Festspielen und vielen anderen Berufen scheinen mir die technischen Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung oft ausgereizt zu sein«, so Dudey.

Und nehmen wir beispielsweise einen wichtigen Bereich wie die Pflege. Wie soll in diesem Bereich Jahr für Jahr eine Produktivitätssteigerung von 1 oder 2 % realisiert werden?

Natürlich gibt es andere Bereiche, wo man die erforderlichen Produktivitätssteigerung erwirtschaften kann, man denke hier nur an weite Teile der Industrie. Deswegen macht es ja gerade aus einer volkswirtschaftlichen Sicht überaus Sinn, dass Tariflohnsteigerung beispielsweise in der Industrie vereinbart werden, die man dann aber eben auch übertragen muss auf viele Dienstleistungsberufe, in denen aus einer rein betriebswirtschaftlichen Sicht keine höheren Löhne zu rechtfertigen sind, weil sich auch nicht die Produktivität erhöht hat.

Vor diesem Hintergrund erweist es sich als besonders fatal, wenn diese Berufe von der Lohnentwicklung in der Industrie abgekoppelt werden, was betriebswirtschaftlich gesehen durchaus rational, volkswirtschaftlich aber vor dem Hintergrund, dass die Löhne den Hauptbestandteil der Binnennachfrage darstellen, hoch problematisch wäre hinsichtlich der damit verbundenen Auswirkungen auf den Konsum.

Letztendlich manifestiert sich hier der berühmte „Doppelcharakter des Lohnes“:

Betriebswirtschaftlich gesehen sind Löhne immer Kosten, die man zu senken versuchen wird, während volkswirtschaftlich gesehen die Löhne das Rückgrat der Binnennachfrage darstellen, so dass zu starke Lohnsenkungen, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht für das einzelne Unternehmen sinnvoll sein können, in der Gesamtwirtschaft mit verheerenden Folgewirkungen verbunden wären. Das Schreckensszenario der Realität liegt offen auf dem Tisch: Die Löhne im Niedriglohnsektor werden von der normalen Lohnentwicklung abgekoppelt, zum einen, weil es keine tarifliche Ordnungsstruktur mehr in diesem Bereich gibt, zum anderen weil ein stabilisierendes Äquivalent wie ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn fehlt, an dem sich die Betriebe auszurichten hätten. Die fehlende Lohnuntergrenzen führen im Ergebnis dann zu den bekannten Effekten, dass aufgrund des Wettbewerbsdrucks der einzelne Unternehmer versucht, sich durch Kostensenkungen beispielsweise im Personalbereich Vorteile gegenüber den Konkurrenten auf seinem relevanten Markt zu erwirtschaften. Wenn er dann auch noch auf eine Umwelt stößt, in der einerseits eine von außen vorgegebene, nicht-unterschreitbare Lohnuntergrenze nicht vorhanden ist und gleichzeitig der Staat durch ein gigantisches Kombilohn-Programm namens Hartz IV die Optionen eröffnet, dass die besonders niedrig bezahlten Arbeitnehmer aufstockende Leistungen aus dem Grundsicherungssystem beziehen können, dann perpetuiert man ein grundlegendes Dilemma: Eine Privatisierung von Gewinnen in Verbindung mit einer Sozialisierung eigentlich auf der betrieblichen Ebene anfallender Kosten. Das erscheint nicht nur sinnlos, das ist auch sinnlos.