Das Kreuz mit dem richtigen Kreuz bei Nicht-Einstellungen durch kirchlich gebundene Arbeitgeber

Ach, die kirchlichen Arbeitgeber in Deutschland und ihre Extra-Würste, die man ihnen in einem zentralen Bereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens zugesteht – im Arbeitsrecht. Das regelt bekanntlich wesentliche Aspekte des Zusammenspiels und des Konflikts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Und die arbeitsrechtlichen Vorschriften gelten für alle. Also eigentlich, denn die konfessionell gebundenen Arbeitgebern dürfen in einem nur ihnen zugestandenen Sondersystem operieren, in dem wichtige Regeln des „normalen“ Arbeitsrechts so nicht gelten. Das produziert dann immer wieder mal Schlagzeilen, wenn für die interessierten Beobachter der Szenerie mehr als merkwürdig daherkommende Entscheidungen in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung geraten, beispielsweise die Entlassung einer Erzieherin, die in einem katholischen Kindergarten gearbeitet hat, weil sie geschieden ist und nun das eigentlich völlig „unmoralische“ Zusammenleben mit einem neuen Partner durch eine neue Eheschließung gleichsam aufwerten will, was dann zu einem „öffentlichen Ärgernis“ in der kirchlichen Selbstwahrnehmungswelt wird und den Rausschmiss auslöst. Die Falltür mit der Wiederheirat kann auch für einen Chefarzt eines katholischen Krankenhauses zum jobmäßigen Genickbruch führen – während in vielen anderen katholischen Kliniken die heftigsten Lebensformen ohne Probleme praktizierbar sind (weil die kirchlichen Arbeitgebern ansonsten keine lebenden Ersatz mehr finden würden). Vgl. dazu beispielsweise diesen Beitrag vom 29. Juli 2016: Zweifel an der – willkürlichen – Trennung zwischen unter dem Kreuz arbeitenden und normalen Menschen führen zu einem Ping-Pong-Spiel zwischen ganz oben und noch höher. Man erkennt bereits an diesen wenigen Hinweisen, dass wir uns auf höchst schwankendem Grund bewegen (müssen).

Man kann das angesprochene „Sondersystem“ auch so beschreiben: »Das kirchliche Arbeitsrecht kennt einige arbeitsrechtliche Besonderheiten: So können etwa keine Personal- oder Betriebsräte mit hohen Mitbestimmungsrechten, sondern nur Mitarbeitervertretungen gebildet werden. Auch eine gewerkschaftliche Vertretung existiert faktisch nicht. Kirchliche Arbeitnehmer dürfen nicht in den Streik treten. Die insbesondere in der katholischen Kirche geltende und für die dort beschäftigten konfessionsgebundenen Mitarbeiter geltende sog. Grundordnung setzt zudem enge Vorgaben an loyales Verhalten. Verstöße hiergegen können kündigungsrechtliche Relevanz haben.«

Im November 2017, also vor fast genau einem Jahr, wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Kein Job ohne Konfession? Darüber muss der EuGH entscheiden. In kirchlich gebundenen Unternehmen ist das ein echtes Problem. Ausgangspunkt für die damalige Berichterstattung: »… immer wieder wird man mit dem Sachverhalt konfrontiert, dass konfessionell gebundene Träger die Zugehörigkeit zu ihrer bzw. mindestens einer anerkannten christlichen Kirche als Voraussetzung für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses statuieren. Was natürlich zu einer unmittelbaren Diskriminierung derjenigen führt, die nicht die entsprechende Religionszugehörigkeit haben oder sie aus welchen individuellen Gründen auch nicht haben wollen, sehr wohl aber den jeweiligen Job ausüben können und das auch gerne machen würden.«

Konkret ging es im vergangenen Jahr um den „Fall Egenberger“, der dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorlag – und genau dieser Fall wurde nun vom Bundesarbeitsgericht erneut aufgerufen. Dazu muss man wissen, dass das Bundesarbeitsgericht, bei dem die Klage der Sozialpädagogin Vera Egenberger gegen das Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung im Jahr 2016 gelandet war, das EuGH angerufen hat, um eine europarechtliche Klärung zu bekommen. im Der Sachverhalt, der diese hohen Gerichte beschäftigt hat, kann mit dem EuGH so zusammengefasst werden:

»Frau Egenberger bewarb sich auf eine Stelle, die vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung ausgeschrieben worden war, einem privatrechtlichen Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, das ausschließlich gemeinnützige, mildtätige und religiöse Zwecke verfolgt. Der Aufgabenbereich der auf 18 Monate befristeten Stelle umfasste die Erarbeitung eines Berichts über die Einhaltung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung durch Deutschland. Dazu gehörte die öffentliche und fachliche Vertretung des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung sowie die Koordination des Meinungsbildungsprozesses innerhalb dieses Verbandes. In der Stellenanzeige hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder einer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirche vorausgesetzt werde.
Frau Egenberger bekam die Stelle nicht. Sie macht geltend, dies liege daran, dass sie keiner Religionsgemeinschaft angehöre. Sie klagte daher vor den deutschen Arbeitsgerichten auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von etwa 10 000 Euro, weil sie aus Gründen der Religion diskriminiert worden sei.«

Damit kirchliche Träger ihren Auftrag erfüllen können, ist es nach Ansicht des Generalanwalts am EuGH nicht notwendig, dass jeder Mitarbeit auch dessen Konfession angehört. Die Hauptargumentation im Schlussantrag des Generalanwalts Tanchev, dem das EuGH in seiner Entscheidung auch gefolgt ist, ging so: Nach seiner Auffassung unterliegen berufliche Anforderungen, die von religiösen Organisationen gestellt werden, der gerichtlichen Überprüfung, wenn gegen sie der Vorwurf einer rechtswidrigen Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung erhoben wird. Wortwörtlich hieß es: »Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, das Recht der Organisation auf Autonomie und Selbstbestimmung gegen das Recht des Arbeitnehmers oder Stellenbewerbers abzuwägen, nicht wegen der Religion oder der Weltanschauung diskriminiert zu werden.«

Im April 2018 kam dann die Entscheidung vom EuGH – zugunsten der Klägerin: Kirchliche Arbeitgeber müssen unter Umständen auch Konfessionslose einstellen – die Überschrift dieses Artikels zur der EuGH-Enstscheidung aus dem Frühjahr 2018 signalisiert zugleich, dass das eben nicht grundsätzlich, also für alle Einstellungsfälle gilt. Es kommt auf den Einzelfall an. Zwischen dem kirchlichen Privileg auf Selbstbestimmung und dem Recht eines Bewerbers, nicht wegen seiner Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, müsse ein „angemessener Ausgleich“ hergestellt werden.Kirchen dürften zwar eine „mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängende Anforderung“ stellen. Dies gelte aber nur, wenn diese Bedingung bei der jeweiligen Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation“ darstelle.

Und nun wurde der Fall erneut und im Lichte der EuGH-Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt behandelt und entschieden: Kirche darf bei Einstellungen nicht auf Religionszugehörigkeit pochen, so ist einer der Artikel über das Urteil überschrieben. Darin seit es: »Die Kirchen in Deutschland dürfen bei Stellenausschreibungen künftig nicht mehr von jedem Bewerber eine Religionszugehörigkeit verlangen … Das Gericht setzte in seinem Grundsatzurteil Regeln, wann eine Kirchenmitgliedschaft gefordert werden darf.« Das sei eine Veränderung der bisherigen Rechtsprechung zum kirchlichen Arbeitsrecht.

Da schauen wir doch in das Original, hier die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 25. Oktober 2018, AZ.: 8 AZR 501/14, die unter einer wie so oft trockenen Überschrift veröffentlicht wurde: Benachteiligung wegen der Religion – Entschädigung. Darin heißt es: »Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 3.915,46 Euro zu zahlen.« Zur Begründung dieser Entscheidung kann man der Mitteilung des BAG entnehmen:

»Der Beklagte hat die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung war nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheidet aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ist einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zugänglich und muss deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG liegen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG – in unionsrechtskonformer Auslegung – ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt. Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls ist die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folgt im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin – wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich – in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte. Der Höhe nach war die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen.«

Das Urteil sei keine Überraschung, aber folgenreich meint Michael Fuhlrott in seinem Beitrag Im Kir­chen­ar­beits­recht brö­ckeln die Pri­vi­le­gien: Er weist darauf hin, dass bereits die EuGH-Entscheidung aus dem April 2018 (Urt. v. 17.4.2018, Az.: C-414/16) für Aufruhr im deutschen (Kirchen-)Arbeitsrecht gesorgt hat. Die Frage, ob für eine Stelle die Kirchenzugehörigkeit eine notwendige und gerechtfertigte Anforderung sei, müsse einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte unterliegen – das wurde als „Paradigmenwechsel“ wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund kam die Entscheidung des BAG am 25. Oktober 2018 nicht unerwartet. Interessant ist die Bewertung der BAG-Entscheidung durch Michael Fuhlrott:

»Ist die heutige Entscheidung nun der „Anfang vom Ende des kirchlichen Arbeitsrechts“? Dies sicherlich nicht, wenngleich für die Kirchen die Unterwerfung ihrer eigenen Maßstäbe unter eine volle staatliche Kontrolle ein Novum ist. In jedem Fall führt das Urteil zu einer völligen Neuausrichtung der Einstellungs- und Personalpolitik der Kirchen in Deutschland … Insgesamt müssen sich die Kirchen folglich darauf einstellen, dass die bislang lieb gewonnenen Privilegien des kirchlichen Arbeitsrechts nach und nach bröckeln und die Kirchen sich mehr und mehr einem „normalen Arbeitgeber“ annähern. Dies mag man je nach persönlicher Einstellung begrüßen oder ablehnen – für die Betroffenen und die Rechte der Beschäftigten stellt es in jeder Hinsicht einen Gewinn dar.«

Ziemlich eindeutig die Bewertung des Urteils von Matthias Schiermeyer in seinem Kommentar Schwerer Schlag für die Kirchen: »Mit diesem Urteil verlangt das Bundesarbeitsgericht den Kirchen die Toleranz ab, die sie bisher nicht zeigen wollen.« Und er blickt in die Zukunft: »Möglich, dass sich auch das Verfassungsgericht damit noch einmal befassen muss, das sich den Kirchen gegenüber bisher großzügiger gezeigt hatte. Es ist aber absehbar, dass den Arbeitgebern die Toleranz vorgeschrieben wird, die sie freiwillig kaum zu zeigen bereit waren. Als Nächstes könnte dann das gesamte kirchliche Arbeitsrecht zur Disposition stehen.« Und Wolfgang Janisch hat seinen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung unter die Überschrift gestellt: Willkommen im Rechtsstaat. Seine Einschätzung: »Nächstes Jahr wird das Grundgesetz 70 Jahre alt, ein Anlass, sich an seine Entstehung zu erinnern. Zum Beispiel daran, wie es den Kirchen damals gelang, ihr in den Weimarer Staatskirchenartikeln festgeschriebenes Sonderrecht in die neue Verfassung hinüberzuretten. Das Jahr vor dem Jubiläum aber – 2018 – könnte als das Jahr in die Kirchengeschichte eingehen, in dem sich einige dieser Privilegien dem Ende zuneigen. Die Gerichte sind angetreten, einige Restbestände des einstigen Staatskirchentums zu entfernen.«

Interessant ist bei solchen Fragen immer auch die Einschätzung von Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, der dem Sonderstatus der Kirchen im Arbeitsrecht keineswegs feindlich oder ablehnend gegenübersteht, ganz im Gegenteil. Ein Interview mit ihm wurde unter der bezeichnenden Überschrift „Kirchen sind kein Arbeitgeber wie jeder andere“ veröffentlicht. Seine Sicht auf den konkreten Fall und seine Bedeutung für die Einstellungspraxis:

»Auch weiterhin gilt: Bei bestimmten Stellen dürfen religiöse Arbeitgeber weiterhin nach Konfessionszugehörigkeit unterscheiden. Etwa wenn die Position entscheidend für den karitativen oder Verkündungsauftrag ist. Bei Erzieherinnen zum Beispiel: Hier ist die religiöse Erziehung der Kinder ein Element der Tätigkeit selber. Das kann ich als Buddhist schlecht. Die im entschiedenen Fall abgelehnte Bewerberin aber wäre laut Gericht in ein Team von anderen Arbeitnehmern eingebunden gewesen und hätte so das Ethos der Einrichtung gar nicht infrage stellen können. In solchen Fällen darf nach diesem Urteil die Religion keine Rolle spielen.«

Auf die Frage, welche Konsequenzen das Urteil für die Kirchen hat, antwortet Thüsing: »Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist empfindlich berührt worden. Bislang durften die Kirchen vorgeben, welche Stellen so wichtig sind, dass sie hier nur Christen einstellen wollen. Das könnte nun anders werden. Aber die Kirchen werden sich fragen müssen, ob sie die Entscheidung noch mal vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen lassen wollen oder nicht. Wenn sie das Urteil akzeptieren, müssen sie klären: Was heißt das für unsere konkrete Einstellungspraxis? Ist es erforderlich, unsere Regelwerke anzupassen?«

Auf eine mögliche und durchaus konflikthafte Konstellation hat Wolfgang Janisch hingewiesen: Das oberste EU-Gericht, auf das sich das Bundesarbeitsgericht bewusst bezieht, habe sich diametral gegen das Bundesverfassungsgericht gestellt. »Denn Karlsruhe hatte den Kirchen, als Reminiszenz an ihre Jahrhunderte alte Sonderrolle, eine Insel im Rechtsstaat reserviert: Die staatlichen Gerichte schauen zwar vom Ufer aus zu, ob der Umgang mit kirchlichen Arbeitnehmern in Ordnung ist, aber sie rudern nur im Notfall hinüber. Der EuGH dagegen holt die Kirchen aufs rechtsstaatliche Festland. Das bedeutet nun nicht, dass die Kirchen zu gewöhnlichen Arbeitgebern herabgestuft werden. Natürlich definieren allein sie ihre religiösen Grundsätze, und selbstverständlich sind die Gerichte gehalten, das kirchliche Ethos zu achten. Das hat auch der EuGH betont. Neu ist allerdings, dass staatliche Gerichte die Rationalität solcher Personalentscheidungen kontrollieren – und sie gegen die Grundrechte der Arbeitnehmer abwägen.«

Stimmt, da ist doch noch eine Instanz, die bislang den Kirchen eine sehr lange Leine gelassen hat. In diese offene Wunde stößt Reinhard Bingener mit seinem Kommentar in der Print-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 28.10.2018 unter der bezeichnenden Überschrift „Gefahr für die Kirche“. Darin bietet er uns eine durchaus aufheiternde Interpretation des jahrelangen Rechtsstreits:

»Man kann dieses Grundsatzurteil aus Erfurt auch von einer heiteren Seite betrachten. Im konkreten Fall hat der Dachverband der evangelischen Diakonie nämlich einen Referenten gesucht, der bei der – Achtung, jetzt wird’s kompliziert – „Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung“ hilft. Für dieses Vorhaben bewarb sich auch eine „freie Trainerin und Beraterin“ mit zwanzig Jahren Berufserfahrung im Bereich „Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Antirassismus“. Sie wurde aber nicht einmal eingeladen. Weil sie konfessionslos sei, sagt die Frau. Die Diakonie sagt: weil sie nicht so viel von Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Antirassismus verstehe wie der erfolgreiche Bewerber, der im Gegensatz zu ihr einen Hochschulabschluss habe. Es kam zu einem sechs Jahre langen Rechtsstreit, den die Diakonie jetzt verloren hat. Nun könnte man sagen: selber schuld. Wer sich unbedingt Antidiskriminierungsexperten in den Pelz setzen möchte, muss eben damit rechnen, dass sich die abgelehnten Antidiskriminierungsexperten mit ihrem ganzen Antidiskriminierungsfuror gegen einen wenden und mal so richtig zeigen, wer mehr Antidiskriminierung drauf hat. Insofern hat die Diakonie vor dem Bundesarbeitsgericht lediglich ihre gerechte Strafe bekommen.«

Dann aber kommt Bingener richtig zum Kern des Problems: »Das Erfurter Urteil bedeutet zwar nicht, dass sich künftig auch ein gläubiger Hindu in den Job als Landesbischof von Schaumburg-Lippe hineinklagen kann oder in ein Kloster unbeschuhter Karmelitinnen. Es wird auch weiterhin einen geschützten Kernbereich der Religion geben. Aber wo der beginnt, entscheidet künftig womöglich ein konfessionsloser Arbeitsrichter aus Finsterwalde. Und genau da liegt das Problem. Denn es gehört zu den ehernen Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, dass es solche „Richtertheologie“ nicht geben darf, weil damit einer Aushöhlung der Religionsfreiheit die Tür geöffnet wird.«

Und offensichtlich gefällt sich der Autor darin, Salz in eine weiterhin offene Wunde zu streuen, wenn er zu dem konkreten Fall ausführt: »Das Erfurter Bundesarbeitsgericht hatte ihn vor seiner Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Klärung vorgelegt. Dieser urteilte, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU auch dann gilt, wenn ihr nationale Gesetze – in diesem Fall das deutsche Grundgesetz – entgegenstehen. Und das, obwohl in den EU-Verträgen explizit und in aller Deutlichkeit das Versprechen festgeschrieben wurde, dass die EU den Status der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten nicht antasten wird – eine Zusage, auf welche die deutsche Regierung größten Wert gelegt hat. Die EuGH-Richter lassen in ihrem Urteil erkennen, dass ihnen solche Garantien herzlich egal sind. Luxemburg hat Karlsruhe in einem Kernbereich der Verfassung angegriffen, und Erfurt hat dabei mitgeholfen.«

Man liest ihn, den provozierenden Subtext. Wollt ihr euch das gefallen lassen in Karlsruhe?

Aus einer schlichten ökonomischen Sicht kann man abschließend nur feststellen, dass die Kirchen gut beraten wären, die alten Zöpfe der Vergangenheit abzuschneiden. Sie finden doch jetzt schon kaum noch Fachkräfte für ihre vielen Einrichtungen im Bereich der sozialen und gesundheitlichen Versorgung. Und sie sollten mit der bereits heute überall zu besichtigenden Doppelmoral endlich mal aufhören – wenn es nicht anders geht, akzeptiert man (selbstverständlich stillschweigend, wie man das von den Kirchen so kennt), alle möglichen Lebenskonstellationen. Und wenn man noch Auswahl hat, dann schlägt das unbarmherzige Instrument des kirchlichen Sonderarbeitsrechts zu. Und auch an dieser Stelle für das Protokoll: Wir reden hier nicht über die Besetzung von Pfarrer-Stellen. Das sollte dann schon eine einschlägige Qualifikation und Mitgliedschaft voraussetzen können und dürfen.

Aber wir reden zugleich von konfessionell gebundenen Arbeitgebern, die weit mehr als eine Million Menschen beschäftigen in Einrichtungen, die überwiegend bis ausschließlich aus staatlichen Töpfen finanziert werden. Und auch die sollten endlich auf dem normalen Festland anlanden dürfen.

Foro: © Stefan Sell